Die Verringerung sozialer Ungleichheit im deutschen Bildungssystem durch Ganztagsschulen

Potenziale und Grenzen der Ganztagsschule


Hausarbeit, 2021

26 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Soziale Ungleichheit im Bildungskontext
2.1 Definition Soziale Ungleichheit
2.2 Bildung als eine zentrale Dimension sozialer Ungleichheit
2.2.1 Ungleiche Bildungsbeteiligung in Deutschland
2.2.2 Ungleiches Bildungsgeschehen in Deutschland

3 Theorien zur Erklärung von sozialer Ungleichheit im Bildungssystem
3.1 Primäre und sekundäre Effekte familiärer Herkunft nach Boudon
3.2 Institutionelle Diskriminierung

4 Das Konzept von Ganztagsschulen in Deutschland

5 Potenziale und Grenzen der Ganztagsschule
5.1 Elterliche Entlastung
5.2 Schulleistungen
5.2.1 Lesekompetenz
5.2.2 Allgemeine Schulleistungen
5.3 Institutionelle Diskriminierung in der Ganztagsschule
5.4 Unterstützung beim Übergang in die ganztägige Sekundarstufe

6 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

In Deutschland ist der Zugang zu Bildung so stark an die soziale Herkunft gekoppelt wie in keinem anderen OECD-Staat. Besonders Kinder aus Familien mit einem niedrigen sozioökonomischem Status und Kinder mit einem Migrationshintergrund wiesen in der Pisa-Studie 2001 ungenügende schulische Kompetenzen auf. Dieser Befund wurde in den folgenden Jahren immer wieder bestätigt (vgl. Züchner & Fischer 2014: 351). Personen mit Migrationshintergrund sind Personen, welche im Ausland geboren sind, über eine ausländische Staatsangehörigkeit verfügen oder eine ausländische Sprache als Muttersprache erlernt haben (vgl. Bundesinstitut für Berufsbildung 2018: 231). Der sozioökonomische Status von Familien wird gewöhnlich über den Beruf, das Einkommen sowie das Bildungsniveau der Eltern definiert (vgl. Ditton & Maaz 2011: 193).

Fehlende Bildung hat im weiteren Lebensverlauf schwerwiegende Folgen. Beispielsweise hat Bildungsarmut einen negativen Einfluss auf die finanzielle Situation, die Arbeitsbedingungen, die Familienplanung sowie das politische Interesse der betroffenen Personen. Ebenso ist die Gesundheit sowie die Lebenserwartung dieser Personen nachteilig betroffen (vgl. Quenzel & Hurrelmann 2010: 16; Hradli 2001: 31).

Um eine breitere und herkunftsunabhängige Bildungsbeteiligung zu gewährleisten, wird seit dem Jahr 2002 unter anderem der Ausbau von Ganztagsschulen in Deutschland vorangetrieben. Im Rahmen dieser Arbeit soll untersucht werden, ob dieser Ausbau wirksam ist. Es wird der Fragestellung nachgegangen, welche Potenziale und Grenzen Ganztagsschulen hinsichtlich der Verringerung von sozialer Ungleichheit im deutschen Bildungssystem aufweisen.

Zur Beantwortung der Forschungsfrage wird im zweiten Kapitel zunächst eine genaue Definition von sozialer Ungleichheit gegeben. Anschließend wird Bildung als eine zentrale Dimension von sozialer Ungleichheit eingeordnet. Weiterhin werden aktuelle exemplarische Befunde zur ungleichen Bildungsbeteiligung und zum ungleichen Bildungsgeschehen entlang des Migrationshintergrundes und des sozioökonomischen Status in Deutschland aufgezeigt. Im dritten Kapitel werden zwei Theorien aufgeführt, welche die soziale Ungleichheit im deutschen Bildungssystem auf verschiedene Weise erklären. Zuerst wird die Theorie von Raymond Boudon erläutert, welcher sich auf primäre und sekundäre Herkunftseffekte beruft. Daraufhin wird die institutionelle Diskriminierung als Erklärung angeführt. Im vierten Kapitel wird kurz das Konzept der Ganztagsschulen in Deutschland erklärt. Basierend auf den genannten Theorien werden im fünften Kapitel die Potenziale und Grenzen von Ganztagsschulen hinsichtlich der Verringerung von sozialer Ungleichheit im deutschen Bildungssystem aufgezeigt. Hierbei werden besonders Ergebnisse der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG) berücksichtigt, welche sich seit 2005 intensiv mit den Potenzialen von Ganztagsschulen in Deutschland beschäftigt. Im sechsten Kapitel werden die zentralen Ergebnisse dieser Arbeit zusammengefasst und ein kurzer kritischer Ausblick gegeben.

2 Soziale Ungleichheit im Bildungskontext

2.1 Definition Soziale Ungleichheit

Menschen nehmen als Angehörige sozialer Kategorien oder Gruppen soziale Positionen im Gesellschaftsgefüge ein. Diese sozialen Kategorien oder Gruppen sind zum Beispiel das Geschlecht, die Ethnie, die Religion sowie Bildungs- oder Berufsgruppen. Bei den sozialen Positionen handelt es sich um soziale Plätze in verschiedenen Institutionen einer Gesellschaft. Hier lässt sich beispielsweise der Arbeitsmarkt, das Bildungssystem, die Familie oder der Staat nennen (vgl. Solga et al. 2009: 14).

