Die klassische Dichotomie der natürlichen und der künstlichen Ordnung in der griechischen Antike

Die Staatenlehre nach Platon und Aristoteles


Term Paper (Advanced seminar), 2006

22 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Die Polis zur Zeit Platons und Aristoteles

3. Der Idealstaat nach Platon
3.1. Platons Diagnose der politischen Verhältnisse
3.2. Das platonische Staatsideal
3.2.1. Die Ideenlehre als Erkenntnisbasis
3.2.2. Der Selektionsprozess: Alle Macht den Experten
3.2.3. Der Staat als Entfaltungsbasis des Einzelnen

4. Die Aristotelische Staatenlehre
4.1. Der Weg von Platon zur aristotelische Lehre
4.2. Der Mensch als politisches Lebewesen
4.3. Der Staat nach Aristoteles

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. EINLEITUNG

Betrachtet man politische Theorie und Ideengeschichte, so findet man ein Grundproblem in allen Schriften wieder: Es geht um die Frage nach der Ordnung. Dies ist das verbindende Thema: Wie wollen oder sollen Menschen miteinander leben? Dieser Grundfrage soll auch in dieser Arbeit nachgegangen werden.

Doch was kann man unter Ordnung verstehen? Offensichtlich handelt es sich um eine Beziehung von Teilen zu einem Ganzen. Bei der politischen Ordnung können die Menschen oder Bürger als Teile, und die Gesellschaft, der Staat oder die Nation als Ganzes angesehen werden. Dabei kann von einer Ordnung gesprochen werden, wenn unter den Teilen eines Ganzen eine regelmäßige Beziehung besteht. Diese Regelmäßigkeit kann dabei unterschiedlich umfangreich sein. Sie kann von Natur oder durch Vereinbarung vorhanden sein und man kann sie sich als Einzelner oder als Gesellschaft geben. Die Verbindung des Teils mit dem Ganzen kann in der politischen Wissenschaft als Staatsbürgerschaft interpretiert werden.[1]

Die Teile definieren ihren Bezug zum Ganzen durch ihre Art der Partizipation, während sich das Ganze über seine Art der Repräsentation bestimmt. So sind Monarchien durch ihre Repräsentation in Gestalt einer einzigen Person bestimmt. Für eine Tyrannis gilt dies zwar ebenso, doch kann man beide Staatsformen durch ihre Form der Partizipation unterscheiden.[2]

So entwickelten sich im Laufe der Zeit zahlreiche politische Ordnungsbegriffe. In dieser Arbeit seien exemplarisch die Ordnungsvorstellungen Platons und Aristoteles dargestellt. Dabei soll zunächst der historische Kontext nahe gebracht werden, da nur auf historischer Basis ein verständlicher Zugang zu den antiken Werken gefunden werden kann. Es folgt eine Darstellung des Idealstaates nach Platon. Daraufhin wird in der Beschreibung des Staates nach Aristoteles eine Erklärung für die Entstehung politischer Gemeinschaften präsentiert.

Zunächst jedoch zur Verdeutlichung des historischen Kontextes, um die später folgenden Konzepte politischer Ordnung in diesen einordnen zu können.

2. DIE POLIS ZUR ZEIT PLATONS UND ARISTOTELES

Der hier betrachtete Zeitraum umfasst vor allem die Zeit vor und während der Lebensjahre Platons und Aristoteles. Ersterer wurde etwa 427 v. Chr. in Athen geboren, wo er im Jahre 347 v. Chr. auch verstarb. Aristoteles Leben umfasst eine kürzere Zeitspanne. Er kommt im Jahre 384 v. Chr. zur Welt. Aufgrund eines Magenleidens verstirbt Aristoteles im Jahre 322.

Die attische Polis Athen stand in der Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. im Zenit ihrer Macht und Größe. Sie galt zu damaliger Zeit als die führende Seemacht und Handelsstadt Griechenlands. Dabei war Athen nicht etwa eine Ausnahme, sondern es fanden sich vielmehr ein Vielzahl kleinerer Stadtstaaten im antiken Griechenland vor. Diese waren hinsichtlich ihrer Sprache, Religion, ihrer Feste und ihrer Kultur recht ähnlich und unterschieden sich von nicht griechischen Gemeinschaften stark. Trotzdem konnte eine staatliche Einheit der Stadtstaaten nie erreicht werden, obwohl der altgriechische Raum recht begrenzt war und zu keiner Zeit über den Umfang des heutigen Bayern hinausreichte.[3]

Offenbar auf Grund von Überbevölkerung kam es zur Gründung von Kolonien an der kleinasiatischen Küste, in Süditalien und Sizilien. In diesen Kolonien ist wohl auch der demokratische Ursprung zu sehen, als dort das alte Polismodell mit neuen Elementen, wie etwa einer Verfassung und demokratischen Institutionen die dem Volksganzen dienen sollten, kombiniert wurden. Durch die engen Beziehungen vor allem nach Athen, kamen die neuen demokratischen Gedanken auch in die Heimat, wo sie von Athen aus auch andere Poleis erreichten.

