Der zweite Christus? Die frühe Historiographie zu Franziskus von Assisi


Dossier / Travail, 2017

26 Pages, Note: 1,0


Extrait


INHALTSVERZEICHIS

I. Einleitung

II. Biographischer Rückblick auf den frühen Franziskus von Assisi
I. Thomas von Celano und seine Vita prima
II. Die Kindheit und Jugend des Franziskus- Ausdruck einer Vorahnung?
III. Die Kehrtwende seines Lebens und die Rolle Jesu

III. Die neue Lebensweise und die Nähe zu Jesus
I. Leben nach dem Evangelium
II. Die Stigmatisation als endgültiger Ausdruck der Konformität mit Jesus?

IV. Fazit

V. Quellen und Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Franziskus war nicht nur eine bedeutende Persönlichkeit unter Vielen. Nein- „Er (war) eine ganz singuläre, herausragende Erscheinung, gewiß die bedeutendste Gestalt der christlichen Religionsgeschichte seit Jesus selbst“1. Zu dieser Erkenntnis kommt Helmut Feld in seiner 1994 erschienen Monografie „Franziskus von Assisi und seine Bewegung“. So schrieb der Selbige einige Jahre zuvor bereits eine Monografie, die den Titel „Franziskus von Assisi. Der zweite Christus“ trägt und den wunderlichen Werdegang des Franziskus aufzeigt. In beiden Schriften erläutert Feld die bemerkenswerte Geschichte eines erfolgreichen Kaufmannes, welcher sich aus freien Stücken dazu entscheidet, sich der völligen Armut zu widmen, um das Leben Jesus nachzuahmen. Helmut Feld ist mit dieser durchaus positiven und verehrenden Sichtweise nicht allein. Zahlreiche Arbeiten über Franziskus von Assisi berichten ebenso über die Bedeutsamkeit seiner Person für den christlichen Glauben und die unverkennbare Nähe zu Jesus. Interessant ist diese Thematik vor allem, weil ein objektives und historisches Franziskus-Bild auch in der Forschungsliteratur keineswegs einheitlich besteht. „Jeder hat eigene Interessen, mit denen auf das Phänomen des Franziskus' geschaut wird.“2 „So hat jeder seinen Franziskus“3 .

Ziel dieser Hausarbeit soll es sein, das frühe Leben des Franziskus zu analysieren. Dabei soll eine Diskussion eröffnet werden, in der die These vom „zweiten Christus“ kritisch reflektiert wird. Den Fokus setzt die Arbeit vor allem auf die Anfangszeit und Endzeit des Lebens von Franziskus und versucht darin die Rolle Jesus' zu rekonstruieren.

Die Quellenlage zu Franziskus ist sehr umfangreich. Neben zahlreichen Briefen liegen uns heute sowohl seine für die Gemeinschaft geltende Regel, als auch sein besonders bedeutsames Testament vor. Darüber hinaus wurden nach seinem Ableben verschiedene Biographien von Zeitzeugen und Begleitern Franziskus' erstellt. Eine der frühesten ist die „Vita prima“, welche auf Thomas von Celano zurückzuführen ist. Dieses in drei Teilen aufgeteilte Werk schildert das Leben des Franziskus im Hinblick auf seine Jugend, seine wundersame Bekehrungsgeschichte, sowie seine spätere Kanonisation. Das Werk von Thomas von Celano ist noch heute eine der wichtigsten biografischen Quellen zu Franziskus, wobei einige Historiker dieses Werk auch kritisch betrachten. Begründet wird dies wie folgt: Kurz nach der Kanonisation Franziskus' im Jahre 1228 erteilte Papst Gregor IX. Thomas den Auftrag, diese erste offizielle Vita anzufertigen. Da Thomas in der besagten Vita mit Lobpreisungen an den Papst nicht geizt4, wird ihm Parteilichkeit vorgeworfen. Im Kapitel zur Quellenkritik soll dieser Aspekt näher erläutert und kritisch reflektiert werden. Mithilfe dieser Vita und ihrer Bewertung und Verwendung in der Forschungsliteratur soll demnach eine Rekonstruktion des Lebens von Franziskus entstehen.

