1. Einleitung Aufgrund einer Familienfeier hatte ich einige Einladungen zu schreiben. Im Laufe des Abends fragte mich meine Freundin, eine spanische Muttersprachlerin: ¿Cuántas invitaciones ya tienes escritas? Ich antwortete, dass es dreißig seien. In Gedanken dachte ich über ihre Frage nach. Warum hat sie statt zum Pretérito Perfecto Compuesto zu einer Konstruktion mit tener + Perfektpartizip gegriffen? Angetrieben von meiner Neugier stellte ich sie zur Rede und wollte von ihr wissen, warum sie ihre Wahl so traf und, was sie genau mit der Konstruktion ausdrücken wollte. Sie verstand mein Problem nicht, weil es ihrer Ansicht nach keinen Unterschied mache, ob Pretérito Perfecto Compuesto oder ei-ne Konstruktion mit tener + Perfektpartizip gebraucht wird. Ich beließ es bei ihren Ausführungen und beschloss, in Grammatiken nach Antworten zu suchen. Mir wollte nicht einleuchten, dass es innerhalb einer Sprache tatsächlich zwei absolut identische und äquivalent zu benutzende grammatikalische Formen gibt. Meiner Meinung nach muss es einen Unterschied zwischen den Konstruktionen geben. Beim Sichten verschiedener spanischen Grammatiken bekam ich die Bestätigung, dass tatsächlich Klärungsbedarf besteht, was die Benutzung von haber + Perfektpartizip (im Folgenden: PP) und tener + PP betrifft. In der Grammatikographie wird die Konstruktion mit tener + PP nicht mit den Vergangenheitstempora, die mit haber + PP gebildet werden, zusammen aufgeführt. In einigen Grammatiken, wie in der Standardgrammatik Spanisch von Langenscheidt1, wird die Periphrase tener + PP überhaupt nicht behandelt, andere Grammatiken führen die Periphrase in ein eigenem Kapitel auf. Beispiele hierfür sind einerseits die Grammatik von Jacques de Bruyne2 und andererseits die deskriptive Grammatik der spanischen Sprache von Bosque und De Monte3. Die Konstruktionen werden jeweils nach anderen Kriterien in Grammatiken differenziert. [...]
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Periphrasen
- 2.1. Was sind Periphrasen?
- 2.2. Periphrastisches Inventar der spanischen Sprache
- 2.2.1. Partizipialperiphrasen
- 2.3. Zusammenfassung
- 3. Wodurch lassen sich die beiden Periphrasen voneinander unterscheiden?
- 3.1. Syntaktische Kriterien
- 3.1.1. Trennbarkeit von Auxiliar und Auxiliado
- 3.1.2. Erweiterbarkeit der Partizipialform
- 3.1.3. Herauslösbarkeit der Fügung als Relativsatz
- 3.1.4. Erfragbarkeit der Fügung bzw. ihrer Bestandteile
- 3.1.4.1. Einfache Interrogation
- 3.1.4.2. Interrogation ¿Qué + Auxiliar + hecho?
- 3.1.4.3. Interrogation mit ¿Cómo? ohne Partizip
- 3.1.5. Objekt- und Subjektwahl
- 3.2. Paradigmatische Kriterien
- 3.2.1. Substitution der gesamten Periphrase
- 3.2.1.1. Substitution des Partizips durch ein Adjektiv
- 3.2.1. Substitution der gesamten Periphrase
- 3.3. Semantische Kriterien
- 3.3.1. Die Nicht-Ableitbarkeit der Periphrase
- 3.3.2. Auxiliarität und Bleaching
- 3.3.3. Aspektualität
- 3.3.3.1. Durativer Aspekt
- 3.3.3.2. Resultativer Aspekt
- 3.3.3.3. Iterativer - wiederholender Aspekt
- 3.4. Zusammenfassung
- 3.1. Syntaktische Kriterien
- 4. Grammatikalisierung
- 4.1. Die Ebenen der Grammatikalisierung
- 4.2. Verfahren zur Ermittlung des Grammatikalisierungsgrades
- 4.2.1. Die Anwendbarkeit des Verfahrens von Lehmann auf die beiden Periphrasen
- 4.3. Zusammenfassung
- 5. Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Unterschiede zwischen den spanischen Periphrasen "haber + Partizip Perfekt" und "tener + Partizip Perfekt". Ziel ist es, die Kriterien für die Unterscheidung dieser beiden Konstruktionen zu identifizieren und zu erklären, warum selbst Muttersprachler Schwierigkeiten haben, sie eindeutig zu differenzieren. Die Arbeit stützt sich dabei hauptsächlich auf syntaktische und paradigmatische Analysen, berücksichtigt aber auch semantische Aspekte im Kontext der Grammatikalisierung.
- Unterscheidung der Periphrasen "haber + PP" und "tener + PP" anhand syntaktischer Kriterien
- Analyse paradigmatischer Unterschiede zwischen den beiden Periphrasen
- Untersuchung semantischer Aspekte und deren Rolle bei der Unterscheidung
- Einordnung der Periphrasen im Kontext der Grammatikalisierungstheorie
- Aufzeigen der Schwierigkeiten bei der Unterscheidung der Periphrasen, sowohl für Lernende als auch Muttersprachler
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung beschreibt den Ausgangspunkt der Arbeit: die Frage nach dem Unterschied zwischen "haber + PP" und "tener + PP" im Spanischen, ausgehend von einer persönlichen Anekdote. Es wird die Problematik aufgezeigt, dass verschiedene Grammatiken die Periphrase "tener + PP" unterschiedlich behandeln und keine einheitliche Klassifizierung existiert. Die Arbeit zielt darauf ab, diese Unterschiede zu untersuchen und zu erklären, wobei der Fokus auf syntaktischen und paradigmatischen Kriterien liegt, unter Berücksichtigung semantischer Aspekte im Kontext der Grammatikalisierung.
