Deutsche und US-amerikanische Kultur im Vergleich

Warum Amerikaner anders "ticken" als Deutsche


Scientific Essay, 2005

22 Pages


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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Verheißenes Land im Westen

3 Exzeptionalismus

4 Erfolgsmythos

5 Religion

6 Demokratie und Individualismus

7 Freies Land

8 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die deutsche und die US-amerikanische[1] Kultur sind westliche Kulturen, die von vielen Menschen als sehr ähnlich angesehen werden. Dennoch handelt es sich um in vielen Punkten von einander abweichende Kulturen. Die US-amerikanische Kultur ist

„anders“. Der Begriff „anders“ und die Konstruktion des „Anderen“ werden in den Kulturwissenschaften seit Jahren analysiert. Beide sind eng verbunden mit dem Betriff

„Identität“. Identität ist laut Goldmann Lexikon definiert als „die Unverwechselbarkeit und Einmaligkeit einer Person, die von ihr als ihre spezifische Art und Weise des Verhaltens, Denkens und Erlebens durch alle persönlichen Veränderungen hindurch erfahren wird.“ Dehnt man diesen Begriff auf eine Nation aus, so ist dies die Unverwechselbarkeit und Einmaligkeit einer Nation. Identität gibt uns als Mitglied einer Nation und ihrer vorherrschenden Kultur einen Platz in der Welt und stellt die Verbindung zwischen uns und der Gesellschaft, in der wir leben, dar. Das gilt sowohl für die persönliche Identität als auch für die Identität aller Nationen und ihren Kulturstandards.

Dabei ist zu bedenken, dass Identität nicht angeboren ist. Identität ist konstruiert, das heißt, sie wird durch die Kulturzugehörigkeit geschaffen und definiert. Institutionen wie Familie, Schule, Kirche und Massenmedien prägen unsere kulturelle Identität. Identität ist Ausdruck einer Kultur, wobei Kultur hier allgemein als die Produktion und der Austausch von Bedeutungen innerhalb einer Gruppe verstanden wird. Identität ist nicht statisch, sondern unterliegt, wie die mit ihr einhergehende Kultur, Bildungs- und Entwicklungsprozessen. Bei der Definition von Identität spielt immer das Element der Differenzierung mit: Menschen definieren sich über den Vergleich mit anderen. Die Wahrnehmung der Identität unterliegt stets dem Prozess von „wir“ im Vergleich zu „denen“. Die Definition der Kulturmerkmale der Anderen dient zur Bestimmung der eigenen kulturellen Identität.

Die US-Amerikaner erleben eine andere Identität als Deutsche, obwohl sich beide im großen Bereich der westlichen Kultur – im Gegensatz zu z. B. der östlichen Kultur – bewegen. Obwohl ein Teil der deutschen kulturellen Identität durch amerikanische Einflüsse wie Musik und Filme geprägt ist, unterscheiden sich beide Kulturen doch erheblich in den Punkten der kulturgeschichtlichen Entwicklung und heutigen Selbstwahrnehmung. Deutsche und Amerikaner denken und fühlen aufgrund der unterschiedlichen psycho-historischen und -kulturellen Disposition grundsätzlich anders, auch wenn sich manche Identitätsbereiche ähneln.

Unterschiedliche Erfahrungsprozesse führen zu einem unterschiedlichen Erleben der eigenen Identität und der eigenen Position in der Welt. Die spezifische Vergangenheit, sowohl die Geschichte als auch die Ideengeschichte sowie die Entwicklung von Werten und der Dos und Donts in einer Kultur – also, was man denken und tun sollte und darf und was nicht – spielen hier eine Rolle. Die Amerikaner sind besonders geprägt durch den Mythos des „Amerikanischen Traums“ – ein Begriff, der weit mehr umfasst als nur Karriere und Geld. Das Konzept des amerikanischen Traums in all seiner Komplexität stellt die Grundlage des amerikanischen Denkens dar. Der Begriff des amerikanischen Traums ist das Fundament der kulturellen Identität der Amerikaner. Dieses Fundament setzt sich im Kern zusammen aus den Gründungsmythen der Vereinigten Staaten von Amerika. Die amerikanische Gesellschaft stützt sich auf mehrere Mythen, die ihren Ursprung im 17., 18. und 19. Jahrhundert haben, und die sich erheblich von denen der deutschen Kultur unterscheiden. Diese Mythen definieren die amerikanische

Gesellschaft und haben einen großen Einfluss auf alle Bereiche des amerikanischen Lebens.

Der Begriff des Mythos lässt sich umfassen als kollektive Selbstinterpretation einer Kultur. Mythen dienen der Bildung einer spezifischen Identität, sind jedoch keine wirklichkeitsgetreue Wiedergabe der gesellschaftlichen und/oder historischen Realität. Ein Mythos, so Roland Barthes, ist ein Kommunikationssystem, eine Nachricht, die aus einfachen Zeichen besteht. Diese Zeichen vermitteln komplexe, abstrakte Konzepte, die wiederum eine kollektive Bedeutung haben und es einer Kultur ermöglichen, ihren sozialen Erfahrungen Bedeutung zu verleihen und Sinn zu geben. Komplexe und sich verändernde Prozesse der Geschichte werden im Rahmen von Mythen als natürlich und logisch vorgegeben dargestellt.

