Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. KAM
2.1 Einführung und Definition
2.2 Entwicklung und Begründung des KAM
2.2.1 Geschichte der Schlüsselkundenbetreuung
2.2.2 Warum eine besondere Betreuung? Argumente für das KAM
2.2.2.1 Vorteile des Partnerkonzeptes
2.2.2.2 Machtverhältnisse gestalten
2.2.2.3 Professionalisierung und Qualifikation
2.2.2.4 Sicherheit in unsicheren Märkten
2.2.2.5 Kunden als Vermögensbestandteil und weitere Kostenfaktoren
2.2.2.6 Vorteile erhöhter Kundenzufriedenheit
2.3 Grundkonzept des KAM
2.3.1 Grundlagen in der Unternehmenskultur
2.3.2 Funktionales KAM: Der KAM-Zirkel
2.3.2.1 KAM-Analyse
2.3.2.2 KAM-Realisation
2.3.3 Organisationales KAM: Die Support-Elemente (-Ebene)
2.3.3.1 KAM-Fundament
2.3.3.2 KAM-Integration
2.4 Aufgaben und Funktionen des KA-Managers
2.4.1 Voraussetzungen und Anforderungen an den KA- Manager
2.4.1.1 Konzeptionelle und formale Kompetenz
2.4.1.2 Soziale Kompetenz
2.4.1.3 Fachkompetenz
2.4.2 Spezialfertigkeiten und Funktionen eines KA- Managers
2.4.2.1 Kundenselektion
2.4.2.2 KAM-Grundstrategien und Durchführung mit dem Kundenportfolio
2.4.2.3 Der KA-Manager als strategischer Verkäufer
2.4.2.4 Die Doppelziel-Orientierung des Schnittstelleinhabers
2.5 Organisationspsychologische Aspekte
2.6 Fazit
3. Der Kundenwert als Voraussetzung für den Unternehmenserfolg
3.1 Die Bedeutung der Kundenbewertung
3.2 Methoden zur Analyse des Kundenwertes
3.3 Eindimensionale, monetäre Kundenwertmodelle
3.3.1 ABC-Analyse
3.3.1.1 Die Betrachtung des Umsatzes bei der Anwendung der ABC-Analyse
3.3.1.2 Schwächen und Stärken der ABC-Analyse
3.3.2 Kundendeckungsbeitragsrechnung
3.3.2.1 Praktische Einsatzmöglichkeiten der Kundendeckungsbeitragsrechnung
3.3.2.2 Schwächen und Stärken der Deckungsbeitragsrechnung
3.3.3 Kundenlebenszylusansätze
3.3.3.1 Customer-Lifetime-Value (Kundenlebenszyklus)
3.3.3.2 Anwendung der Customer-Lifetime-Value-Analyse
3.3.3.3 Vor– und Nachteile der Customer–Lifetime–Value– Analyse
3.4 Eindimensionale, nicht-monetäre Kundenwertmodelle
3.4.1 Loyalitätsleiter-Konzept
3.4.1.1 Anwendung des Loyalitätsleiter-Konzepts
3.4.1.2 Vor- und Nachteile des Loyalitätsleiter-Konzepts
3.5 Mehrdimensionale Bewertungsverfahren
3.5.1 Scoring-Modell
3.5.2 Vor- und Nachteile des Scoring-Modells
3.6 Kundenportfolio
3.6.1 Zweidimensionale Kundenportfolios
3.6.2 Anwendbarkeit des Kundenportfolios
3.6.3 Vor- und Nachteile des Kundenportfolios
3.7 Schlussbetrachtung und Forschungsbedarf
4. Interkulturelles Management
4.1 Drei Gruppen der kulturellen Andersartigkeit
4.1.1 Der Wettbewerber
4.1.2 Der Konsument
4.1.3 Der Mitarbeiter
4.2 Kulturelle Kategorisierungen
4.2.1 Kulturelle Grundmuster
4.2.1.1 Das 4-Dimensionen-Modell nach Geert Hofstede
4.2.1.2 Das Schichtenmodell nach Dülfer
4.2.2 Kulturstandards
4.2.3 Interkulturelle Kompetenz
4.2.4. Aspekte einer multikuturellen Belegschaft
4.3 Fazit
5. Länderportraits
5.1 Einführung
5.2 Gemeinsamkeiten der osteuropäischen Märkte und Kulturen
5.3 Der Corruption Perceptions Index (CPI)
5.4 Russland
5.4.1 Kerninformationen
5.4.2 Sozialismus und Umbruch
5.4.3 Wirtschaftliche Entwicklung
5.4.4 Geschäftsgebaren
5.5 Rumänien
5.5.1 Kerninformationen
5.5.2 Sozialismus und Umbruch
5.5.3 Wirtschaftliche Entwicklung
5.4.4 Geschäftsgebaren
5.6 Tschechische Republik
5.6.1 Kerninformationen
5.6.2 Sozialismus und Umbruch
5.6.3 Wirtschaftliche Entwicklung
5.6.4 Geschäftsgebaren
5.7 Baltikum
5.7.1 Kerninformationen
5.7.1.1 Estland
5.7.1.2 Lettland
5.7.1.3 Litauen
5.7.2 Sozialismus und Umbruch
5.7.3 Wirtschaftliche Entwicklung
5.7.4 Geschäftsgebaren
5.8 Slowakei
5.8.1 Kerninformationen
5.8.2 Sozialismus und Umbruch
5.8.3 Wirtschaftliche Entwicklung
5.8.4 Geschäftsgebaren
5.9 Polen
5.9.1 Kerninformationen
5.9.2 Sozialismus und Umbruch
5.9.3 Wirtschaftliche Entwicklung
5.9.4. Geschäftsgebaren
5.10 Bulgarien
5.10.1 Kerninformationen
5.10.2 Sozialismus und Umbruch
5.10.3 Wirtschaftliche Entwicklung
5.10.4 Geschäftsgebaren
5.11 Exkurs: Osteuropäische Unternehmenstypen
6. Praktischer Leitfaden
6.1 Einleitung
6.2. Abbildung des Kundenstatus
6.3 Selektions- und Markteinstiegsstrategien in Osteuropa
6.3.1 Export
6.3.2 Lizenzen
6.3.3 Auslandsniederlassung
6.4 Identifikation von potentiellen Interessenten in Osteuropa
6.4.1 Umsetzung eines geeigneten Marketingprogramms
6.4.2 Internetrecherche in der jeweiligen Landessprache
6.4.3 Kontaktaufnahme zu Interessenten in Osteuropa
6.4.4 Kontaktaufnahme per Post/ Mail/Telefon
6.4.5 Werbemaßnahmen in relevanten branchenenbezogenen Fachzeitschriften
6.4.6 Kontaktaufnahme zu potentiellen Interessenten über die jeweiligen Botschaften - AHKs vor Ort
6.4.7 Persönliche Kontaktaufnahme zu den Interessenten vor Ort
6.4.8 Gewöhnlicher Kunde oder potentieller Schlüsselkunde?
6.4.9 Interessent ist als KA identifiziert worden und signalisiert Produktinteresse
6.4.10 Positionierung der Wettbewerber und Analyse von Wettbewerbsprodukten
6.4.11 Qualität
6.4.12 Auswertung aller Informationen aus Gesprächen und Wettbewerbsuntersuchungen
6.4.13 KA fragt für eine bestimmte Applikation/Anwendung nach ein Preisangebot
6.4.14 KA möchte das empfohlenen Produkt des KAM- Unternehmens testen
6.4.15 Value Added Services
6.4.16 KA tätigt Erstkauf und erlangt intern Erstkundenstatus
6.4.17 Monitoring des Stamm-KAs
6.5 Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Pareto-Prinzip bzw. Lorenzkurve
Abb. 2: Bindungsstärke einer Lieferantenbeziehung
Abb. 3: Patt-Korridor im Marktmachtverhältnis
Abb. 4: Win-Win-Prinzip als Zentrum des KAM
Abb. 5: Der KAM-Zirkel
Abb. 6: Die 10 Elemente des KAM
Abb. 7: 6-Schritte-Programm des KAM
Abb. 8: Strukturelles KAM
Abb. 9: Ebenenmodell des KAM
Abb. 10: Wertschöpfungsposition des KA-Managers
Abb. 11: Kompetenzprofil des KA-Managers
Abb. 12: Kundenanalysemodelle
Abb. 13: KA Portfolio
Abb. 14: Methoden zur Messung des Kundenwertes
Abb. 15: Zeitliche Differenzierung der Kundenwertdimensionen
Abb. 16: Beispiel einer ABC-Analyse
Abb. 17: Vor- und Nachteile der ABC-Analyse
Abb. 18: Einstufige Kundendeckungsbeitragsrechnung
Abb. 19: Einstufige Kundendeckungsbeitragsrechnung
Abb. 20: Stärken und Schwächen der Deckungsbeitragsrechnung
Abb. 21: Phasenmodelle für Geschäftsbeziehungen zwischen Kunden und Lieferanten
Abb. 22: Berechnung des Customer-Lifetime-Value
Abb. 23: Beispiel einer Customer-Lifetime-Value-Berechnung
Abb. 24: Idealtypischer Umsatz- und Kostenverlauf während des Lebenszyklus
Abb. 25: Zeitliche Kundenwertentwicklung zweier unterschiedlicher Branchen
Abb. 26: Fallbeispiel einer CLV-Rechnung eines Investitionsgüterherstellers
Abb. 27: Vor– und Nachteile der Customer–Lifetime–Value–Analyse
Abb. 28: Kundenzufriedenheit und Wahrscheinlichkeit einer zukünftigen Geschäftsabnahme
Abb. 29: Loyalitätsleiter-Konzept
Abb. 30: Vor- und Nachteile des Loyalitätsleiter-Konzepts
Abb. 31: Scoring-Modell zur Kundensegmentation für einen bestehenden und einen potentiellen Kunden
Abb. 32: Vor- und Nachteile des Scoring-Modells
Abb. 33: Kundenportfolio
