Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Formulierung der Fragestellung
1.2 Themenfindung
1.3 Motivation und Ziele
1.4 Aufbau der Hausarbeit
2. Theoretische Grundlage
2. 1 Definitionen
2.1.1 Definition Behinderung
2.1.2 Definition Selbstbestimmung
2.1.3 Definition Fremdbestimmung
2.2 Rechtliche Grundlagen
2.2.1 Gesetzliche Verankerung von Selbstbestimmung im SGB IX
2.2.2 UN-Behindertenrechtskonvention über Selbstbestimmung
2.2.3 Weitere gesetzliche Verankerungen
2.3 Konzepte
2.3.1 Empowerment
2.3.2 Normalisierungsprinzip
3. Planung und Darstellung der Forschung
3.1 Beschreibung des Klientel
3.2 Alltagsbeobachtungen
3.2.1 Beispiel 1
3.2.2 Beispiel 2
3.2.3 Beispiel 3
3.3 Fragebogen zur Selbstbestimmung innerhalb der Einrichtung
3.3.1 Beschreibung des geplanten Vorgehens mit einem Fragebogen an die Klienten und Betreuer
3.3.2 Beschreibung des methodischen Vorgehens mit einem Fragebogen an die Klienten und Betreuer
3.3.3 Auswertung
3.3.4 Fragebogen der Betreuer
3.4 Zusammenfassung
4. Verknüpfung von Theorie und Praxis
4.1 Analyse aus unterschiedlichen Perspektiven
4.1.1 Untersuchung anhand des neunten Sozialgesetzbuch
4.1.2 Untersuchung anhand der UN-Behindertenkonvention
4.1.3 Untersuchung anhand von Empowerment
4.1.4 Untersuchung anhand des Normalisierungsprinzips
4.1.5 Zusammenfassung
4.2 Realisierung im praktischen Alltag mit Fokus auf Selbstbestimmung
4.3 Reflexion des Vorgehens
5. Zusammenfassung und Ausblick
5.1 Reflexion der eigenen Rolle
5.2 Fazit
6. Literatur.
Anhang
Genderklärung
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Hausarbeit die Sprachform des generischen Maskulinums angewendet. Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die ausschließliche Verwendung der männlichen Form geschlechtsunabhängig verstanden werden soll und alle Geschlechter einbezieht.
1. Einleitung
Meine praktischen Erfahrungen, welche ich in dieser Hausarbeit thematisiere, nahm ich aus meinem dreimonatigen Praktikum in einer Assistenz- und Wohneinrichtung für Menschen mit Behinderung. Dieses Praktikum habe ich im Rahmen meiner Erzieherausbildung am BBZ Bad Segeberg durchgeführt.
Die Wohneinrichtung befindet sich in XXX und ist Teil der „XXY“. Innerhalb der Einrichtung ist Wohnraum für 19 Menschen mit Behinderung, bei denen rund um die Uhr ein oder mehrere Betreuer zur Verfügung stehen.
Da das Praktikum während der Corona-Pandemie stattfand, waren die Gegebenheiten dementsprechend, durch die Maßnahmen verändert, unter anderem im Bezug auf Selbstbestimmung. Trotz Dessen habe ich versucht die Bedingungen außerhalb der Pandemie zu erkennen und zu erforschen, da ich meinen Fokus auf die Gegebenheiten lenken möchte, wie es im Normalfall ist und da es zudem den Rahmen der Hausarbeit überschritten hätte.
1.1 Formulierung der Fragestellung
Meine Fragestellung lautet “Welche Möglichkeiten und Grenzen sind in der Realisierung von Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderung in Wohneinrichtungen vorhanden?”
1.2 Themenfindung
Während meines Praktikums in der Wohneinrichtung für erwachsene Menschen mit Behinderung konnte ich einige Situationen miterleben, bei denen die Klienten der Wohneinrichtung von den Betreuern fremdbestimmt wurden. Mit der Zeit stellte ich fest, dass Fremdbestimmung teilweise ein fester Bestandteil der Arbeit ist. Der Hintergrund dafür ist unter anderem, dass die Klienten unterschiedlichste Gefahrenquellen im Alltag nicht (auf Anhieb) erkennen können und die Betreuer vor diesen schützen möchten. Dieser Schutz soll dazu dienen, die Klienten vor körperlichen, seelischen und sozialen Schäden zu bewahren. Aufgrund dessen übernehmen die Betreuer diese Aufgabe für sie. Mich interessierte daraufhin, in welchem Rahmen dies gerechtfertigt ist und welche anderen Möglichkeiten durch Konzepte gegeben sind.