Dabei beschäftigt sich die Hausarbeit zunächst mit der Jugend Franziskus' und seiner besonderen Bekehrungsgeschichte. Darin sollen seine Einflüsse und die Rolle Jesus, die in den Legenden verlautbart wird, verdeutlicht werden. Das nächste Kapitel thematisiert die darauffolgende Lebensweise des Franziskus. Hier erfolgt die Verknüpfung vom franziskanischen Ideal zum Evangelium. Inhaltlich schließt die Hausarbeit mit der zu erarbeitenden Fragestellung ab, warum Franziskus eine derartige Nähe zu Jesus zugeteilt wird und wie sich diese Nähe in seinem Leben konkretisierte. Ergebnis der Arbeit soll dementsprechend eine Bewertung des von den Legenden vermittelten Jesus-Ideals im Leben und Sein des Franziskus sein.

II. Biographischer Rückblick auf den frühen Franziskus von Assisi

I. Thomas von Celano und seine Vita prima

Die grundlegende Quelle dieser Arbeit ist das Werk Vita prima, welches von Thomas von Celano um das Jahr 1228 verfasste wurde. Um das Werk Thomas' bewerten zu können, ist es wichtig, eine kurze Reflexion des Autors selbst vorzustellen. Viele Informationen über das Leben von Thomas gibt es jedoch nicht. Gewiss ist jedoch, dass er aus Celano stammte und dem Orden ca. um circa 1215 beigetreten war5 . Innerhalb des Ordens genoss er ein hohes Ansehen. Nicht zu Letzt, weil er aufgrund seiner Bildung zu den „gelehrten Männern“6 zählte. Sehr wichtig in der Beurteilung des Celano-Werkes ist die Erwähnung des geringen Aufenthaltes von Thomas in Assisi. Eine bedeutende Zeit seiner Ordenszugehörigkeit verbrachte Thomas in Deutschland.7 „In welchem Jahr Thomas nach Italien zurückkehrte und wo er sich dort aufhielt, wissen wir nicht.“8 Es wird vermutet, dass er am Begräbnis von Franziskus teilgenommen habe und dass er dort, die in seinem Werk beschriebenen Wundmale von Franziskus gesehen habe. Die beiden sind sich also zu Lebzeiten Franziskus nur sehr selten begegnet. Dennoch beschreibt Thomas im Prolog seines Werkes, dass die Quellengrundlage seiner Arbeit aus eigenen Erfahrungen und Berichten von „zuverlässigen Zeugen“9 besteht. So wird in der Forschungsliteratur diskutiert, inwieweit Celano, der selbst kein enger Freund von Franziskus war, tatsächlich historische Arbeit bei der Erstellung der Biographie geleistet haben kann. Weitere Kritiker des Werkes gehen aufgrund des päpstlichen Auftrages von Gregor IX. zur Erstellung besagter Lebensbeschreibung davon aus, dass Thomas von Celano parteiisch gewesen sei. So beschreibt Gert Wendelborn, dass „die Überlieferung von Celano (...) kirchenoffiziellen Charakter“10 besitzt. Der bedeutendste Gegner der Arbeit von Celano war Paul Sabatier. Für ihn und seine Anhänger „ist Celano ein planmäßiger Betrüger“11 . Unter dem Einfluss des Papstes habe er demnach wichtige Tugenden, wie die der besonderen Armut des Franziskus, ausgelassen und „verschwieg (zudem) sämtliche Spuren von Streit innerhalb des Ordens oder zwischen Franziskus und der römischen Kurie“12 . Er habe solche Details ausgelassen, die der ehrlichen Charakterisierung Franziskus' dienlich gewesen wären. Den Kritikern kann man allerdings einige Gegenargumente entgegenhalten. Zum einen zählten zu Celanos „Gewährsleuten (...) in erster Linie die engeren Gefährten des Heiligen, Bruder Elias, sicher auch die hl. Klara mit ihren Schwestern in S. Damiano (...) (und) manche Persönlichkeiten der Stadt Assisi, die Franziskus gut gekannt haben“13 . So haben also die engsten Vertrauten von Franziskus das Werk von Celano akzeptiert, was darauf schließen lässt, dass darin vertrauensvolle Inhalte enthalten sind. Zum anderen sollte man erwähnen, dass „festgestellt (wurde), dass Thomas von Celano eine tendenziöse

