Francisco de Vitoria, Comentarios a la Secunda secundae de S. Th. Quaestio XL, de bello

Gerechter Krieg - Wandel von Feindbildern, Staatslegitimation und Gerechtigkeitsvorstellungen im Völkerrecht der frühen Neuzeit


Examensarbeit, 2008

33 Seiten, Note: 14 Punkte


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Literaturverzeichnis

A) Einleitung
I. Lebenslauf von Francisco de Vitoria
II. Zeitgeschichtliche Einordnung
III. Quellenlage, Textbefund, Datierung, Zielgruppe
1. Die ordentlichen Vorlesungen
2. Die Relectiones
3. Die deutsche Übersetzung

B) Hauptteil
I. Fragestellung:„Thomas-Rezeption / Thomas-Evolution“?
II. Erläuterung bzGL. der „Bellum iustum“ - Lehre
1. Legitime Autorität
a) Traditioneller Begriff und Notwendigkeit der Aktualisierung
b) Das Gemeinwesen
aa) Das naturrechtlich begründete Gemeinwesen
bb) Folgen der naturrechtlichen Ableitung des Gemeinwesens
cc) Revidierung der politischen Theologie mit aristotelischem
Gedankengut
2. Gerechter Grund
a) Erlittenes Unrecht als gerechter Kriegsgrund
b) Der weite Begriff „bellum“
c) Die Ausweitung der Strafgewalt des Fürsten
d) Herkunft einer universell verbindlichen Rechtsordnung
aa) Interpretation des Begriffes „orbis“
bb) Das ius gentium als Rechtsgrundlage
cc) Die Völkergemeinschaft als Gesetzgeber
e) Die Rolle der Fürsten innerhalb der Völkergemeinschaft
III. Anlage der verschiedenen Aspekte des beiderseits
gerechten Krieges im Text „de bello“
1. Das Gerichtsverfahren
a) Die Richterrolle der Fürsten
b) Die Mitverantwortung des Volkes bzgl. des gerechten Grundes
2. Der beiderseits gerechte Krieg
a) Die einzelnen Bestandteile
b) Folgen der Möglichkeit eines beiderseits gerechten Krieges
c) Erweiterung der „bellum-iustum“ – Lehre gegenüber Thomas
d) Nicht erörterte Folgeprobleme
e) Der besondere Reiz der Scholastik

C) Schluss
I. Die naturrechtlich begründete Universalordnung
II. Krieg als Problem der „iustitia“
III. Entwurf einer universellen Rechtsordnung
IV. Die Verantwortung der Fürsten
V. Erweiterung der „bellum-iustum“ - Lehre

Literaturverzeichnis

Quellen:

VITORIA, F. de, Comentarios a la Secunda secundae de S. Th. Quaestio

XL, de bello, in: JUSTENHOVEN, H.-G.-STÜBEN, J., (Hrsg.), Kann Krieg erlaubt sein?, Stuttgart 2006, S.78-107 [zitiert: VITORIA, De bello]

VITORIA, F. de, De potestate civili, in: HORST, U. - JUSTENHOVEN, H.-G., - STÜBEN,J., (Hgg.) , Vorlesungen I, Stuttgart 1995, S. 42-57

[zitiert: VITORIA, Vorlesungen I, de potestate civili ]

VITORIA, F. de, Comentarios a la Secunda secundae de Santo Tomás, Quaestio LVII Art. 3, in: DE HEREDIA, B. (Hrsg.), Comentarios a la Secunda secundae de Santo Tomás, Salamanca 1932-35

[zitiert: VITORIA, Quaestio LVII]

Literatur:

BÖCKENFÖRDE, E.-W., Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie. Antike und Mittelalter, Tübingen 2002

[zitiert: BÖCKENFÖRDE, Rechts- und Staatsphilosophie]

DECKERS, D., Gerechtigkeit und Recht. Eine historisch-kritische Untersuchung der Gerechtigkeitslehre des Francisco de Vitoria, Freiburg 1991

