Heidelberger Instrumentes zur Erfassung von Lebensqualität bei Demenz (H.I.L.DE). Demenz in der stationären Altenhilfe


Diplomarbeit, 2008

92 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einführung

2. Demografie
2.1 Die Prognosen zur quantitativen Entwicklung der Pflegebedürftigkeit
2.2 Die Prognosen zur quantitativen Entwicklung der Menschen mit Demenz

3. Begriffsdefinitionen
3.1 Demenz
3.2 Lebensqualität
3.3 Hausgemeinschaft
3.3.1 Definition der Hausgemeinschaft durch das KDA
3.3.2 Definition Hausgemeinschaft der CBT
3.3.3 Gegenüberstellung der Konzepte
3.4 Assessmentinstrumente

4. Vorstellung des „Heidelberger Instruments zur Erfassung von Lebensqualität bei Demenz“ (H.I.L.DE)
4.1 Allgemeine Informationen zu H.I.L.DE
4.2 Inhaltliche Struktur von H.I.L.DE
4.2.1 Kompetenzgruppen
4.2.2 Medizinische Versorgung und Schmerzerleben
4.2.3 Räumliche Umwelt
4.2.4 Aktivitäten
4.2.5 Soziales Bezugssystem
4.2.6 Emotionalität
4.3. Formale Struktur von H.I.L.DE
4.4 Praktikabilität
4.5 Bedeutung für die Pflegekräfte
4.6 Abschließende Bewertung von H.I.L.DE

5. Vorstellung des Trägers und der Einrichtung
5.1 Das Unternehmen CBT und das Wohnhaus St. Michael
5.2 Das Begleitungs- und Hausgemeinschaftskonzept
5.3 Der Unterschied zwischen einer herkömmlichen Wohngruppe (Begleitungskonzept) und einer Hausgemeinschaft

6. Datenerhebung
6.1 Hypothesenentwicklung
6.2 Bewohnerauswahl durch Einschluss- und Ausschlusskriterien
6.3 Prozess der Datenerhebung

7. Darstellung und Auswertung der Ergebnisse
7.1 Dimensionen Schmerzerleben und Räumliche Umwelt
7.2 Dimension Aktivität
7.3 Dimension Emotionales Erleben

8. Fazit
8.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
8.2 Diskussion des Vorgehens in der Arbeit
8.3 Ausblick

9. Literaturverzeichnis

10. Internetadressen

11. Abbildungsverzeichnis

12. Tabellenverzeichnis

13. Abkürzungsverzeichnis

14. Anhang

1. Einführung

Anlass für diese Arbeit ist die Tatsache, dass die Zahl älterer Menschen in der Bundesrepublik Deutschland laut Statistischem Bundesamt (2008a) zunimmt. Gleichzeitig steigt auch die Anzahl der Menschen, die an Demenz erkranken. Aufgrund eines politisch gewollten und in der Realität feststellbaren immer späteren Einzugs in eine Einrichtung der stationären Altenhilfe, hat sich das Verhältnis von psychisch gesunden und psychisch kranken (dementen) Menschen in diesen Institutionen extrem verschoben. Nach der Gesundheitsberichtserstattung des Bundes betrug die Zahl der an Demenz erkrankten Heimbewohner 2005 über 60% (Bickel 2005). Hieraus erwächst eine besondere Verantwortung, insbesondere für die Träger von Einrichtungen der stationären Altenhilfe. Die Verantwortung bezieht sich unter anderem auf konzeptionelle Schwerpunkte des Wohnens und der Betreuungsformen, hierunter sind integrative (psychisch gesunde und psychisch Kranke leben gemeinsam), segregative (psychisch Kranke leben getrennt) oder teilsegregative (psychisch Kranke leben zeitweise getrennt) Angebote gemeint (Schneekloth, 2005 S.8).

