Herr von Pepinster und sein Popanz

Die dunkle und die lichte Welt bei Oskar A. H. Schmitz


Seminararbeit, 2007

24 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhalt

1. Vorwort

2. Kurzbiografie

3. Gespenst, oder Doppelgänger
3.1 Etymologische Betrachtungen
3.2 Schmitz’ Erzählung und die deutsche Gespenstergeschichte nach Gero von Wilpert
3.3 Lynx, der Doppelgänger

4. Lynx der Seelenvampir
4.1 Energieaustausch
4.2 Gegenläufige Entwicklung der Hauptfiguren
4.3 Das Triebhafte, Verschlingende
4.4 Augen
4.5 Die Lichte und die Dunkle Welt

5. Schmitz und Dostojewskij

Schluss

Quellenverzeichnis

1. Vorwort

Oscar Adolf Hermann Schmitz ist ein Autor, der in den vergangenen 100 Jahren fast vollständig in Vergessenheit geraten ist. Zu Unrecht, wenn man bedenkt, dass er als Zeitgeist-Schriftsteller und Verfasser mehrerer fiktiver Erzählungen, Berichte, Theaterstücke und sozialanalytischer Schriften dem beginnenden 20. Jahrhundert einen prägnanten Spiegel vorhält.

In dieser Arbeit soll auf intertextuelle Weise die Erzählung „Herr von Pepinster und sein Popanz“, entstanden 1915, einer näheren Betrachtung unterzogen werden. In dieser kurzen Geschichte über einen welterfahrenen Intellektuellen namens Herr von Pepinster, der von einem Gespenst in jeder Weise ersetzt wird, finden wir sowohl typisch moderne Anteile, als auch autobiographische Elemente eines Autors, der sich immer wieder zu neuen „Erkenntniswelten“ hingezogen fühlte. Speziell soll hier aber nachvollzogen werden, wie in „Herr von Pepinster und sein Popanz“ die literarischen Untergattungen der Gespenster-, Vampir- und Doppelgängergeschichte zu Tage treten.

Es wird gezeigt, wie Schmitz in einem einzigen Werk wesentliche Kriterien aller drei Kategorien versammelte und zu einer wirksamen Symbiose vereinte. Diese Hausarbeit wurde in Zusammenarbeit zwischen Julia Kummer und Andreas Fingas erstellt.

2. Kurzbiografie

Der Zeitgeist-Literat, Kolumnist, Dichter, Essayist, und Lebemann Oscar Adolf Hermann Schmitz erblickte das Licht der Welt am 16. April 1873 in Bad Homburg vor der Höhe. Der Ort war Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem beliebten Urlaubsort avanciert, nicht zuletzt wegen der von den Gebrüder Blanc dort gegründeten Spielbank. In Bad Homburg traf sich die High Society und hier machte der junge Oscar Schmitz seine ersten prägenden Erfahrungen. Sein Vater war ein hoher Bahnbeamter, der für seinen Sohn eine ähnliche Laufbahn wie die seine vorgesehen hatte. Oscar „sollte studieren, einen akademischen Abschluß machen, um einen höheren, bürgerlichen Beruf ergreifen zu können“.[1] Er wuchs in wohlhabenden Verhältnissen auf und bekam früh eine sehr fundierte Ausbildung in Kultur und Musik. Vor allem die Sprachenvielfalt seiner Familie kam Schmitz in seinem späteren Leben sehr zu Gute. „Wenn sich Großeltern und Eltern trafen, sprachen sie englisch und französisch“.[2]

Die schulischen Leistungen des jungen Schmitz waren nicht das, was sich der Vater erhofft hatte. Nur mit Mühe schaffte Oscar 1892 das Abitur. Es folgte ein unstetes Studium in Leipzig, Berlin und München. „Neben der Jurisprudenz hört [Schmitz] Vorlesungen in Nationalökonomie, Philosophie und Kunstgeschichte“.[3] Er hatte große Schwierigkeiten sich auf eines dieser eher konservativen Studienfächer zu beschränken, zumal seine wahre Leidenschaft woanders lag. „Magisch angezogen fühlt er sich von den Münchener Künstlerkreisen, in denen er die Verwirklichung seiner Träume, das freie, glühende Weltleben’ sucht“.[4] Als sein Vater 1895 starb, bekam Schmitz eine beträchtliche Rente zugesichert, von der er ab jetzt sorgenfrei leben konnte. Er brach das Studium ab und widmete sich ganz seinem literarischen Schaffen. Er lernte Karl Wolfskehl und über diesen wiederum Stefan George kennen, in dessen „Blättern für die Kunst“[5] er seine ersten Gedichte veröffentlichte. Bald zählten Personen der Öffentlichkeit wie Franziska von Reventlow, Ludwig Klages, Alfred Schuler, August Endell, Franz Dülberg, Paul Stern und Franz Hessel zu seinem Bekanntenkreis. Obwohl er, wie viele seiner Freunde, versuchte ein alternatives Leben zur bürgerlichen Norm zu führen, hielt er diese Praxis nicht lange aus und bereiste fast ganz Europa. „Er lebt in Frankfurt, Berlin, Rom und immer wieder in Paris“,[6] wo er schnell einen Einstieg in die elegante, literarische Gesellschaft fand. Er verfolgte eine Lebensweise, die augenscheinlich mit der eines Lebemannes verglichen werden kann. Zwei Versuche eine Ehe einzugehen scheiterten 1901 und 1905. Der Maler Alfred Kubin ehelichte 1904 Schmitz’ Schwester Hedwig und entwickelte eine tiefe Freundschaft zu seinem Schwager Oscar. Er bereicherte verschiedene Werke des Autors mit Grafiken, die den Text erläutern, so auch das Buch „Herr von Pepinster und sein Popanz - Geschichten von Doppelleben“. Nur selten unterbrach Schmitz zu dieser Zeit sein schriftstellerisches Schaffen:

