Was macht die Chili scharf?


Facharbeit (Schule), 2007

47 Seiten, Note: 5.3 (CH!)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Vorwort

2 Theoretischer Teil
2.1 Chili
2.1.1 Paprika, Chili, Peperoncini: Was ist was?
2.1.2 Chili: eine Übersicht
2.1.3 Hintergrund
2.2 Capsaicin
2.2.1 Capsaicinoide
2.2.2 Capsaicin
2.2.3 Wo wird Capsaicin eingesetzt?
2.2.4 Scoville Heat Ünits
2.3 Wahrnehmung von Schärfe
2.3.1 Schmerzempfindung und Nozizeptoren
2.3.2 Capsaicin im Mensch
2.3.3 „Chili-High“
2.4 Capsaicin in der Medizin

3 Praktischer Teil
3.1 Botanische Arbeit
3.1.1 Ziel der Chili-Zucht
3.1.2 Red Savina Habañero
3.1.3 Dokumentation
3.2 Isolation
3.2.1 Laborversuch I
3.2.2 Laborversuch II

4 Danksagung

5 Anhang
5.1 Quellenverzeichnis
5.2 Bildverzeichnis
5.3 Original-Anleitungen und NMR-Spektroskopie

6 Schlusswort

1 Vorwort

Der theoretische Teil dieser Maturitäsarbeit befasst sich mit Infor­mationen über Paprika, mit der Messung und Wahrnehmung von Scharfe und mit der Isolation und Anwendung des Scharfestoffs Capsaicin; der praktische Teil mit dem Zuchten von der Chili-Sorte Red Savina Habanero, mit der Durchfuhrung zweier Isolationsver­fahren fur Capsaicin und mit Nachweis von Capsaicin mittels Spek­troskopie.

In Südamerika und in Asien sind sie überall bekannt, auf den übrigen Kon­tinenten werden sie immer beliebter: Chilis, die Früchte der Pflanzen, die zur Gattung Paprika gehüren. Sie sind dafür berüchtigt, dass man mit ihnen ziem­lich scharfe Speisen zubereiten kann. Doch welches Geheimnis steckt hinter dem scharfen Geschmack? Vor ungefähr drei Jahr begann mein Vater, ein “Chili- head” zu werden. Er fing an, Saucen zu kaufen, die ungewühnlich scharf waren. Spüter, als er selber Chilis züchtete, mischte er seine eigenen Saucen und konnte sie dank seiner Chili-Zucht fast beliebig scharf machen. Anfangs dachte ich, dass sein neues Hobby zu skurill für meinen Geschmack war, da ich scharfes Essen nicht gern hatte. Doch nachdem ich von seinen Saucen probiert hatte, packte auch mich die hüchst ansteckende Sucht nach Scharfem. Dies war für die Wahl des Themas meiner Maturitütsarbeit ausschlaggebend: Wührend ich mit Herrn Aschwanden darüber diskutierte, worüber ich meine Maturitütsarbeit schreiben würde, einigten wir uns auf die Isolation von Capsaicin. Auch wollte ich mehr daruüber erfahren, wie der Mensch den scharfen Geschmack wahrnimmt, und warum mache Leute sogar süchtig nach scharfem Essen werden künnen.

2 Theoretischer Teil

2.1 Chili

2.1.1 Paprika, Chili, Peperoncini: Was ist was?

Oft werden die Begriffe Paprika und Chili in völlig verschiedenen Zusammen­hängen verwendet, obwohl beide das Gleiche bedeuten. Daneben gibt es zahl­reiche Begriffe wie Peperoni (oder im (Österreichischen auch Pfefferoni), Pe­peroncini, Cayenne-Pfeffer oder Roter Pfeffer, die bestimmte Gruppen oder Produkte der Paprika beschreiben. In manchen Begriffen wie Spanischer Pfeffer oder Cayenne-Pfeffer steckt eine geschichtliche Bedeutung aus der Zeit des Pfef­ferhandels. Im englischen Sprachgebrauch wird fär Gemäsepaprika, die bei uns Peperoni genannt wird, der Ausdruck Bell Pepper (Glockenpfeffer) oder Sweet Pepper (sässer Pfeffer) verwendet, fär scharfe Paprika Chili oder Hot Pepper. Bestellt man in England aber eine “Peperoni Pizza”, bekommt man eine Pizza mit Scheibchen einer mit Paprika gewärzten Wurst.

Das Wort Chili stammt aus der Nahuatl-Sprachfamilie der sädamerikani- schen Ureinwohner, die heute noch gesprochen wird, ab: Mit chilli bezeichnete man Chilischoten. In Mexiko wird damit noch heute die Frucht bezeichnet, während im deutschen Sprachraum nicht immer eindeutig die Frucht oder die ganze Pflanze gemeint ist. Auch die Schreibweise von Chili ist nicht eindeutig: Vor allem im Englischen, aber auch im Deutschen findet man die Ausdräcke Chilie, Chilli, Chillie, Chile und Chille.

2.1.2 Chili: eine Übersicht

Paprika (Capsicum) gehört zur Familie der Nachtschattengewachse und ist da­her mit einigen anderen Kulturpflanzen wie Kartoffeln, Tomaten, Aubergine und allen Tabakarten verwandt. In den meisten Paprika ist der Scharfestoff Capsai­cin, der fär das Prickeln auf der Zunge verantwortlich ist, enthalten. Erst um 1950 konnten milde Gemäsepaprika gezächtet werden, in denen fast kein Capsaicin vorhanden war.

Die Früchte der Paprika erscheinen in verschiedenen Formen und Farben, wie auf Abbildung 1 zu sehen ist; die in Europa bekanntesten Formen sind Peperoni und Peperoncini. Diese Früchte gelten im Allgemeinen als sehr ge­sund. Sie enthalten sehr viel Vitamin A, B6, C und E sowie Molybdün, Kalium, Thiamin, Kupfer und andere Spurenelemente. Die Vitamine A und C in der Chili zerstören freie Radikale. Freie Radikale sind hochreaktive Moleküle, die im Kürper grosse Schäden anrichten konnen, wie zum Beispiel Gewebeschäden in Blutgefassen und Nervenbahnen von Diabetikern. Auch künnen freie Radikale den Cholesterinspiegel anheben, was das Risiko, Herzprobleme wie Arterioskle­rose zu bekommen, erhüht. Vitamin B6 und Folsüure, die ebenfalls in der Chili enthalten sind, senken den Homocystein-Spiegel. Ein zu hoher Pegel kann eben­falls Blutgefüssen schaden und damit Kreislaufprobleme schaffen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Früchte von Paprika-Pflanzen

Systematik des Capsicum

Abteilung: Bedecktsamer (Magnoliophyta)

Klasse: Dreifurchenpollen-Zweikeimblättrige (Rosopsida)

Unterklasse: Asternähnliche (Asteridae)

Ordnung: Nachtschattenartige (Solanales)

Familie: Nachtschattengewächse (Solanaceae)

2.1.3 Hintergrund

Im Jahre 1492 entdeckte Christoph Kolumbus bei den Ureinwohnern Ameri­kas die scharfe Chili, worauf er diese auf den Namen Pimienta, was auf spanisch “Pfeffer” heisst, taufte. Es ist aber ungewiss, ob Kolumbus an eine Verwand­schaft der Chili mit dem indischen Schwarzen Pfeffer glaubte oder diesen Namen bewusst wahlte, um die geschmackliche Ahnlichkeit mit dem Pfeffer zu unter­streichen. In einem Brief an das spanische Käonigshaus dokumentierte Kolum­bus diese Entdeckung, was die erste schriftliche Erwähnung von Chili überhaupt war. Zusammen mit Kakao und anderen Waren exportierte Kolumbus auch Chi­lifrüchte nach Spanien. Dort konnte europaweit erstmals die ersten Chilipflanzen angebaut werden. Diese Art von Paprika, das Capsicum annuum, wird deswegen heute noch “Spanischer Pfeffer” genannt.

Die Geschichte der Chili reicht aber viel weiter in die Vergangenheit zurück. Bei Ausgrabungen in einem Tal bei Tehuacán (Mexiko) wurden uberreste von Chili gefunden, deren geschätztes Alter ungefähr 9000 Jahre betrug. Allem An­schein nach kannten bereits die amerikanischen Ureinwohner diese besondere Frucht. Historiker vermuten, dass Chilis von den Ureinwohnern nicht nur kon­sumiert, sondern auch als Folterinstrument und als chemische Waffe eingesetzt wurden. Wenn es sich herausstellte, dass eine Maya-Frau einem Mann nachge­schaut hatte oder sogar nicht mehr Jungfrau war, wurden ihr die Augen resp. die Genitalien mit Chili eingerieben. Inkas sollen den Rauch von brennendem Chili als Kampfgas eingesetzt haben.