Unter sozialer Ungleichheit wird der ungleiche Zugang von Personen oder Gruppen einer Gesellschaft zu diesen sozialen Positionen verstanden. Diese sozialen Positionen sind entweder mit vorteilhaften oder nachteiligen Lebensbedingungen verbunden. Die soziale Ungleichheit stellt demnach eine regelmäßige sowie dauerhafte Form von Benachteiligung oder Privilegierung der sozialen Gruppen dar. Soziale Ungleichheit lässt sich zudem nicht durch individuelles Verhalten oder Denken beeinflussen. Darüber hinaus ist diese systematisch sowie nicht willkürlich und ist immer von Menschen gemacht (vgl. Solga et al. 2009: 15). Hradli (2001) fasst soziale Ungleichheit wie folgt zusammen:

„‚Soziale Ungleichheit‘ liegt dann vor, wenn Menschen aufgrund ihrer Stellung in sozialen Beziehungsgefügen von den ‚wertvollen Gütern‘ einer Gesellschaft regelmäßig mehr als andere erhalten“ (Hradli 2001: 30).

Als wertvolle Güter gelten zum Beispiel Geld, Bildung, Bildungsabschlüsse sowie gesunde Lebens- und Arbeitsbedingungen. Je mehr wertvolle Güter ein Mensch besitzt, desto günstiger sind seine Lebensbedingungen (vgl. Hradli 2001: 28).

Um soziale Ungleichheit im Rahmen dieser Arbeit näher zu bestimmen und zu erklären, lassen sich zwei Strukturebenen sozialer Ungleichheit anbringen. (1) Determinanten sozialer Ungleichheit bezeichnen die sozialen Merkmale von Personen, welche die Zugehörigkeit zu den sozialen Gruppen festlegen. Hier ist beispielsweise das Geschlecht, das Alter, die ethnische Zugehörigkeit oder die soziale Herkunft zu nennen. Die Zugehörigkeit zu den sozialen Gruppen ist, wie bereits erwähnt, die Basis für dauerhafte Vor- und Nachteile in bestimmten Lebensbedingungen (vgl. Hradli 2001: 34; Solga et al. 2009: 16). Weiterhin ist die Strukturebene der (2) Dimension zu nennen. Dimensionen sozialer Ungleichheit stellen die wichtigsten Arten von dauerhaften Vor- und Nachteilen dar. Hierbei ist vor allem das Einkommen, materieller Wohlstand, Prestige, Macht und heutzutage auch Bildung zu nennen (vgl. Solga et al. 2009: 18). Weiterhin sind Bereiche wie Arbeits-, Wohn,- Umwelt,- und Freizeitbedingungen anzuführen (vgl. Hradli 2001: 31).

2.2 Bildung als eine zentrale Dimension sozialer Ungleichheit

Bildung ist, wie bereits dargestellt, eine zentrale Dimension sozialer Ungleichheit und stellt zudem eine der wichtigsten sozialen Fragen des 21. Jahrhunderts dar. Bildung beschränkt sich hier jedoch nicht nur auf die allgemeinbildenden Schulen, sondern auch auf die Hochschulbildung, die berufliche Weiterbildung sowie das kontinuierliche und selbstgesteuerte Lernen (vgl. Becker & Lauterbach 2016: 13).

Drei Problemkontexte stehen bei der Betrachtung von sozialer Ungleichheit im Bildungssystem im Vordergrund: (1) Bildungsbeteiligung (2) Bildungsgeschehen (3) Übergang vom Bildungssystem in das Berufssystem (vgl. Löw & Geier 2014: 69). Im Rahmen dieser Arbeit soll lediglich auf die (1) Bildungsbeteiligung und das (2) Bildungsgeschehen eingegangen werden. Hierbei soll im Folgenden vor allem auf Befunde der Bildungsbeteiligung sowie des Bildungserfolgs von Schüler*innen in Deutschland in Abhängigkeit zum sozioökonomischen Status sowie zum Migrationshintergrund beleuchtet werden. Die soziale Herkunft sowie der Migrationshintergrund stellen zentrale Determinanten von sozialer Ungleichheit im deutschen Bildungssystem dar. Diese Determinanten fallen oft zusammen, da Familien mit einem Migrationshintergrund ebenfalls häufig einen niedrigen sozioökonomischen Status aufweisen. Dennoch greifen bei Schüler*innen mit Migrationshintergrund darüber hinaus noch andere Selektionsmaßnahmen als bei einheimischen Schüler*innen (vgl. Wiezorek et al. 2020: 78).

