Kaum einem neurolinguistischen Untersuchungsgegenstand wird seit den 60er Jahren so viel Aufmerksamkeit geschenkt wie dem „Agrammatismus“. Dieser stellt eine spezifische Form der Sprachstörung dar, welche durch eine Schädigung des Gehirns im so genannten Broca-Areal der sprachdominanten linken Hemisphäre des Gehirns entsteht. Die Sprachproduktion ist dabei durch das Fehlen grammatischer Strukturen je nach Ausprägung der Läsion mehr oder weniger stark beeinträchtigt, weshalb Sätze zwar gebildet werden können, dies jedoch mit vereinfachter Syntax geschieht. Man spricht hierbei auch vom so genannten „Telegrammstil“, der „Einwortsätze oder wenige Inhaltswörter (Substantive, Verben) in ihrer Grundform“ beinhaltet. Die Fähigkeit Sprache zu verstehen bleibt dabei weitgehend unberührt.
Eine besondere Bedeutung im Rahmen der Agrammatismusforschung kommt der Flexionsmorphologie zu. Das Dual-Mechanism-Modell von Pinker und Prince (1988)als dualistisches Flexionsmodell geht dabei von zwei mentalen Repräsentationen bei der Verarbeitung von regulären und irregulären Flexionen aus und wendet sich damit gegen Ansätze, die von einer einheitlichen Repräsentation , also nur einem System zur Verarbeitung regulärer und irregulärer Flexionen, ausgehen.
Im Folgenden sollen anhand von Personen verschiedener Nationalitäten mit entsprechender Broca-Aphasie ausgewählte Beeinträchtigungen untersucht werden, um zu sehen welche Auswirkungen eine Störung im Bereich der sprachdominanten linken Hemisphäre des Gehirns mit sich bringen kann. Parallel hierzu soll mit Hilfe bereits bestehender Läsionsstudien nach Antworten gesucht werden, welche die Theorie unterschiedlicher kognitiver Mechanismen bei der Verarbeitung regulärer/irregulärer Flexionen untermauern und bestätigen können, um zur Schlichtung konkurrierender linguistischer Theorien beizutragen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einführung
- 2. Dual-Mechanism-Theory
- 2.1 Grundlegendes
- 2.2 Annahmen des Modells
- 3. Erweitertes Modell nach Ullman
- 3.1 „Past-Tense“ Bildung bei englischsprachigen Aphasie-Patienten
- 4. Weitere neurolinguistische Untersuchungen
- 4.1 Partizipbildung bei deutschsprachigen Aphasie-Patienten
- 4.2 „Imparfait“ / „futur“ Bildung bei französischsprachigen Aphasie-Patienten
- 5. Zusammenfassung und Diskussion
- 6. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Agrammatismus bei Broca-Aphasie anhand von englisch-, deutsch- und französischsprachigen Patienten. Die Zielsetzung besteht darin, die Auswirkungen einer Störung im Bereich der sprachdominanten linken Gehirnhälfte auf die Sprachproduktion zu analysieren und bestehende Theorien zur Verarbeitung regulärer und irregulärer Flexionen (Dual-Mechanism-Modell) zu überprüfen.
- Agrammatismus als spezifische Sprachstörung
- Das Dual-Mechanism-Modell und seine Annahmen
- Untersuchung der Flexionsmorphologie bei Aphasie-Patienten
- Vergleichende Analyse verschiedener Sprachen (Englisch, Deutsch, Französisch)
- Beziehung zwischen kognitiven Mechanismen und Sprachverarbeitung
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einführung: Die Einleitung stellt den Agrammatismus als zentralen Untersuchungsgegenstand der neurolinguistischen Forschung vor. Es wird beschrieben, dass Agrammatismus eine Sprachstörung darstellt, die durch Schädigungen im Broca-Areal entsteht und zu einer Beeinträchtigung der Sprachproduktion mit vereinfachter Syntax führt. Die Bedeutung der Flexionsmorphologie für die Agrammatismusforschung und das Dual-Mechanism-Modell von Pinker und Prince (1988) als Ausgangspunkt der Untersuchung werden hervorgehoben. Die Arbeit kündigt die Analyse von Sprachbeeinträchtigungen bei mehrsprachigen Broca-Aphasie-Patienten an, um konkurrierende linguistische Theorien zu überprüfen.