1.3 Motivation und Ziele
Ich möchte herausfinden und darstellen, in welchen Situationen Fremdbestimmung notwendig ist, um das Wohl der betroffenen Person zu schützen. Doch kommt es einige Male vor, dass die Klienten Fremdbestimmt werden, ohne dass dies aus meiner Perspektive notwendig war. Die Beweggründe dafür waren Unterschiedlich. Dadurch, dass dies teilweise auch Teil des Alltages war, wurde ich auf das Thema aufmerksam, und regte mich an dies zu reflektieren.
Ich konnte Konflikte zwischen Klienten und Fachkräften beobachten, welche darauf basierten, dass die Klienten fremdbestimmt wurden.
Aufgrund dessen möchte ich herausfinden, ab welchem Punkt die Ermöglichung von Selbstbestimmung an ihre Grenzen kommt und welche Möglichkeiten gegeben sind, und dies nutzen um dem Alltag der Klienten mehr Selbstwirksamkeit zu ermöglichen. Denn die Begriffe Selbst- und Fremdbestimmung sind mittlerweile in der pädagogischen Arbeit überall zu finden, besonders im Kontext der Heilpädagogik.
In der Vergangenheit waren Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderung von Beginn an von Fremdbestimmung geprägt. Dies änderte sich mit der Zeit und der Fokus änderte sich darauf, den Menschen ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Doch sind einige Schwierigkeiten für die Fachkräfte vorhanden, welche ein vollkommen selbstwirksames Leben für die Betroffenen, erschweren.
Mit dieser Hausarbeit möchte ich die Grenzen aufzeigen, auf die pädagogischen Fachkräfte teilweise täglich stoßen, bei der Umsetzung eines selbstwirksamen Lebens der Klienten, indem ich einprägsame und häufig auftretende Situationen aus verschiedenen Perspektiven analysiere.
1.4 Aufbau der Hausarbeit
Zu Beginn des Kapitels der theoretischen Grundlage, werde ich die wichtigsten Begrifflichkeiten definieren. Anschließend schildere ich die bedeutsamen Paragraphen des Sozialgesetzbuches und der UN-Behindertenrechtskonvention, welche die Selbstwirksamkeit für Menschen mit Behinderung gesetzlich verankert. Danach beschreibe ich das Konzept des Empowerment im Bezug auf die pädagogische Arbeit, sowie das Normalisierungsprinzip.
Anschließend folgt die Planung und Darstellung der Forschung, welche ich mit der Beschreibung der Arbeitsgruppe beginne. Danach werde ich meine Alltagsbeobachtungen beschreiben, mit dem Bezug auf Selbstbestimmung. Bei diesen werde ich drei Beispiele vorstellen, bei denen die Betreuer die Klienten fremdbestimmen, um diese zu schützen. Zudem beschreibe ich dort mein Vorgehen, mit einem Fragebogen für die Klienten und Betreuer, zum Thema Selbstbestimmung. Dies werde ich zum Schluss dieses Kapitels zusammenfassen.
Im Kapitel der Verknüpfung von Theorie und Praxis, werde ich meine dokumentierten Beobachtungen und Erkenntnisse aus dem Fragebogen, anhand der staatlichen und konzeptionellen Vorgaben, analysieren.
Die Ergebnisse werde ich anschließend zusammenfassen, und basierend auf den Erkenntnissen Handlungsmöglichkeiten darstellen. Zum Abschluss dieses Kapitels werde ich mein Vorgehen evaluieren.
Im letzten Kapitel reflektiere ich meine eigene Rolle innerhalb des Praktikums, und fasse die Inhalte der vorherigen Kapitel erneut zusammen. Zum Abschluss gehe auf meine Forschungsfrage, die Zukunft von Selbstbestimmungskonzepten und meine Ziele ein.
