Verteidigungsfremdes Verhalten? RAF-Anwälte der ersten Generation


Term Paper (Advanced seminar), 2002

20 Pages, Grade: 2,0


Excerpt


Gliederung

1. Einleitung

2. Die erste Generation der RAF - ein einleitender Überblick

3. Horst Mahler (Berlin)

4. Klaus Croissant (Frankfurt)

5. Kurt Groenewold (Hamburg)

6. Otto Schily (Berlin)

7. Zusammenfassung

8. Literaturliste

1. Einleitung

„ Die verdächtigen Verteidiger haben bei der B/M [Baader/Meinhof - T.H.]- Bande aus der Haft heraus eine ‘Schlüsselfunktion’ inne. Nur mit ihrer Hilfe kann die Kontinuität der RAF und der organisatorische Zusammenhalt ihrer Mitglieder aufrecht erhalten werden (...). die verdächtigen Verteidiger, von denen einige als noch legale arbeitende RAF-Mitglieder angesehen werden müssen, sind zur Zeit das größte Sicherheitsrisiko im Hinblick auf die Befreiung der B/M - Häftlinge.“ Mit diesen Worten zitiert der Spiegel 1974[1] das Bundeskriminalamt.

Die Geschichte der RAF in der BRD ist auch die Geschichte ihrer Anwälte. Viele Anwälte gerieten in den Verdacht, zu kassibern oder die RAF-Häftlinge auf andere Art und Weise zu unterstützen. Manche schlossen sich dem Kampf im Untergrund an, andere wurden mit dem Vorwurf der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung angeklagt und verurteilt oder von Prozessen gegen RAF - Mitglieder ausgeschlossen.

In dieser Arbeit soll an ausgesuchten Beispielen die Rolle der Anwälte und ihr Bezug zur RAF gezeigt werden. Dabei wird auf Anwälte eingegangen, welche sich der RAF anschlossen, welche als Unterstützer verurteilt wurden und welche ihren anwaltlichen Aufgaben nach dem Gesetz nachkamen.

Gleichzeitig soll auch ein Eindruck von der damaligen Stimmung in Gerichts- und Anwaltskreisen vermittelt werden.

2. Die erste Generation der RAF - ein einführender Überblick

Mit der gewaltsamen Befreiung Andreas Baader am 14. Mai 1970 aus der Haft begann die eigentliche Geschichte der RAF[2].

Das Vorfeld bildete die Kaufhausbrandstiftung in Frankfurt[3] und die Verurteilung von Ensslin, Baader, Proll und Söhnlein, „die durch ein Fanal auf das grausame Geschehen in Vietnam(...) aufmerksam machen wollten“[4], zu je drei Jahren Zuchthaus im Oktober 1968. Im Juni 1969 kamen die vier Brandstifter auf freien Fuß, da sie Revision beim Bundesgerichtshof einlegten und dieser noch nicht entschieden hatte. Nachdem im November 1969 die Revision abgelehnt wurde, entzogen sich Baader, Proll und Ensslin der Strafverfolgung durch eine Flucht nach Paris. Aus Deutschland kam Astrid Proll (Schwester Thorwalds), Thorwald verließ die Gruppe und saß seine Strafe ab. Die Reise ging weiter nach Italien, wo sie von Horst Mahler, dem Verteidiger im Brandstifter-Verfahren, Besuch bekamen und von ihm erfuhren, dass in Berlin eine militante Gruppe aufgebaut werden soll. Im Februar 1970 waren Ensslin und Baader wieder in Deutschland und wurden von Ulrike Meinhof in ihrer Wohnung aufgenommen. Man beschloss, vor dem Hintergrund der gescheiterten Studentenbewegung, sich zu bewaffnen. Dabei war auch der Rechtsanwalt Horst Mahler[5].

Am 14. Mai 1970 wurde der zum Absitzen seiner Reststrafe im April festgenommene Baader aus dem Lesesaal des Zentralinstituts für soziale Fragen in Berlin-Dahlem befreit.

Die sich formierende RAF teilte sich in zwei Gruppen und flog über den Ostberliner Flughafen Schönefeld nach Jordanien, um unter Anleitung der Palistinänser sich auf den revolutionären Kampf in Westeuropa vorzubereiten Die erste Gruppe, worunter sich Mahler befand, reiste am 8. Juni 1970, Baader, Ensslin und Meinhof folgten zwei Wochen später.

