Exegese Genesis 4,1-16. Kain und Abel


Dossier / Travail, 2002

21 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

0. Genesis 4, 1-16

I. Einleitung

II. Textanalyse
1. Textkritik
2. Kontext
3. Vorläufige Textanalyse
3.1 Textoberfläche
3.2 Tiefenstruktur des Textes
3.3 Pragmatische Ebene des Textes

III. Geschichte des Textes
1. Literarkritik
2. Formkritik
3. Überlieferungsgeschichte
4. Redaktionsgeschichte
5. Motiv- und Traditionskritik
6. Einzelexegese

IV. Theologische Interpretation
1. Historischer Ort der Geschichte- und Aussageabsicht
2. Wirkungsgeschichte
2.1 In der Bibel
2.2 In der Kirchengeschichte
3. Aussageabsicht für uns

V. Literaturverzeichnis

0. Genesis 4, 1-16

1 Der Mensch erkannte sein Weib Eva. Sie empfing und gebar Kain. Da sprach sie: „Einen Mann habe ich durch Jahwe erhalten.“ 2 Und sie gebar nochmals, seinen Bruder Abel. Abel wurde ein Schafhirt, Kain aber wurde ein Ackerbauer. 3 Nach geraumer Zeit geschah es nun, dass Kain von den Früchten des Feldes Jahwe ein Opfer darbrachte.

4 Auch Abel brachte ein Opfer von den Erstlingen seiner Herde, und zwar von ihrem Fett. Und Jahwe schaute gnädig auf Abel und sein Opfer. 5 Auf Kain und sein Opfer aber schaute er nicht. Deshalb wurde Kain sehr zornig und senkte sein Angesicht. 6 Da sprach Jahwe zu Kain: „Warum bist du zornig und senkst dein Angesicht? 7 Wenn du recht handelst, erhebst du nicht das Haupt? Wenn du aber nicht recht handelst, ist dann nicht die Sünde an der Tür, ein lauerndes Tier, das nach dir verlangt und das du beherrschen sollst?“ 8 Indessen sprach Kain zu seinem Bruder Abel: „Laßt uns aufs Feld gehen!“ Als sie aber auf dem Feld waren, erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel und schlug ihn tot.

9 Da sagte Jahwe zu Kain: „Wo ist dein Bruder Abel?“ Er antwortete: „Ich weiß es nicht. Bin ich denn der Hüter meines Bruders?“ 10 Darauf sprach er: „Was hast du getan! Höre, das Blut deines Bruders schreit zu mir von der Erde. 11 Und nun: Verflucht seist du, verbannt von dem Ackerboden, der seinen Mund aufgetan hat, um das Blut deines Bruders von deiner Hand aufzunehmen. 12 Wenn du den Ackerboden bebaust, soll er dir fortan keinen Ertrag mehr geben. Unstet und flüchtig sollst du auf Erden sein.“ 13 Da sprach Kain zu Jahwe: „Zu groß ist meine Strafe, als dass ich sie tragen könnte. 14 Siehe, du treibst mich heute vom Ackerboden weg, und vor deinem Angesicht muss ich mich verbergen. Ich muss unstet und flüchtig auf Erden sein, und jeder, der mich findet, wird mich töten.“ 15 Jahwe aber sprach zu ihm: „Keineswegs! Jeder, der Kain tötet, an dem soll man es siebenfach rächen.“ Und Jahwe machte an Kain ein Zeichen, damit ihn nicht jeder töte, der ihn fände. 16 Kain aber ging von dem Angesicht Jahwes hinweg und ließ sich im Lande Nod östlich von Eden nieder.

I. Einleitung

Zweifelsfrei stellt die Sage vom Brudermord in Genesis 4, 1-16 einen der bekannteren Bibeltexte dar. Und wohl auch einen der problematischeren. Denn schließlich wird hier mit aller Brutalität eines der gewalttätigsten und verabscheuungswürdigsten Verbrechen Geschildert. Ein Mord. Noch dazu der Mord am eigenen Bruder. Allein diese Tatsache wirft beim unbedarften Lesen der Textstelle erste Probleme auf. Noch dazu die Vergeltungstat Gottes, welcher den Mörder noch unter seinen besonderen Schutz stellt mag manchen Zeitgenossen als ungerecht erscheinen.

Oft ist es dieser unbedarfte Umgang mit Texten der Bibel, der sie manchem Zeitgenossen unverständlich und nicht mehr zeitgemäß erscheinen lässt.

