Mailst Du mir, so maile ich Dir? - Kann die Austauschtheorie das Interaktionsverhalten bei der Partnersuche im Internet erklären?


Bachelorarbeit, 2008

51 Seiten, Note: 1,1


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Theoretischer Teil
2.1 Begriffsbestimmung Internet
2.1.1 Das Internet als Kommunikationsmedium
2.1.1.1 E-Mails: Zeitversetzte Kommunikation
2.1.1.2 Chat: Zeitgleiche Kommunikation
2.2 Begriffsbestimmung Partnersuche
2.2.1 Partnerforen im Internet
2.3 Die Austauschtheorie

3 Darstellung der Untersuchung
3.1 Kernaussagen der Austauschtheorie und ihre Anwendung auf das Geschehen beim Kennenlernen im Internet-Leitfadenkonstruktion und Operationalisierung
3.1.1 Fragenkatalog für die fokussierten Interviews:
3.1.1.1 Themenkomplex 1+2
3.1.1.2 Themenkomplex 3
3.1.1.3 Themenkomplex 4
3.1.1.4 Themenkomplex 5
3.1.1.5 Themenkomplex 6
3.1.1.6 Themenkomplex 7
3.1.1.7 Themenkomplex 8
3.1.1.8 Themenkomplex 9
3.2 Erhebungsmethode: Fokussierte Leitfadeninterviews
3.2.1 Qualitätsmaßstäbe
3.3 Auswahl der Interviewpartner
3.4 Analyse

4 Ergebnisse
4.1 Kategorien und Codierung
4.1.1 Kategorien mit Farbschema und Codes
4.2 Quantitatives Ergebnis der Kategorisierung und zusammenfassender Überblick

5 Ergebnisdiskussion und Kritik
5.1 Diskussion der Ergebnisse
5.1.1 Reziprozitätserwartung
5.1.2 Hypothese 1: Verhaltenswiederholung durch positive Verstärkung
5.1.3 Hypothese 2: Anlegen eines Verhaltensrepertoires durch positive Verstärkung
5.1.4 Hypothese 3: Wert-Hypothese: Ein angenommener Wert führt zu einer höheren Verhaltenswahrscheinlichkeit
5.1.5 Hypothese 4: Frustration – Aggression: Eine erlebte Frustration führt zur Aggression
5.1.6 Hypothese 5: Häufig erhaltene Belohnung führt zu Wertverlust
5.1.7 Hypothese 6: Vergleichsniveau für Alternativen
5.1.7.1 Innerhalb der Netzkontakte
5.1.7.2 Zwischen Netzkontakten und den Kontakten außerhalb des Internets
5.1.8 Weitere Ergebnisse
5.1.8.1 Kontaktintensivierung durch gemeinsam verbrachte Zeit
5.2 Kritische Bemerkungen
5.2.1 Operationalisierung
5.2.2 Methodenwahl
5.2.3 Befragung
5.2.4 Kategorisierung
5.2.5 Qualitätsmaßstäbe
5.2.6 Ergebnisse

6 Abschließende Betrachtung und Ausblick

Literaturverzeichnis

„Ich bin allein, mal wieder ganz allein

Starr’ auf dem Fernsehschirm, starr’ auf dem Fernsehschirm

Hab heute noch nichts zu tun, hab heute noch nichts zu tun

Ich brauch ein Rendez-vous, ich brauch ein Rendez-vous

Ich waehl die Nummer, ich waehl die Nummer

Rufe Bildschirmtext, rufe Bildschirmtext

Hab heute noch nichts zu tun, hab heute noch nichts zu tun

Ich brauch ein Rendez-vous, ich brauch ein Rendez-vous“

Auszug aus dem Lied „Computerliebe“ von Kraftwerk (1981)

1 Einleitung

Die Lektüre des Romans „Gut gegen Nordwind“ (Glattauer, 2006) war der Auslöser für die vorliegende Arbeit. Geschrieben nur in E-mails, thematisiert er eine rein virtuell, also nur im Internet stattfindende Romanze zwischen zwei Menschen. Die Hauptakteure „Emmi“ und „Leo“ sehen sich bis zum Ende des Romans nie im realen Leben. Trotzdem verlieben sie sich so intensiv ineinander, dass sie zeitweise fast Tag und Nacht vor dem Computer verbringen. Dieser Briefroman des Internetzeitalters legte also den Grundstein für das hiermit weiter verfolgte Forschungsinteresse am Kennenlernen im Internet.

