Das Ziel Otto von Bismarcks als erstem Kanzler des Deutschen Reiches war es , das Erreichte gegenüber weitergehenden Bestrebungen Frankreichs, aber auch den während des Krieges neutral gebliebenen anderen Großmächten zu konsolidieren. Im Schwerpunkt wollte er durch seine Außenpolitik zeigen, dass das Reich als „saturiert“ gelte und in seinem Hauptinteresse die Erhaltung der bisher erlangten Position läge. Er beabsichtigte mit Hilfe eines von ihm initiierten Systems von Bündnissen Frankreich zu isolieren und das bestehende Gleichgewicht zu erhalten. Somit änderte sich das Gesicht der Diplomatie in Europa, da es seit dem Wiener Kongress von 1815 mit Ausnahme der beteiligten fünf Großmächte (Pentarchie) keine festen, zumindest keine über einen Krieg hinausgehenden, Bündnisse gegeben hatte. Wie sahen diese Bündnisse aus und wie entwickelten sie sich nach der Entlassung Bismarcks ab 1890 weiter? Welche Großmacht, Frankreich, Österreich-Ungarn, Russland, Großbritannien oder das Deutsche Reich, band sich an wen und weshalb? Diese Fragen stellen sich bei der Untersuchung der einzelnen Großmächte in Bezug auf ihre Bündnispolitik, auf die nach einer Einführung in das Bündnissystem Bismarcks im Detail mit ihren jeweiligen Auswirkungen eingegangen wird. Die Ergebnisse dieses Teils der Arbeit sollen die Basis für die Beantwortung der Hauptfrage und Ausgangspunkt der Analyse sein, ob und inwieweit die abgeschlossenen Bündnisse sich auf die Diplomatie der Julikrise 1914 auswirkten oder ob sie durch ihre Ausrichtung die Julikrise und den Kriegsausbruch zwangsläufig als Folge hervorbrachten? Die Arbeit stützt sich im Schwerpunkt auf die einzelnen Verträge und Abkommen, da erst die genaue Analyse der Texte die Wahrnehmung und Bedeutung für die Außenpolitik ermöglicht. Ein Eindruck der Problematik ergibt sich durch die Rezeption der beiden Abbildungen im Anhang: Denn die Wahrnehmung eines Vertrages, ohne den entsprechenden Inhalt zu kennen, unterscheidet sich von der Wahrnehmung, in der der Inhalt der Abkommen bekannt ist. Ersteres war im Kontext der Julikrise der Fall, da fast alle Abkommen zwischen den Mächten geheim waren und damit Spekulationen Tür und Tor geöffnet werden konnten.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Bündnispolitische Konstellationen bis 1890
- Außenpolitische Handlungsspielräume der fünf Großmächte
- Deutsches Reich
- Abkommen und Bündnisse
- Auswirkungen
- Großbritannien
- Abkommen und Bündnisse
- Auswirkungen
- Frankreich
- Abkommen und Bündnisse
- Auswirkungen
- Russland
- Abkommen und Bündnisse
- Auswirkungen
- Österreich-Ungarn
- Abkommen und Bündnisse
- Auswirkungen
- Deutsches Reich
- Die Bündniskonstellationen und die Diplomatie in der Julikrise
- Zusammenfassung
- Anhang
- Quellenverzeichnis
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Bündnispolitik der europäischen Großmächte im Zeitraum von 1871 bis 1914, mit einem besonderen Fokus auf die Rolle der Bündnisse im Vorfeld und während der Julikrise 1914. Die Arbeit setzt sich zum Ziel, die Entstehung und Entwicklung der Bündnissysteme der fünf Großmächte - Deutsches Reich, Großbritannien, Frankreich, Russland und Österreich-Ungarn - zu analysieren und deren Einfluss auf die Diplomatie der Julikrise zu erforschen. Dabei soll geklärt werden, ob die Bündnisse den Kriegsausbruch im Juli 1914 zwangsläufig hervorbrachten oder ob die Krise auch ohne die Bündnisse eskaliert wäre.
- Die Entstehung und Entwicklung der Bündnissysteme der europäischen Großmächte
- Die Rolle der Bündnisse in der Diplomatie der Julikrise 1914
- Die Bedeutung der einzelnen Verträge und Abkommen für die Außenpolitik der Großmächte
- Die Wahrnehmung und Interpretation der Bündnisse durch die beteiligten Mächte
- Die Frage, ob die Bündnisse den Kriegsausbruch zwangsläufig hervorbrachten
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel bietet eine Einführung in die Thematik und beschreibt die außenpolitischen Ziele des Deutschen Reiches nach dem Deutsch-Französischen Krieg. Es wird die Rolle Otto von Bismarcks und seine Bündnispolitik zur Isolation Frankreichs erläutert. Das zweite Kapitel befasst sich mit der Entwicklung der Bündniskonstellationen bis 1890, wobei die wichtigsten Verträge wie der Zweibund, der Dreibund und der Rückversicherungsvertrag analysiert werden. Die Kapitel 3.1 bis 3.5 beleuchten die Außenpolitik der fünf Großmächte, indem sie die wichtigsten Abkommen und Bündnisse sowie deren Auswirkungen auf die jeweilige Machtposition und die europäischen Beziehungen detailliert darstellen. Das vierte Kapitel untersucht den Einfluss der Bündnisse auf die Diplomatie der Julikrise 1914 und analysiert die Kriegserklärungen der einzelnen Mächte im Kontext der bestehenden Bündnisse. Das fünfte Kapitel fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und diskutiert die Rolle der Bündnisse im Hinblick auf den Kriegsausbruch. Der Anhang beinhaltet Abbildungen, das Quellenverzeichnis listet alle genutzten Quellen auf und das Literaturverzeichnis gibt einen Überblick über die verwendete Literatur.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die europäische Bündnispolitik, die Julikrise 1914, die Großmächte Deutsches Reich, Großbritannien, Frankreich, Russland und Österreich-Ungarn, die Verträge Zweibund, Dreibund, Rückversicherungsvertrag, Entente cordiale, die Rolle der Bündnisse im Kriegsausbruch, die Wahrnehmung und Interpretation der Bündnisse, die Diplomatie der Julikrise und die Frage der Bündnisautomatik. Die Arbeit analysiert die Entstehung und Entwicklung der europäischen Bündnissysteme und untersucht deren Einfluss auf die Diplomatie der Julikrise 1914, um herauszufinden, ob die Bündnisse den Kriegsausbruch zwangsläufig hervorbrachten oder ob die Krise auch ohne die Bündnisse eskaliert wäre.
- Quote paper
- Benjamin Pommer (Author), 2008, Krise und Kriegsausbruch im Sommer 1914, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112228