Die Schilderung der Varusschlacht in den antiken Quellen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

I. Vorwort

II. Die antiken Quellen
Velleius Paterculus
Tacitus
Florus
Cassius Dio

III. Fazit

IV. Literaturverzeichnis

I. Vorwort

Quintili Vare, legiones redde!1 Diesen Ausspruch soll Kaiser Augustus gemacht haben, als er von der katastrophalen N iederlage des Publius Quinctilius Varus hörte, die dieser im Jahre 9 n. Chr. in Germanien erlitten hatte. Die Ereignisse, die sich im Jahre 9 n. Chr. in Germanien abspielten, sind uns bis heute nicht in allen Einzelheiten bekannt, in vielen Fällen kann man nur Vermutungen anstellen und muss geduldig abwarten, ob eventuell neue archäologische Funde weitere Aufschlüsse in den verschiedenen Fragestellungen geben können. Die Frage, die bis heute an erster Stelle steht, wenn man sich mit der clades Variana beschäftigt, ist die Frage nach dem Wo. In dieser Frage – aber auch in allen anderen, die die Schlacht betreffen – sind es die literarischen Hinterlassenschaften der antiken Autoren, die unsere wichtigsten Quellen darstellen. Daneben sind es die archäologischen Funde, die die Aussagen der Texte unterstreichen oder auch in Frage stellen können. Gerade die Archäologie, die in der neueren Zeit durch immense technische Fortschritte immer genauere Aussagen treffen und bessere Analysen zu Funden vorlegen kann, ist eine wichtige Teildisziplin in der Erforschung der Geschehnisse rund um die Schlacht. Jedoch hat selbst ein interdisziplinäres Forschen bis heute keine absolute Gewissheit in den Fragen nach dem Ort und dem genauen Verlauf der Schlacht bringen können. So existieren alleine zur Frage der Lokalisierung des Schlachtfelds weit über 700 verschiedene Theorien2 von

Wissenschaftlern und solchen Leuten, die gerne welche wären.

Im Zentrum dieser Arbeit sollen die antiken Textquellen stehen. Sie sollen näher betrachtet und analysiert werden und es sollen Fragen an die Texte gestellt werden: Was sagt der Text über die Schlacht aus? Welche Quellen hatte der jeweilige Autor? Wie glaubwürdig ist er? Wie werden die an der Schlacht beteiligten Personen charakterisiert? Diese und weitere Fragen sollen schließlich nach Möglichkeit umfassend beantwortet werden und in einem Fazit münden. Die Textquellen, die hier näher betrachtet werden sollen, sind Auszüge aus den Werken folgender Autoren: Velleius Paterculus, Tacitus, Florus und Cassius Dio. Wichtig bereits an dieser Stelle zu erwähnen ist es, dass keiner der Autoren direkt Zeuge der Schlacht gewesen war und somit alle Autoren schon ihrerseits auf Berichte über die Geschehnisse angewiesen waren. Es lassen sich auch noch bei weiteren Autoren, die die Schlacht ebenfalls nicht direkt miterlebt haben, (u.a. Ovid, Marcus Manilius, Strabon, Sueton) Textstellen finden, die die Varusschlacht zum Thema haben, jedoch wird an dieser Stelle aus Platzgründen darauf verzichtet, diesen Autoren eigene Kapitel zu widmen. Eine weitere Quelle, die leider keine Beachtung finden kann, ist das nicht erhaltene Werk des älteren Plinius, die bella Germaniae, die in zwanzig Büchern die römischen Germanienkriege zum Thema hatten1. Dieses Werk hätte unter Umständen der Schlüssel zu des Rätsels Lösung sein können, da wegen seines Umfangs von zwanzig Büchern ein gewisser Detailreichtum in Bezug auf die Varusschlacht vorausgesetzt werden kann.

II. Die antiken Quellen

Ve lle ius Pate rc ulus

Velleius Paterculus entstammte einer angesehenen Familie aus Kampanien, lebte etwa in der Zeit von 20 v. Chr. bis 30 n. Chr. und kam im Militär2 und später in der Politik zu großen Ehren. Des weiteren war er ein römischer Historiker und verfasste gegen Ende seines Lebens zwei Bücher zur römischen Geschichte, die Historia Romana.