Daraus entwickelte sich die vorliegende Arbeit, die sich, jetzt wissenschaftlich ausgedrückt, mit dem Feld des Interaktionsverhaltens von Menschen bei der Partnersuche im Internet beschäftigt. Nur in Dänemark ist innerhalb Europas dieser Weg des Kennenlernens gesellschaftlich akzeptierter als in Deutschland: hier sind es 67%, in Dänemark 77% der Befragten, die laut einer Studie im Auftrag der Singlebörse Parship dieser Methode positiv gegenüberstehen (Roller, Parship-Studie, 2007). Derzeit gibt es über 2500 deutschsprachige online-Partneragenturen, (sog.) Single-Communities und Seitensprungagenturen im Internet (Roller, 2007). Dieses Thema beschäftigt neben der oben bereits genannten Belletristik auch die Wissenschaft, wie beispielsweise eine soziologische Forschergruppe an der Universität Zürich (Bühler-Ilieva, 2006), und Printmedien (z.B. Die Zeit 11/2007: „Ideales Ich sucht ideales Du“). Partnersuche im Internet scheint also mittlerweile andere Möglichkeiten des Kennenlernens zu komplettieren oder sogar abzulösen. In einer Zeit, in der „serielle Monogamie“ zur Norm geworden ist (Döring, 2003, S. 544), kann sich mehrfach innerhalb einer Biographie die Frage der Partnersuche stellen. Zum Thema Kennenlernen im Internet allgemein liegen bereits einige Arbeiten im deutschsprachigen Raum vor (z.B. sehr umfassend von Bühler-Ilieva, 2006). Im Themenfeld: „Wie entwickeln sich intime Beziehungen, wenn die ersten Kontakte medialer Natur sind“, widmet sich die folgende Arbeit der speziellen Frage danach, ob bei dieser auf sinnlicher Ebene eingeschränkten Kommunikationsform (s. Kapitel 2.1.1) eine Ausgewogenheit von Geben und Nehmen von großer Bedeutung ist. Besteht zum Beispiel eine sogenannte Reziprozitätsnorm, die das Prinzip eines verpflichtenden Zurückbeantwortens einer Interaktion bedeuten würde? Wird eine Internetbeziehung enger, wenn ein häufiger, ausgewogener Kontakt besteht? Kann es auch ein „Zuviel“ an positiver Reaktion des Gegenübers geben? Zu Grunde gelegt wird zu diesem Zweck die Austauschtheorie in ihrer ursprünglichen Form von Homans mit Erweiterungen von Thibaut und Kelley. Sie soll daraufhin überprüft werden, welche Potenz sie hat, das Verhalten bei Interaktion und Kommunikation während der Partnersuche im Internet erklären zu können. Gewählt wurde diese Theorie aus folgenden Gründen: Erstens beschäftigt sie sich inhaltlich exakt mit den oben genannten Fragen der Ausgewogenheit und den Erwartungen in Beziehungen zwischen Menschen. Zweitens, und daher wurde vorwiegend die ursprüngliche Form von Homans gewählt, erschien eine Untersuchung dieser Theorie mit Ursprüngen aus den 1950ern in Bezug auf die moderne Kommunikationsform Internet besonders interessant.

Auf eine Notwendigkeit weiterer deskriptiver Forschungen in diesem Bereich wies z.B. Döring hin (2002, S. 336). Bühler-Ilieva (2006, S. 89) widmet sich vertiefend dem Erklärungsansatz einer Partnersuche im Internet mit Austausch- und Investitionstheorien (leider nur theoretisch). Der Aufbau der vorliegenden Arbeit ist folgendermaßen: Zunächst wird das Internet als Medium der Kontaktaufnahme, Kommunikation und Interaktion betrachtet. Da der hier interessierende Bereich der sozialen Beziehungen unter Menschen die Partnersuche im Internet ist, wird dann differenzierter dargestellt, wer in unserer Gesellschaft Partner sucht und welche online- Angebote es zu diesem Zweck gibt. Um die zu Grunde liegende Kernfrage dieser Arbeit, ob die Austauschtheorie das Verhalten bei der Partnersuche im Internet erklären kann, zu überprüfen, wird nachfolgend die Austauschtheorie dargelegt. Im weiteren Teil der Arbeit wird sie in Forschungsfragen übersetzt (operationalisiert). Diese Operationalisierung der Theorie macht dann eine Untersuchung möglich. Als Methode wurden fokussierte Leitfadeninterviews gewählt (zur Methodenwahl siehe Kapitel 3.2), die mit 14 Probanden durchgeführt, transkribiert und ausgewertet wurden. Im Anschluss wird das Ergebnis dieser Untersuchung diskutiert und kritisch beleuchtet. Diese Arbeit soll nicht alle Fragen zum Thema vollständig betrachten. Es wird eine erste Orientierung gegeben. Offene gebliebene Fragen können zum Inhalt weiterer Forschung dienen, abschließend erfolgt ein Ausblick auf Möglichkeiten dieser.