Alle Paprikasorten und -arten haben ihren Ursprung in Mittel- und Südame­rika. Ihre Verbreitung verdanken sie vor allem den Vügeln, die keine Rezeptoren für Scharfe haben, also resistent gegen scharfen Geschmack sind und somit ohne Probleme die Samen der Früchte über den ganzen Kontinent hinweg austragen konnten. Die Arten Capsicum annum und Capsicum frutescens zum Beispiel stammen aus dem nürdlichen Amazonasbecken; im Verlauf der Zeit verbreite­ten sie sich in Richtung Norden und gelangten bis nach Peru und Mexiko. In den Westen gelangten die Arten Capsicum chínense, Capsicum baccatum und Capsicum pubescens, wo sie zum Teil in Gebieten mit schwierigeren Lebensbe- dingugen, wie zum Beispiel im Andenhochland, neuen Lebensraum fanden.

Der zunehmende internationale Handel wahrend des Imperialismus begüns­tigte die Verbreitung von Paprika in Afrika, im Nahen Osten, in Südasien und sogar bis nach Japan. In manchen asiatischen Ländern wie Thailand wurde Pa­prika zum Standard-Gewuürz.

In Europa verbreitete sich Paprika schon vor dem Imperialismus. Uber Um­wege im Nahen Osten und uüber die Tuürkei gelangte das Capsicum nach Deutsch­land. Leonhart Fuchs schrieb bereits im Jahre 1542 in seinem Werk "De Historia stirpium” von Paprika unter dem Namen Siliquastrum und deren grossen Ver­breitung in Europa.

Heutzutage wird Paprika weltweit zum grüossten Teil in den gemaüssigten Breiten und in den Tropen kultiviert (Abb. 2). Das Züchten in Gewüchshausern ermüglicht eine periodische Ernte, die mehrmals im Jahr stattfinden kann, über Jahre hinweg. Wührend den “Hochsaisons” wird Paprika unter anderem aus deutscher, spanischer und hollaündischer Produktion angeboten, waührend den “Zwischensaisons” aus Ungarn, Israel und Ägypten. Im Jahr 2000 wurden welt­weit ungefahr 19 Mio. Tonnen Paprika produziert, wovon knapp die Halfte aus China stammte.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Herkunftsgebiete (rot) und heutige Anbaugebiete von Capsicum

2.2 Capsaicin

2.2.1 Capsaicinoide

Für den scharfen Geschmack der Chili sind die sogennanten Capsaicinoide ver­antwortlich (Abb. 3). Sie weisen weder Geruch noch Geschmack auf, dennoch werden sie weltweit als “Geschmackstrager” der Chili zum Würzen von Spei­sen eingesetzt. Es gibt im Ganzen sechs Capsaicinoide, die sich in der moleku­laren Struktur unterscheiden: Capsaicin, Dihydrocapsaicin, Nordihydrocapsai- cin, Homodihydrocapsaicin, Norcapsaicin und Homocapsaicin. Sie alle bestehen aus einem vanilloiden Ring, einer Amid und einer apolaren Kohlenwasserstoff­Kette; in letzterer aber befindet sich das Merkmal, das sie voneinander un­terscheidet. Die Lünge der CH-Kette, die Doppelbindung und die Ausrichtung der CH(CH3)CH3-Endung machen die unterschiedlichen Capsaicinoide aus. Die Capsaicinoide Capsaicin und Dihydrocapsaicin sind mit einem durchschnittli­chen Anteil von 69% resp. 22 % an der Gesamtmenge von Capsaicinoiden in einer Chili die zwei am stüarksten vertretene Schüarfestoffe.

Abbildung 3: Capsaicinoide: a) Capsaicin (rot: vanilloider Ring), b) Dihydrocap­saicin, c) Nordihydrocapsaicin, d) Homodihydrocapsaicin, e) Homocapsaicin, f) Norcapsaicin

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2.2 Capsaicinoide

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Das Alkaloid (organische Verbindung, die Stickstoff enth¨alt), das nur bei bestimmten Tieren die Empfindung von Scharfe auslosen kann, wird vor allem in der Plazenta und den Scheidewänden der Paprika produziert und nicht, wie viele denken, in den Samen. Da die Samen aber direkt an der Plazenta haften, bekommen sie etwas Capsaicin ab und werden scharf. Capsaicin wirkt antibak­teriell und fungizid, da es in grässeren Mengen Zellen abtäten kann und eignet sich deshalb hervorragend fär die Konservation von Lebensmitteln.

Vermutlich ist das Capsaicin Teil des Abwehrsystems der Capsicum-Pflanzen: Die Schärfe resultiert bei Säugetieren in einem unangenehmen bis schmerzhaften Geschmack im Mund. Dies bringt Tiere möglicherweise davon ab, die Früchte zu konsumieren, was etwas Schutz fär die Pflanze gewährleistet. Ein weiterer Vorteil fär die Pflanze ist, dass Vägel immun gegen den scharfen Geschmack sind, weil sie die fär die Schärfeempfindung verantwortliche Rezeptoren nicht besitzen. So koännen sie ohne Probleme die Fruächte mit den Kernen essen und spaäter aussscheiden, was der Fortpflanzung der Capsicum-Pflanzen zum Vorteil gereicht.

2.2.3 Wo wird Capsaicin eingesetzt?

1816 entdeckt P.A. Buchholtz, dass Capsaicin die Chili scharf macht. In den folgenden Jahren wurde viel äber Capsaicin nachgeforscht und noch heute wer­den die Funktionsmechanismen des menschlichen Kärpers in Kontakt mit Cap­saicin untersucht. Jack Chalem schrieb 1995 in seinem Buch “The Nutrition Reporter”, dass seit dem Jahr 1990 bereits äber 1300 Studien, die sich Cap­saicin beschaftigten, in medizinischen Journals niedergeschrieben wurden; bis heute sind es wahrscheinlich weitaus mehr. Das Wichtigste, was man daräber herausgefunden hat, ist zum einen die schmerzlindernde Wirkung und zum an­deren die Induktion des Zelltodes von Krebs- und Fettzellen .

Es gibt unzählige Marken von Capsaicin-Cremes, die die Schmerzen von Ar­thritis, Herpes Zoster, Schuppenflechten und anderen Hauptproblemen bekämp­fen sollen; Nachforschungen ergeben fast wöchentlich Verbesserungen und neue Produkte. Ein Nachteil dieser Cremes ist, dass nach dem Applizieren die Fin­gerspitzen brennen und die Gefahr besteht, dass etwas davon auf die Augen gerät. Natärlich versucht man, diesen Nachteil zu beseitigen: “Penecine Topical Pain Reliever” zum Beispiel wird in Form von so genannten “hands-free roller ball applicators”, also ähnlich wie Roll-On-Deodorants, verkauft; “Zostrix”, ei­ne der ersten Capsaicin-Cremes auf dem Markt, gibt es als Sticks, die handlich, herkämmlich und tropffrei sind. Des weiteren werden Versuche durchgeführt, Capsaicin mit anderen Heilkräutern zu kombinieren, um die heilende Wirkung zu verstärken. Heritage Consumer Products hat mit “Eucalyptamint2000”, ei­ner Creme gegen arthritische Schmerzen, Capsaicin mit Menthol kombiniert, um dem Brennen beim Applizieren entgegenzuwirken. Die Cremes werden als homoäopatisch wirkende Medikamente verkauft: Schmerzen werden mit Stoffen bekämpft, die eigentlich denselben Schmerz hervorrufen. Dies und die effekti­ve Wirkung weckt beim Kaufer einen guten Eindruck; die Produkte wird gut verkauft.

Capsaicin wird nicht nur in der Medizin eingesetzt, sondern auch dort, wo man es eher wenig vermutet: 1990 gingen Berichte äber einen Erfinder herum, der Capsaicin in Lacke fär Bootsrämpfe und -schleusen hineinmischte. Dies soll­te bewirken, dass Krebse und Muscheln von seinem Boot ferngehalten wurden. Tatsächlich entwickelten später Wissenschaftler der Burlington Bio-Medical and Scientific Corporation of Farmingdale in New York eine Methode, um viel de- natonium capsaicinate, eine schmerzend scharfe und extrem bittere Paste, die den Befall von unerwuänschten Tieren verhindert, herstellen zu koännen. Das de- natonium capsaicinate wird als Zusatzstoff empfohlen, der beim Bemalen von Booten der Farbe beigemischt wird, da dieser umweltvertraäglich und doch wirk­sam ist. Auf ähnlicher Art und Weise versucht man Nagetiere wie Marder vom Zerbeissen von Stromkabeln abzuhalten.