Die Hausgemeinschaft, als eine konzeptionelle Antwort der stationären Altenpflege auf die wachsende Zahl von an Demenz erkrankten Menschen (Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) 2000) und die Personalentwicklung haben zur Aufgabe, die durch Demenz erworbenen Defizite zu kompensieren. Dies soll zu einer größtmögliche Lebensqualität der betroffenen Menschen führen. Die Konzeption soll milieutherapeutisch Geborgenheit, Sicherheit und Wohlbefinden vermitteln und die Personalqualifikation soll zu einem professionellen, empathischen, ethisch vertretbaren und personseinerhaltenden (Kitwood 1997, S.133) Umgang mit der betroffenen Klientel führen. Unberücksichtigt bleiben in dieser Arbeit Fragen und Aspekte der Wirtschaftlichkeit, der Gesundheitsökonomie und der Rechtswissenschaft.

Zu Beginn der Arbeit werden die demografischen Veränderungen der Gesellschaft, die Prävalenz von an Demenz erkrankten Menschen und die hieraus entstehenden Konsequenzen für die stationäre Altenhilfe aufgezeigt. Im weiteren werden die wichtigsten Begriffe, die in dieser Arbeit verwendet werden, definiert.

Die Caritas- Betriebsführungs- und Trägergesellschaft (CBT) hat 2007 mit dem Wohnhaus St. Michael an einem Forschungsprojekt der Universität Heidelberg teilgenommen. Das sich in der Entwicklung befindende „Heidelberger Instrument zur Erfassung von Lebensqualität bei Demenz“ (H.I.L.DE) (Becker, Kaspar & Kruse 2004), das später noch genauer vorgestellt wird, wurde neben anderen 18 Häusern in der Bundesrepublik, auch dort evaluiert. Aufgrund der positiven Resonanz seitens der Mitarbeiter bezüglich der Anwendung und Wirkung des Instrumentes, sowie der Tatsache, dass zur Zeit kein alternatives Assessment in Deutschland bekannt ist, um Lebensqualität von an Demenz erkrankten Menschen zu erfassen, wird in dieser Arbeit die Anwendung von H.I.L.DE im Vordergrund stehen.

Um die Wirkung des Konzeptes der Hausgemeinschaft zu prüfen, wird eine Hypothese aufgestellt, die in der folgenden Arbeit handlungsleitend sein soll. Ob sich die Einführung des Assessmentinstrumentes H.I.L.DE positiv auf die Personalentwicklung auswirkt, wird als Nebenaspekt mitbehandelt. (Bartholomeyczik, Halek, Sowinski, Besselmann, Dürrmann, Haupt, Kuhn, Müller-Hergl, Perrar, Riesner, Rüsing, Schwerdt, van der Kooj & Zegelin 2006,S.75). Ziel der Arbeit ist es, Kenntnisse über die Wirksamkeit von Hausgemeinschaften auf an Demenz erkrankte Bewohner zu untersuchen.

Exemplarisch wird eine Hausgemeinschaft in einer Einrichtung der Caritas Betriebsführungs- und Trägergesellschaft Köln (CBT) vorgestellt und der Unterschied zu einer herkömmlichen Wohnform (Infratest Sozialforschung 2005 S.177) aufgezeigt. Beide Wohnformen bietet das CBT Wohnhaus St. Michael in Waldbröl an, in der die Untersuchung stattfindet. Die Wohnformen beeinflussen die Lebensqualität der in ihr lebenden Menschen wahrscheinlich unterschiedlich, dies gilt es mit H.I.L.DE zu erfassen, um dann die Ergebnisse der beiden Wohnformen vergleichend gegenüberzustellen.

Weiterhin geht es um die Fragestellung, wie „vergleichbare“ Bewohner durch Ein- und Ausschlussverfahren, sowie unterschiedlicher Assessments gefunden werden können (Bortz 2006), um eine Antwort zu geben. Anschließend wird die Methode der Datenerhebung transparent dargestellt.

Durch die exemplarische Anwendung von H.I.L.DE an drei Bewohnern, die in einer Hausgemeinschaft und drei Bewohnern, die in einer herkömmlichen Wohnform leben, soll die eingangs gestellte Hypothese verifiziert oder falsifiziert werden.

Letztendlich bleibt zu beurteilen, ob das Instrument H.I.L.DE nicht nur für die individuelle Messung von Lebensqualität, sondern auch für die milieutherapeutische Wirkung einer konzeptionellen Intervention (Hausgemeinschaft) genutzt werden kann.

Die Arbeit ist aufgeteilt in

Teil I, bestehend aus dem theoretischen und empirischen Teil,

Teil II, aus beigefügten Unterlagen.