[zitiert: DECKERS, Gerechtigkeit und Recht]

FÜHRER, W., Spätscholastik und Völkerrecht, F. de Vitorias Beitrag zum politischen Denken der Neuzeit, in: Spaniens Beitrag zum polit. Denken in Europa um 1600, MATE, R. – NIEWÖHNER, F., (Hgg.), Tübingen 1994, S. 181-196 [zitiert: FÜHRER, Spätscholastik und Völkerrecht]

HORST, U. Leben und Werke Francisco de Vitorias, in: HORST, U. - JUSTENHOVEN, H.-G., - STÜBEN, J., (Hgg.), Vorlesungen I, Stuttgart 1995, S. 14-98

[zitiert: HORST, Leben und Werke]

JANSSEN, D. , Die Theorie des gerechten Krieges im Denken des F. de Vitoria, in: Die Ordnung der Praxis, GRUNERT, F. - SEELMANN, K., (Hgg.), Tübingen 2001, S. 205-243

[zitiert: JANSSEN, Theorie des gerechten Krieges]

JUSTENHOVEN, H.-G., Francisco de Vitoria zu Krieg und Frieden, Theologie und Frieden 5, Köln 1991

[zitiert: JUSTENHOVEN, Krieg und Frieden]

KÖRNER, A., Art. Francisco de Vitoria, in: KLEINHEYER – SCHRÖDER, Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, 4. Auflage Heidelberg 1996, S. 434-439

[zitiert: KÖRNER, Vitoria]

SCATTOLA, M. Konflikt und Erfahrung. Über den Kriegsgedanken im Horizont frühneuzeitlichen Wissens, in: JUSTENHOVEN, H.-G. – STÜBEN, J., (Hgg.), Kann Krieg erlaubt sein?, Stuttgart 2006, S. 11 – 53 [zitiert: SCATTOLA, Konflikt und Erfahrung]

SCATTOLA, M. Eine innerkonfessionelle Debatte. Wie die Spanische Spätscholastik die politische Theologie des Mittelalters mit der Hilfe des Aristoteles revidierte, in : FIDORA, A. – FRIED, J., u.a., (Hgg.), Politischer Aristotelismus und Religion in Mittelalter und Neuzeit, Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel, Band 23, Berlin 2007, S. 139-161 [zitiert: SCATTOLA: Eine innerkonfessionelle Debatte]

SODER, J., Die Idee der Völkergemeinschaft. Francisco de Vitoria und die philosophischen Grundlagen des Völkerrechts, in: SCHÄTZEL,W. – WEHBERG, H., (Hgg.), Völkerrecht und Politik, Bd. 4, Frankfurt a. M. 1955

[zitiert: SODER, Idee der Völkergemeinschaft ]

STÜBEN, J. Vorwort des Übersetzers, in: HORST, U. - JUSTENHOVEN, H.-G., - STÜBEN, J., (Hgg.), Vorlesungen I, Stuttgart 1995, S.101-111

[zitiert: STÜBEN, Vorwort]

STÜBEN, J., Die Kriegsethik der Spanischen Spätscholastik anhand ausgewählter Quellen, in: JUSTENHOVEN, H.-G.- STÜBEN, J., (Hgg.), Kann Krieg erlaubt sein?, S. 54- 77, Stuttgart 2006, S.78-107

[zitiert: STÜBEN, Kriegsethik]

UTZ, A.F. Der gerechte Krieg. Francisco de Vitoria zu Krieg und Frieden, in: OCKENFELS, W., (Hrsg.), Ethik des Gemeinwohls, Gesammelte Aufsätze 1983-1997, Paderborn 1998, S. 591-593

[zitiert: UTZ, Ethik des Gemeinwohls]

ZIEGLER, K.-H. Zum „gerechten Krieg“ im späteren Mittelalter und in der Frühen Neuzeit – vom Decretum Gratiani bis zu Hugo Grotius , ZRG RA 122 (2005), S. 177-194

[zitiert: ZIEGLER, Zum „gerechten Krieg“]

