Die einstige Zuneigung zum Pferd war lange Zeit tief verwurzelt im Wesen des Menschen und hat deutliche Spuren in beinahe allen Kulturen der letzten Jahrtausende hinterlassen. Seitdem sich die Wege von Mensch und Pferd kreuzten, sind beide ohne den anderen nicht mehr denkbar. Diese symbiotische Einheit findet ihren stärksten Ausdruck im Reitermotiv.
Vor dem Hintergrund der für den Menschen bedeutsamen Vereinigung mit dem Pferd nimmt die vorliegende Untersuchung des Reitermotivs, welches in der Malerei vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert in mannigfaltiger Form bildkünstlerisch bearbeitet wurde, ihren Anfang. Doch unterliegt die Bedeutungsebene, wie die Beziehung zwischen Mensch und Pferd auch, einem Wandel, den genauer zu erkunden und zu beschreiben das Ziel dieser Arbeit ist. Pferd und Reiter gehören sicher zu denjenigen Symbolen, deren Gehalt sich in Abhängigkeit des zeitgeschichtlichen Kontextes und einer individuellen Künstlersymbolik verändert.
Die Frage nach der Deutung von Sinnbildern in Werken der bildenden Kunst wie in der Literatur ist eine bedeutsame, ohne die keine Interpretation stattfinden kann. Umso erstaunlicher ist es, dass sich die explizit Pferd und Reiter in der bildenden Kunst behandelnde Literatur vornehmlich auf Analysen der Form stützt und die Motive wenig interpretierend behandelt. Zwar wird gemeinhin auf die Wirkungen von Form und Farbe der Gemälde eingegangen und finden ikonographische Analysen statt, doch Hinweise auf die sinnbildhafte Wirkung der Motive sucht der Leser oftmals vergebens. Dabei ist es dem ikonographisch vorgebildetem Rezipienten doch kaum möglich, Caravaggios Bekehrung Sauli zu betrachten, ohne über die Farbe des Pferdes zu stolpern. Warum ist des Heiligen Paulus Pferd bei Caravaggio ein Schecke? Stellen nicht Schimmel konventionalisiert die Pferde der Heiligen dar? Zu glauben, dass der Schecke allein der Betonung des für Caravaggio typischen Chiaroscuro dient, fällt schwer zu glauben.
Anliegen dieser Arbeit ist es, beispielhaft anhand einer kleinen Auswahl von Werken der Malerei vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert die Sinnbildhaftigkeit des Reitermotivs sowie deren Wandel zu untersuchen und seine Vielschichtigkeit zu demonstrieren. Die behandelten Gemälde stehen stellvertretend für bestimmte vom Mittelalter bis in die Moderne wiederkehrende Gehalte.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Mensch und Pferd
- Von der Jagdbeute zum Reittier
- Das Pferd als göttliches Tier
- Das Pferd als Arbeitstier
- Pferd und Reiter als Sinnbild
- Anthropomorphisierung des Pferdes
- Das Pferd als Symbol männlicher Triebe
- Göttlich-Dämonischer Bereich
- Das Pferd als Statussymbol
- Das Reitermotiv in der Malerei
- Das Mittelalter
- Apokalyptische Reiter
- Beatuskommentar, M. 11. Jahrhundert
- Beatuskommentar, A. 13. Jahrhundert
- Der Heilige Georg als Drachentöter
- Apokalyptische Reiter
- Leonardo da Vinci: Anghiarischlacht 1504-1506
- Michelangelo de Caravaggio: Bekehrung Sauli 1600/01
- Das barocke Reiterportrait
- Wegbereiter Tizian: Karl V zu Pferd, um 1547
- Diego Velázquez: Reiterportraits der königlichen Familie, 1634-1636
- Anthonis van Dyck: Karl I zu Pferde, um 1638
- Das 18. Jahrhundert – Klassische Epoche des englischen Pferdeportraits
- Das Reiterportrait in der Malerei napoleonischer Zeit
- Jacques-Louis David: Bonaparte, die Alpen überschreitend, 1800
- Francisco de Goya: Der 2. Mai 1808 in Madrid: Kampf der Mamelucken, 1814
- Arnold Böcklin: Der Kampf auf der Brücke, 1889
- Das beginnende 20. Jahrhundert
- Max Liebermann: Reiter und Reiterin am Strand, 1903
- Pferd und Reiter bei Franz Marc
- Der heilige Julian der Gastfreie, 1913
- Picasso: Guernica, 1937
- Das Mittelalter
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Wandel der Symbolik des Reitermotivs in der Malerei vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Ziel ist es, die vielschichtigen Bedeutungen des Motivs in Abhängigkeit vom zeitgeschichtlichen Kontext und der individuellen Künstlersymbolik aufzuzeigen und exemplarisch anhand ausgewählter Gemälde zu analysieren.