Das wichtigste Entscheidungsgremium im demokratischen Athen bildetet der Rat der 500, dessen Mitglieder per Los bestimmt wurden. Dabei waren nur die ca. 21.000 athenischen Bürger zur politischen Arbeit berechtigt, die rund

400.000 Sklaven waren vollkommen rechtlos. Nur das Los galt damals als wirklich demokratisch, Wahlen gab es nur bei der Bestellung des Rates der Feldherren. Hier wurde also aus existenziellen Gründen eher auf Sachkunde gebaut. Vom Rat der 500 war immer nur ein Zehntel für ein Zehntel des Jahres aktiv. Täglich wurde aus der Mitte der Aktiven ein Vorsitzender zum Staatschef per Los bestimmt. Eine Wiederwahl war dabei nicht zulässig. Somit wird deutlich, dass es sich hier um ein Beispiel einer unmittelbaren Demokratie handelte, bedingt durch die Ämterrotation und die geringe Zahl der athenischen Bürger. Zudem musste der Regierungschef wichtige Entscheidungen von der Volksversammlung genehmigen lassen.

Auch im Rechtssystem hatte das Volk die entscheidende Macht. Jedes Jahr wurden 6.000 neue Richter ausgelost. Dabei erhielten die Richter nur einen Taglohn, der dem eines Ruderknechtes glich, da es sich um ein Ehrenamt handelte. Somit war der Bestechlichkeit Tor und Tür geöffnet. Es entwickelte sich ein eigener Berufstand des Denunzianten, die das Verhalten aller einflussreichen Personen vor das Volk bringen konnten. Es entstand eine regelrechte Erpressungsindustrie. So zogen sich die Gebildeten immer mehr aus dem politischen Geschehen zurück und eine Pöbelherrschaft entstand. Dies gipfelte schließlich in der Verurteilung Solons zum Tode, was vor allem bei Platon und Aristoteles starke Kritik hervorrief.[4]

Den Gegenpol zur athenischen Demokratie bildete Sparta. Hier fand man ein Vierklassensystem vor: rechtlose Sklaven, Heloten, Periöken und Spartaner. Die Heloten waren an die Scholle gebundene Leibeigene zur Bestellung des Bodens, die keine politischen Rechte hatte, und von der geheimen Staatspolizei Krypteia teils unter Zuhilfenahme brutaler Methoden, kontrolliert wurde. Die Periöken waren rechtlich freie Handwerker, die jedoch ebenfalls keine politischen Rechte hatten. Diese besaßen nur die Spartaner, welche ihr ganzes Leben im Dienste des Staates verbrachten. Ihr Privatleben war auf ein Minimum reduziert und körperliche und seelische Abhärtung gehörten zu ihrem Alltag. So wurden beispielsweise die Knaben einmal jährlich öffentlich ausgepeitscht. Zudem war für die Spartaner der Erwerbssinn ausgeschaltet.

An der Spitze des Staates standen zwei erbliche Könige, deren Befehlsgewalt auf den Oberbefehl im Krieg reduziert war. Sie bildeten jedoch zusammen mit dem Rat der Alten, dessen Mitglieder nach dem 60. Lebensjahr auf Lebenszeit gewählt wurden, den obersten Gerichtshof. Die eigentliche Regierungsgewalt lag bei den 5 Ephoren. Sie wurden jährlich durch die aus allen männlichen Vollbürgern bestehende Volksversammlung gewählt.