Im August kehrte die Gruppe in die BRD zurück und begann mit dem Aufbau für den Stadtguerilla - Kampf. Zur Finanzierung beging die Gruppe eine Reihe von Banküberfällen.

Durch einen gezielten Hinweis an die Polizei wurde am 8. Oktober Horst Mahler, Birgitte Asdonk, Monika Berberich sowie Irene Georgens festgenommen. Nach der Verhaftung Mahlers waren Baader, Ensslin und Meinhof die führenden Köpfe der Gruppe.

In den nächsten anderthalb Jahren (1970 - 1972) entwickelte die Gruppe mannigfaltige Aktivitäten, um die Voraussetzung für eine Welle des Terrors zu schaffen. Es wurden Autos, Wohnungen, Geld, Waffen und Sprengstoff beschafft.

Am 11. Mai 1972 begann die RAF mit einer Serie von Anschlägen, so auf das Hauptquartier des V. Armeekorps der US-Streitkräfte, das Augsburger Polizeipräsidium, das bayrische Kriminalamt am 12.5.72, auf den Wagen des Bundesrichter W. Buddenberg am 15.5.72, auf das Hochhaus des Springer-Verlages (Hamburg) und auf das Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte in Europa (Heidelberg) am 24.5.72.

Doch schon im Juni wurden die führenden Köpfe Baader, Meins, Raspe, Ensslin, Mohnhaupt und Meinhof festgenommen. Aus der Haft heraus versuchten die Terroristen den Kampf in Form von Empfehlungen für Verhaltensweisen und Anleitung für weitere Anschläge fortzusetzen. Eine Schlüsselrolle spielten hier einige Verteidiger, auf die in der weiteren Arbeit eingegangen wird. Vorher soll aber die Rolle Horst Mahlers, einem Anwalt der als Mitbegründer der RAF gilt, beschrieben werden.

3. Horst Mahler (Berlin)

Am 8.Oktober 1970[6] wurde der Anwalt Horst Mahler nach nur vier Monate[7] im Untergrund verhaftet.

Horst Mahler, 1936 geboren, Sohn eines Zahnarztes, studierte nach seiner Übersiedlung von Mitteldeutschland nach Westberlin 1955-59 Rechtswissenschaften an der FU Berlin. Ende der 50er Jahre war er gleichzeitig Mitglied im SDS, in der SPD und in der „Thuringia“, einer schlagenden Verbindung. Die SPD erklärte 1960 die Parteimitgliedschaft für unvereinbar mit der Mitgliedschaft im SDS, Mahler blieb im SDS. Nach seiner Zulassung 1963 als Anwalt vertrat er zunehmend politische Kriminalfälle. 1967 war Mahler Mitbegründer und Treuhänder des Republikanischen Clubs, in denen sich viele Westberliner Linke trafen und der „ein Forum zur Diskussion politisch, kultureller...Probleme“[8] sein sollte.

Aktiv beteiligte sich Mahler an den Protestaktionen der APO, so „marschierte (er) mit Hut und Regenschirm bei Vietnam-Demonstrationen voran“[9]. Bald war er der bekannteste APO-Anwalt in Berlin. Der Spiegel schrieb über ihn: „Mahler verwandelte Gerichtssäle in Tribunale des Klassenkampfes“.[10] Zu Mahlers Klienten gehörten Beate Klarsfeld, die den Bundeskanzler Kiesinger geohrfeigt hatte, Rudi Dutschke, Rainer Langhans, Fritz Teufel sowie Peter Brandt, der Sohn des Bundeskanzlers Willy Brandt .

1968 gründete Mahler mit H.-C. Ströbele und Klaus Esche das sozialistische Anwaltskollektiv. In dem gleichen Jahr verteidigte er Gudrun Ensslin und Andreas Baader, die in zwei Frankfurter Kaufhäuser Brände gelegt hatten und deshalb zu drei Jahren Haft verurteilt wurden.