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Definitionen
2.1.1 Definition Behinderung
Ein Mensch hat eine Behinderung, wenn er in seinem Lernen, Sozialverhalten sprachlichen Ausdruck und/oder in seinen psychomotorischen Fähigkeiten so weit eingeschränkt ist, dass ihm das Leben in der Gesellschaft dadurch wesentlich erschwert wird.
Das SGB IX definiert in §2 Abs.1 den Begriff Behinderung wie folgt: “Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können.”
[Internet 1: Sozialgesetzbuch (SGB IX) Neuntes Buch, 2021, §2 Abs.1]
2.1.2 Definition Selbstbestimmung
„Ich tu, was ich tu; Und Du tust, was Du tust. Ich bin nicht auf dieser Welt, um nach Deinen Erwartungen zu leben. Und Du bist nicht auf dieser Welt, um nach den meinen zu leben. Du bist Du und ich bin ich [...].
Fritz Perls”
[Internet 2: Das Magazin des Kreisverbandes Düsseldorf e.V., 2021, S.1]
Selbstbestimmung bedeutet, wie im Zitat von Fritz Perls thematisiert wird, dass ein Mensch sein eigenes Leben selber nach seinen Interessen und Bedürfnissen kontrollieren und selber Entscheidungen darüber treffen darf. Auf diese Entscheidungen nehmen Außenstehende keinen Einfluss. Bei Selbstbestimmung geht es ebenfalls um die Zuschreibung von Verantwortung und die Durchsetzung von Verpflichtungen.
2.1.3 Definition Fremdbestimmung
Fremdbestimmung ist das Gegenteil von Selbstbestimmung. Dabei werden Entscheidungen für und über jemanden, von Außenstehenden getroffen. Dies kann durch eine unmittelbare Bevormundung von Anderen kommen, von Jemanden oder Etwas, was dem Menschen unterordnet, ohne dass dies gewollt oder verlangt wird.
„Selbstbestimmung ist das, worum es im Leben überhaupt geht. Ohne sie kannst Du am Leben sein, aber Du würdest nicht leben, du würdest nur existieren.
- Michael Kennedy und Lorin Lewin”
[Internet 3: Selbsbestimmung, 2010, S.1]
2.2 Rechtliche Grundlagen
2.2.1 Gesetzliche Verankerung von Selbstbestimmung im SGB IX
Das neunte Sozialgesetzbuch (SGB IX) trat erstmals am 1. Juli 2001 in Kraft und beschreibt Leistungen, welche die Rehabilitation und Teilhabe für Menschen mit Behinderung, sowie von Behinderung bedrohter Menschen gesetzlich absichert. Diese Menschen sollen durch diese Leistungen ihre Selbstbestimmung voll ausleben können und mit gleichberechtigter Teilhabe leben.
In §4 “Leistungen zur Teilhabe” wird beschrieben, dass die Leistungen dazu dienen die Folgen der Behinderung zu minimieren, sowie vor Verschlimmerungen zu schützen. Zudem sollen Menschen mit Behinderung sicher am Arbeitsleben teilhaben können. Es ist auch vorgesehen, dass die Persönlichkeit ganzheitlich gefördert werden soll, sowie die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Im Allgemeinen soll den Menschen eine Lebensführung mit einem möglichst hohen Maß an Selbstbestimmt und Selbstständigkeit ermöglicht werden.
Der §5 “Leistungsgruppen” nennt die fünf Leistungsgruppen, welche für das Leben in der Gesellschaft erbracht werden müssen. “Leistungen zur medizinischen Rehabilitation”, “Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben”, “unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen”, “Leistungen zur Teilhabe an Bildung” und “Leistungen zur sozialen Teilhabe”.
