Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Sprachkritik in der Aufklärung
2.1 Ursprung und sprachkritische Ansätze
2.2 Willkürlicher Mißbrauch von Sprache als Ansatz zur Gesellschaftskritik
3 Sprache und Gesellschaftskritik bei Rousseau im „Discours sur l`inégalité“
3.1 Der „Discours“ als sprach- und gesellschaftskritischer Essai
3.2 Der Zusammenhang von Sprache und Ungleichheit
3.3 Sprache als Gesellschaftskritik
4 Schluß
5 Literatur
1 Einleitung
Eine philosophische Untersuchung des Phänomens Sprache hat es im westeuropäischen Raum seit der Antike immer wieder gegeben. Das Element der Sprachkritk, also der Hinterfragung von Ursprung, Funktion und Objektivität, kommt aber erst in der Neuzeit auf. Die Sprache mit einer Kritik der Gesellschaft und ihrer Institutionen zu verbinden, ist schließlich ein Betätigungsfeld der Aufklärung. „Du Marsais, Voltaire, Condillac, Rousseau, Helvétius, Turgot haben in Stellungnahmen zu Problemen der Sprache ihre Position als Aufklärer vertreten“[1]. Aufgabe dieser Arbeit wird es nun sein, den Begriff „Sprachkritik“ in der Aufklärung zu umreißen, um anschließend die Anthropologie Jean-Jacques Rousseaus in bezug auf Sprache und Gesellschaftskritik zu untersuchen und Rousseaus Thesen vom Zusammenhang von Sprache und Macht herauszuarbeiten. Die Hauptgrundlage wird der „Discours sur l`origine de l`inégalité parmi les Hommes“ sein, in dem Rousseau auf provokante Art und Weise die Zusammenhänge von Sprache und Gesellschaft darstellt. Um seine Position verdeutlichen zu können, müssen zuvor einige Namen bedeutender Denker der Zeit genannt werden und ihre Thesen in Grundzügen skizziert werden.
2 Sprachkritik in der Aufklärung
2.1 Ursprung und Sprachkritische Ansatzpunkte
Um die folgende Argumentation auf eine feste Basis zu stellen, muß zunächst der Begriff „Sprachkritik“ definiert werden. Sprachkritik meint hier zum einen das Interesse für Normierung von Sprache, wie es beispielsweise bei den Enzyklopädisten um Diderot und d`Alembert vorhanden war und zum anderen „eine philosophische Problematisierung der Sprache, deren Fragestellung z. T. schon im 17. Jahrhundert formuliert wurden, die aber nach der Rezeption des Lockeschen Sensualismus eine neue Entwicklungsetappe beginnt“[2]. Die hier gemeinten Anfänge der modernen Sprachkritik sind wohl bei Francis Bacon zu suchen. Er spricht vom falschen Gebrauch der Sprache:
Credunt enim homines, rationem suam verbis imperare. Sed sit etiam ut verba vim suam super intellectum retorqueant & reflectant; quod Philosophiam & Scientias reddidit Sophisticas & inactivas.[3]
Durch eigene Schuld sieht sich der Mensch also dem Niedergang seines Erkenntnishorizontes gegenüber, falls er die Sprach nicht bewußt und damit annäherungsweise korrekt nutzt. Weitere Ausführungen Bacons gelten der Unfähigkeit des Volkes zum korrekten Gebrauch der Sprache. Zusammen mit den Thesen Lockes, daß alle Bewußtseinsinhalte (ideas) aus der Erfahrung stammen (Sensualismus), ergibt sich in der Aufklärung eine Verschiebung von der „raison“ zur „sensation“. In bezug auf das Problem der Sprache mußte sich nun die Frage stellen, „inwiefern die sprachlichen Zeichen geeignet sind, die „sensations“ richtig auszudrücken“[4] und inwieweit eine Kodifizierung der Sprache zu einer allgemein gültigen Kommunikationsform in Frage kommen würde. Letzteres haben die Enzyklopädisten um Diderot versucht, gleichwohl gab es Unstimmigkeiten allein schon in bezug auf die Voraussetzungen für eine derartige Kodifizierung wie die der „Encyclopédie“, welch laut Helvétius nur durch ein nicht unterjochtes Volk möglich sei, da ansonsten der Blick auf die Sprache nicht frei sei[5]. In der Tat hatte ja Montesquieu als Grundlage für ein Gemeinwesen die Gewalteinteilung postuliert, die in der absoluten Monarchie nicht zur Anwendung kam. Rousseau spitzt diese Gedanken auf die These hin zu, daß Sprache an sich schon Ausdruck von Macht und Machtmißbrauch ist (s. u.). Hier wird bereits die politische Sprengkraft der Sprachkritik angesprochen, um die es in den folgenden Absätzen gehen soll.
[...]
[1] Ricken: U.u.a., 1990, S.66
[2] Ricken, U. u.a., 1990, S.66
[3] Hassler, G., 1984, S.21 Anm. 81
[4] Hassler, G., 1984, S.59
[5] ebenda, S.58