Parteischrift nicht verfassen konnte, weil die von Sabatier vorausgesetzten Gegensätze (in der Ordensgemeinschaft noch) nicht vorhanden waren“14 . Letztlich haben nicht nur Celanos Biographien, sondern sämtliche Biographien über Franziskus einen hagiografischen Charakter. „Unter den Franziskus-Biographien (gibt es) keinen einzigen, der ausschließlich berichtet, was wirklich geschehen war.“15 Daher sollte das Bemühen der nüchternen Beschreibung des Franziskuslebens Thomas von Celano hoch angerechnet werden. „Celano hat in der Vita (prima) ein wahrheitsgetreues Bild des hl. Franziskus im guten Glauben entworfen, sodass die Vita (prima) als erste biographische Arbeit über Franziskus (immer noch) von hohem Wert ist.“16 Nicht zu Letzt, weil sich zahlreiche „Lebensbeschreibungen des hl. Franziskus (...) auf die erste offizielle Vita des gelehrten Thomas von Celano bezogen (haben)“17 . Wenn auch seine Lebensbeschreibung einige Mängel aufweist und es kritisch ist, alles für glaubwürdig zu erklären, schrieb er sie dennoch in guter Absicht und einem ehrlichen Verlangen, das Leben des Franziskus wahrheitsgetreu nachzuzeichnen.

II. Die Kindheit und Jugend des Franziskus- Ausdruck einer Vorahnung?

Die Kindheit und Jugend des Franziskus ist eine besonderen Betrachtung Wert, weil in den unterschiedlichen Legenden ein durchaus gegensätzliches Bild dessen gezeichnet wird. Die unterschiedlichen Deutungen der Kindheit und Jugend Franziskus' machen deutlich, dass man äußerst vorsichtig in der Untersuchung der historischen Person Franziskus sein sollte, denn „gerade hier tritt hervor, dass die Chronisten des Mittelalters kein naturgetreues Bild seiner Persönlichkeit in ihren Entwicklungsphasen malen wollten.“18 Das spätere Bild, welches man von Franziskus' vermitteln wollte, bedingte, dass sich auch die Jugendgeschichten dieser Argumentation anpassen mussten. So entstanden zwei Richtungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Während die Einen davon ausgegangen sind, dass Franziskus in seiner Jugend den Sünden verfallen war, behaupteten Andere, dass die Kindheit eine Vorahnung seines zukünftig heiligen Lebens erlaubte. Wichtig wäre zu erfahren, was von den verschiedenen Positionen vertretbar und wahrscheinlicher erscheint. Die Betrachtung der Jugend ist insoweit wichtig, weil hierin die Grundlage der charakterlichen Darstellung gelegt wird.

Trotz der vielen Differenzen ist man sich über einzelne Aspekte seines Lebens sowohl in den Quellen, als auch in der Forschungsliteratur einig. Franziskus ist in Assisi geboren und hieß ursprünglich Giovanni Bernadone. Das genaue Geburtsdatum ist allerdings nicht bekannt. Er ist entweder Ende des Jahres 1181 oder Anfang 1182 geboren. Der Name „Franziskus“ lässt erneut viel Raum für Interpretation übrig. So wird auch in der Literatur rege spekuliert, wie der Namenswechsel von Giovanni auf Franziskus zustande kam. Durchgesetzt haben sich vor allem drei in der Forschung ausgiebig diskutierte Thesen. Die erste These geht davon aus, dass der Namenswechsel auf die französische Herkunft seiner Mutter zurückzuführen sei. Die zweite These beschreibt, dass ihm der Spitzname aufgrund der Handelsbeziehungen des Vaters nach Frankreich und seiner Begeisterung zum Land, erteilt wurde. Die letzte These geht davon aus, dass die Vorliebe Franziskus' zur französischen Sprache dazu führte, dass man ihm diesen Spitznamen gab.19 Die erste These ist die umstrittenste der Drei, da die Herkunft der Mutter nicht ausreichend belegt ist. Die beiden anderen Thesen sind dagegen durchaus realistischer. Zum einen hatte Franziskus tatsächlich eine Vorliebe für die französische Sprache, welche sich später vor allem darin äußerte, dass er seine innigsten Gefühle auf Französisch zum Ausdruck brachte.20 Zum anderen war der Vater ein sehr erfolgreicher Tuchhändler, welcher auch Fernhandel betrieben haben muss und somit eine Verbindung nach Südfrankreich bestand.21