2 Theoretischer Teil

2.1 Begriffsbestimmung Internet

Fälschlicherweise wird das World Wide Web, das sog. „WWW“ häufig mit dem Internet gleichgesetzt (so beklagt Schade, 2000). Jedoch ist das WWW nur einer von vielen Internetdiensten, wie z.B. auch E-Mail. Ein Dienst stellt eine bestimmte Ausprägung einer Transportmöglichkeit von Daten und Objekten dar (Schade, 2000, S. 39). Ein „standardisierter Internet-Dienst“ hat eine weltweite Verbreitung und ermöglicht eine Kommunikation zwischen Anbietern (Servern) und Nutzern (Clients) (Schade, 2000, S. 39). Das Internet als Kommunikationsplattform funktioniert also nach dem sog. „Client-Server-Modell“. In diesem Modell sind Computer miteinander vernetzt, die entweder „Server“ oder „Client“ sind. Ein Server bietet Informationen an, während ein Client diese Informationen nachfragt (Schade, 2000, S. 41). Der einzelne Computer hat jeweils eine IP-Adresse (IP= Internetprotokoll), die wie eine Telefonnummer eine internationale Zuordnung des Computers ermöglicht. Das Domain Name System (DNS) fungiert als Verwaltungsinstanz, als eine Art Telefonbuch des Internet. Als Kommunikationsmedium, als „Sprache“ der Computer ist TCP/IP (Transmission Control- und Internet-Protocol) entwickelt worden. Dabei werden die Daten als kleine Pakete aufgeteilt zum Ziel geschickt. Die Datenpakete müssen hierbei nicht immer denselben Weg (Route) nehmen. Jedes Datenpaket sucht sich seinen Weg zum Empfänger. Selbst nach Ausfall einzelner Verbindungen soll so eine Kommunikation möglich sein. An der Zieladresse werden diese Pakete dann wieder zusammengefügt (Schade, 2000, S. 45).

2.1.1 Das Internet als Kommunikationsmedium

Die oben genannten Dienste des Internets ermöglichen also eine Kommunikation unterschiedlicher Computer miteinander, an denen Menschen sitzen. Die gemeinsame Anwesenheit zweier oder mehrerer Menschen an einem Ort (Kopräsenz) ist also nicht nötig für diese Art der Telekommunikation (Döring, 2000 b, S. 346). Dies ist neben der positiven Auswirkung des Überwindens von räumlichen Beschränkungen auch Grund für Kritik an der Internetkommunikation. Mehrere Autoren (z.B. Raulet, 1992, S. 54) kritisieren diese Art des Kontaktes wegen ihrer sog. „Kanalreduktion“ als eine entsinnlichte, entkontextualisierte und entwirklichte Kommunikationsweise (da die Wege der Kommunikation im Gegensatz zur direkten Begegnung auf deutlich weniger Ebenen eingeschränkt sind). Während der Recherchen für die vorliegende Arbeit wurde mehrfach das Motto bzw. Statement in den Profilen der Nutzer (mehr dazu siehe Kapitel 2.2.1.) aus Saint-Exupérys „Der kleine Prinz“ (2000): „Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“ (u.a. auf finya.de) gefunden, das interessanterweise einen zentralen Aspekt der virtuellen Kontaktaufnahme indirekt durch die Nutzer thematisiert. Es scheint die „Kanalreduktion“ (s.o.) ins Gegenteil zu drehen zu versuchen. Die Gefahr von „Phantasie und Enttäuschung“ (Illouz, 2007, S. 142) beim Übergang vom online-Kontakt zum realen Leben scheint durch die idealisierende Vorstellung, hier lerne man „jemandes Inneres“ als erstes kennen, aufgehoben zu werden. Die Kehrseite dieser Medaille, und auch eine Kritik an dieser Art des Kennenlernens ist jedoch, so beschreibt Illouz (2007, S. 144) weiter, dass die Partnersuche im Internet „im Kontext einer Technologie verstanden werden muss, die Begegnungen entkörperlicht, um ganz und gar psychologische Ereignisse aus ihnen zu machen.“ Dies muss in diesem begrenzten Rahmen als Raum für die eher zivilisations- und technikkritischen Vertreter der sog. „Kanalreduktionstheorie“ (Döring, 2003, S. 354) reichen, sie sollten aber bei einer Darstellung des Internets als Kommunikationsmedium nicht unerwähnt bleiben. Unter anderem wohl diesen Defiziten geschuldet hat sich eine neue Möglichkeit etabliert, um in Form von Zeichenketten Gefühle auszudrücken: die sog. Emoticons und Abkürzungen. Emoticons, die Stimmungen darstellen sollen wie :-( für Verärgerung und Trauer oder „ROTFL“ für „rolling on the floor, laughing“ werden z.B. genutzt um die Darstellung von ironischer Distanz vom geschriebenen Wort, wie sie sonst mit Mimik und Gestik hergestellt werden könnte, zu ermöglichen (Schade, 2000, S.40). Zurück zu den Möglichkeiten der Kommunikation in technischer Hinsicht: Zu unterscheiden sind zwei Formen dieser Telekommunikation: die asynchrone, also zeitversetzte, und die synchrone, also zeitgleiche, direkt aufeinander reagierende Kommunikation (Döring, 2000 b, S. 346):

