Deutsche Sicherheitsgesetze im Spannungsfeld von Grundrechten und innerer Sicherheit - eine ethische Analyse


Hausarbeit, 2007

44 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Das Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit
2.1 Die Grundrechte
2.2 Sicherheit im Verfassungsrecht
2.2.1 Sicherheit in der Staatstheorie
2.2.2 Die Dogmatik grundrechtlicher Schutzpflichten
2.3 Freiheit im Verfassungsrecht
2.3.1 Freiheit in der Staatstheorie
2.3.2 Staatsziel Freiheit
2.4 Der Ausgleich von Freiheit und Sicherheit
2.4.1 Das Verhältnismäßigkeitsprinzip
2.4.2 „In dubio pro libertate“
2.5 Zwischenfazit

3. Menschenrechtliche Erfordernisse bei der Bekämpfung des Terrorismus

4. Kritische Betrachtung zentraler Sicherheitsgesetze unter ethisch-rechtlichen Aspekten
4.1 Das Folterverbot
4.1.1 Menschenwürde und Folterverbot
4.1.2 Negierung der Würde in der Folter
4.1.3 Die Ausnahmslosigkeit des Folterverbots
4.2. Das Luftsicherheitsgesetz
4.2.1 Verletzung der Menschenwürde als Begründung
4.2.2. Weitere ethisch-rechtliche Einwände
4.3 Das Gemeinsame-Dateien-Gesetz und die Anti-Terror-Datei
4.3.1 Das Trennungsgebot
4.3.2 Das Gemeinsame Dateien Gesetz
4.3.2 Die Anti-Terror-Datei
4.3.3 Die Projektdateien
4.3.4 Grundrechtsrelevanz von Datenübermittlungen
4.4 Weitere Sicherheitsgesetze im Überblick
4.4.2 Die Rasterfahndung
4.4.3 Vorratsdatenspeicherung
4.4.4 Die Online-Durchsuchung
4.5 Zwischenfazit

5. Zur Evaluierung neuer Gesetze zum Schutz der inneren Sicherheit

6. Fazit

Literatur:

1. Einleitung

Die Terroranschläge auf das World Trade Center am 11.09.2001, sowie die von Madrid und Beslan haben auf der ganzen Welt die Einschätzung terroristischer Bedrohung geändert. Mit ihnen hat der Terror offenbar eine neue Dimension erreicht, denn im Gegensatz zu früheren Gewaltakten, geht es nun nicht mehr darum staatliche Institutionen und Würdenträger zu treffen, im Mittelpunkt steht vielmehr das Ziel eine möglichst große Anzahl von Menschen in den Tod zu reißen. Die dadurch neu entstandenen Bedrohungsszenarien stellen dabei die schutzlose Bevölkerung in den Mittelpunkt. Bis dato noch unübliche Terrorakte wie z.B. das geplante Abstürzenlassen zuvor entführter Passagierflugzeuge, sowie der Einsatz von Massenvernichtungswaffen, wie z.B. einer „schmutzigen Bombe“ oder chemischer bzw. biologischer Kampfstoffe scheinen denkbar. Seitdem beherrscht mehr denn je, das Thema Sicherheit die politischen Debatten, mit dem Ergebnis, dass es im Zuge der beschriebenen Ereignisse und in Folge der innenpolitischen Debatten zur raschen Verabschiedung einer Reihe von Sicherheitsgesetzen kam. Diese bedeuten eine erhebliche Ausweitung der Aufgaben und Befugnisse von Polizei und Geheimdienst und in vielen Fällen gleichzeitig eine Einschränkung der Grundrechte der betroffenen Bürger.

Es hat sich in der jüngsten Vergangenheit deutlicher denn je gezeigt, dass die individuelle Freiheit und die Sicherheit aller, dass die Staatsaufgabe der Gewährleistung grundrechtlich geschützter Freiheiten und die Staatsaufgabe der Sorge und Vorsorge für die Sicherheit des Gemeinwesens in ein Spannungsverhältnis zueinander treten können (vgl. Denninger 2004, o.S.). Genau diesem Spannungsfeld widmet sich die vorliegende Arbeit. Unter Bezugnahme staatstheorethischer Grundlagen soll zuerst das komplexe Verhältnis von Freiheit und Sicherheit im Allgemeinen betrachtet werden. Im zweiten Teil der Arbeit sollen dann zentrale Sicherheitsfragen und sicherheitspolitische Entscheidungen unter ethisch-rechtlichen Gesichtspunkten und vor dem Hintergrund der angesprochenen Diskussion um Freiheit und Sicherheit dargestellt werden.