Zu den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation wird im gleichnamigen §42 beschrieben, dass Menschen mit Behinderung das Recht, auf ärztliche Behandlung, Therapien, sowie notwendige Medikamente haben [vgl. SGB IX: §42 Abs. 2 S.1-7]. Zudem können sie medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen erhalten. [vgl. SGB IX: §42 Abs. 3] Des Weiteren haben sie auch das Recht Förderungen zur Selbsthilfe zu erhalten. Diese können beispielsweise Selbsthilfegruppen sein, mit unterschiedlichen Schwerpunkten. [vgl. SGB IX: §45]
In §49 werden die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben thematisiert, wie diese Aussehen und was erbracht werden sollen. Der Zweck dieser Leistungen ist, Menschen mit Behinderung eine Arbeit zu bieten, welche an ihren Fähigkeiten orientiert ist, dass diese sich entwickeln, wiederhergestellt oder verbessert werden. [vgl. SGB IX: §49 Abs.1.]
Bei den unterhaltssichernden und andere ergänzenden Leistungen beinhalten Leistungen, in Form von Beitragszuschüssen für beispielsweise Kranken-, Unfall-,und Pflegeversicherung [vgl. SGB IX: §64 Abs. 1, S.1, S.2 b), c)], sowie für anfallende Kosten durch ärztlich angeordnete Rehabilitation. [vgl. SGB IX: §64 Abs.1 b), e)] Zudem werden auch Fahr-, Verpflegungs -und Übernachtungskosten bei Reisen übernommen. [vgl. SGB IX: §73 Abs. 1]
Der §112 Leistungen zur Teilhabe an Bildung besagt, dass Betroffene das Recht auf Hilfe zur schulischen Bildung haben, dass ihnen der Schulbesuch ermöglicht werden soll, besonders bei der allgemeinen Schulbildung. [vgl. SGB IX: §112 Abs.1 S.1] Diese Hilfen können beispielsweise Ganztagsangebote sein, sowie Hilfsmittel, welche aus gesundheitlichen Gründen erforderlich sind. Zudem haben Menschen mit Behinderung das Recht Unterstützung zu erhalten bei hochschulischen Ausbildungen, Weiterbildungen für einen Beruf oder Studium. Sie erhalten dabei ebenfalls die Hilfsmittel, welche sie aus behinderungsbedingten Gründen benötigen. [vgl. SGB IX: §112 Abs.2]
Die Leistungen zur sozialen Teilhabe, nach §113, dienen dazu den Betroffenen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen [vgl. SGB IX: §113 Abs. 1]. Diese sind unter anderem Leistungen für Wohnraum, welche ein möglichst selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben ermöglichen. Diese müssen den besonderen Bedürfnissen der Klienten erfüllen. [vgl. SGB IX: §77 Abs.1]
Zudem wird beschrieben, dass ein Teil der Leistungen zur sozialen Teilhabe, auch Assistenzleistungen sind. Diese sollen bei der Gestaltung von eines selbstbestimmten und eigenständig zu bewältigenden Alltages und Tagesablauf unterstützen [vgl. SGB IX: §78 Abs.1.]. [Internet 1: SGB IX]
2.2.2 UN-Behindertenrechtskonvention über Selbstbestimmung
Die UN-Behindertenrechtskonvention thematisiert die Freiheits- und Schutzrechte zur Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderung, sowie von Menschen mit drohender Behinderung, dass sie die gleichen Recht, Chancen, Möglichkeiten etc. haben, wie Menschen ohne Behinderung. Dadurch soll ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht werden. Diese Rechte behandeln, dass die Vertragsstaaten für die gleichen Chancen der Menschen mit Behinderung ermöglichen, wie die der Menschen ohne Behinderung. Zudem haben die Vertragsstaaten eingewilligt, dass sie auch für die Betroffenen die Zugänglichkeit und Anwendbarkeit zu diesen Rechte ermöglichen.
Dies wird durch verschiedene Artikel zu den unterschiedlichen Gegebenheiten und Lebenssituationen spezifisch ausgeführt.
Beispielsweise thematisiert Artikel 12 „Gleiche Anerkennung vor dem Recht“, dass die Vertragsstaaten den Menschen mit Behinderung, zur Ausübung ihrer Rechts- und Handlungsfähigkeiten, geeignete Maßnahmen bieten müssen.