Abb. 34: Kundenattraktivitäts-Relative Lieferantenpositions-Portfolio
Abb. 35: Vor- und Nachteile der Kundenportfolios
Abb. 36: Kundenbewertungsmethoden und ihre Einsatzhäufigkeit in der Praxis
Abb. 37: Kulturelle Grundmuster zwischen Frankreich und Deutschland
Abb. 38: Das Dimensionenraster von Hofstede mit einem Nationenvergleich
Abb. 39: Vertikale Darstellung der Kulturschichten von Eberhard Dülfer
Abb. 40: Interkulturelle Kompetenz als mehrdimensionales Modell
Abb. 41: CPI 2007
Abb. 42: Ausmaß und Entwicklung der Korruption in Russland
Abb. 43: Ausmaß der Korruption in Rumänien
Abb. 44: Ausmaß und Entwicklung der Korruption in Tschechien
Abb. 45: Ausmaß der Korruption in Estland
Abb. 46: Ausmaß der Korruption in Lettland
Abb. 47: Ausmaß der Korruption in Litauen
Abb. 48: Ausmaß und Entwicklung der Korruption in der Slowakischen Republik
Abb. 49: Ausmaß der Korruption in Polen
Abb. 50: Deutsch-Polnisches Verhandlungsmodell
Abb. 51: Ausmaß und Entwicklung der Korruption in Bulgarien gemessen am CPI
Abb. 52: Ansätze zur Einordnung des Kundenstatus
Abb. 53: Zusammenfassung der möglichen Markteintrittsformen
Abb. 54: Informationsquellen für die Identifikation von potentiellen Kunden1
Abb. 55: CRM Software - Anschrift des KAs
Abb. 56: CRM Software - Details zum KA
Abb. 57: CRM Software – Verkaufs- und Segmentebene
Abb. 58: CRM Software – Verkaufsüberblick
Abb. 59: CRM Software – Verkaufsvolumen
Abb. 60: CRM Software – Verkaufswert
Abb. 61: CRM Software – Deckungsbeitrag
Abb. 62: CRM Software – Deckungsbeitrag und durchschnittlicher Verkaufspreis für die gesamte Produktgruppe
Abb. 63: CRM Software – Verkaufswert und -Volumen für ein einziges Produkt
Abb. 64: CRM Software – Deckungsbeitrag – Verkaufswert und - Volumen für ein einziges Produkt
Abb. 65: CRM Software – Deckungsbeitrag und durchschnittlicher Verkaufspreis für ein einziges Produkt
Abb. 66: CRM Software – Produktpreise des KAs und Start des Verkaufs
Abb. 67: CRM Software – weitere Produktpotentiale beim KA
Abb. 68: CRM Software – Wettbewerbsinformationen
1.Einleitung
„So nah - und doch trennen uns Welten.“[1]
Die Märkte in Osteuropa sind - sogar wörtlich genommen - die nahe liegenden Wachstumsmärkte der Zukunft. Das darf als Faktum für deutscher Wirtschaftsunternehmungen gelten. Genauso sicher müsste sein, dass moderne Unternehmen sich ihrer Kundenstruktur bewusst sind und diese nach wirtschaftlichen Kriterien fortwährend prüfen, sowie ihre Aktivitäten auf ihre Schlüsselkunden ausrichten haben.
Die vorliegende Arbeit wird beiden Bedürfnissen Rechnung tragen, indem sie das KAM einer Prüfung unterzieht und seine praktische Anwendung bei osteuropäischen Kunden betrachtet.
Das KAM ist als unternehmensweite Organisationsstruktur zu verstehen und wird in diesem Sinne als strategisches Marketingmanagement der Unternehmensführung im ersten Teil der Untersuchung vorgestellt. Es ist darauf ausgelegt, unrentable Großkunden und rentable Schlüsselkunden zu differenzieren, damit Letzteren die Unternehmensbemühungen zugute kommen und damit ökonomischere Strukturen etabliert werden. Die Darstellung des Konzepts folgt hierbei der Schule der Universität St. Gallen.
Im nächsten Schritt und Kapitel werden daran anschließend Kundenwertberechnungsmodelle betrachtet, deren Ziel die Identifikation der richtigen Kunden als Schlüsselkunden ist. Der wesentliche Denkfehler, Umsatzgrößen als Kriterium zu isolieren, ist immer noch weit verbreitet.
Als Abschluss der theoretischen Darstellungen wird noch das Konzept des interkulturellen Managements beschrieben. Trotz der geographischen Nähe stellen sich nämlich gerade die osteuropäischen Nationalmärkte als spezifische Kulturen heraus, deren Bearbeitung sich in der unternehmerischen Praxis als überaus komplex erweist.
Die Besonderheiten der einzelnen Märkte werden im vierten Kapitel skizziert. Hierbei wird eine eigene Gliederung der wichtigsten Kriterien für die Praxis vorgestellt und in ihrer Bedeutung für die Bearbeitung der Märkte dem Manager an die Hand gegeben. Gemeinsamkeiten aufgrund des historischen Erbes des sogenannten Ostblocks werden einleitend erwähnt, um dann auf die kulturellen Differenzierungen einzugehen.
Die eigentliche Absicht der Untersuchung besteht jedoch in einer praxisnahen Unterscheidung und Würdigung der betrachteten Theorien. Es ist ein praktisches Wissenschaftsziel der Arbeit, eine Übersetzung der Theorie für die Praxis zu finden.
Dem KA-Manager für Osteuropa soll ein Leitfaden zur Verfügung gestellt werden, dessen theoretische Grundlage in den beschriebenen Konzepten liegt und der dennoch als ein praktischer Guide mit einer Ablaufplanung in Einzelschritten funktioniert. Diese Absicht wird mit dem sechsten Kapitel verfolgt. Mit dieser Untersuchung soll gleichzeitig eine Publikationslücke geschlossen werden, die es bisher gerade den kleineren Unternehmen erschwerte, sich das neue theoretische Wissen systematisch anzueignen, in ihrer Organisation zu rechtfertigen und umzusetzen.
Bewusst gestaltet sich dieser Teil so konkret und praktisch wie möglich. Um beim Charakter eines Leitfadens zu bleiben wird dieser Abschnitt möglichst kurz gehalten. Jedoch ist zu betonen, dass die hier selbst entwickelte Ablaufstruktur in jedem Einzelfall modifiziert werden muss, denn ein Patentrezept für das KAM gibt es nicht.[2]
„Interkulturell, multikulturell, One-World-Manager, die Welt als globales Dorf - das sind Schlagworte, über die viel gesprochen wird.“[3]
Dieses kann seit einiger Zeit konstatiert werden, aber gleichzeitig muss befürchtet werden, dass das Know-how nicht nur in mittelständischen Unternehmen noch nicht den Erfordernissen genügt. Diese Arbeit möchte dem entgegenwirken und legt dabei den Schwerpunkt auf eine gezielte Organisationsausrichtung auf die wichtigsten Kunden in den bedeutendsten neuen Märkten Osteuropas.
2. KAM
2.1 Einführung und Definition
Das KAM ist eine Marketingstrategie, die bestimmten Kunden einen größeren Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen einräumt als anderen. Hierbei müssen möglichst zielgenau diejenigen Kunden analysiert werden, die auch einen dementsprechend größeren Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmung haben.[4]
Die begriffliche englische Form kann als reines Kontenmanagement missverstanden werden, allerdings rührt dies daher, dass die Buchführung Kunden als Konten führt und so das Synonym entstanden ist. Wörtlich übersetzt heißt KAM also Schlüsselkontenverwaltung, sinngemäß ist es die Geschäftsführung im Interesse der Schlüsselkundenbearbeitung.[5]
Der erste kritische Punkt von vielen komplexen Problemen, die dabei entstehen, ist die richtige Identifikation der sogenannten KAs. Diese erfolgt in der Regel mittels einer Kundenwertanalyse, womit sich der zweite Teil dieser Diplomarbeit ausführlicher befassen wird. Die folgenden Ausführungen erläutern zunächst den Rahmen, die Bedingungen und Herausforderungen, die eine Entscheidung zur KAM-Strategie beinhalten.
