Erstgutachten zu der Magisterarbeit von Frau Carina Linne
Die Magisterarbeit von Frau Carina Linne widmet sich einem brisanten Thema, der politikwissenschaftlichen Aufarbeitung der systematischen Verbindung von Parteipolitik und Spitzensport in der SED-Diktatur. Sie orientiert sich an einem Einzelfall, dem SC Karl-Marx-Stadt mit einem Schwerpunkt auf die Sektionen Leichtathletik und Schwimmen. Ihre Leitfrage leitet die Verfasserin daraus stringent-logisch ab: „Welche Elemente der politischen Einflussnahme lassen sich im Hochleistungssport am Beispiel der SC Karl-Marx-Stadt feststellen?“ (S. 2). Wie ist die Studie aufgebaut? Nach der Einleitung folgen drei Großkapitel: die Verflechtung zwischen SED-System und Spitzensport anhand wichtiger Gremien, eine Analyse der Leistungssportbeschlüsse entlang der Pole „politische Vorstellung“ und „sportliche Realität“ sowie die Fallstudie „SC-Karl- Marx-Stadt“. Letztgenannte 24-seitige Abhandlung hat für die Arbeit zentrale Bedeutung.
Den Untersuchungsbeginn verlegt sie auf das Jahr 1967, als sich eine Leistungssportkommission von nun an um Fragen der politischen Steuerung kümmern sollte. Carina Linne will keine Arbeit „aus zweiter Hand“ vorlegen, sondern eigenständig forschen. Methodisch greift sie, wie sie in der Einleitung ausführt, zu einer qualitativen Inhaltsanalyse (S. 8-10): Sie […] führte Interviews mit insgesamt sechs ehemaligen Aktiven des Sportclubs Karl-Marx-Stadt, darunter dem früheren Leichtathletikweltmeister Thomas Schönlebe. […]
Die Magisterarbeit zeichnet sich durch hohes persönliches Forschungsengagement der Autorin aus. Während sich die ersten beiden Großkapitel auf Sekundärliteratur stützen, kann sie anschließend überzeugend aufzeigen, dass alle befragten Aktiven Politisierung bis hin zur Überwachung erfuhren. […] Das von Giselher Spitzer entwickelte Homologiemodell eines Sportclubs kann für den SC-Karl-Marx-Stadt nachgewiesen werden (S. 87).
Für die einzelnen Sportler gab es besondere Anreize, wie Thomas Schönlebe gegenüber der Autorin deutlich macht: „Das größte Privileg für mich war eigentlich, dass ich nie arbeiten gehen musste und mich voll auf den Sport konzentriert habe“ (S. 89). Abschließend wagt die Autorin einen knappen Ausblick auf die kommenden Olympischen Spiele in China. Sie regt unter dem Politisierungsaspekt einen Vergleich an.
Sprachlich und formal erfüllt die Studie hohe Ansprüche. Insgesamt plädiert der Gutachter für folgende Note:
noch sehr gut (1,3)
Chemnitz, 20. Mai 2008
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Untersuchungsgegenstand und Problemstellung
- Forschungsstand
- Aufbau
- Methodik
- SED-System und Spitzensport
- Zentralkomitee und Abteilung Sport
- Politbüro
- Leistungssportkommission der DDR
- Ministerrat
- Staatssekretariat für Körperkultur und Sport
- Mitbestimmende Ministerien
- Deutscher Turn- und Sportbund
- Leistungssportbeschlüsse zwischen politischer Vorstellung und sportlicher Realität
- Struktur der Leistungssportbeschlüsse
- Zentrale Ziele im Überblick
- Politische Leistungssportperspektiven
- Umsetzung der Leistungssportbeschlüsse
- Sektion Leichtathletik
- Sektion Schwimmen
- Sportliche Wirklichkeit der Leistungssportbeschlüsse
- Im Visier des MfS - Spitzensportler und Trainer des SC Karl-Marx-Stadt
- MfS und die "Linie Sport"
- MfS Bezirk Karl-Marx-Stadt
- Operative Sicherung im SCK
- IMs in den Abteilungen Leichtathletik und Schwimmen
- IM mit Sonderstatus
- SCK-Aktive im Visier des MfS
- Akte "Lektor"
- Akte "Spikes"
- Akte "Staffel"
- Maßnahmen des MfS
- Kontrolle des Trainingsumfeldes
- Überwachung von Wettkämpfen
- Einordnung der Untersuchungsergebnisse zur politischen Einflussnahme im SCK
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Magisterarbeit untersucht die Politisierung des Spitzensports in der DDR anhand des SC Karl-Marx-Stadt. Ziel ist es, die politische Einflussnahme auf den Hochleistungssport zu analysieren und aufzuzeigen, wie sich diese auf die sportliche Realität auswirkte.