In Artikel 10 „Recht auf Leben“ wird beschrieben, dass die Vertragsstaaten bekräftigen, dass jeder Mensch ein angeborenes Recht auf Leben hat, und alle erforderlichen Maßnahmen getroffen werden müssen, um den wirksamen und gleichberechtigten Genuss dieses Rechts für Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten. [vgl. Die UN-Behindertenrechtskonvention, 2017, Art. 10]
Artikel 11 „Gefahrensituationen und humanitäre Notlagen“ beschreibt, dass die Vertragsstaaten verpflichtet sind, dass sie alle erforderlichen Maßnahmen anpacken sollen, um in Gefahrensituationen Schutz zu gewährleisten. [vgl. UN-BRK: Artikel 11] In Artikel 17 „Schutz der Unversehrtheit der Person“ wird beschrieben, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt sind mit anderen, dass ihr Recht auf Achtung der körperlichen und seelischen Unversehrtheit, eingehalten und durchgesetzt werden muss. [vgl. UN-BRK: Artikel 17]
Artikel 19 „Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft“ beschreibt, dass die Vertragsstaaten die gleichen Rechte von Menschen mit Behinderung anerkennen, dass sie ebenfalls Wahlmöglichkeiten geboten bekommen, um am Gemeinschaftsleben teilnehmen zu können.
Dies soll gewährleistet werden, indem sie die Möglichkeit haben ihren Aufenthaltsort zu wählen und selbst zu entscheiden, mit wem sie wo leben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, in besonderen Wohnformen zu leben. [vgl. UN-BRK: Artikel 19 a)
Zudem haben sie das Recht auf Unterstützungsdienstleistungen zur persönlichen Assistenz, welche Unterstützung für das Leben in der Gemeinschaft bietet [vgl. UN- BRK: Artikel 19 b)], sowie dass gemeindenahe Dienstleistungen und Einrichtungen zur Verfügung stehen, um beim erfüllen ihrer Bedürfnisse zu unterstützen. [vgl. Die UN-Behindertenrechtskonvention, 2017, Art.19 c)].
In Artikel 22 „Achtung der Privatsphäre“ wird beschrieben, dass unabhängig von ihrer Lebensform, nicht ihr Privatleben, dazugehörend beispielsweise ihr Familienstand und ihr Wohnort nicht eingeschränkt werden darf, und dass dies geschützt werden soll. [vgl. Die UN-Behindertenrechtskonvention, 2017, Art. 22]
Artikel 23 Achtung der Wohnung und der Familie beschreibt, dass Menschen mit Behinderung das Recht haben, gleichberechtigt, wie alle anderen Ehen, Elternschaften, Partnerschaften und ähnliches zu einzugehen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass Menschen unabhängig von ihrer Behinderung ebenfalls Ehen schließen und eine eigene Familie gründen können. [vgl. UN-BRK: Artikel 23 a)] Dazu gehört auch, dass sie selber entscheiden können in welchem Alter sie ihre Kinder kriegen, über die Anzahl ihrer Kinder, in welchen Abständen sie die bekommen und wie sie diese Erziehen. Dabei haben sie auch das Recht auch adäquate und umfangreiche Aufklärung [vgl. UN-BRK: Artikel 23 b) und c)]. [Internet 4: UN-BRK]
2.2.3 Weitere gesetzliche Verankerungen
Das Strafgesetzbuch § 323c „Unterlassene Hilfeleistung; Behinderung von hilfeleistenden Personen“ besagt, dass das nicht Leisten von Hilfe bei Unglücksfällen oder Gefahren, Strafrechtlich verfolgt wird.(vgl. Internet 5: Strafgesetzbuch, 2017)
2.3 Konzepte
2.3.1 Empowerment
Der Begriff Empowerment, im Deutschen „Ermächtigung“ oder „Übertragen von Verantwortung“ wurde erstmals in den 1980er Jahren in der Pädagogik verwendet. Empowerment ist ein Konzept, zum Aneignen und Zusprechen von Selbstwirksamkeit und einem selbstbestimmten Leben, unabhängig der Lebenssituation.