Capsaicin ist gut als Abschreckmittel fär Säugetiere dokumentiert. Zum Bei­spiel ist oft Chilipulver in Vogelfutter vorzufinden: Das Capsaicin, das bei Vögeln keine Wirkung zeigt, verhindert, dass Eichhörnchen das Futter fressen, wahrend das Vitamin A dem Gefieder der Vögel eine hellere, schönere Farbe verleiht. Der “Get Away Repellent”-Spray der Firma IntAgra wird in zwei Varianten verkauft, der Hunde und Katzen von Mölldeponien und Grönflachen oder Waschbören und Eichhörnchen von Garten und Vogelhauschen fern hölt. Capsaicin wird ebenfalls eingesetzt, um Menschen abzuschrecken: In Pfeffersprays ist Oleore­sin, ein Gemisch aus atherischen Olen und Harze von Pflanzen, enthalten, das in den Augen extrem stark brennt und jemanden unschädlich machen kann.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Pfefferspray und Zostrix

Tipps gegen die Schärfe im Mund

Viele versuchen nach dem Verzehr von scharfen Speisen, das ihnen unangenehme Brennen mit kaltem Wasser wegzuspölen. Das befreit sie jedoch nur wöhrend ungeföhr einer Sekunde von ihren „Qualen“, danach wird die Schörfe im Mund

wie zuvor wahrgenommen. Das liegt daran, dass Capsaicin wegen seiner Struk­tur nicht wasserlöslich ist. Dies dürfte bei der Bekampfung von Schärfe gute Resultate erzielen:

- Milch trinken! Das lipophile Capsaicin bindet sich stärker an die Fett­moleküle in den Fetttröpfchen der Milch als an den Rezeptoren in der Mundhöhle. So wird es einfach aus dem Mund weggespült. Es gilt: Je mehr Fett die Milch enthalt, desto schneller klingt die Schärfe ab.
- Käse essen! Der fettreiche Kase wirkt praktisch gleich wie die Milch.
- Brot essen! Das Brot saugt den Speichel im Mund auf. Das Capsaicin wird mit dem Speichel aufgesaugt, ohne die Rezeptoren zu aktivieren. Das Brot kann aber nicht das Capsaicin, das bereits an den Rezeptoren haftet, wieder entfernen, deshalb empfehle ich diese Strategie, wenn keine andere Möglichkeit mehr besteht.

2.2.4 Scoville Heat Units

1912 präsentierte der Pharmakologe Wilbur L. Scoville in seinem Artikel in “The Journal of the American Pharmacists Association” eine von ihm ent­wickelte Methode, die Schärfe der Frächte von Paprikapflanzen zu bestimmen. Das Ergebnis des sogenannten Scoville-Tests (urspränglich Scoville Organoleptic Test) hängt davon ab, wieviel Capsaicin in einer getrockneten Frucht enthalten ist.

Bei der urspränglichen Methode mussten Probanden eine Läsung kosten, die immer staärker verduännt wurde, und aussagen, ob sie noch scharf schmeckte oder nicht. Es wurde die Anzahl Tropfen Verdännungsmittel gezählt, bis keine Schärfe mehr festzustellen war; diese Anzahl entsprach dann dem Scharfegrad in Scoville Heat Units. Diese Methode war aber ziemlich fehlerbehaftet: Einer­seits tolerieren die einen Menschen mehr oder weniger Capsaicin als andere, andererseits wird der Mensch durch wiederholtes Probieren unempfindlicher auf Capsaicin.

Heute wird mit Hilfe der Hochleistungs-Flüssigchromatographie oder HPLC (High Pressure Liquid Chromatography) der Gehalt der zwei haufigsten Capsai- cinoiden Capsaicin und Dihydrocapsaicin gemessen und in Scoville Heat Units umgerechnet. Dabei müssen zwei Fehlerquellen beachtet werden: Ohne Referenz­stoffe und ohne Kalibrierungen künnen keine genauen Messungen durchgeführt werden, weshalb schon manche Rekordmessung unglaubwürdig war; auch ist es wichtig, aus welchem Teil der Frucht der Capsaicin-Gehalt gemessen wird, da zum Beispiel in der Plazenta der Frucht viel mehr Capsaicin enthalten ist als im Fruchtfleisch.

Eine weitere, gewühnlichere Scharfeskala ist der Schärfegrad. Die Methode zur Bestimmung des Schärfe-Werts ist banal: Man probiert eine Sauce, eine Gewürzmischung oder eine einzelne Chili und gibt einen Wert von 1 bis 10 für die Schürfe an, wobei 10 der Hüchstwert ist. Für Prüzisierungen kann ein “+” angefügt werden, womit die Skala auf 10+ oder 10++ erweitert wird.

Man kann aber auch von Scoville-Einheiten in Schaürfegrad umrechnen. Die Formel fuür die Umrechnung lautet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Für die Gleichung ist G der Scharfegrad und S die Anzahl Scoville-Einheiten. Dem entsprechend kann auch vom Schaürfegrad in Scoville-Einheiten umgerech­net werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es folgt eine übersicht, die scharfe Produkte miteinander vergleicht.

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2.3 Wahrnehmung von Scharfe

2.3.1 Schmerzempfindung und Nozizeptoren

Die Schmerzempfindung oder Nozizeption ist ein Mechanismus, der es uns ermög­licht, Gefahrensituationen zu meiden, Schaden vorzubeugen und den Heilungs­prozess zu unterstötzen. Sie verursacht das reflexbedingte Zuröckschrecken von Schmerzquellen und schötzt uns vor physischen Schmerzen; weitere Schöden am Organismus können verhindert werden, indem wir uns von der Schmerzquelle wegbewegen. Schmerz unterstuötzt den Heilprozess, indem wir die schmerzende Körperstelle vor äusseren Einflösse und Schäden schötzen, um nicht noch mehr Schmerz zu erleiden. Schmerz wird im Allgemeinen dann induziert, wenn die öusseren Bereiche einer spezifischen Untergruppe von Sinneszellen durch ther­mische, mechanische oder chemische Stimulation aktiviert werden.

Nozizeption

Schneidet man sich mit einem Messer, spuört man zuerst sofort einen stechen­den Schmerz, der zwar nach kurzer Zeit zu einem dumpfen Schmerz abklingt, dieser jedoch wahrend langerer Zeit anhölt. Diese beiden Schmerzen werden als “erster Schmerz” und “zweiter Schmerz” bezeichnet. Um diese Phanomene der somatischen Schmerzen, also Schmerzen, die in Haut, Gelenken und Muskeln ge- spört werden, erklaren zu können, mössen wir unsere Fachkenntnis im Bereich der Nozizeption erweitern. Der Mensch besitzt so genannte Nozizeptoren, um Schmerzen empfinden zu können. Nozizeptoren sind Nervenzellen, die Aktions­potenziale zum Rückenmark senden, wo dann Nervenzellen erregt werden und Signale an das Gehirn feuern. Von ihren Zellkörpern, die sich alle ausserhalb des Röckenmarks in den Hinterwurzelganglien befinden, gehen Nervenfasern oder Axone aus, die in zwei Richtungen verlaufen:

1. Die einen Axone mönden in Nervenenden, die bis direkt unter die Haut, in Sehnen und in Gelenke reichen, um somatische Schmerzen zu signalisieren. Sie sind auch in den inneren Organen (ausser im Gehirn, wo keine Nozi- zeptoren vorhanden sind, sondern lediglich auf der Hirnhaut) anzutreffen, wo sie viszerale Schmerzen wie Bauchweh signalisieren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2. In die andere Richtung verlaufende Zweige besitzen synaptische Endknopf- chen und führen zum Rückenmark, wo die Nozizeptoren mit Nervenzellen, die Signale zum Gehirn leiten, verknüpft sind (Abb. 6).

Leitgeschwindigkeit massiv erhöht; ihre Leitgeschwindigkeit beträgt 11-20 γ. C- Fasern dagegen sind nur 1 mm dick und besitzen keinen Myelin-Mantel, weshalb ihre Leitgeschwindigkeit nur 1 ^ beträgt.