2.1.1.1 E-Mails: Zeitversetzte Kommunikation

Analog zu anderen zeitversetzten Kommunikationsmöglichkeiten, z.B. der postalischen (Brief) können auch im Internet Botschaften versendet werden, die mit zeitlicher Verzögerung dem Adressaten zugestellt werden und von ihm erst dann gelesen und beantwortet werden können (Döring, 2000 b, S. 346).

2.1.1.2 Chat: Zeitgleiche Kommunikation

Bei zeitgleichen, also synchronen Telekommunikationsmöglichkeiten wie dem Chat können beide Interaktionspartner direkt auf einander reagieren und sind zeitgleich aktiv (wie z.B. beim Telefon). Hierbei kann also direkt und wechselseitig aufeinander reagiert werden (Döring, 2000 b, S. 346).

2.2 Begriffsbestimmung Partnersuche

Wer sucht in unserer Gesellschaft Partner? Um hier nicht das „übliche Klischee Single“ als Stereotyp (Küpper, 2003, S.82) zu bemühen, sollen diese Personen differenzierter betrachtet werden. Das Single-Sein, definiert als das „Leben als Partnerloser im mittleren Erwachsenenalter“ (Küpper, 2003, S.83), steht gesellschaftlich einem traditionellen Lebensentwurf von Ehe und Sexualität innerhalb einer festen Beziehung gegenüber (Küpper, 2003, S. 81). Als Zahl sind 16% der Bevölkerung zu nennen, die zwischen 20 und 50 Jahren ohne festen Partner leben. Von diesen 16% geben jedoch nur 3% an, freiwillig und dauerhaft ohne Lebenspartner zu sein (Hradil, 1995). Single-Sein (und auch Paar-Sein) sollte also nicht als statischer Zustand, sondern vielmehr als eine Lebensphase betrachtet werden. Für die meisten Singles ist diese solitäre Lebensform also nur ein zeitweiliger oder episodischer Zustand. Sie hatten bereits feste Partnerschaften und wünschen sich das auch für die Zukunft wieder (Küpper, 2003, S. 108). Neben den Singles als größte Gruppe der Partnersuchenden ist die Gruppe der in Partnerschaften lebenden Personen, die gleichzeitig andere Beziehungen wie Affären oder Nebenbeziehungen zu finden versuchen, zu nennen (Döring, 2003, S. 544). Jedoch werden auch länger dauernde Partnerschaften und Ehen mehr und mehr zu einem vorübergehenden Zustand. Somit ist die „serielle Monogamie“ zur Norm geworden und nicht mehr die Ausnahme. Von den Zeiten der Postmoderne an werden daher auch innerhalb einer Biographie immer wieder Möglichkeiten zur Partnersuche benötigt (Döring, 2003, S. 544). Das Kennenlernen im Internet kann grundsätzlich als eine Art der „Gelegenheits(schaffenden)struktur“ (Blau, 1977; Bühler-Illieva, 2006) bezeichnet werden. Die häufigsten Wege des Kennenlernens sind, neben dem Freundes- und Bekanntenkreis, die Bildungsinstitutionen (Klein & Lengerer, 2001). Da diese jedoch ab dem Alter von etwa 20-30 Jahren im Lebenslauf in den Hintergrund treten, sind andere Varianten für Singles höheren Alters von Interesse (Bühler-Ilieva, 2006, S. 73). Die Methode der Kontaktaufnahme im Internet hat für die Nutzer (neben der Möglichkeit der Partnersuche an sich) unterschiedliche direkte Vor- wie Nachteile: So wird beispielsweise die „schriftsprachliche Kompetenz“ zum großen Vorteil (der so befähigten) beim Wegfallen visueller und akustischer Möglichkeiten des Kontaktes. Es entsteht aber auch ein großer Raum der romantisierenden und erotisierenden Imagination, denen der Kommunikationspartner nicht in der Realität entsprechen muss. Zum Teil nimmt er sogar bewusst „attraktivitäts- steigernde Korrekturen“ vor (Döring, 2003, S. 547). Kurz erwähnt werden soll, wer insgesamt überhaupt die Möglichkeiten des Internets nutzt, bzw. die demographischen Unterschiede von Personen mit und ohne Web-Zugang, die durchaus vorliegen (Couper & Coutts, 2006, S.221). Die Gruppe derer, die im Internet aktiv sind, ist durch eine von der Fachliteratur als digitale Kluft („digitial divide“) bezeichnete Grenze von der Gruppe der nicht-aktiven trennbar. Grob gesagt handelt es sich um jüngere, besser verdienende und oft akademisch ausgebildete Menschen, sowie insgesamt etwas mehr Männer als Frauen (Genaueres: Couper & Coutts, 2006, S. 221; Wolfradt & Doll, 2005, S. 148 ff., zur Entwicklung der Partizipation von Frauen an Computernetzwerken: Döring, 2000 a).