Die Basis des Konzeptes Empowerment stammt aus Angloamerika, und entstand durch eine Bewegung der schwarzen Bevölkerung der USA in den 1950er bis 1960er Jahren, zur Schaffung und Anerkennung persönlicher Rechte. Ein Jahrzehnt später trat der Begriff Empowerment in einer feministischen Bewegung auf, welche sich auf Empowerment und mehr Frauenrechte beriefen. Durch diese Bewegungen für Emanzipation kam dieser Begriff an die Öffentlichkeit. [vgl. Hoppe, 2012, S. 73] Empowerment wird in allen Arten von Arbeit mit Menschen angewendet, beispielsweise in Einrichtungen der Pflege, Förderung und Unterstützung.
Mit der Zeit gewann Empowerment in Bereichen der Heilpädagogik und der sozialen Arbeit an Relevanz, besonders bei der Arbeit mit Menschen mit Behinderung.
In der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, welche eine Behinderung, Entwicklungsbeeinträchtigung, soziale Benachteiligung oder Verhaltensauffälligkeit haben, bezieht sich Empowerment besonders auf die Förderung, Unterstützung, Erziehung, und Bildung des Klientel. Dabei sollen sie in allen Planungen, Durchführungen und Evaluationen, welche Einfluss auf sie haben, beteiligt werden, um die Lebenswirksamkeit in der Inklusionsarbeit zu ermöglichen.
In der Arbeit mit Menschen mit Behinderung im Erwachsenenalter, liegt der Fokus dabei ihre Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und Lebenssouveränität anzuerkennen und ihnen die notwendige Unterstützung anzubieten, zum Gestalten eines Lebens mit höchstmöglicher Selbstbestimmung.
Dabei sagt das Empowerment-Konzept, dass die Fachkräfte die Aufgabe haben, bei Menschen mit Behinderung im Erwachsenenalter, ihnen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Dies soll, durch hohe Selbstwirksamkeit, sowie durch das Ermöglichen von einem Anteil an Selbstbestimmung in ihrem Alltag, erzielt werden.
Der Ausgangspunkt dieses Ansatzes sind beispielsweise Fremdbestimmung, Machtlosigkeit, „biographische- Nullpunkt-Erfahrungen“ und Ohnmacht.
Biographische Nullpunkt-Erfahrung: Verletzende Erfahrungen, welche dafür sorgen, dass Menschen sich nicht mehr mit sich selbst identifizieren können, durch den Verlust von Autonomie, Selbstbestimmung und Bewältigungsstrategien. (vgl. Hoppe, S.75)
Anhand dieser Auffälligkeiten in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung, wurde das Empowerment-Konzept entwickelt, damit sie als Experten ihrer selbst anerkannt werden, und, dass sie selber beurteilen können, was für sie Sinnvoll ist. Dabei ist im Konzept für Wohneinrichtungen vorgeschrieben, dass diese nicht als Unterbringung oder Großpflegeanstalt dienen, sondern als Einrichtung für das Leben in kleinen Gemeinschaften, mit einem offenen und freien Zugang in das gesellschaftliche Leben.
Die Möglichkeit des assistierten Wohnens, soll ein Ort des Zusammenlebens, der Geborgenheit, Privatsphäre, Intimität, Kommunikation, Selbstbestimmt, Selbstgestaltung und Selbstverwirklichung, für die Klienten bieten, in dem sie sich wohl fühlen und einen Rückzugsort haben, wie andere Menschen auch. [vgl. Hoppe, 2012, S. 73 ff.]
Bei der Arbeit mit dem Empowerment-Ansatz, sind vier Ebenen zu beachten. Diese sind in der Theorie trennbar, doch ist in der Praxis ist das Zusammenspiel der Ebenen notwendig und nicht separierbar.
Die Subjektebene besagt, dass die Fachkräfte ihre Arbeit auf die individuellen Gegebenheiten des Klientel orientieren soll. Diese Gegebenheiten können durch Biografiearbeit, Ressourcendiagnostik und -aktivierung, Kompetenztraining, sowie durch Zukunftsplanung erfasst werden. Dabei soll ein Zugang zum Individuum geschaffen werden und seine Hintergründe gemeinsam zu klären, um sich die eigenen Fähigkeiten, Kompetenzen und eigene Motivation bewusst zu machen. Dadurch soll Selbstwirksamkeit, ein positiven Selbstwert und das Gefühl von individueller Stärke erlangt werden.
[...]