Schon die Überlieferungen zur Geburt Franziskus machen deutlich, wie konstruiert die Kindheits- und Jugendgeschichten in Abhängigkeit zum jeweiligen Franziskus-Bild sind, denn „später ranken sich Legenden um seine Geburt, (die) (...) ihn in die Nähe Jesu rücken (sollen). Einmal wird seine Ankunft von einem Engel angekündigt, ein anderes Mal soll er in einem Stall zur Welt gekommen sein.“22 Diese Darstellungsweisen entsprechen den typischen hagiographischen Erzählungen von Heiligen des Mittelalters. Im Hinblick auf den Beruf seines Vaters und dem Stand seiner Familie sind solche Erzählungen allerdings recht unglaubwürdig. Aufgrund des Reichtums der Familie ist es wahrscheinlicher, dass er unter angenehmen Verhältnissen auf die Welt gebracht wurde, was wenig zur Geburtsgeschichte Jesus passen würde. „Deshalb pressten (die Chronisten) die ihnen überkommenden Nachrichten in ein vorgegebenes Gesamtschema.“23 So lässt sich erklären, wie es zu den gegensätzlichen Darstellungen der Kindheit und Jugend Franziskus' gekommen war. Während Thomas von Celano in seiner Vita prima das Leben des Franziskus vor der Bekehrung als ein Leben in völliger Sünde beschreibt, entdeckt Bonaventura „schon im Knaben fromme, beinahe heilige Züge“24 . Interessant ist vor allem der Sinneswandel Celanos in seiner zweiten Lebensbeschreibung zu Franziskus. Unter eventuellem Druck der Ordensmitglieder schreibt er also in der Vita secunda, wie die Mutter des Franziskus die heilige Zukunft des Sohnes prophezeite. Dort heißt es: „Ihr werdet sehen, dass er dank seiner Verdienste ein Kind Gottes sein wird.“25 Dementsprechend sollte erneut angemerkt werden, dass die verschiedenen Überlieferungen mit Vorsicht zu betrachten sind. Während in der ersten Celano Vita ein extremer Bruch zwischen Jugend und Heiligenleben dargestellt wird, neigt Celano in der zweiten Vita eher dazu, in der Kindheit Franziskus' göttliches Walten erkennen zu wollen. Bonaventura geht in seiner Darstellung einen Schritt weiter und „formt Franz' Jugendgeschichte nach dem Bild der Kindheitsgeschichte Jesu um.“26 Nun kann spekuliert werden, ob sich eine solche Vorahnung in der Kindheit des Franziskus wirklich abzeichnete. Es ist also eine Frage der Veranlagung Franziskus. Deutete schon seine Kindheit auf eine göttliche Fügung hin, die sich im Laufe seines Lebens nur stärker ausbilden sollte? Dazu schreibt Wendelborn, dass die Forscher dazu tendieren, „die Darstellung 1 Cel für historisch echt und die folgende für dogmatisch zu erklären.“[27] Demnach habe Franziskus vor seiner Bekehrung tatsächlich ein wenig tugendhaftes Leben geführt. Diese Position wird dadurch verstärkt, dass Franziskus selbst vermutlich der gleichen Ansicht war. Denn in seinem Testament beschreibt Franziskus sein vorheriges Leben, als ein Leben in Sünde27 . Aus heutiger Sicht wäre diese Einschätzung eventuell zu dramatisiert, aber unter zeitgenössischer Betrachtung und im Kontrast zu seinem späteren Heiligenleben, muss einem sein Jugendleben durchaus frevelhaft vorgekommen sein. Die restliche Analyse seiner Jugend folgt also nach dem Sinne der ersten Celano Vita, weil davon auszugehen ist, dass die weiteren Viten von Thomas ein zu idealisiertes Bild vermitteln wollten.