2.2.1 Partnerforen im Internet

Neben den klassischen Massenmedien wie Kontaktanzeigen in der Zeitung oder Single-Sendungen im Radio (Döring, 2003, S. 544) existieren unterschiedliche Online-Kontaktbörsen. Abzugrenzen sind sie vom beiläufigen Kennenlernen im Netz, z.B. im beruflichen Kontext oder auf Hobbyseiten. Zu unterscheiden sind zunächst synchrone von asynchronen Foren.

Asynchrone Formen sind vergleichbar mit klassischen Print- Kontaktanzeigen und selten privat organisiert sondern meistens die Ableger von Medienunternehmen, die damit unter anderem die Attraktivität ihrer Netzangebote steigern möchten, beispielsweise amica.de (Döring, 2003, S.544). Gegenüber einer offline- bzw. Print- Kontaktanzeige haben sie eine höhere Effizienz, weil Verbreitung, Anzahl und Zugänglichkeit durch das Internet im Vergleich hoch sind (Döring, 2003, S. 451).

Synchrone Kontaktforen im Internet, die hier von Interesse sind, unterscheiden sich von asynchronen durch die gleichzeitige online- Anwesenheit beider Kontaktsuchender und somit die Möglichkeit des unmittelbaren Austausches. Sie sind zum Teil kostenpflichtig, zum Beispiel elitepartner.de, und zum Teil kostenlos und werbefinanziert, wie beispielsweise finya.de. Zum Teil zahlen nur die Männer für die Anmeldung, die Frauen nicht, wie im Falle von neu.de. Abzugrenzen sind sie vom Angebot kostenpflichtiger Cybersex-Dienste. Diese sind, ähnlich Telefonsex-Angeboten, eindeutig geschäftlichen Interessen folgend und hier haben die Beziehungen einen formal-kommerziellen Charakter (Döring, 2003, S. 453). Die synchronen Kontaktforen ohne rein sexuell-finanzielle Ausrichtung, wie friendscout24.de, finya.de, die hier von Interesse sind, sind zunächst durch ihre technische Systemgestaltung unterscheidbar. Diese beeinflusst die kommunikativen Handlungsspielräume der Nutzer (Döring, 2003, S. 453). Diese Beeinflussung passiert z.B. über unterschiedliche Möglichkeiten der „Präsentation des Selbst“ (Illouz, 2007, S. 143) wie ausführliche Fragebögen und Fotos, oder auch durch sogenannte Chat-Separées, in die sich Nutzer bei Interesse zurückziehen können (Döring, 2003, S. 453). Neben der Wahl eines Pseudonyms, eines so genannten Nicknames zur ersten Selbstdarstellung, wie beispielsweise „Grosszügig_Er“, „prickleseeker“, „Sonderangebot“, (Bühler-Ilieva, 2006, S. 115) bestehen unterschiedliche andere Angebote, die eigene Individualität und Persönlichkeit zu präsentieren. Zum Beispiel existiert auf einer Vielzahl der Foren die Möglichkeit der Angabe eines Statements oder Mottos (siehe auch 2.1.1.), das eine komprimierte Aussage über die Suche oder Lebenshaltung, wie z.B. „Ready, steady, go !“ (Bühler-Ilieva, 2006, S. 117) zu sein scheint.