Da das bekannte Pareto-Prinzip[6] sich in vielen Sektoren als valide erwiesen hat, müssen sich moderne Unternehmen dringlich in dieser Materie Kompetenzen und Möglichkeiten erarbeiten, um KAM zu praktizieren.[7] Das Prinzip besagt, dass 20% der Kunden 80% des Umsatzes generieren. Diese 20% sollten im Interesse eines langfristigen Erfolges einen anderen Status im Unternehmen genießen. Zugleich soll vermieden werden, dass sie mittels Squeezing-Strategien[8] aufgrund von Marktmacht nicht genug zum Deckungsbeitrag der Unternehmung beitragen. Das ist die Grundidee des KAMs.
Die Lorenz-Kurve zeigt, dass Umsatzverteilung und Ertragsbeiträge nicht deckungsgleich sind (siehe Abb. 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Pareto-Prinzip bzw. Lorenzkurve[9]
In der lateinischen Ursprungsbedeutung bedeutet Managen „an der eigenen Hand führen“. Dieses Verständnis des wirtschaftlichen Gestaltens wirkt heute sicherlich veraltet, aber in Bezug auf das KAM ist die Übersetzung interessant. Die Beziehung zwischen Großkunde und Auftragnehmer selbst zu gestalten, als Lieferant die Initiative zu behalten, ist die grundlegende Idee des KAMs.
Letztenendes ist es das Ziel, vom Lieferanten zum Key Supplier zu werden, der in ähnlicher Weise dadurch schwer entbehrlich wird wie umgekehrt der KA.[10]
2.2 Entwicklung und Begründung des KAM
2.2.1 Geschichte der Schlüsselkundenbetreuung
Die Betreuung von Großkunden als spezielles Kundensegment dürfte beinahe so alt sein wie die Marktwirtschaft selbst. Selbst in vorchristlicher Zeit, schon bei beginnender Arbeitsteilung dürfte dem Hufschmied der Pferdezüchter als attraktiverer Partner erschienen sein, so dass der Bauer auch schon mal warten musste, wenn jener KA etwas benötigte. Die wissenschaftliche Betrachtung und Bewertung von unternehmerischen Aktionen und Entscheidungen in Beziehungen mit besonders wichtigen Kunden entwickelte sich aber erst in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Hierbei lassen sich zwei Entwicklungsstränge unterscheiden:[11]
Einerseits fand in den USA eine Orientierung des eigenen Managements an den Bedürfnissen von Großkunden erstmals weitere Verbreitung in den sechziger Jahren, dort vor allem in der Investitionsgüterindustrie. Andererseits entwickelte sich in Europa in den siebziger Jahren in der Lebensmittelbranche der Trend aus der Not heraus, da die Macht zentral gesteuerter Handelsketten auf Abnehmerseite die Hersteller zu einem Perspektivwechsel zwang. Nunmehr stand der Kunde, und in diesem Fall eben eine kleine Zahl großer einflussreicher Kunden, schon in der Produktion mit seinen Bedürfnissen und Anforderungen notwendig im Fokus des Managementinteresses.[12]
Interessant bleibt die sich unterscheidende Tradition. Es entsteht besonders durch einen anderen zeitlichen Horizont gemeinsamer Planung[13] und die grundsätzliche Beziehungsstruktur ein völlig anderes KAM im Investitionsgütersektor als im Konsumgütersektor.[14]
2.2.2 Warum eine besondere Betreuung ? Argument efürdas KAM
Neben dem Umsatzgrößenaspekt, der für eine bevorzugte Beobachtung und Betreuung dieser Kunden spricht, bedeutet der Verlust eines KAs eine erhebliche Geschäftsergebnisbeeinflussung. In einigen Fällen führt bereits eine Reduzierung seiner Aufträge zu enormen Umsatzeinbußen.. Es gibt jedoch noch weitere Argumente, die genannt werden müssen.
2.2.2.1.Vorteile des Partnerkonzeptes
Echtes KAM, also eines, welches über das funktionale und operative Spot- bzw. Teilgeschäft hinausgeht, zeichnet sich durch eine langfristige Partnerschaft bis zur strategischen Ebene aus.[15]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Bindungsstärke einer Lieferantenbeziehung[16]
Hierbei lassen sich neben Wertschöpfungspotentialen als Partner vor allem auch die eigenen Arbeitsprozesse „streamlinen“ und der gesamte Produktionsprozess der nunmehr gemeinsamen Wertschöpfungskette „pipelineisieren“.[17] Zugleich kann sich in erheblichem Maße eine Know-How-Rückkopplung vom KA zum Key Supplier entwickeln, die die eigene Marktposition auch gegenüber anderen Kunden nachhaltig stärkt.[18]
Beide Seiten arbeiten an einem Mehrwertverkauf, der allen Beteiligten nützt. Vor allem aber ist es auch ein Gewinn für den Lieferanten, der es leichter vermeiden kann, in eine verhandlungsstrategische Defensive gegenüber dem KA zu geraten.[19]
2.2.2.2. Machtverhältnisse gestalten
In seinen Hinweisen zur Verhandlungsführung mit dem KA weist Schranner auf den interessanten Punkt hin, dass beide Seiten[20] dazu neigen, jeweils der anderen Seite eine überlegene Machtposition zuzusprechen.[21] Insbesondere als Zulieferer wird die Macht der KAs als besonders groß erlebt, sicherlich oft auch berechtigt, da sich das Pareto-Prinzip auch so weit verschieben kann, dass 5% der Kunden 90% der Umsätze generieren.[22]
Das existierende Machtverhältnis zu respektieren und trotz des Pareto-Prinzips nicht ausgenutzt zu werden, führt zu dem Versuch, durch eine tiefere Verbindung zum unverwechselbaren Schlüsselversorger (Key Supplier) zu werden.[23] Je nach Marktstruktur ist mehr oder weniger Aufwand nötig, um einen Patt-Korridor in der Beziehung zu etablieren, aber ohne KAM ist es in heutigen teilweise sehr konzentrierten und globalisierten Industriemärkten beinahe unmöglich.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Patt-Korridor im Marktmachtverhältnis[24]
2.2.2.3 Professionalisierung und Qualifikation
In modernen Märkten sind sowohl die Produkte als auch die Strukturen der beteiligten Unternehmen komplex und spezialisiert. Genauso sind die Mitarbeiter auf beiden Seiten erhöhten Anforderungen ausgesetzt und müssen besser ausgebildeter sein als früher.
Die Entscheider bei Großkunden sind anspruchsvoll, hoch qualifiziert und wie die dortigen Strukturen genau auf die Strategien und Arbeitsweisen ihrer Organisation ausgerichtet. Dieses professionelle Niveau braucht ein gleichrangiges Gegenüber, das die Verhandlungen und die Betreuung dieser Kunden mit genauer Kenntnis der KAs und ihrer Märkte übernehmen kann, den KA-Manager.[25]
2.2.2.4 Sicherheit in unsicheren Märkten
Beidseitig werden die aktuellen Märkte und Produktentwicklungen als hochdynamisch und eher mit spiel- oder chaostheoretischen Modellen begriffen als mit klassischen Managementmethoden.
In solchen Situationen und verschärft in Krisenzeiten ist eine gewisse Planungssicherheit vor allem in zeitlicher Dimension für beide Partner sinnvoll, sei es auch nur in psychologischer Hinsicht.[26] In der Kundenbeziehung ist ebenfalls eine langfristigere Bindung möglich, weil beim KAM die Betrachtung vertieft wird und es möglich wird, sich nach der Analyse der Kunden auf ihre langfristigen Interessen zu konzentrieren und über die benannten Kundenbedürfnisse hinauszugehen.[27] Die gegenseitige Verankerung der Beziehung in den gemeinsamen Wertschöpfungsstrukturen erzeugt nach dem Investment langfristigere Erfolgserwartungen, zumindest keine kurzfristigen Kundenverluste.
2.2.2.5 Kunden als Vermögensbestandteil und weitere Kostenfaktoren
Im modernen Ansatz des Relationship Marketing ist dazu übergegangen worden, Kunden als Bestandteil des Vermögens eines Unternehmens zu betrachten.[28] Dies gilt insbesondere für KAs, bei denen sich ein Verlust sofort erheblich negativ in der Bilanz niederschlägt.
Dieser Ansatz geht auch darauf zurück, dass die Neuakquise eines Kunden immer mehr Ressourcen erfordert als die Pflege eines Altkunden und sich das Beziehungsmanagement somit direkt auszahlt.[29] Die Kundenbindung darf aber zugleich nicht mit großen Zugeständnissen bezahlt werden, wie es gerade bei Großkunden zu leicht passiert (vgl. die Lorenz- bzw. Pareto-Kurve in Abb. 1). Der KAM hat die Aufgabe, die Kundenbeziehung stabil zu halten, was er am besten durch einen Customer-Added-Value-Faktor[30] erreicht, um zugleich die Lukrativität der eigenen Geschäfte zu sichern. Um diesen Spagat zu schaffen, ist oft eine strukturelle Ausrichtung auf KAM in der Organisation erforderlich.