- Die Entwicklung der Symbolik des Pferdes in der Kunstgeschichte.
- Die Beziehung zwischen Mensch und Pferd als Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse.
- Die Rolle des Reitermotivs als Spiegelbild kultureller und gesellschaftlicher Veränderungen.
- Die Interpretation ausgewählter Gemälde unter Berücksichtigung sozial-historischer und künstlerisch-biografischer Hintergründe.
- Der Vergleich sinnbildhafter Darstellungen des Reiters in der Malerei verschiedener Epochen.
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Arbeit untersucht die Symbolik des Reitermotivs in der Malerei, beginnend im Mittelalter und reichend bis zu Picasso. Sie beleuchtet den Wandel der Bedeutung des Motivs im Laufe der Geschichte und hebt die enge Verbindung zwischen Mensch und Pferd hervor. Die Arbeit konzentriert sich auf die abendländische Kunst und betont die Bedeutung der Interpretation von Symbolen in Kunstwerken.
Mensch und Pferd: Dieses Kapitel beschreibt die lange Evolutionsgeschichte des Pferdes und die Entwicklung der Beziehung zwischen Mensch und Pferd. Es wird die Domestizierung des Pferdes, seine Rolle als Jagdbeute, göttliches Tier und Arbeitstier detailliert dargestellt. Die verschiedenen Aspekte dieser Mensch-Pferd-Symbiose werden beleuchtet, um das Fundament für das Verständnis des Reitermotivs in der Malerei zu legen.
Pferd und Reiter als Sinnbild: Dieses Kapitel beleuchtet die vielschichtige Symbolik des Pferdes und des Reiters. Es werden die Anthropomorphisierung des Pferdes, seine Darstellung als Symbol männlicher Triebe, seine Verbindung zum Göttlichen und Dämonischen sowie seine Rolle als Statussymbol behandelt. Die Ambivalenz der Symbolik – das Pferd kann sowohl Gutes als auch Böses repräsentieren – wird hervorgehoben.
Das Reitermotiv in der Malerei: Dieses Kapitel legt die methodischen Grundlagen für die Analyse der ausgewählten Gemälde. Es diskutiert die Bedeutung von Konventionen und die individuelle Symbolik des Künstlers im Kontext der Rezeption und Interpretation von Symbolen in der Kunst. Das Kapitel betont die komplexe Interaktion zwischen den Intentionen des Künstlers und den Assoziationen des Betrachters.
Das Reitermotiv in der Malerei - Mittelalter: Das Kapitel behandelt die Symbolik des Reitermotivs im Mittelalter, wobei die Unterscheidung zwischen sakralem und profanen Kontext im Fokus steht. Die Darstellung der apokalyptischen Reiter in mittelalterlichen Handschriften wird analysiert, ebenso wie das Bild des Heiligen Georg als Drachentöter. Das Kapitel betont die Bedeutung der Farbe des Pferdes als Symbolträger.
Das Reitermotiv in der Malerei – Leonardo: Die Analyse von Leonardos "Anghiarischlacht" zeigt den Wandel in der Darstellung von Pferd und Reiter in der Renaissance. Der Fokus liegt auf der naturalistischen Darstellung, der Dynamik und der körperhaften Wiedergabe von Mensch und Tier. Die Interpretation der Kentauren-Analogie und die symbolische Bedeutung der Pferde werden diskutiert.
Das Reitermotiv in der Malerei – Caravaggio: Dieses Kapitel untersucht Caravaggios "Bekehrung des Paulus". Der Fokus liegt auf der realistischen Darstellung und der Verwendung von Licht und Schatten. Die ungewöhnliche Darstellung des Pferdes als Schecke wird im Kontext des Physiologus interpretiert und als Symbol für den inneren Konflikt des Paulus gedeutet.
