Während noch bis in die 1980er Jahre teilweise der Standpunkt vertreten
wurde, dass die zivilrechtliche Haftung von Vorstandsmitgliedern in der
Bundesrepublik Deutschland „rechtstatsächlich kaum eine nennenswerte
Rolle“ spielen würde, und die entsprechenden Haftungsnormen in der Praxis
wenig bedeutsam wären, konnte diese Einschätzung in der Folgezeit nicht
mehr aufrecht erhalten werden. Die Verantwortlichkeit und Haftung des
Vorstands in deutschen Aktiengesellschaften hat in den vergangenen Jahren
erheblich an Bedeutung gewonnen.
Ursächlich hierfür sind eine nachhaltig veränderte öffentliche Wahrnehmung
der Managerhaftung und die dazu korrespondierenden Entwicklungen in
Rechtsprechung und Gesetzgebung.
So hat vor allem ein gestiegenes öffentliches Interesse an spektakulären
Unternehmenszusammenbrüchen im Zusammenhang mit einem vermeintlichen
oder tatsächlichen Fehlverhalten von Vorständen oder Geschäftsleitern4 zu
einer veränderten Sichtweise der Organhaftung und, hieraus folgend, zu einer
deutlich erhöhten Anspruchsmentalität geführt. In ähnlicher Weise wirkten
sich auch die im Rahmen der Globalisierung entstandenen, weltweiten
Unternehmensverflechtungen aus, da hierdurch eine bessere Vergleichbarkeit
sowohl der länderspezifischen haftungsrechtlichen Konzepte als auch der
unterschiedlichen Rechtsmentalitäten im Umgang mit möglichen Schadensersatzansprüchen
ermöglicht wurde. Durch den damals viel versprechenden Trend seitens der Privatanleger, ihr Vermögen in Aktien zu investieren und den darauf folgenden drastischen Kursverlusten am neuen Markt, hat das Verlangen die potentiellen Verantwortlichen im Unternehmensmanagement zu suchen und haftbar zu machen die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit noch kritischer werden lassen.
Inhaltsverzeichnis
- A. EINFÜHRUNG
- I. Entwicklungen im Vorstandshaftungsrecht
- II. Themenabgrenzung und Vorgehensweise
- B. ZIVILRECHTLICHE HAFTUNG DER VORSTANDSMITGLIEDER
- I. Bereiche der Haftung
- II. Innenhaftung
- 1. Pflichtverletzung
- a) Sorgfaltspflicht der Vorstandsmitglieder
- aa) Legalitätspflicht
- bb) Pflicht zur sorgfältigen Unternehmensleitung
- cc) Überwachungspflicht
- b) Treuepflicht der Vorstandsmitglieder
- aa) Verschwiegenheitspflicht
- bb) Wettbewerbsverbot
- 2. Verschulden
- 3. Schaden
- 4. Kausalität
- 5. Darlegungs- und Beweislast
- 6. Gesamtschuldnerische Haftung
- III. Außenhaftung
- 1. Haftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern
- a) Haftung aus culpa in contrahendo
- b) Haftung wegen Insolvenzverschleppung
- c) Haftung aufgrund des Verfolgungsrechts der Gläubiger
- 2. Haftung gegenüber Aktionären
- a) Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB
- b) Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz
- c) Haftung aus § 117 Abs. 1 S. 2 AktG
- C. AUSWIRKUNGEN DES UMAG AUF DIE VERANTWORTLICHKEIT VON VORSTANDSMITGLIEDERN
- I. Unternehmerisches Ermessen
- 1. Notwendigkeit unternehmerischen Ermessensspielraums
- 2. Business Judgment Rule im amerikanischen Recht
- 3. Anerkennung des Leitungsermessens im deutschen Recht
- 4. Präzisierung durch die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung
- 5. Kodifizierung einer deutschen Business Judgment Rule
- II. Neuregelung des Innenhaftungstatbestands der Organe
- 1. Regelungstechnik des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG
- a) Anwendungsbereich der Business Judgment Rule
- b) Die Rechtsfigur des „safe harbour"
- 2. Tatbestandsvoraussetzungen des Haftungsfreiraums gem. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG
- a) Unternehmerische Entscheidung
- b) Handeln zum Wohle der Gesellschaft
- c) Handeln ohne Sonderinteressen und sachfremde Einflüsse
- d) Handeln auf der Grundlage angemessener Information
- e) Handeln in gutem Glauben
- 3. Beweislastverteilung und Außenwirkung
- a) Darlegungs- und Beweislast
- b) Unternehmerisches Ermessen und Außenhaftung
- III. Neuregelung der Geltendmachung von Ersatzansprüchen
- 1. Gegengewicht zur Business Judgment Rule
- 2. Wesentliche Neuerungen durch das UMAG
- a) Neuregelung des Verfolgungsrechts der Aktionärsminderheiten
- b) Gerichtliches Klagezulassungsverfahren
- c) Recht zur Bestellung von Sonderprüfern
- d) Schaffung einer elektronischen Aktionärsplattform
- D. AUSWIRKUNGEN DES DEUTSCHEN CORPORATE GOVERNANCE KODEX AUF DIE VERANTWORTLICHKEIT VON VORSTANDSMITGLIEDERN
- I. Deutscher Corporate Governance Kodex
- 1. Begriff und Entstehungsgeschichte