Trotz aller Kritik haben sich die amerikanischen Mythen als sehr stabil und haltbar erwiesen, was vor allem mit ihren theoretischen Möglichkeiten zu begründen ist, Hoffnungen und Wünsche zu benennen und zu realisieren. Die amerikanischen Mythen schaffen ein Klima der Utopie, einer positiven, viel versprechenden Gegenwart und Zukunft. Diese Mythen und ihre grundlegende Bedeutung für die heutige Wahrnehmung der amerikanischen Identität werden in den folgenden Kapiteln dargelegt.

2 Verheißenes Land im Westen

Im alten Ägypten wurde der Westen als Land des Todes und der Zufriedenheit in einem zweiten Leben angesehen. In der griechischen Antike wurde das Elysium ebenfalls im Westen verortet. Die Bibel spricht zunächst vom Paradies als einem Ort im Osten (Genesis 2:8 nach Luther). In der englischen King James Bible ist zu lesen, dass Gott den Menschen aus dem Paradies hinaustrieb und im Osten des Paradieses Cherubim als Wächter aufstellte (Genesis 3:24). Für die Leser der King James Bible lag und liegt das Paradies daher im Westen. Der Mythos des Landes im Westen sprach über die Jahrtausende also die verschiedensten Kulturen an.

Nach den Wikingern um 1000 gelang zunächst spanischen Entdeckern die Überfahrt nach Amerika. Unbestritten war zur Zeit der spanischen, portugiesischen und englischen Entdeckungsfahrten im 15. und 16. Jahrhundert, dass laut der Bibel der Fortschritt menschlicher Zivilisation und des christlichen Glaubens dem Gang der Sonne von Osten nach Westen folgte. Somit bot sich der amerikanische Kontinent als ein neues Stadium in der Entwicklung der menschlichen Zivilisation dar. Die Spanier waren auf der Suche nach spirituellen, aber auch nach materiellen Dingen. Sie suchten Cibola, die sieben goldenen Städte und ihre Reichtümer, aber ebenso den Ort des Jungbrunnens. Im Länderbericht USA schreibt Winfried Fluck: „Bevor Amerika von den Europäern entdeckt wurde, war es schon von ihnen erfunden worden.“ Die Erwartungshaltung über die Gegebenheiten im westlichen Land prägte die Sichtweise der Europäer bei der Betrachtung der neuen Länder. Auf seiner Entdeckungsfahrt im Jahr 1492 hoffte Columbus, Indien und seine Schätze zu finden. Die Berichte, die er über das entdeckte Land, der heutigen Dominikanischen Republik, verfasste, reflektieren das, was die Westeuropäer im Land im Westen vermuteten, und nicht unbedingt das, was der

Realität entsprach. So berichtet Columbus z. B., dass er eine Nachtigall gesehen und gehört habe, die es dort aber nie als Spezies gab. Als die Entdecker realisierten, dass es sich nicht um Indien handelte, sondern um eine völlig neues Land, erhielt es seinen eigenen Namen, „Amerika“ nach Amerigo Vespucci, das vorhandene Konzept des Landes im Westen als Paradies und Land der Möglichkeiten, sowohl in spiritueller als auch in materieller Hinsicht, blieb jedoch bestehen. Dieser Mythos hat bis heute Bestand.

Die Briten waren die ersten, die die nordamerikanischen Gebiete, zunächst im Osten, als permanente Siedlungsgebiete in Erwägung zogen. 1607 bauten sie die erste dauerhafte Siedlung in Jamestown/Virginia auf. Die Besiedlung wurde bereits kurze Zeit später zusätzlich zum prinzipiellen Glauben an den Anspruch und die Rechtmäßigkeit legitimiert durch einen Mythos der Geschichte von Pocahontas und Captain John Smith. Berichtet und als Mythos überliefert wurde, dass die Häuptlingstochter Pocahontas Captain John Smith, ein Mitglied der Jamestown-Siedler, rettete, als dieser von ihrem Vater, Häuptling Powhatan, dem mächtigen Anführer einer Allianz von 30 Indianer- Stämmen, getötet werden sollte. Obwohl viele Historiker heute diese Situation nicht als Hinrichtungsszene, sondern als Willkommensritual sehen, bleibt der Mythos von diesen Erkenntnissen unberührt: Die Intervention durch Pocahontas zeigte die Rechtmäßigkeit der britischen Besiedlung und des willigen Duldens der Besiedlung durch die Ureinwohner. Pocahontas, obwohl in den meisten Überlieferungen historisch inkorrekt dargstellt, dient als Metapher: Sie, als weibliches Symbol des Landes, heißt die männlichen Eroberer willkommen. Bildlich verheiratet sich Großbritannien mit dem neuen Kontinent. Die weiteren Schritte im Prozess, sich das Land und die Bewohner Untertan zu machen, wurden durch dieses Bild legitimiert. Diese Legitimation wirkt bis heute, trotz aller Kritik am Völkermord an den Indianern, nach.

[...]


[1] Im Text wird vereinfachend der Begriff „amerikanisch“ verwendet. Gemeint ist stets die US- amerikanische Kultur.

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Details

Title
Deutsche und US-amerikanische Kultur im Vergleich
Subtitle
Warum Amerikaner anders "ticken" als Deutsche
Author
Year
2005
Pages
22
Catalog Number
V112394
ISBN (eBook)
9783640104499
File size
505 KB
Language
German
Keywords
Deutsche, US-amerikanische, Kultur, Vergleich
Quote paper
Ingrid Eumann (Author), 2005, Deutsche und US-amerikanische Kultur im Vergleich , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112394

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