2. Das Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit

Unter dem Eindruck des Massakers im kaukasischen Beslan, gaben nach einer Umfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach 57% der Befragten an, eine Einschränkung ihrer Freiheitsrechte im Rahmen der Terrorismusbekämpfung zu akzeptieren. Dieses Ergebnis unterstreicht auch die Aussage des Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Winfried Hassemer. Dieser spricht in dem Zusammenhang von einer tektonischen Verschiebung der Grundrechte und vertritt hierbei gleichzeitig die Meinung, dass Bürger heute wohl nicht mehr für ihre Rechte auf die Strasse gehen würden (vgl. Schwarz 2005, S. 29). Demnach entwickelten die Bürger eine Affinität zum Rechtsstaat. Ein Diktum von Hannah Arendt besagt darüber hinaus, dass „…die Bedrohung der Freiheit in der modernen Gesellschaft (…) nicht vom Staat, wie der Liberalismus annimmt, sondern von der Gesellschaft“ (Arendt 1960, S. 331) kommt. Dies erweckt den Eindruck als würden sich die Bürger nach einem Machtsstaat sehnen. Dies trifft natürlich nur auf einen Teil der Bürger zu - spiegelt jedoch die Problematik politischer Diskussionen seit den Anschlägen auf das World-Trade-Center wieder. Selbst ein Machtstaat der dem Schutz der Grundrechte vor Angriffen und der Gewährleistung von innerer Sicherheit verpflichtet ist, darf im Zuge dessen nur verfassungskonforme Mittel zur Anwendung bringen. Es existiert hierbei ein Konflikt, der durch den plakativen Satz von Freiheitsgewährleistung durch Freiheitsbeschränkung verdeutlicht wird (vgl. Schwarz 2005, S. 29). Gleichzeitig lässt sich dieser Konflikt mit folgenden Worten des Bundesverfassungsgerichts nachvollziehen:

„Es wäre eine Sinnverkehrung des Grundgesetzes, wollte man dem Staat verbieten, terroristischen Bestrebungen, die erklärtermaßen die Zerstörung der freiheitlich demokratischen Grundordnung zum Ziel haben und die planmäßige Vernichtung von Menschenleben als Mittel zur Verwirklichung dieses Vorhabens einsetzen, mit den erforderlichen rechtsstaatlichen Mitteln wirksam entgegenzutreten. Die Sicherheit des Staates als verfasster Friedens- und Ordnungsmacht und die von ihm zu gewährleistende Sicherheit seiner Bevölkerung sind Verfassungswerte, die mit anderen im gleichen Rang stehen und unverzichtbar sind, weil die Institution Staat von ihnen die eigentliche und letzte Rechtfertigung herleitet.“ (BVerfGE 49, 23 (S. 56 f.)

Wenn nun Sicherheit eine zentrale Aufgabe des Staates ist - die in der Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten des Staates eine Konkretisierung erfährt - so darf trotzdem nicht vergessen werden, dass diese Staatsaufgabe durch die Verfassung gebändigt ist. Vor allem die Grundrechte tragen insofern besondere Relevanz, da sie auf eine Relativierung staatlicher Gewalt einwirken. Folge moderner Staatlichkeit wäre somit eine Bindung des Staates an eine gewaltenteilende, liberale und demokratische Verfassung. Die Frage die sich in diesem Zusammenhang mit den jüngsten Entwicklungen der deutschen Sicherheitspolitik stellt, ist ob das richtige Verhältnis von Freiheit und Sicherheit noch gewahrt ist, bzw. wie dieses denn überhaupt auszusehen hat. Wären hierbei Freiheit oder Sicherheit vorrangig? Diese Frage soll nachfolgend untersucht werden. Zuvor gilt es noch einige grundsätzliche Überlegungen im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit anzustellen.

2.1 Die Grundrechte

Die Grundrechte spielen in der Diskussion um den Konflikt zwischen Freiheit und Sicherheit eine zentrale Rolle. Im juristischen Sinne werden unter dem Begriff „Grundrechte“ sowohl Bürger- als auch Menschenrechte zusammengefasst. Im Gegensatz zu den Menschenrechten, die jeden Menschen im Geltungsbereich der jeweiligen Kodifikation schützen, werden Bürgerrechte nur den jeweiligen Staatsangehörigen zuerkannt. Die Grundrechte sollen die Freiheitssphäre des Einzelnen gegen Eingriffe der staatlichen Gewalt schützen. Sie sichern dadurch auch gleichzeitig die Voraussetzung für eine freie und aktive Mitwirkung und Mitgestaltung im Gemeinwesen (vgl. Roggan 2007, S. 27). Die Grundrechte sind in den Verfassungen der meisten europäischen Staaten kodifiziert. Darüber hinaus sind sie auch auf völkerrechtlicher Ebene verankert, beispielsweise in der europäischen Menschenrechtskonvention von 1959, in dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966 sowie in dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966 (vgl. Lange 2006, S. 117).