Er schrieb Gedichte, phantastische Novellen und Erzählungen, eine Biographie über Benjamin Disraeli, Essays über Manieren und Mode, eine […] Abhandlung über die französische Kultur und zahllose Artikel und Berichte von seinen „Fahrten ins Blaue“.[7]

Trotzdem schien er nie seinem erklärten Ziel‚ das Leben in seiner Fülle zu erfahren,[8] wirklich nahe genug zu kommen. Deshalb stürzte er sich beinahe vorbehaltlos in das Studium der Psychoanalyse. Er begann eine Analyse bei Karl Abraham, wendete sich dann der Individualpsychologie Alfred Adlers zu und ging Mitte der 20er Jahre zum Studium der Lehren nach C. G. Jung über. Vor allem aus den persönlichen Kontakten zu Jung entstanden diverse Gemälde von Schmitz, die auf eine intensive Beschäftigung mit der eignen Persönlichkeit verweisen.

3. Gespenst, oder Doppelgänger

Das Fremde in Form eines fremden Wesens, wie es bei Schmitz auftritt, lässt sich mit den Kriterien der Ästhetik der Moderne in Deckung bringen. In Schmitz’ Biografie lässt sich eine Faszination für das Fremde erkennen. „Teils durch Reisetätigkeit […] und teils durch eine immer schnellere Veränderung der sozialen, kulturelle und technisierten Wirklichkeit erzwungen, wird die Erfahrung des Fremden im Sinne des befremdlich Anderen genossen, gefürchtet und […] einfach akzeptiert.“[9] Diese Faszination drückt sich auch im vorliegenden Werk aus, in dem das Fremde in Gestalt eines Gespenstes thematisiert wird. Weniger in der Form des Textes, der einer Erzählung gleicht, als in der Themenwahl kreiert Schmitz eine „schockierende Fremdheitserfahrung“[10]. Herbert Grabes beschreibt in seiner „Einführung in die Literatur und Kunst der Moderne und Postmoderne“ genau den Kunstgriff, wie ihn Schmitz anwendet, um das Fremde, das Bedrohliche in die natürliche Lebenswelt einfließen zu lassen:

Was hingegen seit dem Schauerroman größere Verbreitung erlangte, war die Darstellung des Unheimliche, und zwar sowohl in Form der imaginierten Weltsicht wie der Abgründe der menschlichen Seele, zur Erzeugung von Angstlust – eine Gefühlsästhetik, die mit der Ästhetik des Erhabenen nicht nur die indirekte Erzeugung von Wohlgefallen gemeinsam hatte, sondern auch, dass dieses Wohlgefallen unmittelbar mit der Erzeugung verknüpft war, die durch die Begegnung mit dem Schrecklichen hervorgerufen wurde.[11]

Dass das Schreckliche in Schmitz Erzählung einen bedeutenden Stellenwert besitzt, lässt sich bereits aus den ersten Zeilen ablesen. Hier wird dem Leser eine der Hauptfiguren vorgestellt: „Lynx, ein armseliges Gespenst, schlich am Rand der Landstraße einher, in der Hoffnung, vielleicht einen Vorübergehenden zu erschrecken und dabei auf seine Rechnung zu kommen.“ (PEP, S. 1) Wörtlich spricht der Erzähler hier vom Erschrecken, das, in der weiteren Ausführung erkennbar, sogar überlebenswichtig für das Gespenst Lynx zu sein scheint: „Überall, wo Lebenskraft verpufft wird oder ausrinnt, da schleicht es hin, um sie einzufangen und sein kümmerliches Dasein zu kräftigen.“ (PEP, S. 2) Der Einbruch des Schrecklichen in die „normale“ Welt kann hier also als eine Ausformung der Moderne gesehen werden.