„KAM, professionell gemanagt, ist eine Investition, die sich rechnet.“[31] Letztenendes erreicht eine langfristige Verbindung auch, dass die Switching- Costs[32] für den KA in dem Maße steigen, dass eine zusätzliche Sicherheit entsteht.[33]
Gleichzeitig darf aus der Perspektive der Kosten natürlich nie vergessen werden, dass auch die eigenen Wettbewerber den KA als solchen erkennen und dementsprechend umwerben, woraus sich ergibt, dass die Akquisition eines KAs immer schwierig und kostenintensiv ist. Die eigenen KAs zu halten, ist deswegen stets oberste Priorität.[34]
2.2.2.6. Vorteile erhöhter Kunden zufriedenheit
Es ist im Interesse des Kunden, eine spezialisierte, individuelle und professionelle Betreuung zu erhalten. Daraus entsteht in der Regel gemeinsam mit dem KAM eine erhöhte Zufriedenheit beim Kunden.[35]
Eine gelungene Kundenbindung erzeugt dabei sowohl enorme Cross-Selling- Potentiale[36] als auch Neu-Akquisitions-Chancen durch direktes Empfehlungsmarketing.[37] Insgesamt steigen aber vor allem die Ertragschancen bei geringer Abwanderungsrate. Jede Investition rentiert sich umso stärker, je länger sie Wirkung zeigt, und die Gewinne steigen ebenfalls, je mehr akquirierte Kunden dem Geschäft erhalten bleiben.[38]
2.3.Grundkon zeptdes KAM
Wie die nachfolgende Grafik (vgl. Abb. 4) verdeutlicht, besteht KAM im anschaulichen Modell aus vier Bereichen. Durch die Verflechtung von KA und Anbieter werden so genannte Win-Win-Vorteile angestrebt.
Die vier Anteile wiederum sind analytisch erneut in zwei Gruppen getrennt, das funktionale und das organisatorische KAM. Diese wissenschaftliche Differenzierung folgt hier dem europäischen Modell der Universität St. Gallen und wird nun kurz erläutert.[39]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Win-Win-Prinzip als Zentrum des KAM[40]
2.3.1.Grundlagen in der Untern ehmen skultur
Die Basis jeder Überlegung, die zur Einführung eines KAM-Systems im Unternehmen führen kann, muss die Grundannahme echter Win-Win-Systeme sein. KAM als Strategie und Unternehmensphilosophie setzt die Überzeugung von partnerschaftlich organisierten Wertschöpfungsketten voraus, deren Nutzen sich auf alle Kooperationspartner verteilt und nicht von konfliktbetonenden Einstellungen und Interessenstreitigkeiten beherrscht wird.
Die Frage nach der eigenen Unternehmenskultur[41] sollte daher nicht zu spät gestellt werden. Dem KA eine strategische Partnerschaftlichkeit zu verkaufen, bleibt schwer darstellbar, wenn innerhalb der eigenen Organisation der interne Überlebenskampf die Beziehungen dominiert. KAM ist nämlich ein Beziehungsmanagement, welches auch intern seinen Ausdruck finden muss. Die Bemühung um das bestmögliche egoistische Ergebnis muss gepaart bleiben mit der Berücksichtigung der Interessen des Gegenüber. Darauf aufbauend spielt sich die Suche nach geeigneten Problemlösungen ab, deren Ziel immer ein gemeinsamer Erfolg, also ein Win-Win-Geschäft ist.[42]
2.3.2. Funktionales KAM: Der KAM- Zirkel
Mit dem Begriff sind die konkreten Funktionen des KAMs und operativen Tätigkeiten eines KA-Managers abgedeckt, die im KAM-Zirkel abgebildet sind.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5: Der KAM-Zirkel[43]
Auf dem Innenkreis werden die analytischen Teilschritte abgegangen, während sie bei jedem Abschnitt auch mit Realisierungsvorhaben in Beziehung gesetzt werden. Ohne auf die einzelnen Teilschritte zu detailliert einzugehen, sind die wesentlichen Aufgabenziele im Folgenden beschrieben.
2.3.2.1. KAM- Analyse
Die Analyse von Markt und Wettbewerb, der eigenen Position und dem Wert und Potential des KAs ist die Grundlage einer jeden Managemententscheidung. Im Rahmen des KAMs sind hierbei immer beide Betrachtungsperspektiven einzunehmen, die eigene und die des Kunden, um anschließend die Realisierungsschritte (vgl. hierzu Kapitel Kundenwert) kontrollierter organisieren und planen zu können.
Der KA-Manager sollte hierfür den gesamten Markt überblicken. Dies betrifft den des KAs und den eigenen Markt.[44] Auf diesem Wissen aufbauend muss er eine Strategie bis hin zur konkreten Verhandlung über Leistungen und Kompetenzen entwerfen. Dann entsteht Abstimmungsbedarf sowohl mit der eigenen wie der fremden Organisation, und mithilfe geeigneter etablierter Strukturen und Kriterien folgt die Durchführung und Prüfung des Prozesses.[45]
2.3.2.2. KAM- Realisation
Aus der Marktanalyse müssen Strategien entwickelt, aus der Betrachtung der Leistungen Geschäftsvereinbarungen gefunden werden und so weiter (vgl Abb. 5), bis anhand der Messkriterien der Erfolg bewertet werden kann und der Kreis für diesen Zyklus geschlossen ist.[46]
Für die Realisierung lassen sich selbstverständlich auch andere Hinweise beziehungsweise andere Systematiken entwickeln. Sidow präsentiert eine als Regelkreis aufgebaute Struktur zur Aufgabenorganisation und Professionalisierung der Kundenbearbeitung im KAM. Dabei weist er darauf hin, dass insbesondere bei den Elementen 8-10 (siehe Abb. 6) häufig Handlungsbedarf besteht.[47]
Die Darstellung verdeutlicht in jedem Fall die Verknüpfung der verschiedenen Teilaktivitäten und verhindert das mögliche Missverständnis eines linearen Prozesses. Insbesondere wird dies auch dadurch betont, dass die Realisierung und Wahrnehmung der „10 Elemente“ durch alle Quartale hindurch praktiziert werden muss.[48]
Abb. 6: Die 10 Elemente des KAM[49]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Weitere Praxisbeispiele und –hinweise ziehen sich durch die Literatur und sind auch aus jedem Fallbericht extrahierbar.[50]
Mit ihrem akzentuierenden Blickwinkel auf vernetztes Denken und Handeln (als Methode des VDH[51]) kommen zum Beispiel Müllner/Honegger ebenfalls zu einem anders gestalteten Vorgehensprinzip, nämlich einem 6-Schritte- Programm.[52]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 7: 6-Schritte-Programm des KAM[53]
Im Ergebnis wird sich die Praxis mit einem System dem individuellen Problem nähern, um dann sukzessiv eine Adaption für den Einzelfall entwickeln zu müssen.
Der kontinuierliche Lernprozess und die Weiterentwicklung der Aktivitäten gehören aber bereits zum nächsten Bereich des KAM: der Support-Ebene durch die Organisation.
2.3.3 Organisationales KAM: Die Support - Elemente ( - Ebene )
Im St. Gallen-Modell ist die bisher beschriebene Ebene des funktionalen KAM eingebettet und ummantelt durch den organisationalen Hintergrund, der quasi als Rückgrat auf einem Fundament aufbaut und integrative Aktivitäten hervorruft.[54] Die Integration wiederum unterstützt die Implementierung der Realisierung.
In folgenden Bild wird jeder Einzelschritt von außen nach innen gelesen und wirkt dann wiederum von ganz innen nach außen, wenn wir uns den KAM-Zirkel (vgl. Abb. 8) im Zentrum vergegenwärtigen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 8: Strukturelles KAM[55]
Im Fokus aller Bemühungen steht jedoch die Idee der Win-Win-Situation, die das Herzstück des gesamten Systems ausmacht (vgl. Kap. 2.3.1. und Abb. 4).
Die Vernetzung des KA-Managers und die Ebenen der Abstraktion können auf das Unternehmen bezogen auch als System gedacht werden.[56]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 9: Ebenenmodell des KAM[57]
Die Entscheidungen des organisatorischen KAMs werden typischerweise auf höchster Ebene getroffen. Die Infrastruktur, die Fokussierung und die Professionalisierung betreffen die Rahmenbedingungen des gesamten
Marketingkonzeptes und werden dementsprechend auf der Leitungsebene (der Bereiche Marketing & Verkauf bzw. des Gesamtunternehmens) getroffen.[58]
Ob man sich - wie vielfach üblich, weil deutlich kostengünstiger - mit funktionalem KAM begnügt oder die gesamte Organisation darauf ausgerichtet ist, muss je nach Situation der Branche und der Marktanalyse entschieden werden.[59] Echtes KAM und nicht nur umbenannte Großkundenbetreuung liegt jedoch erst vor, wenn der KA-Manager durch die Organisation voll unterstützt wird.[60]
Grundsätzlich kann auch nach dem Adressaten differenziert werden. Während das funktionale KAM im Kontakt mit dem KA stattfindet, richten sich die Maßnahmen des organisatorischen KAMs nach innen, also sind die Empfänger der kommunizierten Botschaften die eigenen Mitarbeiter beziehungsweise die internen Strukturen.[61]
2.3.3.1. KAM- Fundament
Wie bereits beschrieben, stellen die Entscheidungen des Top-Managements das Fundament für ein erfolgreiches KAM dar. Solche Maßnahmen sind in der Regel strategisch und beinhalten einen zeitlich weiten Horizont, da sich sonst kaum eine interne Umstrukturierung realisieren ließe. Die Kosteneffizienz einer solchen Veränderung hat große Beachtung zu finden.