Daher finde ich die intensive Auseinandersetzung, gerade mit auf den ersten Blick doch zunächst problematisch wirkenden biblischen Texten, um so wichtiger. Denn unbedarfter Umgang mit biblischen Texten ist nach meinen Eindrücken nur begrenzt möglich. Viel zu intensiv sind die Aussagen und viel zu verschachtelt die historische Entstehung und Überlieferung und zu verstrickt die unterschiedlichen theologischen Ansätze.

II. Textanalyse

1. Textkritik

Im Verhältnis zu anderen Texten der Bibel zeigen sich in dem hier Vorliegendem im Wesentlichen nur geringe Auffälligkeiten.

In Vers 1 ist im Vergleich zwischen dem Text der Lutherübersetzung und dem der Einheitsübersetzung bei Luther die Bezeichnung Adam als Eigennamen betrachtet, während die Einheitsübersetzung hier eine Übersetzung als der Mensch vornimmt. Dieser Unterschied zeichnet sich jedoch nicht als besonders wesentlich für den Verlauf des Textes aus, jedoch erscheint die Übersetzung der Einheitsübersetzung als sinnvoll, da von einer symbolhaften Sprache von Seiten des Erzählers auszugehen ist und hier Adam stellvertretend für den Menschen steht. Eine weitere Sichtweise wäre, hier einen Neuanfang der Menschheit anzusehen, weshalb wieder die allgemeine Bezeichnung der Mensch gewählt wäre.

Auffälliger zeigt sich anschließend jedoch schon die Aussage der Eva, ebenfalls in Vers 1. Luther übersetzt den Ausspruch Evas nach der Geburt ihres ersten Sohnes, Kain, wie folgt: Ich habe einen Mann gewonnen mit Hilfe des HERRN. Die Einheitsübersetzung stellt dem gegenüber: Einen Mann habe ich durch Jahwe erhalten. Während sich die Kernaussage dieser beiden Texte in etwa deckt, nämlich dass Eva Jahwe als Schöpfer des Lebens, nämlich ihres Sohnes ansieht, bringt die Sichtweise der Übersetzung von Martin Buber und Franz Rosenzweig einen neuen Aspekt in diese Aussage hinein, indem diese Äußerung Evas übersetzt wird: Kaniti – erworben habe ich mit ihm einen Mann. Diese Art der Übersetzung sticht nun deutlich von den beiden oben aufgeführten Varianten ab und hat ihren Ursprung wohl in einer alten nomadischen Tradition und Auffassung. Eine Frau hatte in der Tradition und Lebensweise der Beduinen ihren (Ehe-) Mann erst richtig an sich gebunden, wenn sie ihm einen Sohn geboren hatte.[1] War dies nicht der Fall, so konnte der Mann sich eine andere Frau als potentielle Mutter seines Erben nehmen, wie dies auch in der biblischen Tradition, etwa in Genesis 16, 2, wo Sarah Abraham ihre Magd Hagar als Mutter seines ersten Sohnes Ismael wählt. Unter diesem Aspekt ist die Übersetzung von Buber und Rosenzweig wohl dem ursprünglichen Sinn entsprechend.

Ein weitere Auffälligkeit beim Vergleich der unterschiedlichen Übersetzungen, birgt Vers 8. Nach der Einleitung einer wörtlichen Rede, welche in der Einheitsübersetzung mit Indessen sprach Kain zu seinem Bruder Abel: übersetzt ist, findet sich in der gleichen Übersetzung, wie auch im Luthertext, der Einschub einer wörtlichen Rede Kains an Abel: Laßt uns aufs Feld gehen! Dieser Ausspruch Kains an seinen Bruder findet sich im ursprünglichen Text, wie auch in der Übersetzung von Buber/Rosenzweig nicht. Hier steht lediglich die Einleitung einer wörtlichen Rede, die anschließend aber nicht folgt. In der Einheitsübersetzung, sowie im Luthertext, wurde diese Aussage Kains nach alten Übersetzungen sinngemäß eingefügt. Dieser Einschub ist aber für die weitere Handlung keinesfalls notwendig und die problematische Übersetzung der Einleitung einer wörtlichen Rede ohne diese, kann auch wie bei Buber/Rosenzweig gelöst werden: Kajin sprach zu Habel, seinem Bruder. Aber dann war’s, als sie auf dem Felde waren.