2. Periphrasen: Dieses Kapitel definiert den Begriff "Periphrase" anhand verschiedener Literaturansätze. Es wird der Unterschied zwischen der rein grammatikalischen Funktion von "haber + PP" und der zusätzlichen lexikalischen Funktion von "tener + PP" herausgestellt. Beide Periphrasen werden als Träger temporaler, aspektueller, modalen und diathetischer Werte beschrieben, wobei ihre Bildung aus mehreren morphologischen Formativen hervorgeht.
3. Wodurch lassen sich die beiden Periphrasen voneinander unterscheiden?: Dieses Kapitel bildet den Kern der Arbeit und untersucht die Unterschiede zwischen den beiden Periphrasen anhand syntaktischer, paradigmatischer und semantischer Kriterien. Die syntaktischen Kriterien umfassen die Trennbarkeit von Auxiliar und Partizip, die Erweiterbarkeit des Partizips, die Herauslösbarkeit als Relativsatz und die Erfragbarkeit der Konstruktion. Paradigmatische Kriterien betrachten die Substitution der gesamten Periphrase, z.B. durch ein Adjektiv. Semantische Kriterien untersuchen die Nicht-Ableitbarkeit der Periphrase, Auxiliarität und Bleaching sowie Aspekte der Aspektualität (durativ, resultativ, iterativ).
4. Grammatikalisierung: Dieses Kapitel führt in die Grammatikalisierungstheorie ein und erklärt deren Relevanz für das Verständnis der untersuchten Periphrasen. Es wird auf die verschiedenen Ebenen der Grammatikalisierung eingegangen und ein Verfahren zur Ermittlung des Grammatikalisierungsgrades vorgestellt. Die Anwendbarkeit dieses Verfahrens auf die beiden Periphrasen wird diskutiert, wobei die synchrone Perspektive im Vordergrund steht.
Schlüsselwörter
Spanische Periphrasen, haber + Partizip Perfekt, tener + Partizip Perfekt, syntaktische Kriterien, paradigmatische Kriterien, semantische Kriterien, Grammatikalisierung, Aspektualität, Auxiliarität, Sprachwandel, grammatische Funktionen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Analyse spanischer Periphrasen "haber + Partizip Perfekt" und "tener + Partizip Perfekt"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Unterschiede zwischen den spanischen Periphrasen "haber + Partizip Perfekt" und "tener + Partizip Perfekt". Das Hauptziel ist die Identifizierung und Erklärung von Kriterien zur Unterscheidung dieser beiden Konstruktionen, insbesondere die Schwierigkeiten, die selbst Muttersprachler bei der eindeutigen Differenzierung haben. Die Analyse basiert hauptsächlich auf syntaktischen und paradigmatischen Kriterien, berücksichtigt aber auch semantische Aspekte im Kontext der Grammatikalisierung.
Welche Kriterien werden zur Unterscheidung der Periphrasen verwendet?
Die Arbeit untersucht die Unterschiede anhand syntaktischer, paradigmatischer und semantischer Kriterien. Syntaktische Kriterien umfassen die Trennbarkeit von Auxiliar und Partizip, die Erweiterbarkeit des Partizips, die Herauslösbarkeit als Relativsatz und die Erfragbarkeit der Konstruktion. Paradigmatische Kriterien betrachten die Substitution der gesamten Periphrase, z.B. durch ein Adjektiv. Semantische Kriterien untersuchen die Nicht-Ableitbarkeit der Periphrase, Auxiliarität und Bleaching sowie Aspekte der Aspektualität (durativ, resultativ, iterativ).
Wie werden die Periphrasen im Kontext der Grammatikalisierung betrachtet?
Die Arbeit betrachtet die Periphrasen im Kontext der Grammatikalisierungstheorie. Es wird auf die verschiedenen Ebenen der Grammatikalisierung eingegangen und ein Verfahren zur Ermittlung des Grammatikalisierungsgrades vorgestellt. Die Anwendbarkeit dieses Verfahrens auf die beiden Periphrasen wird diskutiert, wobei die synchrone Perspektive im Vordergrund steht.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel: 1. Einleitung, 2. Periphrasen (Definition und Beschreibung der beiden Periphrasen), 3. Wodurch lassen sich die beiden Periphrasen voneinander unterscheiden? (detaillierte Analyse der Kriterien), 4. Grammatikalisierung (Einordnung in die Grammatikalisierungstheorie) und 5. Schlussbetrachtung.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit am besten?
Schlüsselwörter sind: Spanische Periphrasen, haber + Partizip Perfekt, tener + Partizip Perfekt, syntaktische Kriterien, paradigmatische Kriterien, semantische Kriterien, Grammatikalisierung, Aspektualität, Auxiliarität, Sprachwandel, grammatische Funktionen.
Warum ist die Unterscheidung der Periphrasen schwierig?
Die Arbeit zeigt auf, dass selbst Muttersprachler Schwierigkeiten bei der Unterscheidung der Periphrasen haben. Dies liegt an den oft feinen Unterschieden in den syntaktischen, paradigmatischen und semantischen Merkmalen. Die Arbeit zielt darauf ab, diese Feinheiten aufzudecken und zu erklären.
Welche Art von Analysemethoden werden in der Arbeit eingesetzt?
Die Arbeit verwendet vorwiegend syntaktische und paradigmatische Analysen, ergänzt durch die Betrachtung semantischer Aspekte. Die Grammatikalisierungstheorie dient als theoretischer Rahmen.
- Quote paper
- Bachelor of Arts Alexander Malek (Author), 2007, Die Funktionsbereiche der spanischen Periphrasen mit haber + PP und tener + PP, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112848