Man könnte behaupten, dass die C-Fasern eigentlich gar nicht wichtig sind, da sie eine viel langsamere Signaltransduktion (Signalöbermittlung) aufweisen. Die beiden Axon-Typen unterscheiden sich aber nicht nur in Aufbau und Leitge­schwindigkeit, sondern auch in den Typen von Reizsignalen, die sie öbertragen: Signale, die durch das Aktionspotenzial der Αδ-Fasern ans Gehirn gefeuert wer­den, gelangen öber den Thalamus im unteren Bereich des Gehirns in den somato- sensorischen Kortex, einem Teil der grauen Masse des Gehirns, wo der Schmerz dann lokalisiert werden kann. Die Signale der langsamen C-Fasern gelangen in den assoziativen Kortex, einen anderen Bereich der grauen Gehirnmasse, wo die Stärke des Schmerzes ‘interpretiert’ wird und Gegenmassnahmen wie das Flöchten vor dem Schmerz ergriffen werden. Aus diesen Tatsachen kann man schliessen, dass beide Axon-Typen trotz ihrer unterschiedlichen Leitgeschwin­digkeiten von grosser Bedeutung sind: Ohne AAFasern keine Schmerzempfin­dung, ohne C-Fasern keine Interpretation des Schmerzsignals und damit keine Reaktion.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Ein Nozizeptor (schematisch)

TRPV1 /VR1-Rezeptor

Auf den Enden der Axone, die vom Zellkörper der Nozizeptoren zum Gewebe führen, befinden sich Rezeptoren, die thermische, chemische und mechanische Stimuli (Reize) registrieren. Darunter befindet sich der Hitze-Vanilloid Rezeptor TRPV1, der laut Hans-Jürg Behrendt “bei der sensorischen Signaltransdukti­on eine bedeutende Rolle spielt”. Dieser Rezeptor, der auch als VRl-Rezeptor (abgekürzt aus Vanilloid Receptor Subtype 1 ) bekannt ist, ist ein Protein, das als Kationen-Kanal, der sowohl durch thermische und mechanische Stimuli wie auch durch chemische wie Capsaicin aktiviert werden kann, fungiert. Er ist in Zellmembranen eingebettet und dient als Ionen-Kanal für einfach und doppelt geladene Kationen wie zum Beispiel Ca2+ . Wird der VRl-Rezeptor zum Beispiel durch Hitze aktiviert, die dem Organismus schaden künnte, werden Ionen wie etwa Ca2+- und Na+-Ionen ins Zellinnere befördert und so Aktionspotenziale erzeugt. Studien daruüber haben gezeigt, dass bei Erhüohung der Temperatur die Konzentration von Calcium-Ionen in den Zellen binnen Sekunden markant an­steigt. Obwohl der exakte Wirkungsmechanismus vorerst noch vermutet wird, kann man bereits experimentell beweisen, dass Capsaicin die Durchlaüssigkeit der Plasmamembran von Zellen für Kationen erhüht. Der Mechanismus für die Erhühung der Permeabilität ist jedoch auch noch nicht bekannt; die meisten wis­senschaftlichen Publikationen beziehen sich aber auf die Aktivierung des VR1- Rezeptors durch Capsaicin. Durch die Entwicklung von Capsazepin, dem Ge­genstoff von Capsaicin, und von Resinferatoxin, einem Stoff, der die zellulüren Reaktionen des Capsaicins ausloüsen kann, konnte in mehreren Experimenten Ergebnisse erzielt werden, die fuür die Aktivierung des VR1-Rezeptors durch Capsaicin sprechen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Schematischer Aufbau des VRl-Rezeptors (rot: Capsaicin; sche­matisch)

2.3.2 Capsaicin im Mensch

Wie bereits erwähnt, kann der VRl-Rezeptor, der über die ganze Haut des Men­schen verteilt und auch im Mund aufzufinden ist, auf Capsaicin reagieren und dem Gehirn ein Signal übermitteln, das als „zu hohe Temperatur“ interpretiert wird. Daraus kann man schlussfolgern, dass der Geschmack „scharf“ nicht als Geschmack per se, sondern als Schmerz empfunden wird.

Die unzähligen Experimente mit Capsaicin, die teils mit geklonten Zellen, teils mit lebendigen Organismen durchgeführt worden sind und in vielen Studi­en immer noch durchgeführt werden, haben zahlreiche interessante Fakten und Erkenntnisse ans Tageslicht gebracht. Man forscht unter anderem, warum man auf den scharfen Geschmack unempfindlicher wird, je mehr man scharfe Spei­sen zu sich nimmt. Eine These darüber befasst sich mit dem Stoff Substanz-P, einem Stoff, der bei der Signaltransduktion und bei Entzündungen eine wich­tige Rolle spielt: Forschungen haben ergeben, dass bei der Aktivierung des VRl-Rezeptors, sei es durch Hitze oder durch chemische Stoffe wie Capsaicin, Substanz-P ausgeschüttet wird. Die Folge davon ist eine kurzweilige Schmerz­Unempfindlichkeit, da keine Substanz-P mehr für die Signaltransduktion vor­handen ist. Nach kurzer Stimulation wird Substanz-P wieder nachproduziert, sodass sich der Nerv nach einigen Minuten wieder mit Substanz-P „auflüdt“. Nach langer und wiederholter Stimulation aber wird die Substanz-P vollstaündig ausgeschüttet und nicht mehr nachgeliefert; durch den Mangel wird dann auch kein Schmerzsignal mehr übermittelt.

Eine - meiner Meinung nach - viel interessantere These besagt, die lang anhaltende Schmerz-Unempfindlichkeit könne damit erklärt werden, dass durch Capsaicin entweder Nervenzellen abgetotet oder periphere Enden von Axonen zerstärt werden. Diese Zerstörung resp. Degeneration von Neuralzellen scheint eine plausible Erklaürung fuür die lang anhaltende Desensibilisierung des Men­schen gegenüber Schärfe; auch die Funktionalität der im Kapitel erwähnten Cremes für Schmerzlinderung wäre damit zu erklaren. Bei einer Studie mit Rat­ten stellte sich naümlich heraus, dass Capsaicin Zellküorper, Axone und Nervenen­den zum Degenerieren gebracht hat; auch wurde herausgefunden, dass Capsaicin Zellkärper von Neuronen, die sich im Gehirn befinden, zerstärt. Bei diesem Ex­periment, an dem sich die Wissenschaftler Ritter und Dinh beteiligten, wurde eine Dosis Capsaicin in das Gehirn von Ratten injiziert, die zum Teil schon zuvor mit Capsaicin behandelt worden waren. Man stellte folgende Thesen auf:

- Wenn in den unbehandelten Ratten eine Degeneration stattfinden würde, aber keine in den behandelten, dann würde das bedeuten, dass Capsaicin bei den vorbehandelten Ratten entweder den Zelltod oder die permanente Desensibilisierung von Nervenzellen ausgelost hätte.
- Wenn bei den behandelten Ratten eine Degeneration auftreten würde, würde das bedeuten, dass sich die mit Capsaicin behandelten Zellen wieder erholt haütten und Capsaicin keine permanente Degeneration bewirkt, oder dass die erste Degeneration nicht vollstaündig abgelaufen wüare.
- Wenn keine Degeneration auftreten wuürde, hat das Capsaicin nichts mit der Degeneration von Neuralzellen zu tun.

Die Ergebnisse des Experiments lieferten eine klare Antwort auf die Frage, ob Capsaicin den Zelltod auslöst oder nicht: Wenn die beim Versuch injizierte Do­sis gleich gross oder kleiner war als diejenige der Vorbehandlung, fand keine Degeneration statt. Wenn aber höhere Dosen injiziert wurden, fand zwar eine Degeneration statt, die aber in den vorbehandelten Bereichen des Gehirns nur limitiert ablief. Damit löst Capsaicin eine permanente Degeneration von Ner­venfasern aus. Ein weiteres, vom Ritter-Dinh-Projekt unabhöngiges Experiment, dass von den Wissenschaftlern Sugimoto, Xiao und Ichikawa durchgeführt wur­de, zeigte ebenfalls, dass Capsaicin den programmierten Zelltod oder Apoptose herbeiführt: Nachdem neugeborenen Ratten eine übernatürlich grosse Menge Capsaicin (50 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht) injiziert worden war, fand man eine halbe Stunde spaöter mittels Elektronenmikroskop angeschwolle­ne Mitochondrien und 24 Stunden spöter unregelmassige Zellkernformen und Chromatin-Muster in Nervenzellen. Diese sind Anzeichen för den programmier­ten Zelltod.