Das Schlüsselwort auf dieser Ebene ist der Begriff der „Fokussierung“. Sie spielt im gesamten KAM eine wichtige Rolle („klare Schwerpunkte zu setzen“[62]), denn ob man sich überhaupt auf die KA-Bearbeitung konzentrieren soll, ist eine unternehmerische Entscheidung von prinzipieller Bedeutung. Dieses Element betrifft die grundsätzliche Marketingstrategie des Unternehmens und seiner Gesamtpositionierung im Markt.
2.3.3.2. KAM- Integration
Während das Fundament die entscheidungsgebundenen strategischen Rahmenvorgaben geliefert hat, gilt es daran anschließend, die Organisation auf das KAM vorzubereiten.
Die Bereitstellung der firmeninternen Infrastruktur betrifft nicht nur die Wahl eines geeigneten Organisationsschemas zur Bearbeitung der eigenen KA-Struktur (Sidow stellt 21 Modelle vor[63]). Ebenso ist das Human Ressource Management gemeint und vor allem auch die Entwicklung, Gestaltung und Kommunikation der geeigneten Unternehmensphilosophie.[64]
Leider sind die Anteile dieser gesamten Problemstellung als grundsätzlich nicht abgeschlossen zu denken und auch nicht linear auflösbar. Außerdem sind die Einzelfaktoren in der Regel nicht leicht zu quantifizieren. Schließlich befindet sich die Komplexität der organisatorischen Strukturmaßnahmen in fortwährender Rückkopplung durch die Arbeit und die Notwendigkeiten, die die KA-Manager täglich bewältigen müssen.
Mit den - hoffentlich nicht im organisatorischen Vakuum stehenden - konkreten Tätigkeiten des operativen Geschäfts befasst sich der folgende Teil.
2.4 Aufgaben und Funktionen des KA - Managers
Die verschiedenen Anforderungen an den Manager sind so weit gestreut, dass in der Praxis davon ausgegangen werden muss, dass diese nicht allein bewältigt, bzw. spezielle Aspekte nicht optimal abgeleistet werden können.[65] Es sind daher sowohl Teamwork-Strategien, als auch eine stetige Schulung der Mitarbeiter und der KA-Manager als Teil des fortlaufenden Prozesses zu empfehlen.
Die fast zwangsläufige Überforderung von Einzelstelleninhabern wird noch bedeutender, wenn die Aufgabe im interkulturellen Management-Segment liegt.
Als prinzipielle Stellenfunktion schlägt Sidow den Begriff Schnittstellen- Management vor und beschreibt die Aufgaben gut damit. Der KA-Manager muss den Informationsfluss, die Leistungsgestaltung und den Zahlungsfluss zwischen allen Beteiligten der Wertschöpfungskette im KA-Geschäft initiieren und steuern. Die Gesamtorganisation wird dann abgerundet, wenn er sie nach der Realisation auch kontrolliert.[66]
Kell nennt den KA-Manager einen „Initiator bilateraler Kommunikationskonzepte“, womit die kommunikative Kernkompetenz betont ist.[67] In jedem Fall überbrückt der KA-Manager sowohl interne als auch externe Unternehmensgrenzen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 10: Wertschöpfungsposition des KA-Managers[68]
Inwieweit die einzelnen Teile der Wertschöpfungskette abgetrennt voneinander agieren können, hängt von der Branche und ihren (traditionellen) Marktgesetzen ab.
2.4.1 Voraus setzungen und Anf orderungen and en KA - Manager
Der Mitarbeiter, dessen Aufgabe das KAM ist, soll zugleich als erster Verkäufer des Unternehmens agieren und erfüllt intern die Aufgaben eines Prozessmanagers, wobei er in der Regel hauptsächlich durch die Überzeugungskompetenz seine Ziele durchsetzt.
Grundsätzlich verfügt ein kompetenter KA-Manager über stark ausgeprägte fachliche Kompetenz und ausgereifte soziale Fähigkeiten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 11: Kompetenzprofil des KA-Managers[69]
Zu diesen Bereichen kommen konzeptionelle und formale Kompetenz hinzu.
2.4.1.1. Konzeptionelle und formale Kompetenz
Die hier anfangs genannten Qualifikationsmerkmale lassen sich auch als Kompetenzen zusammenfassen, die der KA-Manager durch die Organisation seines Unternehmens erhält. Dies gilt besonders für die formale Kompetenz, die sich in Symbolen und vor allem in offiziellen Titeln widerspiegelt. Die formale Kompetenz ist für den externen Kontakt vielfach ein Türöffner[70], da sie dem Kunden eine Priorität signalisiert und damit auf Kundenseite hochrangige Ansprechpartner mit entsprechenden Entscheiderkompetenzen aktiviert. Intern ermöglicht es die formale Kompetenz, dass der KA-Manager viele Maßnahmen durch Einfluss und Abstimmung statt durch Anweisung in seinem Interesse gestalten kann.[71]
Die konzeptionelle Kompetenz steigt in der Regel, je höher man sich in den Hierarchien bewegt.
Diese Kompetenz gilt aber ebenso als persönliche Fähigkeit und ist somit nicht bei jeder Person im gleichen Maß vorhanden. Konzepte zu erarbeiten und zu realisieren, wird umso leichter, je höher in den Strukturen der Organisation der Stelleninhaber positioniert ist. KAM muss systematisch, planvoll und letztlich mit den Mitarbeitern zusammen gestaltet und durchgeführt werden. Die Qualifikation zum KA-Manager erfordert umso mehr konzeptionelle Kompetenz, je höher die Funktion hierarchisch angesiedelt ist.[72]
2.4.1.2 Soziale Kompetenz
Die sozialen Kompetenzen sind heute Schlüsselqualifikationen im Berufsleben. Spätestens seit den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist auch auf der Managementebene mit einer Anweisungsmentalität kein nachhaltiger und langfristiger Erfolg mehr zu erwarten. Teamwork und seine Koordination gelten als die Qualifikationen für effektive Arbeit in der modernen Wirtschaft.[73]
Um mit den Mitarbeitern das KAM durchführen zu können, braucht der KA- Manager jedoch besonders ausgeprägte Fähigkeiten in diesem Segment.[74] Die Tätigkeit erfordert enorme Kontakterqualtitäten nach außen und überzeugende Vermittlerfunktionen nach innen. Produktingenieure von einer Veränderung ihrer Pläne zu überzeugen, ohne allzu große Widerstände hervorzurufen, kann sich möglicherweise als mindestens genauso schwierig erweisen, wie einen KA zu gewinnen. Die Verhandlungen mit dem KA sind umso komplexer, je größer die gegenseitige Durchdringung der Kooperation ist. Ein zwischenmenschlicher Fauxpas lässt sich insbesondere bei KAs nur mit großem Aufwand (etwa teuren Zugeständnissen[75]) wieder gut machen. Der KA-Manager ist vorrangig als Beziehungsmanager zu betrachten, wobei sich jede Beziehung am besten gestalten lässt, wenn man sich gut in den anderen hinein versetzen kann, sich sozusagen in seinem Kopf befindet. Das lässt sich sowohl auf interne als auch auf externe Kontakte projizieren.
Insgesamt lässt sich zusammenfassen, dass die soziale Kompetenz und die Vermittlerfähigkeit wahrscheinlich die größten Herausforderungen an die meisten KA-Manager darstellen, da sie auf konventionelle Weise nicht erlernbar sind.
Als wesentliche Fähigkeiten eines KA-Managers müssen seine Vernetzungseigenschaft und die Möglichkeit, mehrdimensional zu denken und zu handeln, genannt werden. Sidow spricht von der „Spinne im Netz“ und Müllner/Honegger widmen dieser Grundlage einen ganzen Artikel, weil die Komplexität der Aufgabe eine enorme Kompetenz in dieser Form erfordert.[76]
Im Idealfall ist ein KA-Manager größerer Unternehmen ein Moderator für ein KAM-Team, dessen Mitglieder sich aus verschiedenen Teilen der Organisation oder sogar verschiedenen Unternehmen zusammen setzen.[77] Die Qualität dieses komplexen Prozesses zu sichern, steht dann als Leistungsforderung im Raum und ist letztlich eine Frage kommunikativer Kompetenz und Begleitungskompetenz auf dem Weg zum Ziel.[78]
2.4.1.3 Fachk ompetenz
Jede ausgeübte berufliche Tätigkeit braucht fachliche Kompetenzen. Der KA- Manager muss aber im Grunde die Kenntnisse beider Geschäftsbeteiligten in sich vereinen, er sollte sowohl das eigene als auch das Geschäft der KAs genau kennen.