ZIMARA, C. Einblicke in die Unterrichtsweise des Franz de Vitoria O.P., in: HÄFELE, G.-M., (Hrsg.) Divus Thomas, Jahrbuch für Philosophie und spekulative Theologie. III Serie, 24. Band, 60. Jahrgang Freiburg in der Schweiz 1946, S. 429-446

[zitiert ZIMARA, Einblicke in die Unterrichtsweise]

A) Einleitung

I. Lebenslauf von Francisco de Vitoria

1. Geburt, Studium, Lehrtätigkeit

Francisco de Arcaya y Compludo wurde 1483 in Burgos (Kastilien) geboren. 1504 trat er als Francisco de Vitoria in den Dominikanerkonvent San Pablo zu Burgos ein.[1] Ca. 1509 begann Vitoria sein Studium in Paris, wo er durch das Kunst- und Philosophiestudium in Berührung mit den Strömungen des Humanismus und Nominalismus kam. Mit Beginn seines Theologiestudiums ca. 1512/13 wurde er maßgeblich von seinem Lehrer und Mitbruder Pierre Crockaert beeinflusst. Mit Crockaert zusammen gab Vitoria den zweiten Teil der „Summa theologica“ des Aquinaten heraus, die Crockaert bereits 1510/12 als Lehrbuch in Paris anstelle der Sentenzen des Petrus Lombardus eingeführt hatte . 1522/23 war Vitoria als Theologielehrer in Valladolid tätig.[2] In einem ordentlichen Berufungsverfahren durch die Studenten wurde Vitoria 1526 als Catédra de Prima auf den bedeutendsten theologischen Lehrstuhl der Universität von Salamanca berufen.[3] Vitoria ersetzte in Salamanca, ebenso wie Crockaert vorher in Paris, die Sentenzen Lombardus durch die mehr Ethik enthaltende „Summa theologica“ des Aquinaten. Damit begann auch in Salamanca der Beginn der Thomasrezeption.[4] Gleichzeitig markierte dies die Einleitung der Spätscholastik, deren bedeutendster Vertreter Vitoria selber war.[5]

2. Die Intervention Karls V.

Einen markanten Einschnitt in das Wirken Vitorias bildete die Intervention Karls V. vom 10. Nov. 1539 nach den Vorträgen der Relectiones „de indis“ und „de iure belli“. Grund der Intervention war die vermeintlich übermäßig kritische Behandlung der Rechtslage in den transatlantischen Gebieten der spanischen Krone und die Bewertung der mit der Autorität des Papstes verliehenen Benefizien, nicht nur allein durch Vitoria, sondern auch durch andere Dominikaner. Karl V. befahl dem Prior von St. Esteban die Einleitung einer Untersuchung. Ziel war es, alle Aufzeichnungen bezüglich der „unliebsamen“ Themen aufzuspüren und alle Spuren zu tilgen. Jedwede Äußerung, sowohl in mündlicher als auch in schriftlicher Form, wurde unter einen ausdrücklichen Erlaubnisvorbehalt der Krone gestellt. Wie konsequent diese Ahndung befolgt wurde, ist fraglich: Es blieben zwar trotzdem einige Handschriften und Drucke erhalten, aber Vitoria enthielt sich fortan jeder weiteren Beschäftigung mit dieser Materie.[6] Deutlich wird dies auch daran, dass von den 15 Relectiones nur 13 erhalten geblieben sind, was die Vermutung aufkommen ließ, dass die beiden fehlenden Relectiones nie gehalten wurden.[7] Auffällig ist auch die späte Reproduktion der Arbeiten Vitorias. Im Gegensatz zu diesem rabiaten Eingreifen Karls V. stehen seine häufigen Anfragen an Vitoria, zu diversen politischen und juristischen Themen Stellung zu beziehen; so auch noch nach der Intervention geschehen, z.B. im März 1541 bezüglich einer Anfrage zu einem Fall, den Las Casas dem Indienrat vorlegte.[8]

