Jüdische Münchener Emigranten in London


Examination Thesis, 2004

96 Pages, Grade: 1


Excerpt


INHALTSVERZEICHNIS

A. Einleitung

B. Methodische Überlegungen
1. Oral History
2. Eigene Vorgehensweise

C. Historischer Kontext
1. Jüdisches Leben in München
a) Historischer Abriss bis 1939
b) Antisemitismus in München
c) Emigration aus München
2. Die Situation in Großbritannien
a) Immigrationspolitik
b) Ankunft und Integration

D. Vorstellung der Befragten

E. Auswertung der Interviews
1. Erfahrungen in der Jugend
a) Elternhaus
b) Kindheit in München
c) Emigration
d) Ankunft
2. Integration, Selbstverständnis und Identität heute
a) Integration
b) Identität
c) Sprache
d) Deutsch, Jüdisch, Englisch?
e) Judentum, Religion und Israel
f) Kinder und Enkelkinder
g) Emigranten heute
h) Verhältnis zu Deutschland, Bayern und München

F. Schlussbetrachtung

G. Anhang
1. Fragebogen
2. Quellen
3. Bibliographie

A. EINLEITUNG

Mit der Grundsteinlegung des neuen jüdischen Gemeindezentrums am 9. November 2003 am Jakobsplatz in München rückte die jüdische Gemeinde Münchens nach ihrer Zerstörung und Vertreibung in den 30er Jahren für jedermann wieder sichtbar in das Zentrum der Münchener Innenstadt. Dies ist aufgrund ihres raschen Wachstums in den letzten 10 Jahren auch angebracht, da die heutige jüdische Gemeinde mittlerweile, mit ca. 9000 Mitgliedern, wieder ungefähr so groß ist wie vor 1933.[1] Doch sind nur die wenigsten Mitglieder der heutigen jüdischen Gemeinde Personen oder Nachfahren der damals in München lebenden Juden. Wohin gingen die Emigranten, die ihrer Vernichtung entkommen konnten und was machten diese Personen? Diese Frage war der Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit.

Aufgrund eines einjährigen Aufenthaltes als Assistant-teacher in London, bei dem ich mit der dortigen jüdischen Gemeinde in Westminster in Kontakt kam, lag es nahe, dass die vorliegende Zulassungsarbeit sich mit den jüdischen Münchner Emigranten in London beschäftigt.

Ich entschied mich für die Befragung eines kleinen Samples, also für eine qualitative empirische Untersuchung im Rahmen der Oral History . Die gewählte Methode bot die Möglichkeit den einzigartigen persönlichen Erfahrungen der Emigranten nachzugehen, einen Einblick in die Situation der damals in München lebenden jüdischen Kinder zu bekommen und dabei etwas von der Atmosphäre der damaligen Zeit zu erfassen. Da die Kindheit eine sehr prägende Phase im Leben darstellt, war außerdem gefragt, inwieweit die in der Kindheit gemachte Erfahrung von Ausgrenzung, Emigration und Ankunft in einem neuen Land, nachhaltige Spuren bei den Personen hinterlassen habe. Dabei war zu berücksichtigen, dass es sich in allen Fällen um Aussagen in großem zeitlichem Abstand, also um Erinnerungen handelt. Diese Erinnerungen sollten verglichen werden, um ein Gesamtbild der beschriebenen Personen, der Stimmung in München und der geschichtlichen Umstände zu skizzieren. Somit soll diese Arbeit auch ein Stück Münchener Stadtgeschichte wiederspiegeln und eine Erinnerung und Würdigung der aus München vertriebenen Einwohner jüdischen Glaubens beziehungsweise jüdischer Herkunft sein.

Da es sich bei interviewten Personen nicht um eine große homogene Gruppe, sondern um eine recht kleine, neun Personen umfassende heterogene Gruppe handelt, die zumeist unabhängig voneinander nach England flohen und auch dort nicht unbedingt im Kontakt miteinander waren, kann diese Arbeit keine quantitative, sondern nur eine qualitative Studie darstellen. Dies bedeutet, dass durch die vorliegende Arbeit keine verallgemeinerbaren Erkenntnisse gewonnen, sondern nur subjektive Erinnerungen und Meinungen einzelner Befragter wiedergegeben werden können, die Ergebnisse vorliegender Untersuchungen bestätigen oder diesen widersprechen. Besonders ist dabei die 1984 erschienene soziologische Studie Continental Britons[2] von Marion Berghahn zu erwähnen, die mit 180 Zeitzeugengesprächen eine bisher einzigartige quantitative Untersuchung über deutsch-jüdische Emigranten in England anfertigte. Diese Untersuchung wurde bei meiner Untersuchung oft zum Vergleich herangezogen, wobei zu beachten war, dass sie mittlerweile schon über 20 Jahre alt ist.