Das Reitermotiv in der Malerei – Barock: Dieses Kapitel analysiert barocke Reiterporträts, insbesondere die Werke von Tizian, Velázquez und van Dyck. Es wird der Wandel der Symbolik des Pferdes vom wilden, ungezügelten Tier zum gezähmten, adligen Reittier beleuchtet. Die Bedeutung des Pferdes als Symbol für die Macht des Herrschers und als Spiegelbild seiner Persönlichkeit wird diskutiert.
Das Reitermotiv in der Malerei – Englisches Pferdeportrait: Dieses Kapitel behandelt die Entwicklung der englischen Pferdeportraits im 18. Jahrhundert. Im Gegensatz zu den barocken Reiterporträts steht hier das Pferd im Mittelpunkt, wobei die Zucht und die sportliche Leistung im Vordergrund stehen. Der Reiter rückt in den Hintergrund und wird oft anonym dargestellt.
Das Reitermotiv in der Malerei – Napoleonische Zeit: Die napoleonische Zeit brachte einen erneuten Höhepunkt in der heroischen Darstellung des Reiters. Das Kapitel analysiert die Werke von Jacques-Louis David und Francisco de Goya, wobei die unterschiedlichen Ansätze und die politischen Kontexte berücksichtigt werden. Der Wandel in der Darstellung des Pferdes wird hervorgehoben.
Das Reitermotiv in der Malerei – Böcklin: Die Analyse von Böcklins "Kampf auf der Brücke" zeigt die symbolistische Sichtweise auf das Reitermotiv. Die Darstellung des Kampfes als Metapher für den Konflikt zwischen Natur und Industrialisierung wird interpretiert. Böcklins symbolhafte Bildsprache und die Bedeutung des Pferdes als Symbol für die Natur des Menschen werden erläutert.
Das Reitermotiv in der Malerei – Das beginnende 20. Jahrhundert: Das Kapitel behandelt die Werke von Max Liebermann und Franz Marc, welche das Reitermotiv als Ausdruck gesellschaftlicher und künstlerischer Veränderungen nutzen. Liebermanns "Reiter und Reiterin am Strand" zeigt die zunehmende Distanz zwischen Mensch und Natur. Marcs Tierbilder und die Bedeutung von Pferd und Reiter als Symbol für die Synthese von Instinkt und Vernunft werden erläutert.
Das Reitermotiv in der Malerei – Picasso: Das Kapitel analysiert Picassos "Guernica" als Symbol für den Schrecken des Krieges. Das Pferd, als zentrales Motiv, wird als Opfer und Sinnbild des leidenden spanischen Volkes interpretiert. Picassos kubistischer Stil wird im Kontext der emotionalen Wirkung des Gemäldes diskutiert.
Schlüsselwörter
Reitermotiv, Malerei, Symbolik, Pferd, Mensch-Pferd-Beziehung, Mittelalter, Renaissance, Barock, Napoleonische Zeit, Moderne, Ikonologie, Sozialgeschichte, Kunstinterpretation, Caravaggio, Leonardo da Vinci, Velázquez, Goya, Böcklin, Liebermann, Marc, Picasso, Anghiarischlacht, Bekehrung des Paulus, Guernica.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Text: Symbolik des Reitermotivs in der Malerei
Was ist der Gegenstand des Textes?
Der Text analysiert die Symbolik des Reitermotivs in der abendländischen Malerei vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Er untersucht die Entwicklung der Symbolik des Pferdes und die Beziehung zwischen Mensch und Pferd als Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse und kultureller Veränderungen. Der Fokus liegt auf der Interpretation ausgewählter Gemälde und dem Vergleich sinnbildhafter Darstellungen verschiedener Epochen.
Welche Epochen und Künstler werden behandelt?
Der Text behandelt das Reitermotiv vom Mittelalter (mit Beispielen aus dem Beatuskommentar und Darstellungen des Heiligen Georg) über die Renaissance (Leonardo da Vincis "Anghiarischlacht"), den Barock (Tizian, Velázquez, van Dyck), die napoleonische Zeit (David, Goya), bis hin zur Moderne (Böcklin, Liebermann, Marc und Picasso mit seinem "Guernica"). Die Analyse konzentriert sich auf die jeweilige künstlerische und historische Kontextualisierung.