Die im Grundgesetz verankerten Grundrechte haben Vorrang vor dem „einfachen“ Recht. Über die Einhaltung der Grundrechte wacht nicht nur das Bundesverfassungsgericht - auch alle anderen Gerichte müssen sie bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. Bei Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskonvention, können diese nach Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges vor dem Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg geltend gemacht werden (vgl. Lange 2006, S. 117).

Im Rahmen der Inneren Sicherheit spielen unter den Grundrechten vor allem die Grundrechte der Person sowie die Verfahrensgarantien eine wichtige Rolle. Diese Schutzgewährleistungen begrenzen das Eingriffshandeln der Polizei und der anderen Sicherheitsbehörden und dienen als Maßstab einer effektiven gerichtlichen Kontrolle solcher Maßnahmen. Ein solches Eingriffshandeln ist nur nach Maßgabe der entsprechenden gesetzlichen Eingriffsbefugnisse sowie unter Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (siehe 2.4.1) zulässig (vgl. Lange 2006, S. 118).

2.2 Sicherheit im Verfassungsrecht

Sicherheit ist die Legitimation des modernen Staates. Dieser Staat hat die Aufgabe seine Bürger zu schützen. Im Zuge der Diskussion um das Spannungsverhältnis von Grundrechten und Innerer Sicherheit ist eine Betrachtung der staatstheoretischen Hintergründe unabdingbar.

2.2.1 Sicherheit in der Staatstheorie

Der englische Philosoph Thomas Hobbes (1588-1679) entwickelte in seinen Schriften „De Cive“ (1641) und „Leviathan“ seine bis heute prominente Staatszwecklehre. Diese behandeln inhaltlich die Legitimation des souveränen Staates durch die Gewährleistung von Sicherheit durch den Staat. Ausgangspunkt in Hobbes Modell ist der gedachte Naturzustand zwischen den Menschen, der Krieg untereinander in ihrem unstillbaren Hunger nach Macht und Reichtum (vgl. Hobbes 1965, S.98 f.). Er stellt diesem Naturzustand die Regeln der Vernunft als „gesellschaftliche Naturgesetze“ gegenüber. Nach Hobbes bedürfe es eines Gesellschaftsvertrages, dessen Einhaltung von einer übergeordneten Macht durchgesetzt und überwacht werden müsse. Diese Aufgabe habe der Staat zu übernehmen.

„Wo es keinen Staat gibt, gibt es … kein Unrecht. Die Gerechtigkeit beginnt erst mit der Gründung wirksamer Verträge. Und Verträge können erst dann wirksam werden, wenn es eine öffentliche Gewalt gibt, deren Kraft genug ist, die Menschen zu der Einhaltung von Verträgen zu zwingen“ (Hobbes 1965, S.114 f.).

Zur Erreichung des Staatszwecks sei jeder Einzelne dazu verpflichtet, alle Handlungen und Befehle des Souveräns als seine eigenen anzusehen. Die Möglichkeit des Machtmissbrauchs erscheint Hobbes dabei als ausgeschlossen (vgl. Roggan 2007, S. 27). Nach Hobbes werden Legitimation und Autorität des Staates nicht von Gott und Natur abgeleitet. Seine Rechtfertigungsmethode ist modern und reflexiv. Sein Fundament des Gesellschaftsvertrages ist heute noch Basis für gesellschaftliche Theorien, u.a. von Rawls und Buchannan. Darin wird auch die große Bedeutung seiner Lehre gesehen (vgl. Kersting 1994, S. 12).

Im Gegensatz dazu sieht der englische Philosoph John Locke (1632-1704) klar die Möglichkeit des Missbrauchs der Staatsgewalt. Zwar hat auch nach Locke der Staat die Aufgabe, die Sicherheit der Bürger und ihr Eigentum zu schützen, gleichzeitig warnt er aber auch vor den Schwächen der menschlichen Natur, welche stets bereit sei, nach der Macht zu greifen (vgl. Locke 1977, S. 267). Aus diesem Grund plädiert er für Gewaltenteilung. Denn diejenigen Personen, die für die Gesetzgebung verantwortlich seien, dürfen nicht zugleich auch die Macht haben, diese Gesetze zu vollstrecken (vgl. Locke 1977, S. 291). In diesem Zusammenhang kann Locke zugeschrieben werden, als erster die Ambivalenz der Staatsaufgabe Sicherheit erkannt und verdeutlicht zu haben. Zusätzlich betont Locke im Unterschied zu Hobbes die Rechtsbindung des Souveräns durch feste und öffentlich bekannt gemachte Gesetze. Er hat somit maßgeblichen Anteil an der Lehre der Bindung staatlicher Gewalt (vgl. Schwarz 2005, S. 36).