2.3.3 „Chili-High“

Studien bewiesen, dass die Aktivierung des nozizeptiven Systems das Ausschötten von B-Endorphinen im Gehirn bewirkt. B-Endorphine sind Glöckshormone, die unter anderem auch im Bereich des Mittelhirns an der Regulation der Schmerzempfindung beteiligt sind. Sie besitzen die Fahigkeit, die Übermittlung von Schmerzsignalen zu unterbrechen: Wenn B-Endorphine ausgeschuöttet und an entsprechende Opioid-Rezeptoren gebunden werden, wird deutlich weniger Substanz-P exprimiert und damit werden weniger Schmerzsignale öbermittelt.

Wenn extrem scharfe Speisen verzehrt werden und so viel B-Endorphin aus- geschöttet wird, wird das Limbische System aktiviert (Abb. 9). Das Limbische System ist die Gehirnregion, die för Emotionen zustandig ist. Man empfindet verstärkte Glöcksgeföhle, was man unter den „Chili-Heads“ als „Chili-High“ bezeichnet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Das Limbische System des menschlichen Gehirns

2.4 Capsaicin in der Medizin

Der Einsatz von Capsaicin für medizinische Zwecke wird schon seit langem un­tersucht und erprobt. Dabei stehen die schmerzhemmende und die für Zellen tüdliche Wirkung des Capsaicins im Zentrum. Die Schmerzbekümpfung mit Capsaicin erfolgt durch das Applizieren von Emulsionen, in denen Capsaicin enthalten ist. Ich habe bereits mit der Salbe „DUL-X warm“ (gemass Verpa­ckung 0.035 mg Capsaicin) eigene Erfahrungen gesammelt. Da ich Volleyball spiele und meine Knie regelmüssig starken Belastungen ausgesetzt sind, haben sie, oder genauer die Patellarsehnen, vor langerer Zeit heftig weh getan. Al­so habe ich angefangen, sie einmal tüglich abends und jeweils vor dem Spielen mit „DUL-X“ einzureiben. Diese Behandlung ist effektiv gewesen: Nach einer vierwoüchigen Behandlung sind die Schmerzen kaum noch zu spuüren. Das Appli­zieren vor dem Spielen hat zwei Vorteile: Ich spuüre kaum etwas waührend dem Spiel und das Capsaicin, das die lokale Durchblutung foürdert, haült meine Knie warm, auch wenn ich laüngere Pausen einlege.

In der Behandlung von Prostata-Krebs erhofft man sich Erfolge mit Capsai- cin, indem man seine tödliche Wirkung auf Zellen einsetzt. Weltweit sind es über 680’000 Mönner, die von Prostata-Krebs betroffen sind; in den Vereinigten Staaten sterben jührlich knapp 30’000 Mönnern an den Folgen des Tumors. Dies entspricht ungeführ 13% der Erkrankten. Weltweit sind es sogar rund 221’000, was 31% der betroffenen Mönnern ausmacht.

Die Apoptose ist ein programmierter Zelltod, der einen Ausgleich zwischen alten aufgebrauchten oder beschadigten Zellen und neuen frischen Zellen schafft. Krebszellen aber streben danach, „unsterblich“ zu sein. Dies gelingt, indem die Gene der befallenen Zellen, die bei der Apoptose eine wichtige Rolle spielen, durch den Krebs mutiert werden, sodass der Zelltod einfach unterdruöckt wird. Nun versucht man, mit Capsaicin den Zelltod künstlich herbeizuführen. Es ist ebenfalls, zumindest theoretisch, moöglich, zumindest das Wachstum der Krebs­zellen zu stoppen: Das Capsaicin kann mit Rezeptoren interagieren, die an der Regulation des Zellwachstums beteiligt sind. Der Einsatz von Capsaicin ist aber noch ziemlich schwierig: Um Tumore effektiv behandeln zu können, muss viel Capsaicin eingesetzt werden, was schmerzhafte Nebenwirkungen hervorrufen kann; der Einsatz von Capsaicin ist auch nicht so prüzise wie der von Lasern.

3 Praktischer Teil

3.1 Botanische Arbeit

3.1.1 Ziel der Chili-Zucht

Das Primärziel der Chili-Zucht war, genug Chili für die Isolation zu haben, um eine vernünftige Menge Capsaicin extrahieren zu künnen. Ich wahlte die Sorte Red Savina Habanero, da ich zuhause bereits mehrmals von dieser Sorte gehürt und so auch etwas über ihre Pflege gelernt hatte, und weil die Früchte dieser Sorte besonders viel Capsaicin enthalt. Sie zu kaufen ist aber eine teure Angelegenheit: Für ein Kilogramm Früchte dieser Sorte bezahlt man schnell 40.- Franken.

3.1.2 Red Savina Habañero

Die Red Savina Habañero ist eine Sorte der Pflanzenart Capsicum chínense. Sie gehürt zu den schürfsten Chilis der Welt, bis vor Kurzem galt sie als die schürfste Chili überhaupt (550’000 Scoville Heat Units), bis in Indien eine noch scharfere Chili der Art Naga Jolokia (über 1’000’000 Scoville Heat Units) die Red Savina übertraf. Ihr bitter-süsser Geschmack ist sehr speziell und passt in praktisch alle Speisen, weshalb sie in der Küche der „Chili Heads“, der Fangemeinde der Paprika-Liebhaber, sehr beliebt ist.

3.1.3 Dokumentation

Anfang Mai begab ich mich nach Zuürich, um dort bei Heuberger Weine & Gewürze Red-Savina-Setzlinge zu kaufen. Zuvor hatte ich geplant, vier Stück a Sfr. 9.- zu kaufen. Doch als ich dem Ladenbesitzer von meinem Vorhaben erklürte, gab er mir kostenlos 6 ungeführ 30 cm hohe Setzlinge. Als Gegenleis­tung bat er mich darum, ihm ein Exemplar meiner Maturitütsarbeit abzugeben. Die Setzlinge, die beim Abholen ca. 30 cm hoch waren wurden im Vivarium im Biologietrakt der KSOe deponiert (Abb. 10).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10: Die Setzlinge im Vivarium

Dort wurden sie solange stehen gelassen und bewässert, bis sie genug gross und stark waren, um sie in die grossen Topfe umzupflanzen. Während dieser Zeit brauchten die Pflanzen relativ viel Wasser: die Erde musste konstant nass bleiben, weshalb ich den Setzlingen jeden Tag Wasser geben musste.

Nach rund fänf Wochen wurden die Pflanzen ins Gewächshaus transferiert. Sie waren bereits ungefähr 60 cm hoch und mussten dringend mit Bambusstaben stabilisiert werden (Abb. 11). Von da an mussten die Pflanzen nicht mehr täglich bewaässert werden, da ihre Wurzeln in die Tiefe wachsen konnten und die grossen Täpfe ohnehin viel Wasser speicherten. Dreimal pro Woche genügte, um die Erde feucht halten zu käonnen.

Bereits gegen Mitte Juli wuchsen die ersten Bläten heran. Also bat ich Herrn Schneider, den Gaärtner der Schule, waährend den Sommerferien die Bluäten mit einem feinen Pinsel zu bestäuben, sobald alle Pflanzen Bläten trugen, denn ich wusste, dass ich in die Sommerferien verreisen wärde.

Als ich dann Anfang August von den Ferien zuräckkam, staunte ich nicht

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 11: Zwei der Pflanzen im Gewächshaus

schlecht, als ich viele kleine, grune Fruchte an den Pflanzen entdeckte, und noch mehr staunte ich, als ich die grösste von allen sah. Auch waren die Pflanzen auf uber 1 m Höhe herangewachsen und bildeten nebeneinander ein richtiges Busch­werk. Ende August waren die „fruhreifen“ Fruchte knallrot; Mitte September waren alle Pflanzen mit roten Fruchten bespickt (Abb. 12).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 12: Zwei Pflanzen mit herangereiften Fruchten

3.2 Isolation

3.2.1 Laborversuch I

Original-Anleitung zum ersten Isolationsverfahren (1:1 übernommen):

Hauptteil

Material und Methoden Reagenzien

- Ethanol (Brennsprit)
- Methanol >99%
- Natriumchlorid
- Diethylather
- Petrolüther (40°C-60°C)
- Natriumhydroxid, 0,1-n
- Natronlauge 0.1-n
- Aktivkohle
- entmineralisiertes Wasser Apparate
- 2500-ml-Scheidetrichter
- Rotationsverdampfer

Ausführung der Extraktion (Vorgehen)