Als Zeichen des Vertrauens Karls V. in seinen ständigen Berater Vitoria darf auch die Nomination (1545) für das Konzil von Trient interpretiert werden. Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes konnte Vitoria am Konzil nicht mehr teilnehmen und verstarb am 12.08.1546.[9]

3. Vitorias Kontakt zum Krieg und der Neuen Welt

Obwohl Vitoria in seinen Vorlesungen und Relectiones die Themen des Kriegsrechtes und der Rechtsprobleme bezüglich der Neuen Welt behandelte, ist er selber in keiner kriegerischen Auseinandersetzung gewesen und hat nie einen Fuß auf den amerikanischen Kontinent gesetzt. Vitoria musste sich hinsichtlich der Situation in den überseeischen Gebieten auf Augenzeugenberichte seiner in Amerika missionarisch tätigen Mitbrüder verlassen.[10] Vitorias Leben spielte sich „mit einer Ausschließlichkeit zwischen Katheder und Kloster, die andere Lebensbereiche nahezu ausschloß“, ab.[11]

II. Zeitgeschichtliche Einordnung

1. Die Neue Welt

Mit dem vorläufigen Ende der Reconquista der iberischen Halbinsel durch die Eroberung Granadas 1492 und der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus begann das sog. Goldene Zeitalter Spaniens.[12] 1493 erließ Papst Alexander VI. die Bulle Inter Caetera, die die Spanier „als Herren über sie [die entdeckten Gebiete] mit voller und unumschränkter Gewalt, Autorität und Oberhoheit jeglicher Art“[13] ausstattete. Durch Berichte aus der Neuen Welt über das grausame Vorgehen der Konquistadoren dazu bewegt, die eigenen Rechtstitel zu überprüfen, erließ die spanische Krone 1512 zum Schutze der indianischen Bevölkerung die Leyes de Burgos, die jedoch nur geringfügig befolgt wurden.[14]

2. Der Beginn der Reformation

Als zweites markantes epochales Ereignis ist der Beginn der Reformation 1517 durch Luthers Veröffentlichung seiner 95 Thesen und damit das „Zerbrechen der mittelalterlichen Einheitswelt“[15] zu nennen.

3. Kaiser Karl V.

Zwei Jahre später vereinigte Karl V. das spanische und habsburgische Erbe in seiner Person und wurde im selben Jahr (1519) zum römisch-deutschen Kaiser gewählt. Er beherrschte damit einen „ungeheuren Machtkomplex“.[16] 1521 schloss Cortez die zwei Jahre zuvor begonnene Eroberung des Aztekenreiches ab.[17] Jedoch war der Machtanspruch Karls V. nicht unangefochten und so stand er ab 1525 bis zum Frieden von Cateau Cambrésis (1559) immer wieder in dynastischen Erbstreitigkeiten den französischen Valois und italienischen Bündniskonstellationen gegenüber.[18]

4. Sacco di Roma und 1. Türkenbelagerung Wiens

Der Sacco di Roma, bei dem die von ihren Heerführern auf Rom „losgelassenen“ kaiserlichen Soldaten in der Stadt schrecklich wüteten und dabei Papst Clemens VII. gefangen nahmen, sowie die erste Türkenbelagerung Wiens 1529, bei der keine der christlichen Mächte der Stadt zur Hilfe eilte, versinnbildlichen „die Liquidierung der mittelalterlichen religiösen und politischen Ordnung Europas“[19]. 1534 beendet Pizarro die seit 1531 andauernde Niederwerfung des Inkareiches.[20]

5. Das Konzil von Trient

Wie bereits ausgeführt, nominierte Karl V. trotz seiner Intervention 1539 Vitoria für die Teilnahme am 1545-1563 in mehreren Sitzungen stattfindenden Konzil von Trient, dessen vorrangiges Ziel es war, die römisch-katholische Kirche vom Protestantismus abzugrenzen.[21]