Die in dieser Arbeit untersuchten Kontaktforen unterschieden sich hinsichtlich der Selbstpräsentations-Möglichkeiten. Allen war gemeinsam, dass sie synchrone, explizite „Beziehungs-Suchforen“ waren. Des Weiteren waren alle kostenlos zu nutzen und auf eine heterosexuelle Zielgruppe ausgerichtet.

Die Interviewpartner mussten über die Erfahrungen der Möglichkeiten der Online-Kommunikation verfügen und durften nicht lediglich eine asynchrone Anzeige online geschaltet haben oder kommerzielle Sexanbahnungsseiten aufgesucht haben (mehr zur Auswahl der Probanden unter 3.3.). Grund für diese Auswahl war das Ziel, Personen mit finanzieller und rein sexueller Motivation auszuschließen. Trotzdem berichteten Probanden, dass auch auf den untersuchten Seiten immer wieder E-Mails verschickt wurden, die auf kommerzielle Seiten locken sollten.

2.3 Die Austauschtheorie

Zur Einbettung der Austauschtheorie in den wissenschaftlichen und historischen Kontext ist zunächst folgendes zu sagen: Neben der ursprünglichen Form von Homans existiert eine Vielzahl von Weiterentwicklungen (Fischer & Wiswede, 2002) dieses grundlegenden wissenschaftlichen Theorieansatzes (Hillmann, 2007, S.61). Daher wird vielfach im Plural von „den Austauschtheorien“ oder auch „austauschtheoretischen Ansätzen“ gesprochen (Fischer & Wiswede, 2002). In Anlehnung an die damalige klassische Wirtschaftstheorie interpretierte Homans das erste Mal 1958 die Interaktionen zwischen Menschen als wechselseitigen Austausch von Gratifikationen bzw. Belohnungen (Hillmann, 2007, S. 61).