- 2. Zielsetzung, Aufbau und Inhalt
- 3. Rechtsnatur und Verbindlichkeit
- 4. Bedeutung und Regelungstechnik des § 161 AktG
- II. Innenhaftung
- 1. Keine Abgabe einer Entsprechenserklärung
- a) Verstoß gegen formale Voraussetzungen
- b) Verstoß gegen inhaltliche Voraussetzungen
- 2. Abgabe einer unzutreffenden Entsprechenserklärung
- a) Wahrheitswidrige vergangenheitsbezogene Erklärung
- b) Wahrheitswidrige zukunftsbezogene Erklärung
- c) Wesentlichkeitsschwelle
- 3. Keine Berichtigung einer unzutreffend gewordenen Entsprechenserklärung
- 4. Verstoß gegen transformierte Kodexbestimmungen
- 5. Ausstrahlungswirkung der Kodexbestimmungen
- a) Meinungsstand
- b) Stellungnahme
- III. Außenhaftung
- 1. Persönliche Haftung der Vorstandsmitglieder
- a) Allgemeine Vertrauenshaftung
- b) Prospekthaftung
- aa) Börsenrechtliche Prospekthaftung
- bb) Bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung
- c) Deliktische Haftung
- aa) Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB
- bb) Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz
- cc) Haftung aus § 826 BGB
- 2. Haftung der Gesellschaft
- a) Haftung für unrichtige Börsenprospekte
- b) Haftung für unterlassene oder fehlerhafte Ad-hoc-Publizität
- IV. Akzeptanz des Deutschen Corporate Governance Kodex in der Praxis
- 1. Allgemeine Akzeptanz und Umsetzungsniveau
- 2. Umsetzungserfolg einzelner Empfehlungen und Anregungen
- E. FAZIT UND AUSBLICK
- Entwicklungen im Vorstandshaftungsrecht
- Zivilrechtliche Haftung der Vorstandsmitglieder
- Auswirkungen des UMAG auf die Verantwortlichkeit von Vorstandsmitgliedern
- Auswirkungen des Deutschen Corporate Governance Kodex auf die Verantwortlichkeit von Vorstandsmitgliedern
- Akzeptanz des Deutschen Corporate Governance Kodex in der Praxis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit befasst sich mit der Haftung der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft. Sie analysiert die zivilrechtliche Haftung der Vorstandsmitglieder sowohl gegenüber der Gesellschaft (Innenhaftung) als auch gegenüber Dritten (Außenhaftung). Dabei werden die Auswirkungen des Deutschen Corporate Governance Kodex und des UMAG auf die Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder untersucht.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Vorstandshaftung ein und beleuchtet die Entwicklungen im Vorstandshaftungsrecht. Sie erläutert die Themenabgrenzung und die Vorgehensweise der Arbeit.
Kapitel B befasst sich mit der zivilrechtlichen Haftung der Vorstandsmitglieder. Es werden die Bereiche der Haftung, die Innenhaftung und die Außenhaftung, detailliert analysiert. Die Innenhaftung umfasst die Pflichtverletzung, das Verschulden, den Schaden, die Kausalität, die Darlegungs- und Beweislast sowie die Gesamtschuldnerische Haftung. Die Außenhaftung umfasst die Haftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern und die Haftung gegenüber Aktionären.
Kapitel C untersucht die Auswirkungen des UMAG auf die Verantwortlichkeit von Vorstandsmitgliedern. Es werden das unternehmerische Ermessen, die Neuregelung des Innenhaftungstatbestands der Organe und die Neuregelung der Geltendmachung von Ersatzansprüchen analysiert.
Kapitel D analysiert die Auswirkungen des Deutschen Corporate Governance Kodex auf die Verantwortlichkeit von Vorstandsmitgliedern. Es werden der Begriff und die Entstehungsgeschichte des Kodex, seine Zielsetzung, sein Aufbau und Inhalt, seine Rechtsnatur und Verbindlichkeit sowie seine Bedeutung und Regelungstechnik erläutert. Die Auswirkungen des Kodex auf die Innenhaftung und die Außenhaftung werden ebenfalls untersucht.
Kapitel E fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und gibt einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen im Vorstandshaftungsrecht.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Haftung der Vorstandsmitglieder, die Aktiengesellschaft, das Deutsche Corporate Governance Kodex, das UMAG, die Innenhaftung, die Außenhaftung, das unternehmerische Ermessen, die Business Judgment Rule, die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, die Akzeptanz des Kodex in der Praxis und die zukünftige Entwicklung des Vorstandshaftungsrechts.
- Arbeit zitieren
- Bastian S. (Autor:in), 2006, Die Haftung der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft unter besonderer Berücksichtigung des Deutschen Corporate Governance Kodex und des UMAG, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113538