375 g frische Chillischoten werden gerüstet und zerschnitten, danach in 1 l Ethanol (Brennsprit) aufgekocht und eine Stunde stehen gelas­sen. Das Ethanol wird filtriert und mit einem Rotationsverdampfer abgedampft. Das Extrakt wird mit 575 ml Methanol gelost und es werden 75 ml entmineralisiertes Wasser, 10 g Natriumchlorid und 25 ml 0.1-n Natriumhydroxid zugegeben. Das Gemisch wird einem 2000-ml-Scheidetrichter 3mal mit je 50 ml Petroläther (40°C - 60°C Sidt.) ausgeschättelt. Die alkoholische Phase wird beiseite gestellt und die vereinigten Petrolätherextrakte werden 2mal mit je 25ml Methanol ausgeschättelt. Die Petrolätherphase wird nicht mehr ge­braucht und die alkoholische Phase wird zur vorherigen alkoholischen zugegeben. Das neu entstandene Gemisch wird filtriert und auf 25 ml abgedampft. Das Extrakt wird mit entmineralisiertem Wasser auf 250 ml verdünnt und das pH mit 0.1-n Natronlauge auf 7-7.5 eingestellt. Die Losung wird mit einem Scheidetrichter 3mal mit je 100 ml Diethyläther ausgeschättelt. Die vereinigten Diethyläther- auszuäge werden mit einem Scheidetrichter einmal mit 50ml entmi- neralisiertem Wasser ausgeschättelt. Die Ätherphase wird mit 100 ml Methanol versetzt und mit einem Rotationsverdampfer auf 5 ml eingedampft. Der Räckstand wird mit 100 ml methanol geläst. Die Losung wird 3 mal mit je 250 mg Aktivkohle versetzt und filtriert.

Die Läosung wird wieder eingedampft bis ein festes weisses Pulver zuräckbleibt.

Resultate und Diskussion

Am Ende des Experiments blieb ein braunes, zahflässiges Ol zuräck, das je­doch nie kristallisierte; das Experiment war also fehlgeschlagen. Im Nachhinein betrachtet gibt es aber ein paar Hinweise, die fär den Fehlschlag sprechen.

Zwar wurde Thai-Chili der Scharfe 8 auf der Scharfegrad-Skala gekauft, es wurde aber eine viel zu kleine Menge benutzt, um bedeutend viel Capsaicin extrahieren zu kännen. Im zweiten Laborversuch wurden aus 2 kg noch scharfe- rer Frächte (Schärfegrad: 10) 0.37 g Capsaicin isoliert. Die Frächte wurden viel zu wenig päriert, also war auch die effektive Oberfläche, aus welcher die Stof­fe extrahiert wurden, viel kleiner. Auch wenn man den ganzen Arbeitsprozess des ersten Experiments betrachtet, scheint er nicht besonders professionel und effizient. Meiner Meinung nach scheint die Anleitung zu diesem Experiment die abgekürzte Version eines viel längeren Prozesses zu sein, möglicherweise aus denjenigem des zweiten Experiments. Ein grosser Unterschied zum zweiten Experiment ist zum Beispiel, das die Lüsungen nicht so lange stehen gelassen wurden, damit sich wirklich alles, was in den Teilschritten entfernt werden muss­te, vollstandig läsen konnte: Meistens wurde der Äther hinzugegeben und nach kurzer Zeit wieder am Rotationsverdampfer entfernt.

Die Gründe für den Misserfolg sind aber nicht nur in der Anleitung zu su­chen, sondern auch bei mir selbst. Als ich dieses Experiment durchführte, war jeder noch so kleine Teilschritt eine neue Erfahrung fuür mich, es war die erste Extraktion uüberhaupt, die ich selbststaündig durchfuührte. Beim zweiten Experi­ment aber hatte ich ein klares Ziel vor Augen und hatte auch eine ungefaühre Vorstellung, was welcher Teilschritt bezweckte. Deshalb war auch meine Ar­beitshaltung anders: Weil viele Teilschritte komplexe Vorgünge enthielten und weil sie auf englisch beschrieben wurden, las ich alles mehrmals genau durch, bevor ich mich an die Arbeit machte. Ich was bereits in der Lage, selbststündig im Labor zu arbeiten.

3.2.2 Laborversuch II Laborbericht

Material und Reagenzien:

- 2 kg Red Savina Habañeros
- Aceton
- textile Filter
- Diethylather
- destilliertes Wasser
- 0.5n-Kaliumhydroxid
- konzentrierte Salzsäure
- Methanol
- Ethanol
- gesättigte Bariumchlorid-Lösung
- alkoholische Silbernitrat-Losung
- Papierfilter
- gesattigte Kochsalzlösung
- Kohlenstoffdioxid (g)
- Dichlormethan
- Pentan Apparate
- Röhrer (mit starkem Motor för das Pöree)
- Magnetruöhrer
- pH-Messgerät
- Nutsche
- Rotationsverdampfer
- Röckflussköhler

Vorgehen (Zahlen in eckigen Klammern bedeuten, dass der entsprechende Schritt in der Diskussion behandelt wird; die Anleitung zum zweiten Experiment befindet sich im Anhang):

2 kg Red Savina Habañeros wurden mit einem Stabmixer homogenisiert. Dem Chili-Brei (Abb. 13) wurde dann 1 l Aceton hinzugegeben und geröhrt. Mit

Stofffiltern, die aus einem T-Shirt zugeschnitten worden waren, wurde das Ge­misch filtriert. Die Partikel, die in den Filtern zuräckgeblieben waren, wurden wieder vereinigt und erneut in 1 l Aceton wahrend sechs Stunden geruhrt, das Filtrat in einem separaten Becherglas behalten. Danach wurde das Aceton wie-

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 13: Das Chili-Puree

der abfiltriert. Im Auffangbehalter bildeten sich „Häute“. Dieses Filtrat wurde erneut filtriert, um die „Häute“ wegzubekommen. Alle in den Filtern zuruckge- bliebenen Partikel wurden erneut vereint, mit 1 l Aceton gemischt und waährend 2 Stunden geruhrt. Danach wurde es nochmals filtriert, wobei das Aceton dun­kel gefärbt herauskam [1]. Zum letzten Mal wurden die Ruckstande mit 1 l Aceton versetzt und nochmals filtriert. Die Filtrate wurden alle in einem Be­cherglas gesammelt, zuruck blieben die Ruckstande als helloranges, grobkörniges Pulver, das zum Trocknen aufbewahrt wurde (Abb. 14). Das Filtrat, nun ein Gemisch aus Wasser der Chili, Aceton und allen gelästen Stoffe, wurde sechs Tage lang stehen gelassen, damit das Aceton verdampfen konnte. Nach diesen sechs Tagen waren nur noch 1.2 l Gemisch zuruckgeblieben. Dieses wurde in 5 gleich grosse Portionen aufgeteilt und die Portionen 4 mal mit jeweils 150 ml Diethyläther ausgeschuttelt. Die Wasserphasen wurden gesammelt und in ei-

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 14: Chili-Pulver ohne scharfen Geschmack

nem Gefass aufbewahrt, die vereinten Atherphasen wahrend vier Tagen stehen gelassen, damit der Ather verdampfen konnte. Zurück blieben ungefähr 25 ml eines dunklen, zähflussigen Oleums (Abb. 15). Dem Oleum wurden die Was­serphase und zusätzlich noch 200 ml destilliertes Wasser zugegeben. Mit 0.5n- Kaliumhydroxid wurde der pH auf 11 eingestellt und das Ganze wahrend genau 24 Stunden geruhrt. Dann wurde der pH mit konzentrierter Salzsäure zuruck auf 7.5 eingestellt. Das Gemisch wurde erneut 5 mal mit jeweils 150 ml Die- thyläther ausgeschuttelt. Die Phasentrennung dauerte jedes mal ziemlich lange. Alles wurde stehen gelassen und eine Woche spater hatte sich die Wasserphase auf pH 8.1 eingestellt. Vom Oleoresin war wenig zuruckgeblieben, es war aber stark zähflussig und enthielt einen kristallinen Stoff. Der pH wurde mit konzen­trierter Salzsaure zuruck auf 7.42 eingestellt [2]. Das Oleoresin wurde mit 200 ml Methanol versetzt und so lange geruhrt, bis es sich vollständig im Metha­nol geläst hatte. Unter ständigem Ruhren wurde der Losung 200 ml gesattigte Bariumchlorid-Lösung zugegeben, worauf sich sofort ein rätlicher, körniger Nie­derschlag bildete. Die Läsung wurde während 16 Stunden stehen gelassen und dann mit einer Nutsche abfiltriert. Der zuruckgebliebene Feststoff wurde mit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 15: Das aus der Schüttelextraktion zurückgebliebene Oleum

100 ml Methanol gewaschen, destilliertes Wasser wurde hinzugegeben und das Gemisch wahrend zwei Tagen stehen gelassen. In dieser Zeit verdampften von den einst 500 ml Gemisch 300 ml weg; eine tiefrote Oleoresin-Schicht hatte sich gebildet. Diese wurde mit 100 ml Diethylather versetzt. Unter heftigem Ruhren loste sich diese Schicht in der Atherphase. Das Gemisch wurde 3 mal mit jeweils 150 ml Diethyläther ausgeschuttelt und die Atherphasen vereint. Alkoholische Silbernitrat-Losung wurde unter ständigem Ruhren zugegeben, wobei sich ein rotbräunlicher Niederschlag ausfallte. Anschliessend wurde das Gemisch mit ei­nem Papierfilter filtriert (Abb. 16).