Zudem muss er sich in den Fertigungsprozessen der Wertschöpfungskette auf beiden Seiten auskennen, um Probleme und Potentiale identifizieren oder zumindest verstehen zu können. Letzteres gilt vor allem in der Industriegüterproduktion. Gleichzeitig braucht er jedoch auch kalkulatorische und organisatorische Managementfähigkeiten, gepaart mit dem dazu gehörenden Controlling aller Aktivitäten. Dies vor allem in der Konsumgüterbranche, jedoch gilt insgesamt in der Beziehung zum KA ein Leitsatz von Sidow: „Wir wollen ja, dass Sie mit uns Geld verdienen – wir müssen uns das aber auch leisten können!“[79]
In seinem Bemühen, Synergieeffekte zu erzeugen, um 1+1>2 zur gültigen Gleichung des Geschäfts zu machen, muss der KA-Manager im Grunde die gesamte Unternehmensführung beherrschen.
Die fachliche Qualifikation für diese Position ist also ebenso umfassend wie die Wege dorthin vielfältig sind. Je nach Unternehmen und Branche liegt hinter dem KA-Manager eine Grundlagenausbildung in der Fertigung, eine Ingenieurslaufbahn oder eine kaufmännische Grundlage (in der Regel ein wirtschaftswissenschaftliches Studium des Managements). Interessant ist auch die speziellere Fachkompetenz beim KAM im Konsumgütersektor. Die Zusammenstellung von kosteneffektiven und attraktiven Leistungspaketen für die KAs gehört hier zu den Schwerpunktaufgaben des KA-Managers.[80]
Es muss davon ausgegangen werden, dass der einzelne Stelleninhaber gut eingearbeitet und grundsätzlich gut organisiert nachgeschult werden sollte. Zusätzlich ist eine Einzelkämpfermentalität in diesem Segment prinzipiell falsch, der Teamansatz ist die Basis.[81] Wesentlich ist, dass der KA-Manager für den KA den ersten Verkäufer und damit auch das repräsentative Aushängeschild des Unternehmens verkörpert. Seine Kompetenz und seine Erscheinung prägen den Eindruck vom ganzen Unternehmen in wesentlichem Maße.
2.4.2 Spezialfertigkeiten und Funktionen eines KA - Managers
Hier sollen nur einige der besonderen Funktionen des KA-Managers skizziert werden. Vertiefungen finden sich in der angegebenen Literatur und in weiteren Kapiteln dieser Untersuchung.
2.4.2.1 Kunden selektion
Die Analyse möglicher KAs und die Kundenwertanalyse können mit verschiedenen Ansätzen geschehen. „Gute“ bzw. „Wichtige“ Kunden zu identifizieren ist eine differenzierte Angelegenheit.[82]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 12: Kundenanalysemodelle[83]
Das Thema Kundenwert wird im zweiten Teil dieser Arbeit noch vertieft.
Die verschiedenen Ansätze zur Kundenselektion, die sich erfolgversprechend in der Regel als eine Kombination aus quantitativen und qualitativen Merkmalsbewertungen präsentieren, sind zahlreich. Vor allem aber muss gewährleistet werden, dass die Auswahl genau kontrolliert wird. Die Betreuung eines KAs verursacht stets teuren zusätzlichen Aufwand, dessen Nutzen sich deutlich im Sinne des eigenen Unternehmens widerspiegeln muss. Ein KA, der nicht von strategischer Wichtigkeit ist und mit mittelmäßiger Rentabilität und hohen Betreuungskosten bewirtschaftet wird, entspricht nicht dem Ziel des KAMs.
Sidow schlägt als eine Typologie verschiedene Arten von KAs vor.[84]
Neben dem bei ihm abschließend genannten Kundenwunsch als Motiv zur Klassifizierung als KA, also dem Status als Serviceleistung für den Kunden, sollen seine a.a.O. erläuterten Kundenmerkmale hier neu zusammen gefasst werden:
Der Schlüsselkunde aufgrund der aktuellen Zahlen: Großkunden (Major Accounts); Kunden mit hohen absoluten Deckungsbeträgen; Übergreifende KAs (Large Accounts).
Der Schlüsselkunde aufgrund der Marktbedeutung: Imageführer und Prestigeträger; Know-how-Träger.
Der Schlüsselkunde aufgrund des Markteinflusses: Meinungsbildner; Steigbügelhalter; Entscheidungsmultiplikatoren.
Der Schlüsselkunde aufgrund der zu erwartenden Zahlen: Entwicklungskunden (Potentialträger); Wachstumskunden; Kunden mit Deckungsbeitragspotential.
Die Kategorie Kunden entsprechend ihrer Marktbedeutung löst sich im Prinzip in den obigen Klassen auf. Zudem muß angemerkt werden, dass ein KA gleichzeitig mehrere Kriterien erfüllen kann, es sogar des öfteren tut.
Eine besondere Betrachtung und kritische Hinterfragung erhält der Schlüsselkunde aufgrund seiner Organisation. Darunter fallen bei Sidow die beschriebenen KAs Komplexe Kunden und Angst-Kunden, jedoch sei an dieser Stelle die Frage gestellt, ob sich die in diese Kunden investierten Leistungen nicht rentabler an anderer Stelle nutzen ließen. Die organisatorischen Schwächen des Kunden durch eigene Leistung zu kompensieren, sollte zumindest nicht Ziel des KAMs sein. Das Gegenwehrkonzept, wie es Sidow bei den Angst-Kunden beschreibt, erfüllt nicht die partnerschaftliche Grundidee des KAMs.
Die Einschätzung mithilfe der richtigen Analyseinstrumente und die Konzeption der ihnen entsprechenden Bearbeitungsstrategien gehören zu den wichtigsten Skills des KA-Managers bzw. seines Teams. Allerdings ist es auch die Aufgabe der Geschäftsführung des Gesamtunternehmens, den strategischen Rahmen zur Definition der KAs zu setzen und damit das strategische Fundament für die Organisation zu legen.
Als nächsten Schritt gilt es, die richtigen Menschen zur Kooperation zusammen zu führen, und zwar sowohl im eigenen Unternehmen als auch im firmenübergreifenden Kontakt. Dies erfordert die richtigen Zielsetzungen und damit beginnt die eigentliche Durchführung des KAMs.
2.4.2.2. KAM- Grundstrategien und Durch führung mit dem Kunden portfolio
Diese Ausführungen können zur praktischen Durchführung von KAM nur skizzenhafte Hinweise geben, aber es wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit am Beispiel Osteuropas noch konkret mit Gestaltungshinweisen gearbeitet (vgl. Teil 5 und 6). In jedem Fall sollte jeder KA-Manager sein eigenes Kundenportfolio sorgfältig klassifizieren. Neben den Hinweisen, die bereits bei den Grundkonzepten zum funktionalen KAM dargestellt wurden (vgl. v.a. 2.3.2.), ist das Portfolio mit seinen verschiedenen Matrixkonstellationen gut für die Auswahl einer grundsätzlichen Strategie je nach Kunde geeignet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 13: KA Portfolio[85]
Es sollte deutlich werden, welche prinzipiellen Optionen möglich sind und in welcher Situation welche Ziele Priorität genießen sollen.
Operative Tätigkeiten müssen sich dann immer anhand ihrer Funktionalität im Sinne dieser Ziele und an ihrer Investitionsrentabilität messen lassen. Bestehen über die oberen Ziele Unklarheiten, kann dies das gesamte KAM-Team behindern. Prinzipiell ist KAM eine Investition, die einen Mehrverkauf erzeugen soll, aber es darf nicht zu teuer werden. Die Strategie entscheidet zuvor.
2.4.2.3 Der KA - Manager als strategischer Verkäufer
Das KAM ist ein Verkaufsinstrument, es ist aber zugleich eine langfristige strategische Entscheidung und Unternehmensphilosophie.
Im Rahmen heutiger Consultative-Selling-Methoden[86] werden für KAs maßgeschneiderte Lösungen erzeugt[87], um das eigene Unternehmensergebnis langfristig zu sichern oder zu verbessern (vgl. Kapitel 2.2.2.6.).
Aus dieser Vorstellung des strategischen Verkaufs ergibt sich die Notwendigkeit der Kompetenz in Produktentwicklungsprozessen. Der KA-Manager muss auch hier wieder beide Unternehmungen und ihren Beitrag zur gesamten Wertschöpfungskette realistisch einschätzen. In Kooperation mit den verschiedenen Abteilungen sieht der KA-Manager Optimierungschancen und verwirklicht diese. Strategische Überlegungen zeichnen sich dabei immer durch Unsicherheit und Komplexität und eine prinzipielle Ungewissheit der Zukunft aus.[88]
Aus seiner Grundaufgabe als Verkäufer ergibt sich zusätzlich bei Betrachtung strategischer Reichweiten auch die Entwicklung langfristiger Verhandlungsstrategien und deren Durchführung. Wiederholt muss darauf hingewiesen werden, dass das KAM für den Supplier nicht zu einem Minusgeschäft werden darf; seine komplexen Möglichkeiten werden sich nur bei sorgfältiger Analyse entfalten können.