Wie also kann man sich dieses scheinbar sündhafte Leben des Heiligen vorstellen? Darüber hat Celano in seiner ersten Vita wie bereits erwähnt ausführlich berichtet. Geprägt von seinen Eltern, die der sündhaften Zeit verfallen waren, lebte auch Franziskus ein klägliches Leben.28 Die Erziehung des Franziskus scheint in den Augen von Thomas als durchwegs gescheitert. Die Eltern seien wie alle anderen Christen zu der Zeit, so von Eitelkeit und Hoffärtigkeit eingenommen, dass sie „schon von der Wiege an, die Kinder allzu nachlässig und leichtsinnig zu erziehen“29 vermochten. Hier äußert Thomas eine Kritik an die gesamte Christenheit der Zeit und stellt die Behauptung auf, dass sie nur noch dem Namen nach Christen waren.“30 Die von Celano so extrem dargestellte Lasterhaftigkeit der Eltern ist vor allem seiner Perspektive zuzuschreiben. Die Mitglieder des Bettlerordens standen jedem Reichtum grundsätzlich negativ gegenüber. So muss auch der Reichtum der Eltern als negativ bewertet worden sein. Blickt man aber aus heutiger Sicht rational auf das Geschehen, ist davon auszugehen, „dass die Eltern des Franziskus ein durchaus normales Leben führten und sich keineswegs amoralischer Exzesse und Lasten hingaben.“31 Geprägt von der Zeit des wirtschaftlichen Umbruchs in Italien und dem Reichtum der Eltern wurde also auch Franziskus ein Freund des Geldes. Sein Geld nutzte er, um sein Bedürfnis in allem der Beste und Auffälligste zu sein, befriedigen zu können. Seine verschwenderische Art brachte er vor allem durch auffällige und aufwendige Kleidung zum Ausdruck.32 Doch nicht nur in seiner Optik, sondern auch in seiner Persönlichkeit versuchte er, aufzufallen. So galt er als „Anstifter zu bösen

Streichen und Eiferer für Torheiten.“33 Aufgrund der Erzählungen in den Quellen und der Literatur scheint es, dass Franziskus der Anführer einer Gruppe Jugendlicher gewesen ist, die im Leichtsinn durch die Straßen zogen und „mit Freß- und Saufgelagen“34 ihr Geld verprassten. Nüchterner ausgedrückt bedeutet dies, dass Franziskus „ein Leben der Zufriedenheit, des Genusses, (und) der Freude“35 lebte.

Trotz der „exzentrischen Züge seines Wesens“36, wurde Franziskus von seinen Mitmenschen als liebenswürdig und angenehm bewertet.37 Neben den schlechten Charaktereigenschaften, die Celano über Franziskus aufzeigt, macht er allerdings ebenso deutlich, dass im Inneren ein guter Charakter steckte. So war Franziskus laut der Legende ein „umsichtiger Kaufmann“38 und allgemein ein „sehr freundlicher, gewandter und leuchtsinniger Mensch.“39 Ähnlich positiv berichtet man auch in der Literatur über den Charakter Franziskus'. So schreibt Feld, dass Franziskus in seiner Gesinnung und seinem Umgang mit Menschen äußerst vornehm war, was „nicht bloß eine oberflächliche, ritterlich sein wollende Manier, sondern eine tiefer sitzende Charaktereigenschaft (war), der er lebenslang treu geblieben ist.“40 Eine solche Ansicht und Einschätzung des Charakters haben viele weitere Autoren in ihren Werken zum Ausdruck gebracht. So schlägt Wendelborn die Brücke zwischen dem Jugendleben und dem späteren Heiligenleben des Franziskus, in dem er beschreibt, dass „die ungewöhnliche Persönlichkeit, die mit ihrem seelischen Reichtum und ihrer Ausstrahlungskraft viele in ihren Bann zog“41 sich schon in der Jugend ausbildete. Festzuhalten ist demnach, dass Franziskus durchaus auch in seiner scheinbar wilden Jugend starke Charaktereigenschaften aufbaute, die er lebenslang behielt. Hierin äußert sich die Gegenthese zum angeblich absoluten Bruch mit seiner Vergangenheit. Im Hinblick auf seine Lebensweise erfolgten nach der Bekehrung durchaus ein radikaler Bruch und der Beginn eines komplett neuen Lebens. Doch nicht in allen Aspekten ist der Bruch so deutlich. So blieben viele Grundmuster seines Handelns gegenüber seinen Mitmenschen auch nach seiner Bekehrung bestehen. Eine Vorahnung der Nähe zu Jesus machte sich in seiner Jugend bzw. Kindheit höchstwahrscheinlich nicht bemerkbar. Auch wenn dies an einigen Stellen der frühen Quellen behauptet wird, ist es doch nur ein Ausdruck dessen, die Persönlichkeit des Franziskus besonders emporzuheben zu wollen. Doch lässt der tugendhafte Charakter vermuten, dass im Inneren des Franziskus mehr steckte, als ein Verfallener der Zeit. Eine Vorahnung seines edlen Charakters war demnach eher das Ergebnis seiner Jugend.

[...]