Gesättigte Kochsalz-Läsung wurde beigemischt, um das Silbernitrat zu ent­fernen, und das Gemisch wurde wieder stehen gelassen, bis das Ethanol ganz ver­dampft war. Der zuräckgebliebenen wässrigen Läsung wurde Kaliumhydroxid zugegeben, wobei der pH auf 12.4 anstieg, und unter ständigem Ruhren wurde Kohlenstoffdioxid hineingeleitet. Sobald die Olschicht oben aufschwam, wurde die Läsung in einen Scheidetrichter gegeben. Dabei erfolgte eine klare Phasen­trennung: Es entstanden eine „gummig“-ölige, trube und eine klare wassrige Phase. Dann wurde das Gemisch einmal mit 150 ml Ethanol ausgeschuttelt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 16: Die sehr spezielle Papierfiltration des AgNO3-Atherphase- Gemischs

Das Resultat war überhaupt nicht befriedigend: Anstelle einer trüben Ethanol­phase und einer klaren wässrigen Phase blieb eine rote Ethanolphase und unter dieser eine trube Phase. Alles wurde zuruck in ein Becherglass geleert und un­ter ständigem Ruhren wurde erneut mit einer Pipette Kaliumhydroxid-Losung tropfenweise hineingegeben, was lediglich eine unsaubere Phasentrennung und die Entstehung eines Feststoffs an der Phasengrenze zwischen Wasser- und Etha­nolphase bewirkte. Dem Gemisch wurde wieder Kohlenstoffdioxid wahrend 30 Minuten hineingeleitet. Zwar sank damit der pH-Wert im Gemisch auf 9.04, doch es war immer noch genug alkalisch, damit die in der Base entstandenen Capsaicin-Ionen nicht wieder zu Molekule wurden. Das Gemisch wurde dann wieder mit 150 ml Ethanol ausgeschuttelt, und diesmal entstand eine saubere Phasentrennung [3] (Abb. 17).

Die klare Wasserphase wurde vom Rest getrennt und in einem separaten Behälter zur Seite gestellt. Danach wurde wieder etwas Kaliumhydroxid-Läsung der Atherphase zugegeben, sodass sich die Losung durch einen Niederschlag trubte. Dann wurde das Gemisch zweimal mit jeweils 150 ml Diethyläther aus- geschuättelt und die Wasserphase aus der vorherigen Schuättelextraktion mit der

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 17: Schlechtes (links) und erwartetes Ergebnis der Schüttelextraktion des Teilschritts, der unter [3] erklärt wird

neuen vereint. Der pH dieser wässrigen Lösung wurde mit Salzsäure leicht sauer auf 6.6 eingestellt. Es folgte eine Schuttelextratkion mit 150 ml Dichlormethan. Das Gemisch wurde mit Papierfiltern filtriert und noch weitere drei mal mit jeweils 150 ml Dichlormethan augeschuttelt, bevor das Dichlormethan mit ei­nem Rotationsverdampfer einrotiert wurde. Zuruck blieb ein dunkles, extrem zahflussiges Öl, das fur die Kristallisation des Capsaicins stehen gelassen wur­de.

Das Öl kristallisierte während mehreren Tagen fas vollständig aus. Fur die Umkristallisierung wurden die Kristalle in einem kleinen Kolben mit 4 Pipetten Pentan gelöst und auf ungefähr 70o C erhitzt, während es ständig geruhrt wur­de. Dabei wurde das Pentan so lange ruckflussiert, bis sich alle Feststoffe geläst hatten. Die Losung kuhlte dann über Nacht langsam ab und wurde am nächsten Tag in den Kuhlschrank gestellt. In der Läsung bildeten sich dann feine farblose Kristalle mit einem rötlichen Uberzug. Das Läsungsmittel wurde abdekantiert und die Kristalle mit wenig Pentan gespult. Danach wurden die Kristale unter Wasserstrahlvakuum während 30 Minuten getrocknet (Abb. 18). Die Kristalle wurden mittels NMR-Spektroskopie an der ETH Zurich mit bei Fluka bestell­tem Capsaicin verglichen. Das Ergebnis: Die isolierten Kristalle bestanden zu ungefähr 76% aus Capsaicin und 24% Dihydrocapsaicin.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 18: Das extrahierte und rekristallisierte Extrakt des Experiments

Resultate und Diskussion

Betrachtet man das Flussdiagramm der Anleitung zu diesem Experiment, kann man sich denken, dass der ganze Prozess in relativ kurzer Zeit durchzufuhren ist, was auch ich geglaubt habe. Doch schon bald habe ich gemerkt, dass das Ganze nicht so einfach und kurz abläuft, wie es das Diagramm zeigt. Ich habe in der letzten Woche der Sommerferien, also Mitte August, mit dem Purieren das Experiment gestartet. Die NMR-Spektroskopie erfolgte am 23. November - rund drei Monate spater. Im Durchschnitt war ich zwei Stunden pro Woche im Labor, das entspricht einem Total von ungefähr 24 Arbeitsstunden, ohne die Wartezeiten auf das Verdampfen der Lösungsmittel mit einzubeziehen. Der grässere Aufwand der zweiten Extraktion im Vergleich zur ersten resultierte in einem dementsprechenden Ergebnis: Aus 2 kg Fruchte konnten 0.36 g Capsacicin isoliert werden, ein bisschen weniger als die erwarteten 0.5 g.

Wahrend der Durchfuhrung tauchten spezielle Phänomene auf:

[1] Die Bildung der ,,Haute“ und das dunkler gefärbte Aceton: Das Mischen des Chili-Pürees mit dem Aceton bewirkte, dass sich das Aceton mit Was­ser aus dem Fruchtfleisch homogen mischte. Nachdem das Aceton-Wasser- Gemsich abfiltriert worden war, enthielt das Chili-Püree weniger Wasser als zuvor. Die „Hüute“ bildeten sich deshalb, weil wasserlösliche Stoffe nach jeder Filtration schlechter im gelosten Zustand bleiben konnten, da immer weniger Wasser vorhanden war, und fuügten sich schlussendlich wie­der zu Feststoffe zusammen. Die Faürbung des Acetons wurde hervorgeru­fen, indem wasserunlüsliche Stoffe, darunter der rote Farbstoff Capsanthin, sich besser im Aceton ohne Wasser loüsen konnten.

[2] Dieser Trick ist meiner Meinung nach der genialste von allen: In der Frucht befinden sich natuürlich nicht nur Stoffe, die in Wasser loüslich sind, sondern auch solche, die wasserunlüslich sind. Um diese loszuwerden, müss­te man das Oleum wegwerfen, womit aber auch das darin geloste Capsaicin weggeworfen wuürde. Also wurde Wasser hinzugegeben und das Capsaicin mit Kaliumhydroxid zu einem Ion gemacht, wodurch es wasserloslich wur­de:

Abbildung 19: Reaktion für die Deprotonierung von Capsaicin (Strukturformel)

Dann wurde Diethylaüther hinzugegeben, um die wasserunloüslichen Stoffe zu loüsen, und alles gut geruührt, damit die Capsaicin-Ionen in die Wasser­phase befürdert wurden. Spater wurde der pH zurück auf 7.5 eingestellt, was bewirkte, dass die Capsaicin-Ionen wieder zu Molekuüle wurden und sich nicht mehr in der wässrigen Phase befanden.