Teil I

Theoretischer Teil

2. Demografie

In diesem Kapitel wird der demografische Wandel aufgezeigt und die Prognosen zur quantitativen Entwicklung der Pflegebedürftigkeit von Menschen, die an einer Demenz erkrankt sind, dargestellt. Hierdurch wird die Relevanz dieser Arbeit deutlich.

2.1 Die Prognosen zur quantitativen Entwicklung der Pflegebedürftigkeit

Die Pflegebedürftigen werden nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes (2008a) von 2,08 Millionen im Jahr 2003, auf 2,83 Millionen im Jahr 2020 ansteigen, dies entspricht einem Zuwachs von knapp 40%. Die geschätzten Zahlen der erwarteten Pflegebedürftigen für das Jahr 2050 liegen zwischen 3,2 und 5,9 Millionen.

Abbildung 1: Alterprognose bei Männern und Frauen in Deutschland

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dieser Anstieg, der wie beschrieben zu einer Erhöhung der Pflegebedürftigkeit führt, ist eine Herausforderung für neue Konzepte in der ambulanten und stationären Altenpflege. Ebenso ist die Notwendigkeit für die Inanspruchnahme neuer Wohnformen gegeben.

Die Konsequenz dieser Entwicklung für die ambulante Altenpflege bleibt in dieser Arbeit unberücksichtigt.

Es lässt sich festhalten, dass die Prognosen - bei allen Unsicherheiten im Detail - deutlich machen, dass bis zur Mitte des 21.Jahrhunderts zwei gegenläufige Entwicklungen das gesellschaftliche Gefüge erheblich verändern werden. Einem starken quantitativen Anstieg der Pflegebedürftigkeit (von heute etwa 2 Millionen auf mindestens 3,2 Millionen Menschen im Jahr 2050) stehen abnehmende Möglichkeiten familiärer Pflege gegenüber. Daher kann mit einem deutlichen Anwachsen des stationären Pflegesektors gerechnet werden.

2.2 Die Prognosen zur quantitativen Entwicklung der Menschen mit Demenz

Zurzeit leben in Deutschland nach Angaben des Heimberichtes des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSF) (2007) ca. eine Million Menschen, die an einer Demenz leiden. Ca. 700.000 davon leiden an der Alzheimer Demenz. Nach der mittleren Variante der 10. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes (2008b) treten jährlich 200.000 Neuerkrankungen auf, davon entfallen ca. 125.000 auf die Alzheimer Demenz. Nach Vorausberechnungen, die die Bevölkerungsentwicklung berücksichtigen, wird sich die Zahl der Demenzpatienten bis zum Jahre 2050 auf über zwei Millionen erhöhen.

Sowohl die Abbildung1: Demografie als auch die Abbildung 2:

Demenzprävalenz zeigen diese Entwicklung der Bevölkerung bis zum Jahr 2050 auf und geben eine Prognose, wie hoch der Anteil der Bevölkerung von an demenzerkrankten Betroffenen sein wird.

Abbildung 2: Demenzprävalenz

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nach Hallauer (2001, S.13) steigen mit zunehmendem Alter die Häufigkeit der Demenzerkrankungen in Deutschland. Diese Entwicklung unterstreicht die Relevanz des Themas Demenz, nicht nur in stationären Altenhilfeeinrichtungen, sondern für das gesamte Gesundheitssystem, sowie für die Gesellschaft überhaupt. Es gilt, für die Zukunft moderne und an den Bedürfnissen der an Demenz erkrankten Menschen orientierte Konzepte zu schaffen, die der Aufrechterhaltung der Würde dieser Bevölkerungsgruppe dient und den Arbeitsplatz für Mitarbeiter attraktiv werden lässt. Ein Konzept ist das Leben in Hausgemeinschaften, als eine Wohnform für an Demenz erkrankten Menschen, deren Wirkung auf die Bewohner in dieser Arbeit untersucht wird.

3. Begriffsdefinitionen

In diesem Kapitel werden vier zentrale Begriffe definiert:

- Demenz
- Lebensqualität
- Hausgemeinschaft
- Assessmentinstrumente

3.1 Demenz

Zwei Definitionen von Demenz, sowie die diagnostischen Kriterien der International Classification of Disease (ICD) sind Schwerpunkte dieses Kapitels, außerdem die Konsequenz und Bedeutung der Erkrankung für die Betroffenen selbst.