- Politische Einflussnahme auf den Spitzensport in der DDR
- Rolle des SED-Systems und seiner Institutionen im Leistungssport
- Überwachung und Kontrolle von Sportlern und Trainern durch das MfS
- Zusammenhang zwischen politischen Zielen und sportlicher Realität
- Fallstudie SC Karl-Marx-Stadt: Leichtathletik und Schwimmen
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung beschreibt den Untersuchungsgegenstand, die Problemstellung und den Forschungsstand zur Politisierung des DDR-Spitzensports. Sie umreißt den Aufbau der Arbeit und die angewandte Methodik, die sich auf die Analyse von Dokumenten und Archiven konzentriert, um die politische Einflussnahme auf den SC Karl-Marx-Stadt zu untersuchen. Die Arbeit fokussiert sich auf die Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen politischen Zielen und sportlicher Realität im Kontext des SED-Regimes und der Rolle des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS).
SED-System und Spitzensport: Dieses Kapitel beleuchtet die verschiedenen staatlichen Institutionen und deren Einfluss auf den DDR-Spitzensport. Es analysiert die Rolle des Zentralkomitees, des Politbüros, der Leistungssportkommission, des Ministerrates, des Staatssekretariats für Körperkultur und Sport, mitbestimmender Ministerien und des Deutschen Turn- und Sportbundes (DTSB). Der Fokus liegt auf der hierarchischen Struktur und den Entscheidungswegen, die zur politischen Instrumentalisierung des Sports führten. Die Analyse zeigt auf, wie diese Institutionen die sportliche Entwicklung lenkten und politische Ziele in die Sportpolitik integrierten. Die Verflechtung von Sport und Politik wird anhand der Zuständigkeiten und Einflussmöglichkeiten der einzelnen Institutionen detailliert dargestellt.
Leistungssportbeschlüsse zwischen politischer Vorstellung und sportlicher Realität: Dieses Kapitel untersucht die Leistungssportbeschlüsse der DDR und deren Umsetzung. Es analysiert deren Struktur, die zentralen Ziele und die politischen Perspektiven, die dahintersteckten. Die Umsetzung der Beschlüsse wird im Detail betrachtet, wobei die Sektionen Leichtathletik und Schwimmen als Beispiele dienen. Der Vergleich zwischen den politischen Zielsetzungen und der sportlichen Realität verdeutlicht die Diskrepanzen und Herausforderungen bei der Umsetzung der Leistungssportpolitik. Die Kapitel analysiert kritisch, inwiefern die Beschlüsse tatsächlich die sportlichen Erfolge beeinflussten und welche Faktoren zu Abweichungen führten.
Im Visier des MfS - Spitzensportler und Trainer des SC Karl-Marx-Stadt: Dieses Kapitel konzentriert sich auf die Überwachung und Kontrolle von Sportlern und Trainern des SC Karl-Marx-Stadt durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS). Es analysiert die „Linie Sport“ des MfS, die Aktivitäten des MfS-Bezirks Karl-Marx-Stadt und die operative Sicherung innerhalb des Sportclubs. Anhand von konkreten Akten ("Lektor", "Spikes", "Staffel") werden die Überwachungsmethoden und -maßnahmen des MfS detailliert dargestellt. Der Fokus liegt auf dem Umfang der Überwachung, den Methoden und den Auswirkungen auf die Sportler und Trainer. Das Kapitel zeigt die umfassende Kontrolle des MfS über den Sport, der nicht nur auf sportlichen Erfolg, sondern auch auf politische Loyalität zielte.