Psychologischen Fragestellungen, die unweigerlich bei einer solchen Untersuchung auftauchen, wenn es um Fragen der Assimilation, Identität und Verhaltensformen geht, erwähne ich zwar, steige jedoch nicht in tiefere psychologische Erklärungsversuche ein, da dies nicht Absicht der Arbeit ist und auch meine Kompetenz übersteigen würde.

Im Folgenden werden die Lebenswege der einzelnen Emigranten beschrieben und verglichen, um eventuell gemeinsame Züge herauszuarbeiten. Dem gehen Ausführungen über Oral History voraus, die Darstellung der eigenen methodischen Vorgehensweise und der politischen Ausgangssituation in München und London zur Zeit der Emigration.

Da die für dieses Thema relevanten Zeitzeugen in Großbritannien leben, wurden im Sommer 2003 von mir in London insgesamt neun Zeitzeugeninterviews mit dort lebenden geborenen Münchenern durchgeführt, was der Deutsche Akademische Austauschdienst dankenswerter Weise mit 700,- € förderte. Die Zeitzeugen stellten außerdem Fotos und diverse Dokumente zu Verfügung und waren, während ich die Arbeit schrieb, bereit, auf Rückfragen bei Unklarheiten einzugehen, was zur weiteren Vollständigkeit der Arbeit beitrug.

B. METHODISCHE ÜBERLEGUNGEN

1. Oral History

Während Peter Hanke sich 1968 noch in der Vorbemerkung zu seiner Dissertation „Zur Geschichte der Juden in München zwischen 1933 und 1945“ für die Hinzuziehung von Zeitzeugen fast entschuldigte[3], ist das Selbstverständnis, mit dem Historiker Oral History nützen, in den letzten 30 Jahren erheblich gestiegen.

Aus den Vereinigten Staaten Anfang der 70er Jahre kommend, fand die Oral History in den Kultur- und Sozialwissenschaften Europas ideale Rahmenbedingungen vor.[4] Im besonderen vor dem Hintergrund der Studentenbewegung war mit den„Geschichtswerkstätten“ in Deutschland eine Gegenströmung zu etablierten Geschichtswissenschaft entstanden, die die subjektiven Erinnerungszeugnisse dort als Quelle einführte, wo ein Defizit an herkömmlichen Quellen herrschte oder diese einer Ergänzung bzw. eines anderen Blickwinkels bedurften.[5] Dieses neue „demokratische Geschichtsbild“ fand vor allem in der Lokal- und Regionalgeschichte Resonanz, „wo nun überprüft wurde, wie denn die großen historischen Prozesse in der vertrauten Welt des Lokalen erlebt und verarbeitet wurden.“[6] Doch sind Erinnerungsinterviews in der Geschichtsschreibung im Grunde[7], außer dass sich in den letzen Jahrzehnten die technischen Möglichkeiten zur Aufnahme erheblich verbessert haben, nichts Neues. Denn die Befragung von Augen- und Ohrenzeugen gehörte schon immer zu den Methoden der Geschichtsschreibung, so dass Reinhard Koselleck schon in Herodot den „Erfinder“ und „unübertroffenen Meister der Oral History“ entdeckte.[8] Aus der umfangreichen Literatur, die mittlerweile zu diesem Thema vorliegt[9], sind im Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit besonders die folgenden methodologischen Aspekte von Interesse.

Hauptziel war und ist es, bei den Erinnerungsinterviews die Erfahrungswelten der Subjekte in die Geschichte zu integrieren und zwar nicht die prominenter Einzelner, sondern die der ‚kleinen Leute’[10]. Hierbei mussten sich die Oral Historians einer Kritik stellen: Wenn man ein Mikrophon vor ältere Leute hält, entsteht dabei noch nicht verlässliche Geschichtsschreibung. Man muss fragen, wie verlässlich das Erinnerungsvermögen der Befragten ist und in wieweit das Erzählte reflektiert, idealisiert, glättet oder gar verfälscht worden ist. In Bezug auf die Auswertung entsteht die Frage, ob die Auswahl der Befragten repräsentativ genug ist, um einen überzeugenden Transfer von der mikrohistorischen Ebene der subjektiven Erfahrung zur makrohistorischen Ebenen der gesellschaftlichen Struktur glaubhaft vornehmen zu könne.[11] Dabei ist ein interessanter aber nur teilweise mein Thema berührender Aspekt, dass Oral History als Erfahrungsgeschichte nicht nur heuristisches Hilfsmittel sein will, sondern eine eigene Forschungsrichtung, die Verarbeitungsformen historischer Erlebnisse und die Veränderungen der Selbstdeutungen von Menschen untersuchen will und somit das „kommunikative Gedächtnis“, das „in der Regel nur [ein] drei Generationen verbindende Gedächtnis der mündlich weitergegebenen Erinnerungen“ ist, in ein „kultur]elles Gedächtnis“, dass heißt in ein diesen Drei-Generationen-Zeitraum übergreifendes Gedächtnis überführt.[12]