Brandt, Dichgans & Diener von der Universität Göttingen definieren Demenz wie folgt:

„Demenzen sind typische Krankheitsbilder des höheren Lebensalters. … Der Begriff der „Demenz“ steht für eine fortschreitende Abnahme der höheren geistigen Fähigkeiten, wie z.B. Gedächtnis, Orientierung und Sprachbildung über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten“ Unter den verschiedenen Demenzerkrankungen ist die Alzheimer Krankheit die häufigste und bekannteste. Als Demenz wird eine erworbene Beeinträchtigung des Gedächtnisses in Kombination mit dem Abbau weiterer Hirnleistungen und der daraus resultierenden Beeinträchtigung im Alltag bezeichnet.“

(Brandt, Dichgans & Diener (Hrsg.) 2003)

Mit den diagnostischen Kriterien der „ International Classification of Disease“ und des Diagnostic and Statistical Manual der American Psychiatric Association wird das Demenz Syndrom von anderen Formen kognitiver Einbußen abgegrenzt.

Multiple erworbene kognitive Einbußen sind

- Abnahme des Gedächtnisses
- Abnahme mindestens einer weiteren kognitiven Fähigkeit (z.B. Denkvermögen, Planen, Exekutivfunktionen bzw. Aphasie, Apraxie, Agnosie)
- Störungen von Affektkontrolle, Antrieb oder Sozialverhalten
- Beeinträchtigung des Alltagslebens
- kein Hinweis auf vorübergehenden Verwirrtheitszustand
- Dauer einer Störung von mindestens sechs Monaten (nach ICD – 10 und DSM –IV-TR)

Die unterschiedlichen Diagnosen der Demenz haben eine große Relevanz bezüglich ihres spezifischen Verlaufs und der Therapieansätze. In einer durchgeführten Literaturrecherche ist jedoch keine Differenzierung des Erlebens von Demenz bezüglich der unterschiedlichen Arten gefunden worden.

Bei der Bewohnerauswahl (siehe Kap. 6.2) wird die „Diagnose der Demenz“ eine wichtige Rolle spielen, ansonsten sind die spezielle Arten der Demenz für diese Arbeit unwesentlich. Das Assessment der Erfassung der Lebensqualität unterscheidet keine Demenzarten, sondern Kompetenzstufen (siehe Kap. 4.2.1), die sich an den Fähigkeiten der demenzerkrankten Menschen orientieren. Die oben aufgeführten Konsequenzen für die Betroffenen sind gleichzeitige Anforderungsprofile an Wohnkonzepte, die sich mit an Demenz erkrankten Menschen auseinandersetzen.

3.2 Lebensqualität

Grundsätzlich ist es eine große Herausforderung, den Begriff Lebensqualität zu definieren. Die Beschäftigung mit dem Assessmentinstrument H.I.L.DE steht im Vordergrund, welches auf der Grundlage aus Konzepten der Lebensqualität aus Schweden und aus Amerika baut. In diesem Kapitel wird zuerst eine Definition von Noll und dann eine allgemeine Definitionen zu dem Begriff Lebensqualität vorgestellt, um die Vielschichtigkeit aufzuzeigen, welche mit diesem Begriff verbunden ist. Anschließend werden strukturelle Hilfen in Form eines Modells aufgezeigt, die die Operationalisierung des Begriffs nachvollziehbar machen. Im weiteren Teil folgt die schwedische und amerikanische Definition dieser beiden Konzepte. Die Ausarbeitung der Unterschiede zwischen beiden folgt im Kapitel 4, im Rahmen der Vorstellung des Assessmentinsturmentes H.I.L.DE.

„Der Begriff Lebensqualität bezeichnet ein modernes Wohlfahrtskonzept, das in den späten sechziger Jahren entstanden ist und seitdem als Zielform für die Gesellschaftspolitik, aber auch als Maßstab der Gesellschaftsanalyse und Bezugsrahmen für die Wohlfahrtsmessung eine zentrale Rolle spielt“ (Noll, 1999 S.2)

Noll unterscheidet Lebensqualität als „…Variante des übergreifenden Konzepts der Wohlfahrt…“(Noll, 1999 S.3).