III. Quellenlage, Textbefund, Datierung, Zielgruppe

1. Die ordentlichen Vorlesungen

Von Vitorias eigenen Werken sind unter seiner Leitung weder gedruckte noch in diese Richtung ausgearbeitete Texte erhalten. Die Vorlesungen, die zunächst der Gegenstand der folgenden Ausführungen bilden, sind als Texte aus Vitorias Unterricht nur in Mitschriften bzw. Zusammenfassungen und Überarbeitungen einzelner Hörer erhalten geblieben.[22] Sie wurden erst in den Jahren 1932-52 herausgegeben.[23] Die hier verwendete Quelle des Textes „de bello“ stammt aus der Edition von Beltrán de Heredia.[24] Dieser hatte eine Kollegmitschrift eines seiner Meinung nach besonders verlässlichen Hörers aus dem Kurs 1534-37 zur Grundlage gemacht. Verbesserungen geringfügiger Fehler wurden durch Heranziehung anderer Handschriften (beispielsweise des Codex Ottobrunn, einer Handschrift aus der vatikanischen Bibliothek) bzw. bei offensichtlichen Fehlern durch de Heredia selber vorgenommen. Somit ist zwar nicht auszuschließen, dass präzisere Handschriften existieren, die einen anderen Wortlaut enthalten, jedoch ist die Edition de Heredias insgesamt nach „objektiv guten Grundsätzen“ geschehen.[25]

a) Textcharakter

Bei den Texten handelt es sich um Mitschriften der von Vitoria in der Aula dozierten Vorlesungen, was den besonderen Charakter der Texte ausmacht. Vitoria hatte das „Diktat“ als Vorlesungsform in Salamanca eingeführt.[26] Dadurch sind von ihm selber relativ viele Manuskripte in den Archiven erhalten geblieben.[27] Die besondere Eigenart des vitorianischen „Diktates“ lag darin, dass dieses in einem freien Vortrag, zwar auf Grundlage persönlicher Ausarbeitungen, jedoch ohne Skriptum oder Bücher, da dies in den Statuten der Universität untersagt war, in einem für geübte Schreiber vernünftigen Tempo vorgetragen wurde. Dadurch erklären sich auch die wenigen Langzitate in den Vorträgen. Des Weiteren führte es dazu, dass die Lehren anderer bloß inhaltlich „zitiert“, vielmehr also referiert wurden.[28]

b) Textbefund

Insgesamt betrachtet geben die Quellen der Vorlesungen keine absolute Verlässlichkeit, da sich Fehler sowohl vonseiten des Vortragenden als auch vonseiten der Zuhörer eingeschlichen haben können. Zudem scheint es so, als ob der Schreiber der Grundlagenhandschrift (Trigo) im Nachhinein nicht einmal offenkundige Fehler verbesserte. Hinzu kommt außerdem noch, dass Vitoria seine Vorträge jedes Mal variierte, weshalb man nicht auf einen Kanon eines sich gleich bleibenden Schemas der bereits vorher je einmal in Paris und Salamanca gehaltenen Vorlesung zurückgreifen kann.[29]

c) Datierung

Nach der Datierung von de Heredia wurde die Vorlesung zum zweiten Teil des zweiten Teiles der „Summa theologica“ und somit auch zum Abschnitt „de bello“ im Kurs 1534-37 gehalten.[30]

2. Die Relectiones

Die Relectiones, welche bereits sehr viel früher (1557) durch den Franzosen Boyer editiert wurden[31], werden hier erwähnt, da sie lange Zeit die einzig bekannten Werke Vitorias waren[32] und daher gerade das jüngere Schrifttum die Ansicht vertritt, dass eine Deutung der Relectiones von den ordentlichen Vorlesungen her erfolgen müsse. Sie seien methodisch und inhaltlich besser für das Verständnis des vitorianischen Denkens geeignet, während die Relectiones die schwerpunktmäßige Arbeit im Lehrbetrieb mit aktuellen Themen widerspiegeln.[33]