Es soll nun die Textstelle3 in den Historia Romana betrachtet werden, in der die Schlacht geschildert wird. Zuerst eine inhaltliche Paraphrase der Textstelle: Erst vor kurzer Zeit sei der Pannonische und Dalmatische Krieg beendet worden, als die Nachricht eintraf, dass Varus in Germanien mit drei Legionen, drei Reiterabteilungen und sechs Kohorten gefallen sei. Es folgt eine Charakterisierung des Varus. Er sei von sanftem Wesen, ruhigem Charakter und habe einen unbeweglichen Geist. Geldgier sei ein weiteres Merkmal von ihm gewesen und er hatte geglaubt, er könne die Germanen mit dem Recht statt mit dem Schwert bezwingen und hielt deswegen im Sommer in Germanien Tribunale ab. So seien die Germanen, die schlau und zur Lügen geboren waren, seinem Willen gefolgt und ließen sich scheinbar auf die Forderung des Varus, Streitigkeiten auf dem Rechtswege zu lösen, ein und gaben ihm somit das Gefühl, seine Reformen stießen auf fruchtbaren Boden. Doch angeführt von Arminius, einem jungen und tapferen Mann, der den Rang eines römischen Ritters bekleidete, stellten die Germanen den Römern eine Falle und setzten einen Termin für einen Anschlag auf das römische Heer fest. Trotz einer Warnung des Segestes, so schreibt Velleius Paterculus weiter, hielt Varus dem Arminius weiterhin die Treue und steuerte somit seinem Untergang entgegen. Die Schlacht selbst wird im Folgenden nicht beschrieben4, nur ihr

Ergebnis wird betrauert. So sei die N iederlage auf „die Schlaffheit des Feldherrn, die Treulosigkeit des Feindes und die Mißgunst des Schicksals“1 zurückzuführen. In der zum Kampf ungünstigen Umgebung, die mit Wald-, Sumpfgebieten und Fallen gespickt war, wurde das Heer regelrecht abgeschlachtet und Varus selbst hatte (wie schon sein Großvater), so Velleius Paterculus, mehr Mut zum Sterben als zum Kämpfen und nahm sich das Leben. Von den Lagerpräfekten verhielt sich der eine tapfer, der andere riet zur Kapitulation und wurde sodann hingerichtet. Ein weiterer ließ seine Truppen im Stich und floh, wurde aber als Deserteur umgebracht. Beendet wird die Textstelle mit dem Hinweis, dass der Körper des Varus zerfleischt und sein Haupt an Marbod geschickt worden sei, der es weiter zu Augustus bringen ließ. Dieser bestattete das Haupt des Varus schließlich im Familiengrab.

Velleius Paterculus, der etwa 30 n. Chr. starb, schrieb noch sehr zeitnah zu den Geschehnissen in Germanien. Leider nennt er in seinem Bericht keine Details zu der Schlacht an sich, er sagt lediglich, dass es sie gab, so dass man zum eigentlichen Schlachtgeschehen und dessen Örtlichkeit keine Erkenntnisse aus seinem Bericht ziehen kann2. Man kann dafür aber allerhand über die Außendarstellung des Varus, die in der Zeit des Tiberius zunehmend schlechter wurde3, erfahren. So wird Varus bei Velleius Paterculus durchweg negativ dargestellt. Er beginnt mit der Aufzählung der negativen Charaktereigenschaften des Feldherrn, wie z.B. dessen körperliche und geistige Unbeweglichkeit und Geldgier, ferner dessen Untauglichkeit für den Kriegsdienst4. Es wird von Velleius gleich zu Anfang des Berichts die scheinbare Unfähigkeit des Varus in den Vordergrund gestellt, die im Folgenden noch erweitert werden soll. So bildet bei Velleius

„die (angebliche) Manie des Varus, exzessiv das römische Recht zu verwirklichen, den Schwerpunkt der Vorwürfe“5. Denn, so kann der Text durchaus interpretiert werden, es sei doch von vornherein klar gewesen, dass man ein so barbarisches Volk wie die Germanen, nicht mit Hilfe des Rechts zivilisieren könne. Und so nutzten die Germanen, die zwar Barbaren, aber durchaus nicht dumm waren6, als logische Konsequenz das Handeln des Varus aus, um unter Führung des Arminius, einen Anschlag gegen das römische Heer zu planen. Sie ließen Varus in größter Sorglosigkeit schwelgen und befolgten dessen Anordnungen, so dass er sogar eine Warnung des Segestes, Arminius hätte einen Anschlag geplant, unbeachtet ließ1. Auch an dieser Stelle wird die Schuld von Velleius ganz klar auf Varus geschoben, der seinerseits wohl gar nicht in der Lage war, Arminius gefangen zu nehmen, da dieser der beste Freund der Römer und deren wichtigster Verbündete war. Außerdem „könnte es sich bei der Behauptung des Segestes, er habe Varus gewarnt, um eine nachträgliche Schutzbehauptung von diesem gehandelt haben, die natürlich in Rom umso unkritischer aufgenommen wurde, als man damit dem Varus alle Schuld zuschieben konnte“2. Velleius fährt fort:

[...] nulla [ calamitas ] post Crassi in Parthis damnum in externis gentibus gravior Romanis fuit, [...]3.