Er unterscheidet zwei Komponenten:

- Wohlstand, der alle materiellen Dimensionen umfasst, wie Einkommen, Vermögen, Besitz sowie Konsum von Dienstleistungen und Gütern
- Wohlbefinden, das das subjektive Empfinden/Elemente des Individuums in den Vordergrund stellt.

Lebensqualität wird von ihm als ein multidimensionales Konzept bezeichnet.

Weitere Definitionen von Lebensqualität sollen die Unterschiede der Ansätze und die damit verbundenen Schwierigkeiten deutlich machen:

„Lebensqualität ist ein multidimensionales Konzept, das

sowohl materielle wie auch immaterielle, objektive und

subjektive, individuelle und kollektive

Wohlfahrtskomponenten gleichzeitig umfasst und das

„Besser“ gegenüber dem „Mehr“ betont.“

(Glatzer, W. & Zapf, W. (Hrsg.), 1984 zitiert in Weidekamp-Maicher M.(2006) S.5).

“Lebensqualität schließt alle wichtigen Lebensbereiche ein und umfasst nicht nur das materielle und individuelle Wohlergehen, sondern auch immaterielle und kollektive Werte, wie Freiheit, Gerechtigkeit, die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen und die Verantwortung gegenüber künftigen Generationen“ (Noll 1997 S. 6).

„Quality of life defined as subjecitv well-beeing and personal growth in a healthy an prosperous environment“

(Lane 1996, zitiert in Noll 1999 S.6)

Es gibt unzählige Arten der Messung von Qualität in der Theorieentwicklung. Eine Art ist die schwedische „ level of living – approach“, die andere die amerikanische „ quality of life“. Das Verständnis dieser beiden Konzepte wird im späteren Teil der Arbeit erläutert.

Die Voraussetzung für die Operationalisierung des Begriffs ist, Einflüsse, die die Lebensqualität bestimmen, zu benennen. Zur Veranschaulichung werden zwei Abbildungen von Weidekamp-Maicher M. (2006) beigefügt, aus denen sowohl die Einflüsse, als auch die normative Annäherung an Lebensqualität hervorgeht. Die normative Annäherung ist unterteilt in eine ideologische, eine minimalistische und eine an „menschlichen Maßstäben“ orientierte Differenzierung.

Abbildung 3:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abhängig vom Beobachterstandpunkt und somit von der wissenschaftlichen Begriffsdefinition heraus, zeigen sich unterschiedliche Möglichkeiten in der Schwerpunktbildung.

Abbildung 4:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei der Definition des Begriffs werden die Umstände und die inneren Befindlichkeiten, Bewertungen und Erfahrensmöglichkeiten, welche die Qualität des Lebens beeinflussen, erfasst.

In den folgenden schwedischen und amerikanischen Modellen finden sich die Strukturen sowohl der normativen Lebensqualität, als auch die Dimensionen der Qualität des Lebens in den Abbildungen 5 und 6 wieder.

Der schwedische Ansatz des „ level of living – approach“ hat ein Verständnis von Wohlfahrt und Lebensqualität, in der „…die Operationalisierung in erster Linie über objektive Indikatoren erfolgt…“, während der amerikanische Ansatz, „ quality of life“, …“die Bedeutung der subjektiven Wahrnehmungs- und Bewertungsprozesse für die Lebensqualität“ in den Vordergrund stellt.

(Noll,1999 S. 8)

„Im Schwedischen „tragen Maßnahmen zur Erhöhung der Selbständigkeit bzw. zur Vermeidung unnötiger und dysfunktionaler Unselbständigkeit nicht nur allgemein zu einer Erhöhung subjektiven Wohlbefindens und damit zur (subjektiven) Lebensqualität bei, sie bilden gerade bei Menschen mit Pflege- und Betreuungsbedarf eine zentrale Voraussetzung für den Einsatz vorhandener Ressourcen zur Verwirklichung von Teilhabe.“ (Becker, Kaspar & Kruse, 2006b S. 351).