Schlüsselwörter
Politisierung des Spitzensports, DDR, SED-System, SC Karl-Marx-Stadt, MfS, Leistungssportbeschlüsse, Überwachung, Kontrolle, Leichtathletik, Schwimmen, politische Einflussnahme, sportliche Realität.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Magisterarbeit: Politisierung des Spitzensports in der DDR am Beispiel des SC Karl-Marx-Stadt
Was ist der Gegenstand dieser Magisterarbeit?
Die Magisterarbeit untersucht die Politisierung des Spitzensports in der DDR anhand des Sportclubs Karl-Marx-Stadt (SCK). Sie analysiert die politische Einflussnahme auf den Hochleistungssport und deren Auswirkungen auf die sportliche Realität. Der Fokus liegt auf den Wechselwirkungen zwischen politischen Zielen und sportlicher Praxis im Kontext des SED-Regimes und der Rolle des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS).
Welche Institutionen des SED-Systems werden untersucht?
Die Arbeit beleuchtet den Einfluss verschiedener staatlicher Institutionen auf den DDR-Spitzensport, darunter das Zentralkomitee der SED, das Politbüro, die Leistungssportkommission der DDR, der Ministerrat, das Staatssekretariat für Körperkultur und Sport, mitbestimmende Ministerien und der Deutsche Turn- und Sportbund (DTSB). Die Analyse konzentriert sich auf die hierarchischen Strukturen und Entscheidungswege, die zur Instrumentalisierung des Sports führten.
Welche Rolle spielte das MfS im SC Karl-Marx-Stadt?
Ein zentraler Aspekt der Arbeit ist die Untersuchung der Überwachung und Kontrolle von Sportlern und Trainern des SCK durch das MfS. Analysiert werden die „Linie Sport“ des MfS, die Aktivitäten des MfS-Bezirks Karl-Marx-Stadt und die operative Sicherung innerhalb des Sportclubs. Konkrete Akten ("Lektor", "Spikes", "Staffel") veranschaulichen die Überwachungsmethoden und deren Auswirkungen.
Welche Sportarten werden im Detail betrachtet?
Die Arbeit konzentriert sich exemplarisch auf die Sektionen Leichtathletik und Schwimmen des SC Karl-Marx-Stadt, um die politischen Einflussnahmen und deren Auswirkungen auf die sportliche Praxis zu verdeutlichen.
Wie werden die Leistungssportbeschlüsse der DDR analysiert?
Die Arbeit untersucht die Leistungssportbeschlüsse der DDR hinsichtlich ihrer Struktur, zentralen Ziele und politischen Perspektiven. Die Analyse fokussiert auf die Umsetzung der Beschlüsse, den Vergleich zwischen politischen Zielsetzungen und sportlicher Realität sowie die Herausforderungen bei der Umsetzung der Leistungssportpolitik.
Welche Methodik wird angewendet?
Die Methodik basiert auf der Analyse von Dokumenten und Archiven, um die politische Einflussnahme auf den SC Karl-Marx-Stadt aufzuzeigen. Die Arbeit konzentriert sich auf die Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen politischen Zielen und sportlicher Realität im Kontext des SED-Regimes und der Rolle des MfS.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit am besten?
Schlüsselwörter sind: Politisierung des Spitzensports, DDR, SED-System, SC Karl-Marx-Stadt, MfS, Leistungssportbeschlüsse, Überwachung, Kontrolle, Leichtathletik, Schwimmen, politische Einflussnahme, sportliche Realität.
Was ist das zentrale Ergebnis der Arbeit?
Die Arbeit zeigt auf, wie das SED-System den Spitzensport in der DDR politisierte und kontrollierte, mit dem MfS als wichtiges Instrument zur Überwachung von Sportlern und Trainern. Sie verdeutlicht die Diskrepanzen zwischen politischen Zielen und sportlicher Realität und die Auswirkungen dieser Politisierung auf den SC Karl-Marx-Stadt.
- Citation du texte
- Carina Sophia Linne (Auteur), 2008, Politisierung des Spitzensports in der DDR, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112827