1 Feld, Helmut: Franziskus von Assisi und seine Bewegung, Darmstadt, 1994, S.1.

2 Reblin, Klaus: Franz von Assisi. Der rebellische Bruder, Göttingen, 2006, S.7.

3 Ebd.

4 Vgl. Thomas, von Celano: Leben und Wunder des heiligen Franziskus von Assisi, übers. u. hrsg. v. Grau, Engelbert, München, 1955, S.68: „Es berichtet auch von der Huldigung und Verehrung, von Lob und Ruhm, die ihm der glorreich regierende Papst Gregor mit allen Kardinälen der heiligen Römischen Kirche ehrerbietigst erwiesen, indem sie ihn in das Verzeichnis der Heiligen aufnahmen.“

5 Vgl. Grau: Leben und Wunder des heiligen Franziskus, S.28.

6 Ebd.

7 Vgl. Ebd., S.29.

8 Ebd., S.30.

9 Ebd., S.67.

10 Wendelborn, Gert: Franziskus von Assisi. Eine historische Darstellung, Wien et. al., 1977, S.86.

11 Grau: Leben und Wunder des heiligen Franziskus, S.54.

12 Le Goff, Jacques: Franz von Assisi, übers. u. hrsg. v. Grube, Jochen, Stuttgart, 2006, S.44.

13 Grau: Leben und Wunder des heiligen Franziskus, S.35.

14 Goetz, Walter: Die Quellen zur Geschichte des hl. Franz von Assisi. Eine kritische Untersuchung, Gotha, 1904, S.71.

15 Reblin: Franz von Assisi, S.12.

16 Grau: Leben und Wunder des heiligen Franziskus, S.56.

[17] Lehmann, Leonhard: Einführung in die hagiografischen Quellen, in: Berg, Dieter/ Lehmann, Leonhard (Hrsg.): Franziskus-Quellen. Die Schrift des heiligen Franziskus, Lebensbeschreibungen, Chroniken und Zeugnisse über ihn und seinen Orden, Kevelaer, 2. Aufl., 2014, S.147-164, hier: 153.

18 Wendelborn: Franziskus von Assisi, S.101.

19 Le Goff: Franz von Assisi, S. 48.

20 Vgl. Wendelborn: Franziskus von Assisi, S.106.

21 Vgl. Ebd., S.104.

22 Dieterich, Veit-Jakobus: Franz von Assisi, Hamburg, 1995, S.38.

23 Wendelborn: Franziskus von Assisi, S.101.

24 Dieterich: Franz von Assisi, S.38.

25 Grau: Leben und Wunder des heiligen Franziskus, S.231.

26 Wendelborn: Franziskus von Assisi, S.102.

27Franziskus, von Assisi: Testament, in: Berg, Dieter/ Lehmann, Leonhard (Hrsg.): Franziskus-Quellen. Die Schrift des heiligen Franziskus, Lebensbeschreibungen, Chroniken und Zeugnisse über ihn und seinen Orden, Kevelaer, 2. Aufl., 2014, S.56-60, hier: 59.

28 Vgl. Grau: Leben und Wunder des heiligen Franziskus, S.71.

29 Ebd., S.69.

30 Ebd., S.70.

31 Feld: Franziskus von Assisi und seine Bewegung, S.104.

32 Vgl. Ebd., S.107.

33 Grau: Leben und Wunder des heiligen Franziskus, S.71.

34 Feld: Franziskus von Assisi und seine Bewegung, S.107.

35 Dieterich: Franz von Assisi, S.39.

36 Wendelborn: Franziskus von Assisi, S.106.

37 Vgl. Feld: Franziskus von Assisi und seine Bewegung, S.108.

38 Grau: Leben und Wunder des heiligen Franziskus, S.71

39 Ebd.

40 Feld: Franziskus von Assisi und seine Bewegung, S.108.

41 Wendelborn: Franziskus von Assisi, S.108.

Fin de l'extrait de 26 pages

Résumé des informations

Titre
Der zweite Christus? Die frühe Historiographie zu Franziskus von Assisi
Université
University of Cologne  (Historisches Institut)
Note
1,0
Auteur
Année
2017
Pages
26
N° de catalogue
V1131535
ISBN (ebook)
9783346522191
ISBN (Livre)
9783346522207
Langue
allemand
Mots clés
christus, historiographie, franziskus, assisi
Citation du texte
Halima Achhoud (Auteur), 2017, Der zweite Christus? Die frühe Historiographie zu Franziskus von Assisi, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1131535

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