a) Textcharakter

Die Relectiones waren zweieinhalbstündige Sondervorträge vor der Fakultät oder einer größeren Öffentlichkeit über Themen aus dem jeweiligen Lehrkurs. Das Abhalten einer solchen Relection war die Pflicht jedes Professors. Mitschriften wurden dabei nicht gemacht. Von den 15 Relectiones sind 13 erhalten geblieben, wobei vermutet wird, dass die fehlenden weder geschrieben noch gehalten wurden.[34]

b) Textbefund

Die Texte der Relectiones sind auf anderem Wege als die Vorlesungen erhalten geblieben: Da keine Mitschriften während des Vortrages gemacht wurden, gaben die Professoren den gehaltenen Text zur Abschrift, den sich dann jeder interessierte Student besorgen konnte. Dies wird auch aus dem identischen Wortlaut aller erhaltenen Manuskripte deutlich.[35] Im Gegensatz zu den eigentlichen Vorlesungen handelt es sich bei den Relectiones um eigenständige, abgewogene Stellungnahmen zu den wichtigsten Fragen der jeweiligen Lehrveranstaltung.[36]

c) Datierung

Neben der später noch erwähnten Relectio „De potestate civili“ aus dem Jahre 1528 (Datierung: Heredia[37] ) spielen die Relectiones „de indis“, um den 1. Januar 1539 gehalten, und „de iure belli“, vom 18. Juni 1539, eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit der oben erwähnten Intervention Karls V. Unter anderem hatte ihr zeitgeschichtlich brisanter Inhalt Karl V. veranlasst, gegen die kritische Behandlung der Indianerproblematik durch die Dominikaner vorzugehen.

3. Die deutsche Übersetzung

Bei der verwendeten deutschen Übersetzung des Textes „de bello“ handelt es sich nach Angaben des Übersetzers (J. Stüben)[38] um keine philologische Textkritik.[39] Deutlich wird dies beispielsweise daran, dass das lat. „potesta“ mit „Vollmacht“ übersetzt wird, was jedoch aufgrund seiner juristischen Determinierung abzulehnen ist. Vorzugswürdig erscheint deshalb „Macht“ als Übersetzung. Exakter ist andererseits die Übersetzung des Wortes „res publica“ mit „Gemeinwesen“ anstelle von „Staat“, wenngleich bei Vitoria mit „status reipublicae“ der Zustand des Staates bezeichnet wird und sich der Begriff „Staat“ von dem Wort „status“ her im 16. und 17. Jahrhundert entwickelt.[40] Die Quellenübersetzung ist als Studienausgabe gedacht[41] und ihre Übersetzung folgt dem Grundsatz „so wörtlich wie möglich – so frei wie nötig“, wobei eine übermäßige Eindeutschung vermieden werden sollte.[42] Neben dem Heranziehen anderssprachiger, beispielsweise einer französischen Übersetzung (Barbier)[43], insbesondere für die Relectio „de potestate civile“, verließ sich der Übersetzer letztendlich auf sein Sprachgefühl.[44]

[...]


[1] JUSTENHOVEN, Krieg und Frieden, S. 9

[2] KÖRNER, Vitoria, S. 435

[3] BÖCKENFÖRDE, Rechts- und Staatsphilosophie, S. 317,318

[4] STÜBEN, Kriegsethik, S. 56

[5] KÖRNER, Vitoria, S. 435

[6] HORST, Leben und Werke, S. 97

[7] SODER, Idee der Völkergemeinschaft, S. 19

[8] SODER, Idee der Völkergemeinschaft, S. 27

[9] KÖRNER, Vitoria, S. 435

[10] SODER, Idee der Völkergemeinschaft, S. 24

[11] FÜHRER, Spätscholastik und Völkerrecht, S. 181

[12] FÜHRER, Spätscholastik und Völkerrecht, S. 184

[13] JANSSEN, Theorie des gerechten Krieges, S. 206

[14] JANSSEN, Theorie des gerechten Krieges, S. 207

[15] FÜHRER, Spätscholastik und Völkerrecht, S. 185

[16] FÜHRER, Spätscholastik und Völkerrecht, S. 184

[17] FÜHRER, Spätscholastik und Völkerrecht, S. 186

[18] JANSSEN, Theorie des gerechten Krieges, S. 205

[19] DECKERS, Gerechtigkeit und Recht, S. 15

[20] FÜHRER, Spätscholastik und Völkerrecht, S. 186

[21] Artikel „Konzil von Trient“, Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Konzil_von_Trient, v. 14.12.2007, zuletzt besucht am 24.12.2007