Welche Themenschwerpunkte werden im Text behandelt?
Die wichtigsten Themen sind die Entwicklung der Symbolik des Pferdes in der Kunstgeschichte, die Beziehung zwischen Mensch und Pferd als Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse, die Rolle des Reitermotivs als Ausdruck kultureller und gesellschaftlicher Veränderungen, die Interpretation ausgewählter Gemälde unter Berücksichtigung sozial-historischer und künstlerisch-biografischer Hintergründe und der Vergleich sinnbildlicher Darstellungen des Reiters in verschiedenen Epochen.
Welche Kapitel umfasst der Text?
Der Text gliedert sich in eine Einleitung, die Kapitel "Mensch und Pferd", "Pferd und Reiter als Sinnbild", "Das Reitermotiv in der Malerei" (unterteilt in Abschnitte zu verschiedenen Epochen und Künstlern) und eine Zusammenfassung. Jedes Kapitel bietet eine detaillierte Analyse der jeweiligen Thematik.
Welche methodischen Ansätze werden verwendet?
Der Text verwendet eine ikonographische und ikonologische Analysemethode, um die Symbolik des Reitermotivs zu untersuchen. Er berücksichtigt sowohl die künstlerischen Konventionen als auch die individuelle Symbolik der Künstler und die historischen und gesellschaftlichen Kontexte. Die Interpretation der Gemälde basiert auf einer Kombination aus kunsthistorischer Forschung und sozialhistorischen Erkenntnissen.
Welche Schlüsselbegriffe sind im Text relevant?
Schlüsselbegriffe sind Reitermotiv, Malerei, Symbolik, Pferd, Mensch-Pferd-Beziehung, Mittelalter, Renaissance, Barock, Napoleonische Zeit, Moderne, Ikonologie, Sozialgeschichte, Kunstinterpretation, sowie die Namen der behandelten Künstler (Caravaggio, Leonardo da Vinci, Velázquez, Goya, Böcklin, Liebermann, Marc, Picasso) und deren Schlüsselwerke (Anghiarischlacht, Bekehrung des Paulus, Guernica etc.).
Wie ist der Text aufgebaut?
Der Text ist als umfassende Vorschau gestaltet und beinhaltet ein Inhaltsverzeichnis, die Zielsetzung und Themenschwerpunkte, Zusammenfassungen der einzelnen Kapitel und eine Liste der Schlüsselwörter. Dies ermöglicht dem Leser einen schnellen Überblick über den Inhalt und die Struktur des gesamten Textes.
Für wen ist der Text bestimmt?
Der Text richtet sich an Personen, die sich für die Symbolik des Reitermotivs in der Kunstgeschichte interessieren, insbesondere an Studierende der Kunstgeschichte und verwandter Disziplinen. Die detaillierte Analyse und die umfassende Quellenangaben machen ihn zu einer wertvollen Ressource für akademische Arbeiten.
Welche Bedeutung hat das Pferd im Kontext des Reitermotivs?
Die Bedeutung des Pferdes wandelt sich im Laufe der Geschichte. Es ist sowohl Jagdbeute, göttliches Tier und Arbeitstier, als auch Symbol für männliche Triebe, den Status des Reiters und die Verbindung zum Göttlichen und Dämonischen. Die Farbe und die Haltung des Pferdes tragen oft zur Symbolik bei.
Wie spiegelt das Reitermotiv gesellschaftliche Veränderungen wider?
Das Reitermotiv spiegelt die gesellschaftlichen Veränderungen der jeweiligen Epochen wider. Die Darstellung von Macht und Herrschaft, der Wandel der Mensch-Tier-Beziehung, die Rolle des Reiters als Held oder Krieger und die Bedeutung des Pferdes als Statussymbol unterstreichen diese gesellschaftlichen Aspekte.
- Arbeit zitieren
- Anne Silbereisen (Autor:in), 2008, Das Reitermotiv in der Malerei - Wandel der Bedeutung vom Mittelalter bis zu Picasso, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112110