Nach dem Attentat auf Rudi Dutschke nahm Mahler am 11. April 1968, neben ca. 3000 anderen, bei einer Demonstration teil. Man zog zum Springer Verlagshaus, zertrümmerte Scheiben und steckte Verlagsfahrzeuge sowie Zeitungen in Brand. Im März 1969 wurde er vor der Strafkammer des Westberliner-Landgerichts wegen „schweren Aufruhr in Tateinheit mit Landfriedensbruch“[11] zu 10 Monaten Gefängnisstrafe mit dreijähriger Bewährungsfrist verurteilt. Obwohl Mahler zwei Stunden später wegen der vom Bundestag beschlossenen

3. Strafrechtsänderung[12] amnestiert wurde, legte sein Anwalt Otto Schily Revision zur „Unschuldsfeststellung“ ein. Dagegen gingen die Verhandlungen vor der Berliner Zivilkammer, wegen dem Sachschaden des Springer-Konzerns, und vor dem Ehrengericht der Anwaltskammer negativ für Mahler aus. Die Berliner Zivilkammer verurteilte ihn zu einer Schadensersatzzahlung von 76000 DM und das Ehrengericht verhing im September 1970 ein Berufsverbot. Begründet wurde dies damit, dass Mahler sich nicht den Vorwürfen zur Baader Befreiung stellte und sich mit international gesuchten Leuten auf Reisen begab. Maler stand zu dieser Zeit im dringenden Verdacht der „Beihilfe zur Gefangenenbefreiung und zum Mordversuch“[13], wofür auch die Berliner Staatsanwaltschaft im Mai 1970 einen Haftbefehl gegen ihn ausgestellt hatte. Mahler wurde deshalb verdächtigt, weil er für Baader im April 1970 die Ausgangsgenehmigung in das Dahlemer Institut für soziale Fragen erwirkt hatte, aus dem Baader dann befreit wurde.

„Für sein Ziel ‘die Zerschlagung der kapitalistischen Ausbeuterordnung und die Errichtung einer sozialistischen, repressionsfreien Gesellschaft’ schienen ihm fortschreitend immer mehr Mittel recht.“[14]

Mahler tauchte unter und verbrachte die Zeit von Juni bis August 1970 mit anderen RAF-Genossen in einem Camp der Palistinänser, um sich dort auf den bewaffneten Kampf vorzubereiten. Nach seiner Rückkehr begann die Gruppe mit dem Aufbau der Logistik. Am 29. September 1970 überfiel Mahler mit A.Baader, E. Grusdat, I. Georgens und K.-H. Ruhland die Zweigstelle 92 der Sparkasse Berlin.[15]

Eine Woche nach dem Überfall erhielt die Polizei einen anonymen Hinweis und Horst Mahler wurde mit anderen Gruppenmitgliedern verhaftet.

Im März 1971 stand dann Mahler wegen der Beteiligung an der Baader Befreiung vor Gericht.[16] Dieser endete für ihn am 21. Mai mit einem Freispruch. Trotzdem musste er im Gefängnis bleiben, da noch ein Haftbefehl wegen schweren Raubes vorlag. Aus dem Gefängnis heraus versorgte er die Genossen mit Kampfparolen und revolutionstheoretischen Texten. Er forderte die „Bildung bewaffneter Kommandos in den Großstädten“ und die Angriffe der Gurillias gegen „grundsätzlich alle Institutionen des Klassenfeindes, alle Verwaltungsdienststellen und Polizeiposten, gegen die Direktionszentrale der Konzerne, (...), gegen leitende Beamte, Richter und Direktoren (...)“.[17]

Im Jahre 1973[18] wurde der Jurist, Mitbegründer der RAF und Terrorist, wegen „gemeinschaftlichen schweren Raubes in Tateinheit mit Gründung einer kriminellen Vereinigung“[19] zu zwölf Jahren Freiheitsentzug verurteilt.

Weil der Bundesgerichtshof seinen Freispruch von 1971 (Beteiligung Baader Befreiung) aufgehoben hatte, wurde im August 1974 nochmals gegen ihn verhandelt. Diesmal sprach das Gericht ihn schuldig und verurteilte ihn zu zwei Jahren, womit sich die Gesamtstrafe auf 14 Jahre Freiheitsentzug belief. Gleichzeitig gab das mitgefangene RAF-Mitglied Monika Berberich, die als Zeugin in diesen Prozeß aussagen sollte, den Ausschluss Mahlers, auf Grund theoretischer Differenzen[20], aus der RAF bekannt. Sie nannte ihn „einen belanglosen Schwätzer und eine lächerliche Figur“[21].