[22] ZIMARA, Einblicke in die Unterrichtsweise, S. 430

[23] DECKERS, Gerechtigkeit und Recht, S. 18

[24] STÜBEN, Kriegsethik, S. 57, Fn. 22

[25] ZIMARA, Einblicke in die Unterrichtsweise, S. 431, siehe auch S.431 Fn. 2

[26] SODER, Idee der Völkergemeinschaft, S. 15

[27] SODER, Idee der Völkergemeinschaft, S. 17

[28] ZIMARA, Einblicke in die Unterrichtsweise, S. 433

[29] ZIMARA, Einblicke in die Unterrichtsweise, S. 432

[30] SODER, Idee der Völkergemeinschaft, S. 18

[31] SODER, Idee der Völkergemeinschaft, S. 20

[32] SODER, Idee der Völkergemeinschaft, S. 19

[33] DECKERS, Gerechtigkeit und Recht, S. 19

[34] SODER, Idee der Völkergemeinschaft, S. 19

[35] SODER, Idee der Völkergemeinschaft, S. 20

[36] SODER, Idee der Völkergemeinschaft, S. 19

[37] SODER, Idee der Völkergemeinschaft, S. 20

[38] Wenngleich sich diese Angaben auf die Übersetzungen der Texte des Bandes „Vorlesungen I“ beziehen, so haben sich diese fundamentalen Grundsätze, mangels entgegenstehender Angaben, wohl nicht signifikant verändert.

[39] STÜBEN, Vorwort, S. 103

[40] JUSTENHOVEN, Krieg und Frieden, S. 41, Fn. 141

[41] STÜBEN, Vorwort, S. 103

[42] STÜBEN, Vorwort, S. 110

[43] STÜBEN, Vorwort, S. 103 Fn. 6, siehe auch: JUSTENHOVEN, Krieg und Frieden, S. 12

[44] STÜBEN, Vorwort, S. 110

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Francisco de Vitoria, Comentarios a la Secunda secundae de S. Th. Quaestio XL, de bello
Untertitel
Gerechter Krieg - Wandel von Feindbildern, Staatslegitimation und Gerechtigkeitsvorstellungen im Völkerrecht der frühen Neuzeit
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Lehrstuhl für Gelehrtes Recht, Europäische Rechtsgeschichte und Bürgerliches Recht )
Veranstaltung
Seminar zur Europäischen Rechtsgeschichte WS 07/08
Note
14 Punkte
Autor
Jahr
2008
Seiten
33
Katalognummer
V112674
ISBN (eBook)
9783640131945
ISBN (Buch)
9783640134502
Dateigröße
562 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Eine auf Grund von aufbereiteter Literatur gut bearbeitete Arbeit über de Vitoria, seinem Unterrichtsstil und Werken. Überzeugend gewählter Konzentrationspunkt ist die Beschränkung auf die Frage des gerechten Krieges bei Thomas und die Entwicklung durch F. de Vitoria. Hier gelingt es dem Verfasser überzeugend aus den Quellen neue Sichtweisen herauszuarbeiten. Die von Thomas v. Aquin verlangte recta intentio (ab No 9 ff.) wird nicht behandelt.
Schlagworte
Francisco, Vitoria, Comentarios, Secunda, Quaestio, Seminar, Europäischen, Rechtsgeschichte
Arbeit zitieren
Lennart Schmitt (Autor:in), 2008, Francisco de Vitoria, Comentarios a la Secunda secundae de S. Th. Quaestio XL, de bello, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112674

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