3.1 Etymologische Betrachtungen

Nach einer etymologischen Betrachtung der wesentlichen Werksbestandteile lässt sich folgendes feststellen: Das Wort „Popanz“ entstand aus dem tschechischen Wort "bubák" und bedeutet ursprünglich eine künstlich hergestellte Schreckgestalt, insbesondere eine ausgestopfte Puppe, die als Kinderschreck verwendet wurde. Seit dem 16. Jahrhundert ist das Wort in Deutschland gebräuchlich: Popelmann, Poppelhans (entstanden aus Puppe und Hans). Wenn wir der Popanz für jemanden sind, dann gehorchen wir ihm widerstandslos.

Lynx ist der Fabelname für den Luchs, dessen Eigenschaften noch die Wortverwandtschaft mit „abluchsen“ und „Augen wie ein Luchs zeigen“. Dass Lynx Pepinster seine Persönlichkeit „abluchst“ kann hier mit Bestimmtheit vertreten werden, denn der Prozess, in dem Lynx, die Position des Herrn Pepinster einnimmt, läuft ohne das Wollen von Herrn Pepinster ab. Es ist eher ein schleichender Vorgang, bei dem die Persönlichkeit des einen durch die des Anderen unterwandert wird. Bereits bei seiner ersten Begegnung mit Lynx, spürt Pepinster diesen Prozess: „[…] daß hier mehr vorging, war gewiss“ (PEP, S. 10). Später lässt sich sogar eine bösartige Absicht des Gespenstes erahnen, denn „Herr Lynx blickte gar nicht mehr scheu, sondern eher keck.“ (PEP, S. 14).

Auch die Augen-Symbolik findet sich für das Gespenst wieder: „er sah das stechende Auge des Herrn Lynx auf sich gerichtet“ (PEP, S. 20).

Pepinster wiederum ist eine Gemeinde in der Provinz Lüttich in der Wallonischen Region in Belgien. Eine direkte Verbindung zu diesem Ort lässt sich aber nicht belegen. Schmitz selbst verwendet in seinen Tagebüchern den Begriff „Pepinstern“ für das Abtauchen in eine diffuse, von Lust und Zügellosigkeit geprägte „andere“ Welt. Dass der Autor diesen Begriff in seine Lebenswelt übernommen hat, lässt einen biographischen Einfluss des Textes vermuten.

3.2 Schmitz’ Erzählung und die deutsche Gespenstergeschichte nach Gero von Wilpert

Gero von Wilpert hat in seinem Buch „Die deutsche Gespenstergeschichte“ ein Standardwerk zur Analyse dieser Untergattung der fantastischen Literatur verfasst. Da von Wilpert in seinem Werk von einer „Renaissance im Rahmen der aufblühenden ‚phantastischen Literatur’ und der ‚unheimlichen Geschichten’“[12] im Zusammenhang mit der Literatur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts spricht, können die dort zu findenden Kategorien und Definitionsansätze dazu dienen, den Pepinster auf seine „gespenstischen“ Aspekte hin zu untersuchen. Im Folgenden soll eine knappe Übersicht der von Wilpert geforderten Voraussetzungen für eine Gespenstergeschichte und deren Übereinstimmung mit Schmitz’ Erzählung gegebenen werden.

[...]


[1] Schmitz, Oscar A. H.: Dämon Welt. Zitiert in: Wolfgang Martynkewicz: Tagebuch eines Dandy. Berlin: Aufbau-Verlag, 2006.

[2] Wolfgang Martynkewicz: Tagebuch eines Dandy. Berlin: Aufbau-Verlag, 2006.

[3] Martynkewicz (2006).

[4] Martynkewicz (2006).

[5] Vgl.: Martynkewicz (2006).

[6] Martynkewicz (2006).

[7] Martynkewicz (2006).

[8] Vgl.: Martynkewicz (2006).

[9] Grabes, Herbert: Einführung in die Literatur und Kunst der Moderne und Postmoderne. Tübingen und Basel: UTB 2004, S. 1.

[10] Grabes (2004), S. 2.

[11] Grabes (2004), S. 4.

[12] Wilpert, Gero von: Die deutsche Gespenstergeschichte. Motiv – Form – Entwicklung. Stuttgart 1994, S. 358.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Herr von Pepinster und sein Popanz
Untertitel
Die dunkle und die lichte Welt bei Oskar A. H. Schmitz
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Veranstaltung
Seminar
Note
2
Autor
Jahr
2007
Seiten
24
Katalognummer
V113109
ISBN (eBook)
9783640133154
ISBN (Buch)
9783640134885
Dateigröße
466 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Herr, Pepinster, Popanz, Seminar
Arbeit zitieren
Andreas Fingas (Autor:in), 2007, Herr von Pepinster und sein Popanz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113109

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