Somit wird deutlich, dass die Staatsgewalt einerseits die Sicherheit der Bürger schützen kann, anderseits kann sie aber auch selbst zur Bedrohung dieser Sicherheit werden. Innere Sicherheit kann daher zwar durch den Staat hergestellt werden, sie kann aber auch in der Tradition der französischen Revolution, im Schutz vor dem Staat bestehen (vgl. Roggan 2007, S. 27). Sicherheit in einem staatsabwehrenden Sinne kann vor diesem Hintergrund auch als Rechtssicherheit verstanden werden. „Je mehr aber demgegenüber „innere Sicherheit“ als Auftrag an den Staat zum Schutz vor Dritten verabsolutiert wird, umso intensiver stellt sich das Problem einer Gefährdung von verfassungsmäßig verbürgten Freiheitsrechten.“ (Roggan 2007, S.28)

Vergleicht man nun die Gesellschaftsvertragstheorien mit dem Grundgesetz unseres Verfassungsstaates, so wird deutlich, dass kein textlich nachweisbares Verfassungsrechtsgut „Sicherheit“ enthalten ist. Dieser Umstand resultiert sicherlich aus der Reaktion des Grundgesetzgebers auf den Missbrauch der Staatsmacht in der NS-Zeit. Daher bildet „Freiheit“ den herausragenden Verfassungswert. Allerdings ist das Grundgesetz bezüglich des Sicherheitsgedankens nicht rechtlich indifferent, wie im Folgenden aufgezeigt werden soll (vgl. Schwarz 2005, S. 38).

2.2.2 Die Dogmatik grundrechtlicher Schutzpflichten

Um das Fehlen einer Positivierung der Sicherheit im Grundgesetz zu kompensieren, wurde die Rechtsfigur der grundrechtlichen Schutzpflichten geschaffen. Die Rechtsfigur der Grundrechtlichen Schutzpflichten ist eine relativ junge Entdeckung der Grundrechtslehre. In diesem Zusammenhang war insbesondere die erste Abtreibungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts wegweisend. Das Verfassungsgericht hat eine umfassende Pflicht des Staates, jedes menschliche Leben zu schützen, unmittelbar aus Art. 2 II GG und auch aus Art. 1 I S. 2 GG abgeleitet BVerGE 39, 1 (42). Explizite Schutzgewährleistungen finden sich in einzelnen Bestimmungen des Grundgesetzes. Hingegen werden allgemeine grundrechtliche Schutzpflichten in dogmatisch unterschiedlicher Weise begründet. Neben der Herleitung des Bundesverfassungsgerichts, existiert noch ein staatstheoretischer Ansatz, welcher in der Literatur zumeist bevorzugt wird (vgl. Schwetzel 2006, S. 10).

Die Herleitung im Sinne des staatstheoretischen Ansatzes gründet auf dem staatsrechtlichen Verständnis von Sicherheit (Issensee 1983, S. 34 ff.)

„Sicherheit ist der fundamentale Zweck, um dessentwillen der moderne Staat besteht und um dessentwillen er mit Gehorsamsanspruch, Macht und Gewaltmonopol ausgestattet ist.“ (Issensee 2004, S. 83)

Auf der anderen Seite obliegt dem Bürger die Pflicht sich physischer Gewalt zu enthalten. Im Gegenzug wird dem Bürger Sicherheit versprochen. Diese Sicherheit wird auf Verfassungsebene durch die Grundrechte, genauer gesagt durch die grundrechtlichen Schutzpflichten, abgesichert. Diese Sicherheitsgewährleitung ist nun nicht mehr nur als Abwehrrecht gegen den Staat zu verstehen, sondern auch als Verpflichtung des Staates gegen Rechtsbeeinträchtigungen Dritter, vorzugehen (vgl. Schwetzel 2006, S. 11). Die „Entdeckung“ der Grundrechte als grundrechtliche Schutzpflichten erinnern in diesem Zusammenhang an die Lehren Hobbes, in welchen Sicherheit als Grundvorraussetzung für Freiheit galt. Die Bedeutung der Schutzpflichten ist unverkennbar. Sie sind das verfassungsrechtliche Grundgerüst der staatlichen Sicherheitsaufgabe. So können bei einer Abwägung Sicherheitsbelange grundrechtlichen Abwehrrechten ranggleich gegenüber gestellt werden (vgl. Schwetzel 2006, S. 9).