Und sogleich im Anschluss wird für diese verhängnisvolle N iederlage auch der Schuldige herausgestellt, der im krassen Gegensatz zum glorreichen Heer steht:

exercitus omnium fortissimus, disciplina, manu experientiaque bellorum inter Romanos milites princeps, marcore ducis [...] circumventus [...]4.

Varus wird von Velleius also nicht nur dafür verantwortlich gemacht, dass es zur Schlacht kam, sondern auch für deren Ausgang.

Über die Person und die Charakterisierung des Arminius erfahren wir nicht allzu viel bei Velleius. Es werden zwar ein paar positive Eigenschaften des Feldherrn genannt5, jedoch stellte Velleius diese nicht in den Vordergrund seines Berichts, da dies eine Glorifizierung des Feindes bedeutet hätte, was es zu vermeiden galt. „Stattdessen schob man die Schuld unfähigen Feldherrn oder einem anonymisierten Verrat zu“6.

Zusammenfassend lässt sich zu der Textstelle des Velleius sagen, dass er mit Hilfe von vielen emotionsgeladenen Worten und Passagen versucht, Varus als den einzig wahren Schuldigen darzustellen, für dessen Handlungsweise er kein Verständnis aufbringen kann oder will. Dies ist insofern als problematisch zu sehen, als dass es die Zuverlässigkeit des

Berichts einschränkt1. Zum Ort der Schlacht erfahren wir bei Velleius leider nichts, ebenso wenig zu deren genauerem Verlauf.

Tacitus

Über das Leben des Publius Cornelius Tacitus ist nur sehr wenig bekannt und selbst die Informationen, die wir haben, sind nicht immer gesichert. So geht man davon aus, dass Tacitus um 55 n. Chr. irgendwo in Gallien, als Sohn eines Prokurators, geboren wurde. Mit etwa 20 Jahren ging er zum Militär, widmete sich nebenbei seinen rednerischen Studien und bekleidete in der Folgezeit mehrere politische Ämter. Im Jahre 97 wurde Tacitus schließlich Konsul, 112/113 Prokonsul der Provinz Asien. Im Anschluss daran dürfte er sein Leben mit dem Schreiben seiner Annalen (Annales) verbracht haben, die wohl seit dem Jahre 115 veröffentlicht wurden. Zwischen 117 und 120 n. Chr. starb Tacitus2.

Tacitus schildert in seinem Bericht3, den wir in den Annalen finden, nicht die Schlacht selbst, sondern die Geschehnisse des Jahres 15 n. Chr. Germanicus und dessen Soldaten waren zu dieser Zeit dabei, gegen die Cherusker bzw. Arminius zu ziehen, als sie einen Marsch zum Ort der Varusschlacht unternahmen, um ihre gefallenen Kameraden im sechsten Jahr nach der Schlacht nun endlich noch zu bestatten. Die Schilderungen des Tacitus, die wahrscheinlich auf einer Quelle aus claudischer Zeit beruhen4, sind aber dennoch in vielerlei Hinsicht sehr gehaltvoll, denn neben einer ausführlichen und vor allem positiven Charakterisierung des Arminius finden wir einzig bei Tacitus eine konkrete Angabe zum

Ort, an dem die Schlacht stattgefunden haben soll, die dennoch, wie wir später noch sehen werden, sehr vage bleibt.

Nun soll jedoch zuerst kurz ein Blick auf das Varusbild im taciteischen Bericht geworfen werden: Wie schon bei Velleius wird auch bei Tacitus die Schuld der N iederlage auf den Feldherrn Varus geschoben, da dieser blind Arminius vertraute5 und für die