Das Grundprinzip der Homans’schen Austauschtheorie wird zum Teil schon durch ihren Titel erklärt: Da die meisten sozialen Beziehungen auf der Grundlage des Gebens und Nehmens aufbauen, können sie mit Hilfe der Austauschtheorie beschrieben und analysiert werden (Hill & Kopp, 2006, S.102). Anzunehmen ist, dass für die vorliegende Arbeit weniger der ökonomische Tausch in Form von festgelegten Gütern, Waren oder Leistungen, sondern vielmehr der soziale oder reziproke Tausch (Hill & Kopp, 2006, S. 104) relevant ist. Hier sind die Gegenleistungen meist weder genauer spezifiziert noch quantifiziert. Typische Tauschgüter sind z.B. Anerkennung, Aufmerksamkeit oder Verständnis. Obwohl im sozialen Tausch weder Gegenleistung noch deren Zeitpunkt explizit festgelegt sind, gilt die allgemeine Reziprozitätsnorm: Der Geber erwartet diese und der Nehmer fühlt sich zur Gegenleistung verpflichtet (Hill & Kopp, 2006, S. 104). Des Weiteren relevant und hier besonders von Interesse ist, dass dieses Reziprozitätsprinzip auch zu einer Verdichtung der sozialen Interaktion zwischen zwei und mehr Akteuren führt. Wenn die Anfangsinteraktionen zum beiderseitigen Vorteil verlaufen, scheint es vernünftig, die Interaktionen zu wiederholen oder auszudehnen bzw. auf andere Bereiche auszuweiten (Hill & Kopp, 2006). Das Bild des Menschen, das in der handlungstheoretisch orientierten Austauschtheorie zugrunde gelegt wird, ist das eines subjektiv rationalen Akteurs. Dieser ist mit beschränkten Ressourcen ausgestattet und strebt durch seine Handlungen eine Maximierung seines Nutzens an. Für ihn stellt die „innere Rechnung“ sich folgendermaßen dar: Jede Handlung verursacht Kosten (Aufwand, input) und erbringt einen Nutzen (Ertrag, output); die Differenz beider stellt für ihn den persönlichen Gewinn (NettoNutzen, outcome) dar, der positiv oder auch negativ sein kann (Hill & Kopp, 2006, S. 108). Zunächst, und in der größten Ausführlichkeit geht die weitere Darstellung der Theorie auf Homans’ Beitrag (der zum Teil auch mit Blau zusammen entwickelt wurde) ein. Dieser wird von mehreren Autoren als derjenige betrachtet, dessen Theoriebeitrag bzw. -grundlage die meiste Beachtung gefunden hat (Boger, 1986, S.9). Zusammenfassbar ist die Austauschtheorie von Homans am kürzesten in fünf zentralen Sätzen bzw. Hypothesen Homans (Boger, 1986, S. 49). In diesen Sätzen erschöpft sie sich nicht, beinhaltet jedoch die wesentlichen Aspekte. Es wurde vorwiegend die letzte Form von 1978 gewählt und ältere Formen und Kommentare blieben aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Arbeit weitestgehend unberücksichtigt. In der Übersetzung wurde vorwiegend auf Boger zurückgegriffen (Boger, 1986) oder ein schwer übersetzbares Wort englisch in Klammern eingefügt. Zusätzlich dazu werden Thibaut und Kelleys sowie zum Teil Blaus Beiträge bzw. Weiterentwicklungen dargestellt. Homans’ grundsätzliches Interesse war es, mit seiner Theorie „elementares soziales Verhalten“ zu erklären (Homans, 1974, S. 12, S. 356). Seine Theorien bzw. Hypothesen sind teilweise aus der behavioristischen Lerntheorie übernommen und gelten als empirisch vergleichsweise gut bestätigt (Hill & Kopp, 2006, S. 109). Die erste Hypothese, auch „Erfolgs-Hypothese“ genannt (Boger 1986) lautet: „Für alle Handlungen, die von Personen ausgeführt werden, gilt: Je häufiger eine bestimmte Handlung einer Person belohnt wird, desto wahrscheinlicher wird die Person diese Handlung ausführen“ (Homans 1974, S. 16). Erläuterungen hierzu folgen im Anschluss an die zweite Hypothese, auch „Stimulus-Hypothese“ (Boger, 1986) genannt. Sie lautet: „Wenn in der Vergangenheit das Auftreten eines bestimmten Stimulus oder einer Menge von Stimuli die Gelegenheit war, bei der die Handlung einer Person belohnt wurde, dann gilt: Je ähnlicher die gegenwärtigen Stimuli den früheren sind, desto wahrscheinlicher wird die Person in der Gegenwart die Handlung oder eine ähnliche Handlung ausführen“ (Homans, 1974, S. 22 ff). Die ersten beiden Hypothesen thematisieren die Wiederholungstendenz von Handlungen bzw. deren antizipierte Ursachen. Akteure erlernen demnach in einem Belohnungsmuster Lösungen, die dann beim nächsten Mal wie eine Verhaltensregel abgespult werden (Hill & Kopp, 2006). Sie werden zu einer erlernten Handlungsroutine, die nicht in jeder nachfolgenden Situation neu überdacht, sondern automatisch abgespult werden kann (Hill & Kopp, 2006, S.110). Thibaut und Kelley weisen jedoch darauf hin, dass dieser Lernprozess klar an einem Kosten-Nutzen-Verhältnis orientiert ist (Thibaut & Kelley, 1959, S. 27). Homans’ dritte Hypothese („Wert-Hypothese“ (Boger, 1986)) lautet: „Je wertvoller für eine Person das Ergebnis ihrer Handlung ist, desto wahrscheinlicher wird sie diese Handlung ausführen“ (Homans, 1974, S. 25). Auch hier zunächst direkt die vierte Hypothese („Deprivations-Sättigungs-Hypothese“ (Boger 1986)): „Je häufiger eine Person in der jüngsten Vergangenheit eine bestimmte Belohnung erhalten hat, desto weniger wertvoll wird für sie jede weitere Einheit dieser Belohnung.“ (Homans, 1974, S. 29). Die dritte und vierte Hypothese Homans’ beschäftigen sich mit dem Wert von Belohnungen und deren Variabilität. Im Speziellen beschreibt die dritte Hypothese die hohe Wichtigkeit der subjektiven Ergebnisbewertung für den Akteur: Je wertvoller der zu erwartende Ertrag, desto wahrscheinlicher die Handlung. In Hypothese vier beschreibt Homans die Wahrscheinlichkeit bzw. Gefahr des „inflationär-werdens“ von Belohnungen bei häufigem Vorkommen: Auch wenn zunächst eine Präferenz für eine Belohnung oder Ressource gegeben ist, sinkt mit jeder erhaltenen Einheit dieser Ressource deren Wertschätzung (Hill & Kopp, 2006, S. 110). Zur fünften Hypothese ist zunächst zu bemerken, dass die Austauschtheorie grundsätzlich ein bestimmtes Normgefüge unterstellt: das Ergebnis von Tauschsituationen muss auch bei Unausgewogenheit nicht unbedingt als ungerecht empfunden werden, z.B. in Wettbewerbs- oder Konkurrenzsituationen (Hill & Kopp, 2006, S. 111). Diese letzte Hypothese beschäftigt sich mit den kognitiv-emotionalen Konsequenzen von Handlungen (Hill & Kopp, 2006, S.111). Diese („Frustrations-Aggressions-Hypothese“ (Boger 1986)) nimmt folgendes an: „Wenn die Handlung einer Person nicht die Belohnung erhält, die sie erwartet hat, oder wenn sie eine Bestrafung erhält, die sie nicht erwartet hat, dann wird sie verärgert sein; sie wird mit höherer Wahrscheinlichkeit aggressives Verhalten ausführen.“ (Homans, 1974, S. 37). Das bedeutet also, dass ebenso wie es positive Konsequenzen für eine Beziehung durch einen gerechten und profitablen Austausch gibt, es auch negative Konsequenzen aus ungerechtem Tausch geben kann. So können aus den Emotionen Enttäuschung oder Wut die Verhaltensreaktionen Protest oder Beziehungsabbruch resultieren (Hill und Kopp, 2006, S. 111).