Ein weiteres Problem für den Historiker ist, dass er zwar die sich unvermittelt ergebenden Erfahrungs- und Erlebnisberichte der Befragten als Quelle nutzen kann, sie gleichzeitig aber auch wider Willen zerstören kann, weil er in der Gefahr steht, seinen Erfahrungsraum mit dem des Befragten gleichzusetzen. Max Weber, der dieses Problem schon frühzeitig erkannt hat, fasst diese Problematik in folgenden Satz zusammen: „Stets gewinnt das ‚Erlebnis’, zum ‚Objekt’ gemacht, Perspektiven und Zusammenhänge, die im ‚Erlebten’ eben nicht gewußt werden.“[13] Das heißt im Falle der vorliegenden Arbeit, dass, wenn die Interviews interpretiert und eingearbeitet worden sind, dies für die interviewten Personen, wenn sie es in gedruckter Fassung lesen, befremdlich wirken kann. Es ist in anderen Worten einfacher, über schon verstorbene Personen Geschichte zu schreiben, als über noch lebende, die in dem einen oder anderen Fall noch Ungereimtheiten entdecken werden oder sich missverstanden fühlen.

Nicht aufzuheben ist vermutlich ein immanenter Widerspruch der Oral History : Einerseits soll der Informant dem Forscher gegenüber als gleichberechtigt verstanden werden, andererseits ist aber das Verhältnis von Frager und Befragtem immer diametral. Die Zugzwänge, in die ein Informant insbesondere bei einem offenen Interview geraten kann, verdeutlicht die Oral History-Forscherin Almut Leh. Sie unterstellt dem Interviewer, bei seinem Informanten einen Verlust der Selbstkontrolle herbeiführen zu wollen, um an Informationen zu gelangen, die ihm bei anderen Formen des Interviews wohl eher verschlossen bleiben würden: „Es wird versucht, die üblichen Kommunikationsregeln außer Kraft zu setzen, nach denen jeder mehr oder weniger in der Lage ist, unliebsame Themen auszuklammern, unangenehme Fragen zu übergehen – eben zu verschweigen, worüber er nicht reden will.“[14] Doch gerade diese Dinge wären für den Forscher interessant und würden unter Umständen zu neuen Erkenntnissen führen. Der Interviewer steht somit vor dem ethischen Dilemma, den Informanten geschickt dahin zu bringen, dass er „Dinge [erzählt], die er noch nie erzählt hat“[15] oder sich dem Informanten gegenüber quasi demokratisch zu verhalten. Da Almut Leh ihren Kollegen unterstellt, doch eher dem ersteren zugeneigt zu sein, würde sie selbst kein lebensgeschichtliches Interview geben wollen: „Meine spontane Antwort wäre wahrscheinlich Nein – schließlich weiß man ja, was einen da erwartet .“[16]

Als letztes soll erwähnt werden, dass die äußern Gegebenheiten des Interviews, wie der Ort[17], die Atmosphäre zwischen Interviewer und Interviewtem[18] und ihre aktuelle mentalen beziehungsweise physische Verfassung[19] meist nur am Rande berücksichtigt werden können, auch wenn sie unter Umständen sehr entscheidend das Interview prägen. Dieses Manko wäre mit Hilfe eines psychologisch geschulten Beobachters zu beheben, der diese Gegebenheiten weitgehend objektiv feststellen könnte.[20]

Die erwähnten Kritikpunkte könnten zu dem Schluss führen, dass Oral History als Forschungsmethode mehr Fragen aufwirft als beantwortet und somit un- befriedigend ist. Dass dem nicht so ist, soll in der vorliegenden Arbeit gezeigt werden, in der versucht wird Oral History nicht pur, sondern soweit wie möglich in ihren historischen Kontext eingebettet wiederzugeben, gleichzeitig jedoch den narrativen und illustrativen Stil der Interviews ergänzt durch Photos zu belassen, um bei der Darstellung den subjektiven Erinnerungshorizont möglichst wenig zu verzerren.