Warnung des Segestes, Arminius habe eine Verschwörung geplant, kein Gehör hatte6. Wie wir bereits im Kapitel zu Velleius festgestellt haben, darf man diesen Vorwurf jedoch nicht zu ernst nehmen und Varus‘ Handeln gänzlich verurteilen, da er nicht den besten Freund der Römer, der sich in vielerlei Hinsicht für das Reich verdient gemacht hatte, gefangen nehmen konnte. Außerdem bleibt es im taciteischen Bericht bei einer einzigen Stelle, an der Tacitus Kritik gegenüber Varus äußert. Außerdem stellt diese Beschuldigung eine von Tacitus wiedergegebene (fiktive) Rede des Segestes dar. Insofern „übernimmt [Tacitus] die Gehäßigkeit [des Velleius] nicht, geht auf Varus aber auch nicht näher ein – er konzentriert sich auf die Charakterisierung des Arminius“1. Und diese Charakterisierung ist vollkommen positiv und, wie bereits angesprochen, sehr umfangreich und schlussendlich in dieser Form nur bei Tacitus zu finden. Tacitus rühmt Arminius an einigen Stellen2 sogar als Freiheitskämpfer, wenn es z.B. heißt:

liberator haud dubie Germaniae et qui non primordia populi Romani, sicut alii reges ducesque, sed florentissimum imperium lacessierit, proeliis ambiguus, bello non victus. septem et triginta annos vitae, duodecim potentiae explevit, caniturque adhuc barbaras apud gentis, Graecorum annalibus ignotus, qui sua tantum mirantur,

Romanis haud perinde celebris, dum vetera extollimus recentium incuriosi3.

An dieser Stelle lässt Tacitus zum Schluss noch Kritik an der griechischen und römischen Geschichtsschreibung laut werden, denen Arminius nicht bekannt oder der Erwähnung zu unwichtig zu sein schien. Da wir bei keinem anderen der antiken Autoren aus dem Grund, da man sich vor einer Glorifizierung des Gegners fürchtete, ein solch positives Bild des Arminius finden können, muss man sich nun die Frage stellen, was Tacitus seinerseits mit diesen Ausführungen bezwecken wollte. In vielen taciteischen Schriften, besonders in der Germania, ist herauszulesen, dass Tacitus den Sittenverfall der Römer anprangerte, offen darlegte und den Römern selbst den „Spiegel vorhielt“, indem er ihnen leuchtende Beispiele von Sittsamkeit präsentierte. Dieses Musterbeispiel ist in unserem Fall Arminius, der nur der Freiheit seines Volkes wegen kämpft und untergeordneten Gelüsten, wie etwa der Gier nach Geld, entsagte. Diese Einstellung des Arminius zeichnet Tacitus in seinen Annalen, wenn er Arminius und dessen Bruder Flavus, der in römischen Diensten stand, an der Weser zu einem Rededuell antreten lässt, in dem Flavus und Arminius jeweils ihre Beweggründe zum Kämpfen aufzählen4: dieser kämpft für kriegerische Ehrengeschenke, jener für die Freiheit seines Volkes.

[...]


1 Suet. Aug. 23.

2 Vgl. Callies 1995: S. 175.

1 Vgl. Plinius Epist. 3,5,4 und Tac. ann. 1,69.

2 Vgl. Maurach 1995: S. 167.

3 Ve ll. 2,117-119.

4 Ve lle ius Paterculus hatte angekündigt, die Schlacht in einem weiteren Buch genauer schildern zu wollen, schaffte dies in seinem Leben jedoch nicht mehr.

1 Goetz/Welwei 1995: S. 49.

2 Vgl. Callies 1995: S. 176.

3 Vgl. Daumer 2005: S. 95.

4 Ve ll. 2,117,2.

5 Daumer 2005: S. 92.

6 Ve ll. 2,118,1.

1 Ve ll. 2,118,4.

2 Daumer 2005: S.94.

3 Ve ll. 2,119,1.

4 Ve ll. 2,119,2.

5 Vgl. Vell. 2,118,2.

6 Daumer 2005: S. 99.

1 Vgl. Maurach 1995: S. 168 und Callies 1995: S. 176.

2 Vgl. Bötticher 1985: S. 671-673.

3 Tac. ann. 1,55-62.

4 Vgl. Callies 1995: S. 178.

5 Vgl. Tac. ann. 1,58,2.

6 Vgl. Tac. ann. 1,55,2f.

1 Daumer 2005: S. 96.

2 Vgl. u.a. Tac. ann. 1,59,6 und 2,10,1

3 Tac. ann. 2,88,3.

4 Tac. ann. 2,9-10.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Schilderung der Varusschlacht in den antiken Quellen
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (11)
Veranstaltung
Römisches Germanien
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
18
Katalognummer
V112172
ISBN (eBook)
9783640107988
ISBN (Buch)
9783640114849
Dateigröße
560 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schilderung, Varusschlacht, Quellen, Römisches, Germanien
Arbeit zitieren
Aljoscha Riehn (Autor:in), 2008, Die Schilderung der Varusschlacht in den antiken Quellen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112172

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