Abbildung 5: „Modell der Lebensqualität nach Veenhoven“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Lebensqualität im Alter unter besonderer

Berücksichtigung psychischer Erkrankungen

Nach einer Vorlesungsreihe in „Soziale Gerontologie“ an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität zu Frankfurt/Main definiert Schulz-Hausgenoss A. (2006) die Lebensqualität nach Veenhoven(2004) folgendermaßen:

Definition von Lebensqualität im „Livability-Ansatz“ (I)

Lebensqualität (LQ) ist ein globaler Begriff LQ als ein subjektives und von jedem Menschen intuitiv erlebbares Gefühl der Zufriedenheit mit der Gesamtheit des Lebens. Dieses Gefühl gilt als Ausdruck dafür, ob Menschen das Gefühl haben, dass ihre grundlegenden Bedürfnisse in Erfüllung gegangen sind. Veenhoven definiert LQ als „the overall enjoyment of one‘s life-as-a-whole“

(Schulz-Hausgenoss A, 2006 S.6)

Für die Instrumentenentwicklung H.I.L.DE sind stellvertretend das schwedische Modell Veenhoven und das amerikanische Konzept von Lawton zur Anwendung gekommen. Das von Lawton entwickelte Modell, welches aus der amerikanischen Tradition entstand, differenziert zwischen der objektiv gegebenen Umwelt und subjektiv erlebten Umweltbedingungen, weiterhin auch in der Bedeutung seelischen Wohlbefindens und der Verhaltenskompetenz.

Nach Lawton ist Lebensqualität danach zu verstehen als

„the multidimensional evaluation, by both intrapersonal and social-normative criteria, of the personenvironment system of an individual in time past, current, and anticipated“.

(Becker, Kruse, Schröder & Seidl, 2005 S.6).

In der folgenden Abbildung wird das Konzept von Lawton dargestellt:

Abbildung 6 „Vier Dimensionen der Lebensqualität“ nach Lawton

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In seinem Modell operationalisiert Lawton den Begriff Lebensqualität mit den Dimensionen „subjektives Wohlbefinden“, „objektive Umwelt“, „erlebte Lebensqualität“ und „Verhaltenskompetenz“.

3.3 Hausgemeinschaft

Als dritter Begriff wird die Haugemeinschaft definiert, zum einen durch das Kuratorium Deutscher Altershilfe (KDA), zum anderen durch die Caritas Betriebsführungs- und Trägergesellschaft (CBT), dem Träger, bei der die Erhebung stattgefunden hat. Abschließend werden die beiden Definitionen gegenübergestellt.

3.3.1 Definition der Hausgemeinschaft durch das KDA

Die Hausgemeinschaft des KDA stellt eine spezielle Form des Heimwohnens besonders für demenzkranke ältere Menschen dar. Hierbei wird stärker als beim Pflegeheim herkömmlicher Prägung das Prinzip der Alltagsnormalität in den Vordergrund gestellt. Typische Merkmale einer Hausgemeinschaft nach diesem Modell sind:

- Aufhebung der starren Trennung von Pflege, Hauswirtschaft und sozialer Betreuung,
- feste Bezugspersonen,
- ein räumliches Konzept, das in der Regel auf eine zentrale Wohnküche hin ausgerichtet ist.

„Hausgemeinschaften sind kleine, möglichst gemeindenahe Wohnformen für pflegebedürftige ältere Menschen (für ca. acht Personen). Sie stehen für eine Abkehr vom institutionalisierten, vordergründig auf Pflegequalität und Versorgung ausgerichteten „Anstaltsmodell“ und für eine Hinwendung zu einem an den individuellen Lebenswelten orientierten Normalisierungsprinzip.

Zugunsten einer weitgehenden Autarkie in Einzelhaushalten und folglich einer dezentralisierten Hauswirtschaft sind hier die heimtypischen und den Alltag in konventionellen Heimen bestimmenden zentralen Versorgungseinrichtungen wie Zentralküche und Wäscherei abgeschafft.