2. Eigene Vorgehensweise

Zu Beginn der Untersuchung war die erste Frage, ob es überhaupt noch Zeitzeugen gibt, die zwischen 1933-45 von München nach London emigrierten. Da man von deutschen öffentlichen Stellen aus datenschutz-rechtlichen Gründen hierzu keine Informationen bekommt, recherchierte ich zunächst in der Oral History Sammlung des Jewish Museums London und der Wiener Library , wo jedoch keine Münchner Zeugnisse zu finden waren. Hier half mir Dr. Anthony Grenville vom AJR (Association of Jewish Refugees) aus, der im Sommer 2002 eine Ausstellung mit dem Titel „Continental Britons“ im Jewish Museum London organisiert hatte. Er konnte mir die Adresse zweier ehemalige Münchner (Bertha Leverton und Bea Green) nennen, von denen er wusste, dass sie meine Arbeit unterstützen würden. Bertha Leverton und Bea Green habe ich von Deutschland aus angeschrieben, und beide sagten sofort zu, meine Arbeit zu unterstützen. Bertha Leverton rief direkt in München an und gab mir die Telefonnummern ihrer Klassenkameraden Ilse Rosenduft und Rolf Penzias, die ich beide anrief und die sich auch direkt bereit erklärten. Bea Green antwortete mir per E-Mail und gab mir zudem die Adresse ihres Bruders Peter Sinclair. Mr. Sinclair vermittelte mir noch die Adressen von Anthony Goldsmith, der noch Thomas Heinemann kannte. Während des Interviews mit Bertha Leverton vermittelte mir sie mir noch die Adresse von Manfred und Marion Durst. Insgesamt bekam ich die Adressen von zehn Personen, von denen jedoch eine Person aus Zeitgründen absagte. Wie viele jüdische Münchner Emigranten insgesamt noch in London leben, konnte mit dieser ‚Schneeballmethode’ natürlich nicht exakt ermittelt werden, doch schienen mir die neun Personen eine relativ gute Anzahl zu sein, wenn man sie im Verhältnis zu den ca. 7500 Münchener Flüchtlinge setzt, die natürlich nicht alle nach London geflohen sind und zum größten Teil schon gestorben sind. Der zeitliche Abstand sorgte zudem dafür, dass alle interviewten Flüchtlinge zum Zeitpunkt der Emigration noch relativ jung, dass heißt zwischen sechs und achtzehn Jahren alt waren.

Von meiner Fragestellung ausgehend erarbeitete ich einen Themenkatalog für einen Fragebogen, der verschiedene Aspekte erfassen sollte. Dazu gehörten neben Fragen nach der Herkunft der Eltern, Kindheit in München, Antisemitismus in München, Emigration und Integration in England auch Fragen bezüglich des Komplexes Identität (Judentum, Nationalität, Sprache, Religion etc.) sowie Aspekte des privaten Alltags (Wohnort, Familie, Kinder etc.).

Darauf stellte sich die Frage nach einer geeigneten Vorgehensweise. Weil der Fokus der Untersuchung explizit auf der subjektiven Sichtweise der jüdischen Münchener Emigranten in London beruhen sollte, einem Thema, das bisher in dieser Eingrenzung noch nicht bearbeitet wurde, war ein empirisches Vorgehen von vornherein indiziert.[21] Da es zu Teilkomplexen des Themas, wie „die Münchner jüdische Gemeinde vor 1945“ oder „deutsche Emigration nach England“, qualitatives und quantitatives Material und Literatur gibt[22], sollten die bei den Zeitzeugen gewonnen Erkenntnisse mit der Literatur verglichen werden. Die Fragebögen wurden als passive Stütze und Leitfaden für den Interviewer genutzt, um die subjektive Erfahrung der besonders interessanten Gefühlsregungen[23] nicht durch ein starres Frageschema zu übergehen. Die individuelle Erzählung eines jeden einzelnen Befragten war erwünscht, da dies die Chance für einen unmittelbaren Zugang zur Erinnerung eröffnen kann, durch den auch individuelle Erfahrungen und vergangene Handlungen verständlicher werden können.[24] Da ich auch explizit auf Einzelfragen eingehen wollte, schied eine ‚maximal offene’ Befragungstechnik wie die des narrativen Interviews aus.[25]

So kombinierte ich in meiner Untersuchung offene Fragen mit einer Leitfaden- orientierung mittels Fragebogen, eine Vorgehensweise die in der empirischen Sozialforschung auch als ‚halbstandardisiert’ bezeichnet wird.[26] Alle Themenbereiche des Fragebogens sollten somit möglichst angesprochen werden, mussten aber nicht. So konnte ich die Interviewten frei erzählen lassen und dann während des Interviews bestimmen, ob es sinnvoll ist, auf einen bestimmten Punkt nochmal einzugehen oder ob weiteres Nachfragen nur zu unnötigen Redundanzen führen würde. Zugleich erlaubten die durch die Fragebögen strukturierten Gespräche eine inhaltliche Vergleichbarkeit, und somit ähnelt mein Projekt dem ‚themenzentrierten Interview’, in dem die Lenkung des Gesprächs auf ein Mindestmaß reduziert wird, aber im Gegensatz zum narrativen Interview noch vorhanden ist.[27] Diese ‚weiche’ Vorgehensweise kommt aus der empirischen Sozialforschung, die davon ausgeht, dass „Einblicke in vergangene Situationen, Abläufe und Handlungszusammenhänge“ dann am besten beschrieben werden können, „wenn die Interviewpartner von selbst erlebten Ereignissen erzählen können, und zwar orientiert an ihren eigenen- bewussten als auch vor- oder unbewussten - Relevanzkriterien“.[28]