[3] Hier trat zum ersten Mal eine Problematik auf: Im Flussdiagramm wird beschrieben, wie eine Phase, in der das Capsaicin enthalten ist, wegge­worfen wird. Das Capsaicin zu verlieren war aber nicht das Ziel des Ex­periments. Also fuhr ich mit der Publikation von E. K. Nelson, die im ,, THE JOURNAL OF INDUSTRIAL AND ENGINEERING CHE­MISTRY “ vom Oktober 1910 erschien, fort. Nelson aber benutzte ande­re Reagenzien, wie zum Beispiel Alkohol statt Diethyläther, was vielleicht der Grund war, warum es nicht beim ersten Mal geklappt hatte. Vermut­lich wurden die Stoffe, die zuvor gelost und deshalb unsichtbar gewesen waren, zu dieser „gummigen“ Masse, weil im basisch gemachten Wasser und im Ethanol nur schlecht loäslich sind.

Die 1 H-NMR-Spektroskopie ist eine Methode, um Strukturen von Molekälen zu bestimmen. Ihr Funktionsprinzip basiert auf dem Spin der 1H-Isotope, die im analysierten Molekäl enthalten sind. Der Spin eines Atomkerns ist eine quanten­mechanische Eigenschaft, wodurch der Kern ein magnetisches Moment erhält. Im NMR-Spektroskop gelangt die Probe in ein homogenes magnetisches Feld. Dadurch werden die Elementarmagnete“ in den Isotopen verschoben. Diese so­genannte chemische Verschiebung wird dann in Form eines Graphs dargestellt.

Für diese NMR-Spektroskopie wurden nur saubere Kristalle benutzt. Die Graphen der NMR-Spektroskopie (im Anhang) stimmen zwischen dem Referenz- Capsaicin der Fluka und dem isolierten Capsaicin vielfach praktisch überein; es sind uäberall dort Hochpunkte, wo sie gemäass Referenz-Capsaicin sein sollten.

4 Danksagung

Meinen grössten Dank möchte ich Herr Aschwanden für seine für mich geleis­tete Arbeit aussprechen. Dank ihm war das Verfassen meiner Maturitötsarbeit überhaupt ermöglicht worden. Seine Mitwirkung im Labor und im Recherchie­ren hat mir sehr geholfen. Auch bin ich dankbar für seine Geduld, wenn ich einen Schritt im Labor auch nach der vierten Erklörung nicht verstanden ha­be. Letztendlich hat er mir gezeigt, was es heisst, progressiv in einem Labor zu arbeiten, Fehlerquellen in Experimenten zu entdecken und die aus dem Experi­ment hervorgegangenen Ergebnisse zu interpretieren und darzulegen.

Ebenfalls möchte ich mich bei der Fachschaft Chemie der KSOe för das zur Verfögung gestellte, zum Teil nicht billige Material bedanken.

Auch ein grosses Dankeschön gilt Herrn Schneider daför, dass er wahrend den Sommerferien auf meine Pflanzen aufgepasst und sich um sie gekömmert hat und dass er mir beim Zöchten unter die Arme griff, zum Beispiel indem er zeigte, wie die Pflanzen zu stabilisieren sind oder ihnen Wasser gegeben hat, wenn ich es vergessen habe.

Bei meinen Eltern bedanke ich mich daför, dass sie mir Verbesserungsvorschläge för die Gestaltung gegeben und den Text beurteilt haben.

Christine Volkmer verdanke ich, dass ich in Zeiten von Stress und Ärger öber die Maturarbeit dennoch standhaft blieb und neue Kräfte zum Weiterarbeiten schoöpfen konnte.

Herrn Florian Kleinbeck aus der Forschungsgruppe von Prof. Dr. Erick M. Car- reira an der ETH Zörich möchte ich för die NMR-Spektroskopie danken.

Bei Herrn Heuberger möchte ich mich för die kostenlose Setzlinge bedanken und wuönsche ihm Gluöck im Chili-Handel.

5 Anhang

5.1 Quellenverzeichnis

Paprika.

http://de.wikipedia.org/wiki/Paprika, 03.09.2007 getting hot!!.

http://telepizza.tv/pizzainfo.html, 27.08.2007 CAPSAICIN CAUSES CELL DEATH.

http://sulcus.berkeley.edu/mcb/165_001/papers/manuscripts/_186.html,

31.08.2007

CAPSAICIN.

http://sulcus.berkeley.edu/mcb/165_001/papers/manuscripts/_297.html,

11.07.2007

Alkaloide.

http://de.wikipedia.org/wiki/Alkaloide, 22.11.2007 Capsaicin.

http://de.wikipedia.org/wiki/Capsaicin, 21.08.07 Prof. Dr. Peter Bützer (2005). Some like it hot!.

http://www.buetzer.info/fileadmin/pb/HTML-Files/Capsaicin.htm, 11.07.2007

Dave DeWitt (2000). Creams, Sprays, Gels, Sticks, Powders, and Compunds: A Capsaicin Update, 2000.

http://www.fiery-foods.com/dave/cap2000.html, 29.05.2007 Geschmackliche Schärfe.

http://de.wikipedia.org/wiki/Geschmackliche_Sch%C3%A4rfe, 22.11.2007

Scoville-Skala.

http://de.wikipedia.org/wiki/Scoville-Skala, 21.08.07 Luise Pernar. Nociception.

http://serendip.brynmawr.edu/bb/neuro/neuro98/202s98-paper3/Pernar3.html, 31.08.2007

Ulrich Helmich. Nozizeptoren.

http://www.u-helmich.de/bio/neu/2/27/karte271 .html, 31.08.2007

Hans-Jörg Behrendt (2004). Vergleichende funktionale Untersuchungen des Hitze- Capsaicin-Rezeptors (TRPV1) und des Kalte-Menthol-Rezeptors (TRPM8) in rekombinanten und nativen Zellsystemen (verwendete Spezies: Mensch, Ratte und Maus).

http://deposit.ddb.de/cgi-bin/ dokserv?idn=972279474&dok_var=dl&dok_ext=pdf&filename=972279474.pdf, 20.09.2007

CHILI PEPPERS: A VALUE WORTH TAKING.

http://sulcus.berkeley.edu/mcb/165_001/papers/manuscripts/_642.html, 05.07.2007

Capsaicin and its Therapeutic Potential.

http://sulcus.berkeley.edu/mcb/165_001/papers/manuscripts/_784.html, 12.07.2007

THE RELATIONSHIP BETWEEN CAPSAICIN AND IT’S INTERA. http://sulcus.berkeley.edu/mcb/165_001/papers/manuscripts/A59.html, 21.08.2007

Limbisches System.

http://de.wikipedia.org/wiki/Limbisches_System; 20.11.07

Rita Jenkins (2006). Hot Peppers Have Chilling Effect on Prostate Cancer Cells. http: / /health.dailynewscentral. com / index 2.php?option=content&do_pdf=l&id=0002161, 27.08.2007 textitRed Savina.

http://de.wikipedia.org/wiki/Red_Savina, 03.09.2007 Spin. http://de.wikipedia.org/wiki/Spin, 25.11.2007

5.2 Bildverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Abbildungen 3, 4 und 19 sind PostScript-Dateien, die Herr Aschwanden mir Per E-Mail geschickt hat.

Die Abbildungen 10-18 sind selbst geschossene Fotos.

5.3 Original-Anleitungen und NMR-Spektroskopie

Quellen der Anleitungen

,,A High-Yield Method for the Extraction and Purification of Capsaicin“:

Sass N. L., Rounsavill M., Combs H. (1977). J. Agric. Food Chem. 1977, Vol. 25, Nr. 6, S. 1419f

„CAPSAICIN, THE PUNGENT PRINCIPLE OF CAPSICUM AND THE DE­TECTION OF CAPSICUM“:

Nelson E.K (1910). THE JOURNAL OF INDUSTRIAL AND ENGINEE­RING CHEMISTRY. 1910, S. 419f

6 Schlusswort

Während der Arbeit erwies sich die Wahl dieses Thema als goldrichtig: Mein Interesse wuchs stetig und ich fand so viele spannende Informationen, woräber ich schreiben kännte, dass ich nur mit Mähe die interessantesten Themen her­aussortieren konnte. Neben der chemischen Arbeit hatte ich mit der Chili-Zucht auch einen Einblick in die Biologie, genauer in die Botanik. Auch die Matu­ritätsarbeit als Ganzes zeigte mir, was es bedeutet, selbstständig und während längerer Zeit an einem Projekt zu arbeiten und vor allem was es heisst, die vielen Probleme, die auftraten, zu beheben oder zu umschiffen.

Ende der Leseprobe aus 47 Seiten

Details

Titel
Was macht die Chili scharf?
Note
5.3 (CH!)
Autor
Jahr
2007
Seiten
47
Katalognummer
V113066
ISBN (eBook)
9783640132300
Dateigröße
1763 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Chili
Arbeit zitieren
Raulian Keller (Autor:in), 2007, Was macht die Chili scharf?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113066

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