Ebenso werden hierarchische Strukturen dementsprechend - auch durch den konzeptionell gewollten stärkeren Einbezug von Angehörigen -weitgehend abgebaut. Hausgemeinschaften eignen sich wegen ihrer geringen Gruppengröße und der ständigen Anwesenheit einer Präsenzkraft auch gut für die Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz, sind jedoch nicht von vorneherein ausschließlich auf diese Zielgruppe festgelegt.“ (http://www.kda.de)

3.3.2 Definition Hausgemeinschaft der CBT

„Die CBT definiert Hausgemeinschaften als Wohn- und Lebensraum für 10-16 Bewohner, die in überschaubaren Wohnstrukturen zusammen von den Mitarbeitern eines Begleitungsteams begleitet werden. In jeder Hausgemeinschaft bilden die Apartments der Bewohner und die zentralen Gemeinschaftsräume eine Einheit. Die Angebote und die milieutherapeutischen Ausrichtung der jeweiligen Hausgemeinschaft orientieren sich am Bewohner.“ (CBT Begleitungskonzept mit Hausgemeinschaften, 2006 S. 22)

Seit 1992 hat die CBT begonnen, ein Konzept für das Leben und Wohnen in ihren Häusern zu entwickeln und umzusetzen. Das Begleitungskonzept als Rahmenbedingung für die „Begleitung als Aufgabe Vieler“, „Personelle Bedingungen“ und „Raumkonzept“ sind in allen Häusern innerhalb der letzten 15 Jahre konsequent umgesetzt worden.

„Begleitung Vieler“ steht für das multiprofessionelle Team, in dem Pflegekräfte, psychosozialer Dienst, Angehörige, Ehrenamtliche und alle Berufsgruppen wie Ärzte, Therapeuten und Seelsorger miteinbezogen sind. Das um die Aktivität „Wohnen“ erweiterte Modell von Krohwinkel dient als Basis des Handelns. Unter „Personelle Bedingungen“ werden der Fachkräfteanteil, die Dienstplangestaltung, die Aufgaben- und Kompetenzregelungen und die Kommunikationsstrukturen verstanden. „Raumkonzept“ ist die vorgegebene Struktur, die Wohn- und Esszimmer als Gemeinschaftsraum, ein Pflegestützpunkt, Ausstattung, Ausgang nach draußen und vieles mehr beinhaltet.

Im Kern fordert das Konzept, angelehnt an das von Renate Reimann entwickelte Konzept der Zimmerpflege, „…durch fördernde Pflege die individuelle Lebensbegleitung der Bewohner weiterzuentwickeln und das selbst bestimmte und eigenverantwortliche Arbeiten der Mitarbeiter zu fördern.“ (CBT Begleitungskonzept mit Hausgemeinschaften (2006) S. 6)

Abweichend vom Arbeitsverteilungssystem der Funktionspflege, in der nicht auf die individuellen Bedürfnisse der Bewohner eingegangen wird, sondern die Pflegehandlung im Vordergrund steht, ist das Begleitungskonzept an einer Zahl von zu betreuenden Bewohnern angelehnt, für die ein festes Mitarbeiterteam verantwortlich ist. Hierdurch wird Beziehungspflege und Individualität in der Pflege überhaupt erst möglich. Die Hausgemeinschaft ist somit die konsequente Weiterentwicklung des Begleitungskonzeptes innerhalb der CBT.

3.3.3 Gegenüberstellung der Konzepte

In den beiden Definitionen steht der Aspekt der

- Bezugspflege,
- eine fest definierte Bewohneranzahl und
- architektonische Voraussetzungen im Vordergrund.

Sie zeigen, dass es sich um ein segregatives Konzept handelt, das nicht unbedingt an Demenz erkrankte Menschen als Zielgruppe haben muss.

Die Bezugspflege wird unterstützt, indem eine feste Mitarbeitergruppe einer festen Bewohnergruppe zugeordnet wird. Die fest definierte Bewohnerzahl ist bei beiden Begriffsbestimmungen vorhanden, jedoch differiert die CBT Angabe zur jener von der KDA nach oben.

Die Architektur ähnelt sich in beiden Definitionen hinsichtlich der Konzentration auf einen gemeinsamen Wohnraum/ Wohnküche, in der gekocht, gearbeitet und gelebt wird. Der milieutherapeutische Aspekt ist durch diese tagesstrukturierende Maßnahme in beiden Definitionen gefordert.