Da in einer qualitativ-geschichtlichen Untersuchung die Ermittlung eines in Hinsicht auf die Anzahl und Zusammensetzung der Interviewpartner statistisch einwandfreien empirischen Samples nicht zwingend notwendig ist, musste ich mir anfangs über die Streuung der sich ergebenden Personen keine Gedanken machen. Dennoch hatte ich, was die ergebenden Auswahl von Personen und ihre Streuung anging, Glück. Denn die sich ergebende Auswahl von Emigranten, die sich zu einem Interview bereit erklärten, waren in Bezug auf Geschlecht, Herkunft und Einstellung recht heterogen, was das Vorhaben stütze.[29]

Es kann zusammengefasst werden, dass alle Befragten trotz ihres fortgeschritten Alters physisch und mental gesund waren. Eine Ausnahme war Ilse Rosenduft, die aufgrund eines Hüftenbruchs in ein Altersheim gezogen war, sich jedoch mental schon wieder erholt hatte.

Ort der Interviews waren bei fast allen Interviews das Wohnzimmer der befragten Personen, was sich für das Vorhaben als positiv herausstellte, da dieser Ort meistens ruhig war und Dokumente und Fotos, die das Erzählte unterstützen schnell zur Hand waren. Eine Ausnahme bildete hier das Ehepaar Durst, bei denen das Interview mit Fred Durst in seinem Büro in der Londoner Innenstadt und das Interview mit Marion Durst aufgrund von Zeitmangel in einem Restaurant in Begleitung ihres Mannes stattfand. Das Interview im Restaurant stellte eine besondere Herausforderung dar, weil hier der höhere Lärmpegel und die Essensunterbrechungen dem Erzählfluss eher abträglich waren.

Alle Interviews wurden mittels eines Minidiscplayers aufgenommen und dauerten durchschnittlich zwei Stunden. Anschließend wurden sie abgehört und niedergeschrieben. Bei den Besuchen nahm ich immer einen Laptop und einen portablen Scanner mit, um Fotos, die mir die Befragten zu Verfügung stellten, direkt einzuscannen, wodurch das meist unangenehme Ausleihen von privaten Fotos vermieden werden konnte.

Die Interviews wurden alle in englischer Sprache durchgeführt, was sich meist dadurch ergab, dass ich die Begrüßung und das Gespräch in Englisch begann. In ungefähr der Hälfte der Fälle boten mir die Interviewten an, dass Interview in Deutsch zu führen, was manchmal zu einem kurzen deutschen Dialog führte, der aber meistens wieder englisch endete. Bei manchen Personen kam es auch vor, dass sie mitten im Satz, besonders bei ihren Erinnerungen an München, die Sprache wechselten oder spezifisch Münchener Ausdrücke benützten, wie in den wiedergegebene Zitaten zu sehen ist.

Jedes Interview stellt eine soziale Situation dar, in der eine eigene Dynamik entsteht. Ich kann rückblickend feststellen, dass sich in allen Interviews ein Gesprächsklima entwickelte, das mein Vorhaben begünstigt hat. So konnten‚Fettnäpfchen’, in die man leicht durch eine missverständliche Fragestellung treten kann, weitgehend vermieden werden. Alle neun Personen waren grundsätzlich mir gegenüber sehr positiv eingestellt und wollten mein Vorhaben gerne unterstützen. Es stellte sich die Frage, welche Auswertung dem in der Einleitung formulierten Erkenntniszielen gerecht wird. Dabei war der häufig vorgebrachte Vorwurf von Gabriele Rosenthal die größte Herausforderung: „Befragt nach den Ergebnissen ihrer Untersuchungen erhält man nicht allzu selten eine Nacherzählung der Lebensgeschichte eines/r ihrer Befragten. Dies mag zwar amüsant und sehr interessant sein, mündet zudem häufig auch in der keineswegs zu verachtenden Initiierung einer biographischen Erzählung seitens des/r wissenschaftlichen ZuhörerInnen, doch ob dies unserem Geschäft als WissenschaftlerInnen entspricht, wage ich zu bezweifeln.“[30]. Die Gefahr, die Lebensgeschichten rein additiv und erzählend wiederzugeben, sollte dadurch behoben werden, dass in der vorliegenden Arbeit erst in den geschichtliche Hintergrund eingeführt werden soll, um so die Aussagen der Interviewpartner in einen Kontext zu stellen. Mit diesem Hintergrundwissen wurden dann die Interviews nach Themenpunkten (wie Elternhaus, Kindheit, Emigration...), die eine gewisse Vergleichbarkeit zulassen, gegliedert und analysiert. Die Analyse sollte dabei jedoch nicht die Subjektivität der Interviews unterminieren, weshalb teilweise auch längere Zitate wiedergegeben wurden, die die Stimmungen und Empfindungen der Personen besser verdeutlichen und die sonst kaum mögliche Einblicke ermöglichen, wie der Mensch sich in einem komplizierten und dynamischen Prozess ständig seine individuell „wahre“ Vergangenheit schafft und sich damit immer wieder neu eine Antwort auf die Frage „Wer bin ich?“ gibt.[31] Mit der vorliegenden Arbeit soll somit der Versuch unternommen werden, sowohl dem Anspruch der objektiven Analyse als auch der Wiedergabe der subjektiver Empfindungen gerecht zu werden, soweit dies im gegebenen Rahmen möglich ist.