An dieser Stelle sollte jedoch vermerkt werden, dass diese Herleitung der Schutzpflichten nicht unumstritten ist. Kritiker führen an, dass dadurch die ursprüngliche Stoßrichtung von Grundrechten als Freiheitsgewährleistungen in ihr Gegenteil verkehrt wird. Die Grundrechte - welche eigentlich an der Spitze der Verfassung stünden - würden unterwandert. Ein solches Verfahren, widerspreche dem Grundgesetz (vgl Roggan 2007, S.28)

2.3 Freiheit im Verfassungsrecht

Freiheit ist in Abgrenzung zur Sicherheit als Schutz des Bürgers vor staatlichen Maßnahmen definiert. Freiheitsrechte gewähren Ansprüche gegen den Staat auf Beseitigung bestehender und auf Unterlassung bevorstehender Störungen. „Freiheit ist nach heute verbreiteter Auffassung der Raum, der - dem Recht grundsätzlich vorausliegend - dem Bürger nach Abzug der gesetzlich festgelegten staatlichen Eingriffsmöglichkeiten verbleibt.“ (Schwetzel 2006, S. 79). Analog zum Sicherheitsbegriff soll nachfolgend der Begriff der Freiheit vor staatstheoretischem Hintergrund betrachtet werden.

2.3.1 Freiheit in der Staatstheorie

Die Idee der Freiheit existierte bereits in der Antike und im römischen Reich. Schon Aristoteles und Epikur behandelten die Thematik der Freiheit von politischem Despotismus. Ebenso sah Hobbes die Gefahr der staatlichen Unterdrückung, ohne allerdings die erforderlichen Konsequenzen zum Schutz davor zu entwickeln. Erst Locke entwickelte in der Tradition des Naturrechts seine Freiheitslehre. Diese besagt u.a., dass zur Überwindung der bedrohten natürlichen Freiheit des Menschen, ein Gesellschaftsvertrag geschlossen wird und so die natürliche Freiheit zur gesellschaftlichen Freiheit wird. Diese Freiheit sei aber auch „nur“ gesellschaftliche Freiheit. Ihr Ausmaß wird vom Gesetz bestimmt und sie verfügt auch grundsätzlich über keine staatsfreien Räume (vgl. Schwetzel 2006, S. 82). Damit waren die philosophischen Ansätze zur Herausbildung von Grundrechten gegeben. Es fehlte allerdings an einer Positivierung im geltenden Recht, sowie an der Aufnahme in die Verfassung. Diese Errungenschaft vollzog in sich erst mit der Virginia Bill of Rights von 1776, welche den Beginn der modernen Grundrechtsgeschichte markiert (vgl. Grimm 1994, S. 82). Die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 enthält ebenfalls einen Katalog von Menschenrechten, der sich am amerikanischen Vorbild orientiert. Allerdings sprachen die Franzosen ihren Menschen- und Bürgerrechten einen überpositiven Charakter zu. Im Gegensatz zur Bill of Rights fehlte der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte ihre fundamentale Geltungskraft, was auch ihre zentrale Schwäche darstellt (vgl. Stern 1988, III/1, S.98). In Deutschland gaben die Erfahrungen der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus den entscheiden Ausschlag für den Grundgesetzgeber die Grundgesetze als unmittelbar geltendes Recht zu entwerfen. Freiheit stellt im Grundgesetz einen herausragenden Verfassungswert dar.

[...]

Ende der Leseprobe aus 44 Seiten

Details

Titel
Deutsche Sicherheitsgesetze im Spannungsfeld von Grundrechten und innerer Sicherheit - eine ethische Analyse
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Veranstaltung
Katholische Sozialethik
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
44
Katalognummer
V113303
ISBN (eBook)
9783640138579
ISBN (Buch)
9783640138753
Dateigröße
573 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Deutsche, Sicherheitsgesetze, Spannungsfeld, Grundrechten, Sicherheit, Analyse, Katholische, Sozialethik
Arbeit zitieren
Christian Ziegler (Autor:in), 2007, Deutsche Sicherheitsgesetze im Spannungsfeld von Grundrechten und innerer Sicherheit - eine ethische Analyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113303

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