So entstand nach dem spartanischen Modell eine die Jahrhunderte überdauernde Staatsverfassung und eine einzigartige militärische Glanzleistung. Der Preis war jedoch ein System permanenten Terrors gegen den Großteil der Bevölkerung, ein Versiegen der kulturellen Leistungen und ein Aussterben der spartanischen Familien als Folge der zahlreichen Kriege.[5]

Neben den beiden erläuterten Staatsmodellen gab es noch zahlreiche andere Staatsideale im antiken Griechenland. Auch durch die Kolonien, die Einblicke in politische Systeme der Nachbarvölker ermöglichten, wurden permanent neue Ideen nach Griechenland importiert. Dazu kam eine rege Anteilnahme der Bürger an politischen Diskussionen und dauernde Verfassungskämpfe in zahlreichen Poleis. Dieses Umfeld regt zum Nachdenken über die beste Staatsform an, so dass sich im antiken Griechenland mehrere Philosophen über eben dieses Thema Gedanken machten. Die wohl wichtigsten Vertreter sind Platon und Aristoteles, deren Staatstheorien im Nachfolgenden dargelegt werden sollen.

3. DER IDEALSTAAT NACH PLATON

Platon wendet sich in seinen Lehren gegen den sophistischen Relativismus, der die Existenz einer allgemein gültigen Wahrheit verneint.[6] Die Sophisten gehen davon aus, dass lediglich eine individuelle Wahrheit existiere, die jeweils nur für ein einziges Individuum bestand habe. Dieser Auffassung widerspricht Platon. Er glaubt an eine erkennbare und allgemein gültige Wahrheit. Er entkräftet den Relativismus, indem er sich der Mittel der Logik bedient. Eine Lehre, die eine allgemein gültige Wahrheit bestreitet, müsse selbst ebenfalls nicht allgemein gültig sein. Dies widerlege jedoch die Lehren des Relativismus.[7]

So geht Platon vielmehr von einer erkennbaren Wahrheit aus, die für alle Menschen gilt. Aus dieser Erkenntnis heraus versucht er die wahre Staatsform zu finden. Dabei muss Platon immer im Kontext seiner Zeit betrachtet werden, da dieser stark auf seine Lehren Einfluss genommen hat. So entwickelt Platon nicht nur einen theoretischen Idealstaat, sondern er kommentiert auch aktuelle politische Geschehnisse. Aus diesen leitet er daraufhin seine eigenen Lehren ab, welche die vorgefundenen Missstände der aktuellen Politik aufgreifen und auszumerzen versuchen.

Deshalb wende ich mich im folgenden Abschnitt zunächst der platonischen Betrachtung seiner Zeit zu, um darauf aufbauend seine Staatenlehre darzulegen.

3.1. PLATONS DIAGNOSE DER POLITISCHEN

VERHÄLTNISSE

Platon entstammte der athenischen Aristokratie. Zu seinen Vorfahren gehörten unter anderen die alten Könige Athens und sein späterer Lehrer und athenische Staatsmann Solon. Ursprünglich strebte Platon ein politisches Amt an, die Ereignisse in der Phase der Anarchie nach der Kapitulation Athens am Ende des Peloponnesischen Krieges verhinderten dies jedoch. In dieser Zeit wandten sich das aristokratische Regime der Dreißig Tyrannen gegen sein Vorbild Solon. Als nach dem Sturz der Oligarchen die Demokratie eingeführt wurde, änderte sich die schlechte Stimmung Solon gegenüber keinesfalls. Die Lage verschärfte sich eher, als er von den Demokraten zum Tode verurteilt wurde.[8]

[...]


[1] Vgl. Leidhold, W., Theorie, 2003, S. IX ff.

[2] Vgl. Ebd., S. XIII f.

[3] Vgl. Leidhold, W., Theorie, 2003, S. 49 ff.

[5] Vgl. Berber, F., Staatsideal, 1973, S. 77 f.

[6] Vgl. Skirbekk, G., Gilje, N., Geschichte, 1993, S. 70

[7] Vgl. Leidhold, W., Theorie, 2003, S. 60 f.

[8] Vgl. Schefold, B., Platon, 1989, S. 23

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Details

Title
Die klassische Dichotomie der natürlichen und der künstlichen Ordnung in der griechischen Antike
Subtitle
Die Staatenlehre nach Platon und Aristoteles
College
University of Cologne
Grade
1,3
Author
Year
2006
Pages
22
Catalog Number
V112200
ISBN (eBook)
9783640108145
ISBN (Book)
9783640109821
File size
475 KB
Language
German
Keywords
Dichotomie, Ordnung, Antike
Quote paper
Stefan Baltzer (Author), 2006, Die klassische Dichotomie der natürlichen und der künstlichen Ordnung in der griechischen Antike, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112200

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