C. HISTORISCHER KONTEXT

1. Jüdisches Leben in München

a) Historischer Abriss bis 1939

Münchener Stadtgeschichte ist seit dem Mittelalter auch die Geschichte jüdischer Bürger in München, die durch ihren Beitrag in wirtschaftlicher, kultureller und sozialer Hinsicht die Stadt prägten und mitgestalteten.

Der erste Nachweis über einen jüdischen Bürger aus München ist in einem Dokument aus dem Jahre 1229 zu finden, in dem ein „Abraham de Municha“ als Zeuge in einem Rechtsgeschäft auftrat.[32] In den darauf folgenden Jahrhunderten des Mittelalters gleicht die Geschichte der Münchner Juden denen der meisten Juden in anderen europäischen Städten und ist somit zumeist die Geschichte immer wiederkehrender Ausgrenzung und Entrechtung, während der die Juden in regelmäßigen Abständen gedemütigt und vertrieben wurden.[33] Zu diesem Schluss kam schon im Jahr 1803 Johann Christoph Freiherr von Aretin (1772-1824) als er in seiner „Geschichte der Juden in Baiern“ feststellte, dass „die ersten historischen Nachrichten, die wir von dem Daseyn der Juden in Baiern haben, [...] zugleich die ersten Nachrichten von ihrer Mißhandlung [sind].“ [34] Hierbei sind die auffälligsten Ereignisse der Pogrom vom 12. Oktober 1285, bei dem den Juden vorgeworfen wurde aus rituellen Gründen ein christliches Kind umgebracht zu haben, woraufhin nahezu die gesamte jüdische Gemeinde Münchens ermordet wurde. 64 Jahre darauf wurden die Juden angeklagt, die Brunnen der Stadt mit der Pestepidemie verseucht zu haben, worauf hin es wieder zu blutigen Ausschreitungen kam. Im Jahr 1413 lautete die Anklage „Hostienschändung“ die erneut mit Pogromen einherging. Im Jahre 1440 bewirkte Herzog Albrecht III., der Fromme, die offizielle Vertreibung der Juden aus München und ließ die Synagoge in der Judengasse in eine Marienkapelle umwandeln.[35]

Mit dem Beginn der frühen Neuzeit, die sich auch durch eine Differenzierung der Geld- und Handelswirtschaft auszeichnete, waren die Juden, die auf diesem Gebiet aufgrund ihrer eingeschränkten Berufsauswahl eine große Expertise aufwiesen, bei den Fürsten als Geldgeber und finanzielle Berater gefragt. So auch in München, wo seit dem 17. Jahrhundert wieder eine jüdische Gemeinde entstand, die aus genannten Gründen dem Schutz der jeweiligen Fürsten unterstand. Hinzu kam, dass die im Zuge der Aufklärung und der französischen Revolution formulierten Forderungen (Égalité, Fraternité, Libéralité), nun auch von den Juden erhoben wurden, was sich schließlich in den „Umfassende[n] Anordnungen über die Erteilung des Judenschutzes“[36] aus dem Jahr 1805 unter Kurfürst Max IV. Joseph äußerte, die den Juden zwar erweiterte Rechte einräumten, sie jedoch nicht mit den christlichen Bürgern gleichstellte. Mit dem Judenedikt von 1813[37] wurde dann auch die rechtliche Grundlage zur Errichtung von jüdischen Gemeinden geschaffen, was im Jahr 1815 zur Gründung der Israelischen Kultusgemeinde in München führte, die, wie sich Cahnmann ausdrückt, eine Hofjudengemeinde war, da bis zur Aufhebung der bayerischen Matrikelordnung im Jahr 1861 nur Bank- und Finanzleute, Armee- und Hoflieferanten sowie Inhaber von Manufakturen und honorigen Einzelhandelsgeschäften in München ansiedeln durften.[38]

Rechtlich voll gleichgestellt wurden die Juden erst mit der Reichsverfassung aus dem Jahr 1871. Mit dieser sich Schritt um Schritt vollziehenden Gleichstellung ging allerdings auch eine zunehmende Akkulturation und Assimilation der jüdischen Bevölkerung einher, die sich darin äußerte, dass die Juden, die bisher in einer kulturell und religiös fast autarken Welt gelebt hatten, immer mehr Sitten und Bräuche der christlichen Umwelt übernahmen, was in den konservativ-jüdischen Kreisen mit Argwohn beobachtet wurde.[39]