2. Dual-Mechanism-Theory: Dieses Kapitel erläutert das Dual-Mechanism-Modell von Pinker und Prince (1988), ein nativistisches Spracherwerbsmodell, das auf Chomskys Universalgrammatik aufbaut. Es betont die Unterscheidung zwischen zwei getrennten kognitiven Systemen für die Verarbeitung regulärer und irregulärer Flexionsformen. Reguläre Formen werden durch regelbasierte Prozesse generiert, während irreguläre Formen als Ganzheiten im Gedächtnis gespeichert werden. Das Kapitel beschreibt die Anwendung dieser Annahmen auf die englische Past-Tense-Bildung und die Übertragung auf die deutsche Flexionsmorphologie, wobei die Bildung von Partizipien als Beispiel dient.
Schlüsselwörter
Agrammatismus, Broca-Aphasie, Sprachproduktion, Flexionsmorphologie, Dual-Mechanism-Modell, reguläre und irreguläre Flexionen, neurolinguistische Untersuchungen, Sprachverarbeitung, kognitive Mechanismen.
Häufig gestellte Fragen zum Dokument: Neurolinguistische Untersuchung des Agrammatismus
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht den Agrammatismus bei Broca-Aphasie anhand von mehrsprachigen Patienten (Englisch, Deutsch, Französisch). Der Fokus liegt auf der Analyse der Auswirkungen einer Schädigung der sprachdominanten linken Gehirnhälfte auf die Sprachproduktion und der Überprüfung bestehender Theorien zur Verarbeitung regulärer und irregulärer Flexionen, insbesondere des Dual-Mechanism-Modells.
Was ist Agrammatismus?
Agrammatismus ist eine spezifische Sprachstörung, die durch Schädigungen im Broca-Areal entsteht. Sie führt zu einer Beeinträchtigung der Sprachproduktion mit vereinfachter Syntax.
Welche Theorie steht im Mittelpunkt der Untersuchung?
Das Dual-Mechanism-Modell von Pinker und Prince (1988) bildet den zentralen theoretischen Rahmen. Dieses Modell postuliert zwei getrennte kognitive Systeme für die Verarbeitung regulärer und irregulärer Flexionsformen: Regelbasierte Prozesse für reguläre Formen und lexikalische Speicherung für irreguläre Formen.
Welche Sprachen werden in der Studie untersucht?
Die Studie analysiert die Sprachproduktion von Patienten mit Broca-Aphasie, die Englisch, Deutsch und Französisch sprechen. Dies ermöglicht einen vergleichenden Ansatz und die Überprüfung der Generalisierbarkeit des Dual-Mechanism-Modells über verschiedene Sprachen hinweg.
Welche Aspekte der Sprachproduktion werden analysiert?
Die Arbeit untersucht die Flexionsmorphologie, insbesondere die Bildung von Past Tense (Englisch), Partizipien (Deutsch) und Imparfait/Futur (Französisch) bei den Aphasie-Patienten. Die Analyse konzentriert sich auf die Unterscheidung zwischen regulären und irregulären Flexionsformen.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in sechs Kapitel: Einleitung, Dual-Mechanism-Theory, erweitertes Modell nach Ullman (mit Fokus auf Englisch), weitere neurolinguistische Untersuchungen (Deutsch und Französisch), Zusammenfassung und Diskussion sowie Fazit.
Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, die Auswirkungen von Broca-Aphasie auf die Sprachproduktion zu analysieren und das Dual-Mechanism-Modell anhand der Daten mehrsprachiger Patienten zu überprüfen. Sie untersucht die Beziehung zwischen kognitiven Mechanismen und Sprachverarbeitung bei Agrammatismus.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Agrammatismus, Broca-Aphasie, Sprachproduktion, Flexionsmorphologie, Dual-Mechanism-Modell, reguläre und irreguläre Flexionen, neurolinguistische Untersuchungen, Sprachverarbeitung, kognitive Mechanismen.
Wie werden die Ergebnisse der Untersuchung präsentiert?
Die Arbeit präsentiert eine detaillierte Analyse der Sprachdaten der mehrsprachigen Aphasie-Patienten. Die Ergebnisse werden im Kontext des Dual-Mechanism-Modells diskutiert und im Fazit zusammengefasst.
Für wen ist diese Arbeit bestimmt?
Diese Arbeit richtet sich an Wissenschaftler und Studierende der Neurolinguistik, Sprachwissenschaft und Kognitionswissenschaft, die sich für die Sprachverarbeitung, Aphasie und die neurologischen Grundlagen des Spracherwerbs interessieren.
- Citar trabajo
- Anna-Lena Walter (Autor), 2008, Agrammatismus bei Broca-Aphasie - Beeinträchtigung der Sprachproduktion am Beispiel englischer, deutscher und französischer Patienten -, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113663