2.2.1 Ungleiche Bildungsbeteiligung in Deutschland

Zur Bildungsbeteiligung lässt sich angeben, dass die zunehmende Bildungsexpansion in Deutschland seit den 1950er Jahren insgesamt zu einer zunehmenden Bildungsbeteiligung in allen Sozialschichten führte. Dennoch ließ sich bereits damals eine ungleiche Bildungsbeteiligung an höherer Bildung feststellen. Beispielsweise hatten im Jahr 1965 Kinder von höheren Beamten eine 19 mal bessere Chance das Gymnasium zu besuchen als Kinder aus Arbeiterfamilien (vgl. Becker & Lauterbach 2016: 4).

Dieser Trend der ungleichen Bildungsbeteiligung nach sozioökonomischem Status ist auch heute noch sehr präsent in Deutschland. Die ehemaligen Arbeiterstadtteile des Ruhrgebietes weisen beispielsweise schwächere Übergangsquoten von der Grundschule auf weiterführende Schulen sowie weniger Personen mit einer Hochschulberechtigung auf (vgl. Bildungsbericht Ruhr 2020: 19).

Auf nationaler Ebene wird deutlich, dass ebenfalls für Schüler*innen aus Arbeitermilieus sowie unteren sozialen Schichten Barrieren im Zugang zu höherer Bildung bestehen. Im Jahr 2015 besuchten 55 % der 15-Jährigen aus der oberen Dienstklasse das Gymnasium, wohingegen dies nur auf 20 % der Jugendlichen aus Familien von un- und angelernten Arbeiter*innen zutraf (vgl. Müller & Ehmke 2016: 307). Auch der aktuelle nationale Bildungsbericht 2020 belegt, dass Schüler*innen aus Familien mit einem hohen sozioökonomischen Status mit 79 % fast drei Mal so häufig eine Gymnasiallaufbahn einschlagen als Schüler*innen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status (27 %) (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020: 116).

Betrachtet man den Migrationshintergrund der Schüler*innen wird deutlich, dass der Anteil von Schüler*innen mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit innerhalb der Schüler*innenschaft der Sekundarstufe I am Gymnasium im Jahr 2018 im Ruhrgebiet lediglich 8,4 % betrug. Im Gegensatz dazu waren 36,7 % Schüler*innen mit nicht-deutscher Herkunft an den Hauptschulen vertreten (vgl. Bildungsbericht Ruhr 2020: 111). Laut des nationalen Bildungsberichts 2016 besuchten im Schuljahr 2014/15 nur 24 % der Jugendlichen mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit im Vergleich zu 44 % der einheimischen Jugendlichen ein Gymnasium (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016: 173-174).

2.2.2 Ungleiches Bildungsgeschehen in Deutschland

Die qualitative Forschung beschäftigt sich im Rahmen des Bildungsgeschehens mit der Frage, wie soziale Ungleichheit in der Schule reproduziert wird. Hierbei spielt vor allem der Bildungserfolg der Schüler*innen eine zentrale Rolle. Dieser drückt sich zum Beispiel in den erreichten Kompetenzen, Noten oder Schulabschlüssen der Schüler*innen aus (vgl. Kuhnt 2017: 233). Die Sprachkompetenz stellt die entscheidende Schwierigkeit im deutschen Bildungssystem für eingewanderte Jugendliche dar (vgl. Löw & Geier 2014: 73). Es zeigt sich eine zunehmende Spreizung bei der Vergabe allgemeinbildender Schulabschlüsse. So sind Absolvent*innen im Ruhrgebiet mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit bei den Hauptschulabschlüssen deutlich überrepräsentiert (46,7 %). Bei den allgemeinen Hochschulreifen ist diese Gruppe hingegen deutlich unterrepräsentiert (6,5 %) (vgl. Bildungsbericht Ruhr 2020: 130-131). Darüber hinaus erreichen Schüler*innen mit Migrationshintergrund auch bundesweit seltener die Allgemeine Hochschulreife als Schüler*innen ohne Migrationshintergrund (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016: 175).

Weiterhin wiesen Schüler*innen mit Migrationshintergrund im Jahr 2018 signifikant geringere Leseleistungen sowie geringere Kompetenzen in den Naturwissenschaften auf als Jugendliche ohne Migrationshintergrund (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020: 139). Schüler*innen mit einem niedrigem sozioökonomischem Status weisen zudem beispielsweise am Gymnasium schlechtere Mathematiknoten auf als Schüler*innen aus privilegierten Haushalten. Dieser Rückstand kann dann jedoch meistens verbessert, dennoch nicht ganz aufgeholt werden (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020: 141).

[...]

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Die Verringerung sozialer Ungleichheit im deutschen Bildungssystem durch Ganztagsschulen
Untertitel
Potenziale und Grenzen der Ganztagsschule
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Soziologie)
Note
1,3
Autor
Jahr
2021
Seiten
26
Katalognummer
V1134665
ISBN (eBook)
9783346506832
ISBN (Buch)
9783346506849
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bildungsungleichheit Soziale Ungleichheit Ganztagsschulen
Arbeit zitieren
Sophia Linten (Autor:in), 2021, Die Verringerung sozialer Ungleichheit im deutschen Bildungssystem durch Ganztagsschulen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1134665

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