Die feierliche Eröffnung der Hauptsynagoge in der Herzog-Max-Straße im Jahr 1887 bezeugt das zu dieser Zeit schon vorherrschende Selbstverständnis der noch relativ kleinen Gemeinde[40], die sich erlaubte die damals drittgrößte Synagoge Deutschlands inmitten der Münchener Innenstadt zu errichten, was das Stadtbild neu prägte veränderte und somit die Präsenz der jüdischen Gemeinde nachhaltig hervorhob.[41]

Die jüdische Gemeinde Münchens zeichnete sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts durch rasantes Wachstum aus.[42] Hierbei ist die erste Phase des Wachstums bis ca. 1881 mit einer Landflucht deutscher Juden zu erklären, während die zweite Phase bis 1910 großteils Zuwanderung der Juden aus Osteuropa war. Dies erklärt auch, dass die jüdische Gemeinde keine einheitliche Lebensform darstellte, sondern sich nach ihrer Herkunft, deutsch-jüdisch oder ost-jüdisch, als auch nach ihren religiösen Orientierungen, orthodox, konservativ, liberal oder atheistisch präsentierte. Es ist nicht zu übersehen, dass Bürger wie auch immer gearteter jüdischer Herkunft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Bereich der Kultur[43], der Wissenschaft[44] und des Kunst- und Antiquitätenhandels[45] großen Einfluss auf die Stadt hatten. Nach dem Ende des ersten Weltkrieges war es auch ein Politiker jüdischer Herkunft[46], Kurt Eisner, der den Freistaat Bayern ausrief und bis zu seiner Ermordung am 21. Februar 1919 als erster Ministerpräsident dem Freistaat vorstand.[47] Auch an der Spitze der Münchner Räterepublik waren mit dem Philosoph Gustav Landauer und Literaten Ernst Toller und Erich Mühsam Personen jüdischer Herkunft prägend, was bis heute zu antisemitisch- bolschewistischen Vorurteilen führt[48], während die Juden, die gegen die Räterepublik kämpften, in der Geschichtsschreibung so gut wie nie erwähnt wurden.[49] Auf der kapitalistischen Seite symbolisierten die Kaufhäuser Uhlfelder und Hermann Tietz (heute Hertie), die die größten und modernsten Kaufhäuser Münchens waren, das urbane und progressive Judentum.[50] Es wäre jedoch falsch von diesen erfolgreichen und herausragenden Personen auf den jüdisch Münchener Durchschnittsbürger als politisch, wissenschaftlich, wirtschaftliche oder philosophisch überdurchschnittlich gebildete Persönlichkeit zu schließen. Diese organisierten sich wie andere Münchener Bürger auch in sozialen, kulturellen und sportlichen Einrichtungen und Organisationen, die ebenso die politische und kulturelle Vielfalt der Münchener jüdischen Gemeinde ausdrückte[51], oder hatten sich ihres Judentums bewusst oder, wenn schon in zweiter Generation nichtreligiös, unbewusst entledigt, was auch an der hohen Quote der Mischehen zu sehen ist.[52] Im Vergleich mit anderen deutschen Großstädten war die Münchener Jüdische Gemeinde als sechstgrößte Gemeinde im Deutschen Reich selbst an ihrem Höhepunkt eine relativ kleine Gemeinde, die 1933 mit 9.005 Mitgliedern nur 1,2 Prozent der Gesamtbevölkerung Münchens mit 735.388 Einwohnern ausmachte.[53] Trotz der relativ kleinen Größe war der jüdische Einfluss auf die Stadt bis zur Machtergreifung Hitlers 1933 in kultureller, ökonomischer und sozialer Hinsicht überdurchschnittlich prägend und hat die monacensische Besonderheit Münchens entscheidend mitgestaltet.

Die Frage ob die jüdische Gemeinde in der Münchener Gesellschaft jemals voll akzeptiert und als ‚normaler’ Bestandteil angesehen wurde, ist nach Heusler negativ zu beurteilen: „Der jüdischen Lebenswelt wurde, bei aller großstädtischen Liberalität und Toleranz in München, auch in den ersten drei Jahrzehnten dieses Jahrhunderts etwas Fremdartiges unterstellt, das von der nichtjüdischen Bevölkerungsmehrheit mit Verwunderung und Argwohn, oft auch mit Mißtrauen und unverhohlener Abneigung beobachtet wurde.“[54] Wenn es einen Höhepunkt in der kulturellen Assimilation und Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden gab, dann ist dieser im Kaiserreich bis zum Anfang des 1. Weltkrieges zu datieren.[55] Doch dieser Höhepunkt an friedlicher Kooperation sollte in den nächsten drei Jahrzehnten zum Tiefpunkt der Münchner Geschichte werden und den grausamen Pogrome des Mittelalters in nichts nachstehen.