2.4.2.4 Die Doppelziel - Orientierungdes Schnittstelle in habers
Prinzipiell handelt der KA-Manager immer im Brennpunkt eines Interessenkonfliktes. Intern muss er als ein Agent der jeweiligen KAs handeln und deren Ziele anstreben, extern steht der KA-Manager als wichtigster Repräsentant des eigenen Unternehmens bei den Schlüsselkunden ebenfalls in der Pflicht. Die zweiseitige Zielbildung stellt im Rahmen einer Handlungsregulationstheorie[89], wie sie zum Beispiel von Hacker entwickelt wurde, ein Problem dar.[90]
Das Spannungsverhältnis dieser verschiedenen Interessen auszuhalten und aktiv, produktiv und effektiv im Sinne aller Beteiligten zu gestalten, kann als eine weitere, vielleicht als die schwierigste Schlüsselqualifikation gelten.
Grundsätzlich ist zu gewährleisten, dass die gesamte Organisation sich mit der KA-Strategie identifiziert, ihren Sinn und ihre Berechtigung akzeptiert und ihre Durchführung unterstützt.
Leider existieren oft mehr oder weniger begründete psychologische Widerstände in den Organisationen, die die Durchführung erschweren bis sabotieren.
2.5 Organisations psychologische Aspekte
Die Einbindung des KAM in viele Unternehmensbereiche ist aufgrund der Verflechtungen moderner Problemlagen empfehlenswert. Jede Planung ist per Definition unsicher und ohne ausreichende Information.[91] Die Durchführung ist zudem, wie schon gezeigt wurde, hoch komplex und bereits von Seiten des KAs mit vielen Gefahrenquellen verbunden. Deswegen muss die Entscheidung für die Strategie eines KAMs auch durch das gesamte Unternehmen kommuniziert und akzeptiert werden, um interne Blockaden zu reduzieren. Der Prozessschritt erfordert Zeit und Ressourcen, deren Nutzen leider oft nur schwer quantifizierbar ist.
Die Durchführung oder Blockierung verschiedener Vorhaben mit dem KA von internen Abteilungskonflikten abhängig zu machen, kann die beste Beziehungsarbeit von KA-Manager und KS-Manager nachhaltig stören. Verlässlichkeit und Vertrauen von Seiten des KAs müssen letztlich in der Organisation als Ganzes entstehen, um sich nicht vom eigenen Mitarbeiter abhängig zu machen.
Die prinzipielle Orientierung an Teamstrukturen, wo es zeitlich möglich ist, reduziert sowohl die interne Abhängigkeit von Personen als auch die Gefahr subjektiver Fehleinschätzungen und erhöht die Chance des organisationalen Lernens, was die Unternehmung stärkt. Ein derart komplexer Managementsektor wie das KAM mit seiner hohen Verantwortung für den unternehmerischen Erfolg und seine strategischen Implikationen sollte sich an der Organisation und nicht an der aktuellen Besetzung orientieren. Nur vor dem Risikoschubphänomen sollte gewarnt werden[92], jedoch überwiegen ansonsten die Vorteile, weshalb die Literatur auch grundsätzlich zu einer organisationalen Orientierung an KAM- Teams rät.[93]
Leider ist auch die Einführung solcher weniger hierarchischer Strukturen noch für viele Unternehmen ein Lernprozess, der in der Firmenphilosophie oft nicht auf Unterstützung trifft. Bedauerlicherweise besitzen die Menschen in den Organisationen gegenüber Wandlungsprozessen ein Beharrungsvermögen, welches dem Wandel entgegensteht.[94] Dieser als Widerstand gegen Änderung in die Literatur eingegangene Aspekt verdient Beachtung. Die grundsätzlich positive Einstellung zum Team ist wichtig, aber die Geschäftsleitung muss sich fragen, wie viele Veränderungen zugleich angeschoben werden können. Gegebenenfalls sollte man sich auch der professionellen Unterstützung durch Change Agents[95] bedienen. Aus ganzheitlicher Perspektive lässt sich in jedem Fall feststellen, dass das KAM in ein Unternehmen eingebettet sein muss, in dem die Marketingstrategie von einer Mehrzahl aller Beteiligten[96] mitgetragen und gestaltet wird.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die bereits angesprochene Unternehmenskultur, die vom festen Glauben geprägt sein sollte, dass Win-Win-Situationen nicht nur möglich, sondern die anzustrebende Normallösung sein müssten.[97] Unternehmenskulturen besitzen ebenfalls ein Beharrungsvermögen, jedoch gibt es erprobte Modelle, einen Wandel zu diagnostizieren und durchzuführen.[98] Fehlt es noch an der oben dargestellten Einstellung im Unternehmen, muss kontinuierlich an dieser Stelle in die Überzeugungsarbeit investiert werden, denn sie bildet die Basis für jede Partnerschaft, deren Beziehung das KAM letztlich gestalten soll.
2.6 Fazit
KAM ist eine komplexe unternehmerische Strategie im Marketing, die den Einsatz der gesamten Organisation erfordert. Sowohl in den Strukturen als auch in den alltäglichen Prozessen sollte eine Ausrichtung der Aktivitäten an den Bedürfnissen der Schlüsselkunden erfolgen.
Eine Orientierung an diesen Kunden erscheint aufgrund der Argumente (vgl. Teil 2.2.2) und der Marktentwicklungen für viele Unternehmen angebracht und sinnvoll, aber die Umstellungskosten können auch beträchtlich sein. Wegen der Chancen einer gesünderen Deckungsbeitragsstruktur bei den KAs und wegen der Gefahren bei unsystematischer und teurer Zusammenarbeit mit Großkunden ist ein institutionalisiertes KAM für moderne Anbieter zu empfehlen.
Ob eine solche Umstrukturierung aktuell die beste Entscheidung ist, lässt sich nicht pauschal beantworten, jedoch ist eine sorgfältige Analyse von Markt- und Kundenstruktur sowie der eigenen Ressourcen in jedem Fall richtig.
Als eine weiterführende Diskussion würde es sich lohnen, die Frage nach einem KAM im Konsumgütersektor zu stellen. In der Kategorisierung des KAMs handelt es sich im Grunde immer um den Beginn eines Teil- und Spotgeschäfts bzw. eines Liefergeschäfts ohne tiefere Verknüpfung der gegenseitigen Prozesse.[99] Ob in diesem Rahmen eine Organisationsstruktur im Sinne des KAM nicht eher den Handelsketten anstatt der eigenen Unternehmung nützt, muss thematisiert werden. Insgesamt verfehlt diese Situation womöglich die Gesamtphilosophie der partnerschaftlichen Suche nach Win-Win-Konstellationen.
3. . Der Kundenwert als Voraussetzung für den Unternehmenserfolg
3.1 Die Bedeutung der Kunden bewertung
Das alte Sprichwort „Der Kunde ist König“ muss im moderneren Marketing relativiert werden. Zwar ist der Kunde immer noch König, aber nicht um jeden Preis, und nicht jeder König ist für das Unternehmen gleichbedeutend. Manchmal ist es sogar besser, nicht jedem König zu dienen.[100] Durch eine vermehrte Austauschbarkeit der Leistung konkurrierender Anbieter, rückläufige Märkte und sinkende Anbietertreue von Kunden wird in vielen Branchen eine Refokussierung von transaktionsorientiertem Management hin zu einem individualisierten Kundenmanagement beobachtet.[101] Der Kunde – genauer gesagt der profitable Kunde – ist es, der im Mittelpunkt der Betrachtung steht, der identifiziert, analysiert und ermittelt werden muss, um ihn individuell betreuen zu können. Diese „Pflege“ bewirkt einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten und führt gezielt zu einer effizienten Arbeitsweise.
Aus diesem Grund empfiehlt es sich, eine Kundenanalyse und eine anschließende Kundenbewertung mit dem Ziel vorzunehmen, den monetären Wert der Kundenbeziehung zu bestimmen. Dieser monetäre Wert wird als Beitrag des Kunden zur Erreichung des Unternehmensziels angesehen.[102] Die Kundenanalyse ist vor dem Hintergrund der Kundenbindung vorrangig dem Customer Relationship Management (CRM) zuzuordnen. CRM wird als ein am Kunden und seinen Bedürfnissen ausgerichtetes Führungskonzept verstanden, das alle Aktivitäten umfasst, die auf bestehende oder potentielle Geschäftsbeziehungen ausgerichtet sind.[103]
Die Literatur betrachtet den Kundenwert aus zwei verschiedenen Perspektiven: zum einen aus der Kundensicht als vor- oder nichtökonomische Größe, zum anderen aus Unternehmenssicht, um den wirtschaftlichen Wert der Geschäftsbeziehung zu beschreiben.
Die Verfahren zur Messung des Kundenwertes lassen sich anhand der Abbildung 14 hinsichtlich dreier Kriterien klassifizieren:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
[1] Breinbauer/Wakounig (2003), S. 12.
[2] Biesel (2007), S. 6.
[3] Schuppert/Papmehl/Walsh (1994), S. 9.
[4] Sidow (2002), S. 13 f.
[5] Grell (2005), S. 5.