Der Öffentlichkeit wurde seine Distanzierung vom Terrorismus im Jahre 1975 deutlich , als er es anlässlich der Lorenz-Entführung der „Bewegung 2. Juni“ ablehnte, den bereits freigepressten Terroristen in den Südjemen zu folgen.[22]

Er schloss sich zeitweilig der KPD und der „Roten Hilfe an, über die er dann auch seine Schriften aus dem Gefängnis, die sich hauptsächlich gegen die RAF-Politik richtete, verbreiten ließ. Ende der 70er Jahre richtete sich Mahlers Polemik gegen den Terrorismus. Der Spiegel zitierte ihn zu dieser Zeit mit den Worten: „Nur ‘Verrückte’ können glauben, daß der Staat ‘vor einer Handvoll Terroristen ‘ kapitulieren werde“[23].

Im Sommer 1979 kam Maler in den offenen Vollzug, 1980 wurde er vorzeitig aus der Haft entlassen.

1986 beantragte Mahler, der inzwischen Geschäftsführer einer juristischen Dienstleistungsfirma war, seine Wiederzulassung. Diese wurde zuerst unter Berufung auf seine Verurteilung abgelehnt. Am 30. November 1987 entschied der Ehrengerichtssenat des Bundesgerichtshofes letztinstanzlich für die Wiederzulassung. Der Ex-Terrorist war wieder Anwalt.

[...]


[1] Der Spiegel 48 / 1974

[2] vgl. Rabert, Bernhardt: Links- und Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik von 1970 bis heute, Bonn 1995, S.120 .

[3] vgl. Peters, Butz: RAF, Terrorismus in Deutschland, Stuttgart 1993, S.53

[4] ebenda S. 57.

[5] auf Mahler werde ich in einen späteren gesonderten Abschnitt, als ein Beispiel RAF - Anwalt eingehen

[6] vgl. Backes, Uwe, Jesse, Eckhard: Totalitarismus, Extremismus, Terrorismus, Leverkusen 1984.

[7] vgl. Willey, Kenda: Ein Anwalt in Waffen: Horst Mahler in Münckler, Herfried (Hrsg.): Der Partisan, Darmstadt 1990.

[8] Satzung des RC zitiert nach Willey, Kenda: Ein Anwalt in Waffen: Horst Mahler in Münckler, Herfried (Hrsg.): Der Partisan, Darmstadt 1990.

[9] Der Spiegel 25 / 1970, S.73

[10] Der Spiegel 25 / 1970, S. 75

[11] Der Spiegel 13 / 1970

[12] mit der 3. Strafrechtsänderung wurde das hundertjährige Demonstrationsrecht neu geregelt

[13] Der Spiegel: 25, 1970, S. 73, hierbei handelte sich um die Baader-Befreiung, wo ein Institutsangestellter lebengefährlich verletzt wurde

[14] Der Spiegel 42 / 1970, S.119

[15] vgl. Peters, Butz: RAF, Terrorismus in Deutschland, Stuttgart 1993, S. 92.

[16] vgl. Willey, Kenda: Ein Anwalt in Waffen: Horst Mahler in Münckler, Herfried (Hrsg.): Der Partisan, Darmstadt 1990, S. 374.

[17] Der Spiegel 53 / 1979, S.34

[18] die Verhandlung Mahlers fand erst nach zwei Jahren Untersuchungshaft statt. Der Grund lag darin, daß erst das Verfahren gegen Mittäter Ruhland abgeschlossen sein mußte, daß dieser gegen Mahler aussagen konnte

[19] Der Spiegel 53 / 1979, S. 34

[20] vgl. Willey, Kenda: Ein Anwalt in Waffen: Horst Mahler in Münckler, Herfried (Hrsg.): Der Partisan, Darmstadt 1990, S. 375 - 376.

[21] vgl. Peters, Butz: RAF, Terrorismus in Deutschland, Stuttgart 1993, S. 133.

[22] vgl. Backes, Uwe, Jesse, Eckhard: Totalitarismus, Extremismus, Terrorismus, Leverkusen 1984, S. 258.

[23] Der Spiegel 50 / 1978.

Excerpt out of 20 pages

Details

Title
Verteidigungsfremdes Verhalten? RAF-Anwälte der ersten Generation
College
Martin Luther University  (Geschichtliches Institut)
Course
Hauptseminar: Terrorismus im 20. Jahrhundert
Grade
2,0
Author
Year
2002
Pages
20
Catalog Number
V11285
ISBN (eBook)
9783638174862
File size
521 KB
Language
German
Keywords
Verteidigungsfremdes, Verhalten, RAF-Anwälte, Generation, Hauptseminar, Terrorismus, Jahrhundert
Quote paper
Thomas Hoffmann (Author), 2002, Verteidigungsfremdes Verhalten? RAF-Anwälte der ersten Generation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11285

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