Sieht man die Überlieferung ohne den Einschub der wörtlichen Rede als die älteste Fassung des Textes an, erschließt sich für die Deutung der eigentlichen Tat eine neue Perspektive. Während die Handlung durch die wörtliche Rede als geplanter Mord erscheint, könnte es sich bei der Schilderung ohne der wörtlichen Rede Kains an Abel, um eine Affekthandlung handeln. Also Totschlag und kein Mord. Allerdings läßt die folgende Schilderung der Tat, wie in den Texten mit ...erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel... übersetzt, die Kaltblütigkeit der Tat erahnen. Denn diese Einleitung „erhob sich wider“ ist im Hebräischen der Ausdruck eines kaltblütigen Mordes.[2] Dadurch zeigt sich der Einschub der wörtlichen Rede als sinnvoll, um den wahrscheinlich ursprünglichen brutalen Gehalt der Tat zu unterstreichen.

2. Kontext

In sich bildet die Erzählung von Kain und Abel eine geschlossene Einheit, welche dem Gesamtkontext der biblischen Urgeschichte zuzuordnen ist. Sie ist an den Ursündenfall Adams und Evas und die anschließende Vertreibung aus dem Paradies in Genesis 3 angeschlossen und stellt eine Steigerung zu dem dort geschilderten Sündenfall dar. Diese sich steigernd geschilderte Sündhaftigkeit der Menschen findet ihren Höhepunkt schließlich in der Erzählung von Noach und der Sintflut in Genesis 6 und 11.

Durch den parallelen Aufbau von Genesis 3 und 4, 1-16, ist anzunehmen, dass beide Texte in Ergänzung zueinander stehen. Es werden zwei Grundsünden der Menschheit geschildert. Die Sünde in Genesis 3 richtet sich gegen Gott, wogegen der Mensch durch die Gewalttat in Genesis 4, 1-16, gegen den Mitmenschen sündigt.[3]

Die Genealogie Kains (Vers 17ff.) setzt eine generationsbezogene Erzählstruktur des Verfassers dar, ist aber im Zusammenhang von Genesis 4, 1-16 gelöst.

3. Vorläufige Textanalyse

3.1 Textoberfläche

Der grobe Aufbau von Genesis 4, 1-16 läßt sich in zwei Teile unterscheiden, weist jedoch trotzdem keinen Bruch in sich auf. In den Versen 1-8 wird in sehr knappen Sätzen die Handlung der Erzählung, Geburt der Brüder, ihre Berufe, sowie der Brudermord und dessen Ursachen geschildert. Es schließt sich ein Dialog zwischen Jahwe und Kain in den Versen 9-15 an, in welchem Kain auf seine Gewalttat angesprochen und verhört wird. Nach dem Urteil schließt sich wieder die knappe Schilderung dessen Vollstreckung in Form der Vertreibung an.

Bei der Betrachtung dieser Verse ist auffallend, dass der Aufbau von Genesis 4, 1-16 dem gleichen Muster entspricht, wie bereits Genesis 2 und 3:

die in Genesis 4, 1-2 geschilderte Einleitung von der Geburt der Söhne Adams und Evas und deren Berufen, ist die in Genesis 2, 4b-25 beschriebene Einleitung von der Erschaffung des Menschen und der Schilderung des Paradieses, für Genesis 3 gegenüberzustellen. Anschließend folgt in Genesis 4, 4b-8 die Sünde und deren Gründe, wie in Genesis 3, 1-6. Die Folgen der beiden Sündenerzählungen weisen ebenfalls wieder deutlich Parallelen auf. So beginnt die Bestrafung der Sünde in beiden Fällen mit einem Verhör Jahwes, der die/den Sünder zur Rede stellt. Auf den Urteilsspruch Jahwes folgt jedoch sogleich die „Sorge Gottes für den Sünder“[4] und er stellt den Sünder weiterhin unter seinen Schutz. Der darauf folgende Strafvollzug stellt in beiden Fällen eine Vertreibung aus der gewohnten Umgebung dar und die Aufhebung der Gemeinschaft mit Jahwe.[5]

[...]


[1] vgl. Josef Scharbert, S. 63

[2] vgl. Josef Scharbert, S. 67

[3] vgl. Werner Berg, S. 57

[4] ebd., S. 56

[5] vgl. ebd., S. 56

Fin de l'extrait de 21 pages

Résumé des informations

Titre
Exegese Genesis 4,1-16. Kain und Abel
Université
Protestant University of Applied Sciences Nuremberg  (Fachbereich Religionspädagogik)
Cours
Altes Testament
Note
2,0
Auteur
Année
2002
Pages
21
N° de catalogue
V11220
ISBN (ebook)
9783638174367
Taille d'un fichier
573 KB
Langue
allemand
Mots clés
Exegese Kain und Abel
Citation du texte
Patrick Grasser (Auteur), 2002, Exegese Genesis 4,1-16. Kain und Abel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11220

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