[6] Das Prinzip lautet: 20% der Kunden erzeugen 80% des Umsatzes. (Sidow (2002), S. 21).
[7] Sidow (2002), S. 21 ff.
[8] Mit S queezing wird in der Verhandlungssituation eine Strategie beschrieben, bei der der Machtvolle den Schwächeren zu Zugeständnissen zwingt. Der Schwächere hat hierbei keine Möglichkeit, nicht nachzugeben.
[9] Sidow (2002), S. 22.
[10] Grell (2005), S. 6.
[11] Kleemann (2005), S. 5.
[12] Sidow (2002), S. 25 f.
[13] Jahresgespräche im Handelsmarketing (Kleemann (2005), S. 11) im Verhältnis zur gemeinsamen Produktentwicklung im Industriegütersektor.
[14] Es ließe sich diskutieren, ob im B2C-Sektor überhaupt von einem echten KAM gesprochen werden sollte. Kleemann widmet sich dem zwar (Kleemann (2005)) in dieser Weise, aber von einer strategischen Partnerschaft ist wohl eher weniger zu sprechen.
[15] Sidow (2002), S. 231 f.
[16] Sidow (2002), S. 232.
[17] Sidow (2002), S.13.
[18] Grell (2005), S. 7.
[19] Belz/Bußmann/Zupancic (2005), S. 22.
[20] KA als auch Supplier.
[21] Schranner (2005), S. 136.
[22] Schmitz (2005), S. 156.
[23] Sidow (2002), S. 25.
[24] Sidow (2002), S. 25.
[25] Sidow (2002), S. 23.
[26] Axmann/Strenge (2004), S. 22.
[27] Belz/Zupancic/Bußmann (2005), S. 158.
[28] Belz/Zupancic/Bußmann (2005), S. 168.
[29] Sidow (2002), S. 219.
[30] Der Begriff bezeichnet einen erweiterten Kundenwert, der durch besondere Leistungen erreicht wird. Durch diese Aktivitäten erhöht sich der spezifische Warenwert für diesen Kunden.
[31] Belz/Bußmann/Zupancic (2005), S. 40.
[32] Mit diesen Kosten werden alle notwendigen Investitionen beschrieben, die ein Wechsel des Lieferanten mit sich bringen würde.
[33] Grell (2005), S. 7.
[34] Grell (2005), S. 8.
[35] Sidow gibt als einen der häufigsten Gründe zur Einteilung zum KA den Kundenwunsch an, vgl. Sidow (2002), S. 30, und Kapitel 2.4.2.1 in dieser Arbeit.
[36] Ein Kunde kauft auf bekannten Lieferwegen bei einem Lieferanten oft zusätzlich Waren aus dessen Sortiment, die gegebenenfalls bei anderen Versorgern beschafft werden könnten.
[37] Grell (2005), S. 5.
[38] Grell (2005), S. 5.
[39] Belz/Zupancic/Bußmann (2005), S. 12 ff.
[40] Zupancic et al. (2005), S.14.
[41] Zum Thema Unternehmenskultur und den wichtigsten Elementen vgl. Ridder (1999), S. 535 ff.
[42] Zupancic/Belz/Bußmann (2005), S. 13, und Axmann/Strenge (2004), S. 7.
[43] Zupancic et al. (2005), S.15.
[44] Axmann/Strenge (2004), S. 16.
[45] Sidow (2002), S. 57.
[46] Zupancic/Belz/Bußmann (2005), S. 15.
[47] Sidow (2002), S. 114.
[48] Sidow (2002), S. 57.
[49] Sidow (2002), S. 114.
[50] Vgl. z. B. Zupancic et al. (2005): Best Practice im Key Account Management; dort v.a. Teil B-D mit 14 Fallstudien.
[51] Die Methode „Vernetzt Denken und Handeln“ wird als eine Vorgehensweise beschrieben, die mit verschiedenen Abstraktionsebenen komplexe Fragestellungen analysieren und visualisieren soll. Daran anschließend werden zielorientierte Aktionen umgesetzt. Müllner/Honegger (2005), S. 61).
[52] Müllner/Honegger (2005), S. 63.
[53] Müllner/Honegger (2005), S. 63.
[54] Zupancic/Belz/Bußmann (2005), S. 17 f.
[55] Zupancic et al. (2005), S.18.
[56] Müllner/Honegger (2005), S. 61 f.
[57] Müllner/Honegger (2005), S. 62.
[58] Zupancic/Belz/Bußmann (2005), S. 14.
[59] Zu branchenspezifischen Auswahlprozessen vgl. Sidow (2002), S. 31-36.
[60] Sidow (2002), S. 231 f., und Axmann/Strenge (2004), S. 19 f.
[61] Zupancic/Belz/Bußmann (2005), S. 13 f.
[62] Zupancic/Belz/Bußmann (2005), S. 18.
[63] Sidow (2002), S. 64-93.
[64] Belz/Zupancic/Bußmann (2005), S. 18, bzw. Abb. 8 hier.
[65] Belz/Zupancic/Bußmann (2005), S. 23; der dort interessante, hier aber nicht weiter ausgeführte Begriff lautet: Wirkungsschwelle.
[66] Sidow (2002), S. 96; verschiedene Stellenbeschreibungen schließen sich dort auf den folgenden Seiten an (S. 97 ff.).
[67] Kell zitiert bei Grell (2005), S. 11.
[68] Sidow (2002), S. 54.
[69] Sidow (2002), S. 107.
[70] Sidow (2002), S. 108.
[71] Sidow (2002), S. 109 f.
[72] Sidow (2002), S. 108 f.
[73] Müllner und Honegger sprechen implizit in ihrem gesamten Konzept auch viel über soziale Kompetenzen (z.B. „Sichtweisen identifizieren“), nennen es aber aufgrund des anderen Schwerpunkts ihres Aufsatzes nicht explizit. (Müllner/Honegger (2005), S. 62 ff.).
[74] Sidow (2002), S. 107 f.
[75] In der Praxis werden dem Kunden Preisminderungen in unterschiedlichster Ausgestaltung, beispielsweise in Form von Rabatten, Skonti, Gutschriften, Rückvergütungen, Serviceleistungen, Gratis- und Bonuslieferungen etc. gewährt.
[76] Müllner/Honegger (2005), S. 60 ff.
[77] Putze (2005), S. 119 ff.
[78] Putze (2005), S. 127.
[79] Sidow (2002), S. 105.
[80] Sidow (2002), S. 37.
[81] Axmann/Strenge (2005), S. 15.
[82] Binckebanck/Herrmann (2005), S. 168.
[83] Binckebanck/Herrmann (2005), S.170.
[84] Vgl. zum Folgenden Sidow (2002), S. 28 ff. Kursiv gesetzt sind die Bezeichnungen von Sidow dort, unterstrichen sind die hier entwickelten Zusammenfassungen.
[85] Sidow (2002), S. 44.
[86] Mit dieser Bezeichnung werden neuere Konzepte des beratenden Verkaufs beschrieben. Der Verkäufer präsentiert kein Produkt, sondern betrachtet mit dem Kunden dessen Bedürfnislage.
[87] Grell (2005), S. 5.
[88] Steinmann/Schreyögg (2000), S. 244.
[89] Die Theorie begreift den Menschen als aktives auf situative Umwelteinflüsse reagierendes Subjekt. Mit ihren Zielen und Plänen steht die Person in Wechselwirkung zu ihrer Umgebung und reguliert eigene Taten im eigenen Interesse. Dies steht einer Idee vom Menschen als durch Umwelteinflüsse oder innere Bedürfnisse getriebenem Subjekt entgegen.
[90] Ridder (1999), S. 332 f.
[91] Steinmann/Schreyögg (2000), S. 277 f.
[92] Steinmann/Schreyögg (2000), S. 552. Das beobachtbare Phänomen, dass Gruppen tendenziell riskantere Entscheidungen akzeptieren, kann hier nicht vertieft werden.
[93] Putze (2005), S. 119 ff. Es wird auch von einem KAM-Cockpit gesprochen bei Zupancic/Belz/Bußmann (2005), S. 16. Zu Chancen und Risiken von Gruppen im Arbeitsprozess vertiefend Keller (2003), S. 746 ff.
[94] Ridder (1999), S. 246 f., und Steinmann/Schreyögg (2000), S. 452 ff.
[95] Ist ein Experte für die konstruktive Herbeiführung von Klärungen in Entscheidungs- und Konfliktsituationen sowie von Neuerungen und Veränderungen im persönlichen, organisatorischen, wirtschaftlich-technologischen oder politisch-sozialen Bereich.
[96] Beim echten KAM ist das ganze Unternehmen betroffen.
[97] Vgl. Kapitel 2.3.; Das Win-Win-Prinzip ist die Basis aller Annahmen des KAM.
[99] Vgl. Kleemann (2005), S. 21, und Axmann/Strenge (2005), S. 26.
[100] Krenz (2006), S. 14.
[101] Günter/Helm (2001), S. 239.
[102] Henseler/Hoffmann (2003), S. 17.
[103] Gabler Wirtschafts-Lexikon (2001), Stichwort: Kundenbeziehungsmanagement.