Dies sind die wesentlichen Unterschiede zu einer herkömmlichen Wohngruppe, mit einer Ausnahme - die CBT hat das Bezugspflegesystem als Kernpunkt in ihr Begleitungskonzept integriert und in allen Wohnformen umgesetzt. In der CBT besteht somit der Unterschied zwischen einer herkömmlichen Wohngruppe und einer Hausgemeinschaft lediglich in dem kontinuierlichen Angebot der tagesstrukturierenden Maßnahmen in der Kleingliedrigkeit und der konsequenten Umsetzung eines Teams aus unterschiedlichen Berufen. Dieser Unterschied ist wichtig, da im weiteren Teil der Arbeit die Lebensqualität zweier Bewohnergruppen in diesen beiden Wohnformen miteinander verglichen wird.

3.4 Assessmentinstrumente

Assessment bedeutet wörtlich übersetzt: "Messen", "Einschätzen" oder "Bewerten".

Zegelin bezeichnet Assessment als "Einschätzung von allen möglichen Aspekten (Entwicklungen, Handlungen,...)" (Zegelin 2009).

Die Verwendung der Begriffe Assessmentinstrumente, -methoden und –verfahren sind häufig synonym. Eine Differenzierung zwischen den Begriffen ist in der Literatur und im täglichen Sprachgebrauch nicht eindeutig. Bei der Assessmentmethode wird zwischen der qualitativen bzw. quantitativen Erfassung unterschieden, als auch zwischen verschiedenen Erhebungsmethoden. Dies sind unter anderem:

- Test,
- Fragebogen,
- Aktenanalyse,
- Beobachtung (u.a. Verhalten, Ausdruck),
- Exploration,
- Anamneseerhebung,
- Biographie,
- Interaktionsdiagnostik,
- Familiendiagnostik,

um nur einige zu nennen.

Da in dieser Arbeit ein mehrdimensionales Assessment eingesetzt wird, folgt ein Zitat, aus dem die Anforderung der International Classification of Functioning (ICF) (2004), Disability and Health deutlich wird:

„Häufig wird der Begriff des mehrdimensionalen Assessments verwendet. Hiermit wird die Beschreibung/Erfassung des Phänomens aus mehreren Perspektiven und/oder mit verschiedenen Kriterien verstanden. In Bezug auf die Differenzierung zwischen physischen und psychischen sowie kognitiven Verfahren wird von Mehrdimensionalität gesprochen, wenn sich das Assessment auf mehrere der genannten Ebenen bezieht - dies kann dann auch als ganzheitliches Assessment bezeichnet werden.“

In Bezug auf die ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health) sollte sich ein mehrdimensionales Assessment auf die drei Dimensionen beziehen. Diese Dimensionen sind "Körperfunktionen und -strukturen", "Aktivitäten" und "Partizipation". Sie beziehen auch die Analyse von personbezogenen Kontext- und Umweltfaktoren mit ein, was als mehrdimensional und ganzheitlich im Sinne der ICF zu sehen ist.

Bartholomeyczik & Hunstein (2006, S. 317) stellen in einem Positionspapier „Standardisierte Assessmentinstrumente - Möglichkeiten und Grenzen“

Anforderungen an Assessmentinstrumente und die Vorraussetzungen der Nutzung vor. Die Instrumente haben eine „Gedächtnis unterstützende Funktion“ und helfen die Daten zwischen einzelnen Einrichtungen vergleichbarer zu machen. Die Qualität eines Instrumentes lässt sich daran prüfen, wie gut es das Phänomen beschreiben kann.

[...]

Ende der Leseprobe aus 92 Seiten

Details

Titel
Heidelberger Instrumentes zur Erfassung von Lebensqualität bei Demenz (H.I.L.DE). Demenz in der stationären Altenhilfe
Hochschule
Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
92
Katalognummer
V112626
ISBN (eBook)
9783640131907
ISBN (Buch)
9783640134441
Dateigröße
1442 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Demenz, Altenhilfe, Untersuchung, Auswirkung, Wohnformen, Lebensqualität, Bewohnern, Heidelberger, Instrumentes, Erfassung
Arbeit zitieren
Diplom Pflegewirt Winfried Wassong (Autor:in), 2008, Heidelberger Instrumentes zur Erfassung von Lebensqualität bei Demenz (H.I.L.DE). Demenz in der stationären Altenhilfe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112626

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