[...]

Ende der Leseprobe aus 51 Seiten

Details

Titel
Mailst Du mir, so maile ich Dir? - Kann die Austauschtheorie das Interaktionsverhalten bei der Partnersuche im Internet erklären?
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Psychologie/ Soziale Verhaltenswissenschaften)
Veranstaltung
Sozialpsychologie des Internets
Note
1,1
Autor
Jahr
2008
Seiten
51
Katalognummer
V113087
ISBN (eBook)
9783640199136
ISBN (Buch)
9783640204953
Dateigröße
585 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar des Dozenten: "Vorgelegt wurde eine kenntnisreich geschriebene und logisch aufgebaute empirische BA-Arbeit, die unter Bezug auf die Austauschtheorie untersucht, unter welchen Bedingungen bei der Partnersuche im Internet ein reziprokes Verhalten entsteht. Die Ausdifferenzierung der Austauschtheorie mit ihren aktuelleren Varianten in neun Themenkomplexe brachte auf der Basis der 14 Interviews eine Vielzahl interessanter Ergebnisse. Unter den Rahmenbedingungen für eine BA-Arbeit handelt es sich um eine deutlich überdurchschnittliche Leistung."Kommentar des Dozenten: "Vorgelegt wurde eine kenntnisreich geschriebene und logisch aufgebaute empirische BA-Arbeit, die unter Bezug auf die Austauschtheorie untersucht, unter welchen Bedingungen bei der Partnersuche im Internet ein reziprokes Verhalten entsteht. Die Ausdifferenzierung der Austauschtheorie mit ihren aktuelleren Varianten in neun Themenkomplexe brachte auf der Basis der 14 Interviews eine Vielzahl interessanter Ergebnisse. Unter den Rahmenbedingungen für eine BA-Arbeit handelt es sich um eine deutlich überdurchschnittliche Leistung."
Schlagworte
Mailst, Kann, Austauschtheorie, Interaktionsverhalten, Partnersuche, Internet, Sozialpsychologie, Internets
Arbeit zitieren
Katrin Hartung (Autor:in), 2008, Mailst Du mir, so maile ich Dir? - Kann die Austauschtheorie das Interaktionsverhalten bei der Partnersuche im Internet erklären?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113087

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