[...]


[1] Vgl. Michael Brenner, Die Steine mit Leben zu füllen , in: Süddeutsche Zeitung vom 8./9. November 2003.

[2] Marion Berghahn, Continental Britons , London 1984.

[3] „...wiewohl ich mir durchaus des manchmal zweifelhaften Quellenwertes solcher Aussagen bewußt bin.“ Peter Hanke, Zur Geschichte der Juden in München zwischen 1933 und 1945 . München 1967, S. 7.

[4] Vgl. Louis M. Starr, “Oral History” , in: Encyclopaedia of Library and Information Science, New York 1977, Bd. 20, S. 440 ff.

[5] Alexander von Plato: Erfahrungsgeschichte- von der Etablierung der Oral History, in: Gerd Jüttemann / Hans Thomae (Hg.) Biographische Methoden in de Humanwissenschaften. Weinheim 1998, S. 60-74, hier S. 60 ff.

[6] Friedemann Schmoll: Einleitung , in: Wolfgang Sannwald (Hg.): Erlebte Dinge, erinnerte Geschichte. Soziale Geschichtsprojekte, Oral History und Alltagsgeschichte in der Diskussion. Dokumentation einer Tagung des Landkreises Tübingen und des Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung Baden-Württemberg. Gomaringen 1995, S. 2-4, S. 3.

[7] John Barnes ist sogar der Meinung, dass “contemporary history is best concerned with the period in which there can be profitable interaction between oral testimony and at least some documentation.” John Barnes, Books and Journals , in: Anthony Seldon (ed.), Contemporay History. Practice and Method, Oxford – New York 1988, S. 30-54, S. 30.

[8] Reinhard Koselleck, Begriffsgeschichtliche Anmerkungen zur „Zeitgeschichte“ , in: Victor Conzemius/Martin Greschat/Hermann Kocher (Herg.), Die Zeit nach 1945 als Thema kirchlicher Zeitgeschichte, Göttingen 1988, S. 21.

[9] Vgl. Bibliographie: Atteslander; Apitzsch; Brüggemeir; Huber; Inowlocki; Meindl; Lipp; Niethammer; Plato; Reinau; Ungern-Sternberg; Vorländer; Welser; Wierling usw.

[10] Wolfgang Benz: Das Exil der kleinen Leute, Alltagserfahrungen deutscher Juden in der Emigration . München 1991, S. 36.

[11] Hans Günter Hockerts: Zeitgeschichte in Deutschland. Begriff, Methoden, Themenfelder, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. B 29-30/1993, S. 3-19, S. 9.

[12] Aleida Assmann: Erinnerungsräume. Formen und Wandel des kulturellen Gedächtnisses . München 1999, S. 13.

[13] Max Weber: Objektive Möglichkeit und adäquate Verursachung in der historischen Kausalbildung , in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, hrsg. von Johannes Winckelmann, Tübingen 71988, S. 266-290, S. 280.

[14] Almut Leh: Forschungsethische Probleme der Zeitzeugenforschung , in: BIOS 13/1 (2000), S. 64-76, hier S. 66.

[15] Ebd.

[16] Almut Leh: Forschungsethische Probleme der Zeitzeugenforschung , S. 64

[17] Hier entstehen Fragen von Anspruch und Realität. An welchem Ort zu welcher Zeit wäre das Interview theoretisch am besten durchzuführen und welcher Ort wird dann aufgrund der gegebenen Möglichkeiten zur Durchführung des Interviews ausgewählt. In einem Fall konnte ich beispielsweise das Interview nur während dem Essen in einem Restaurant durchführen...

[18] Fragen von Sympathie und Antipathie. In meinem Fall auch die Frage, ob ich als Deutscher nicht auch in irgendeiner Weise mit der Vergangenheit belastet sei. Fragen nach dem Engagement meinen Großeltern in der Nazizeit usw.

[19] Da manche der interviewten Personen schon recht alt waren und ich als Interviewer ihrer gesundheitlichen und mentalen Zustand nicht kannte, war die Frage in welcher Verfassung ich sie vorfinden würde reine Glückssache.

[20] Vgl. Alexander von Plato, Geschichte und Psychologie – Oral History und Psychoanalyse , in: BIOS 11/2 1998.

[21] Alexander von Plato: Erfahrungsgeschichte- von der Etablierung der Oral History , in: Gerd Jüttemann / Hans Tomae (Hrg.): Biographische Methoden in den Humanwissenschaften. Weinheim 1998. S.60- 74, S. 60.

[22] Vgl. Bibliographie: Adler-Rudel; Amyzahl; Aronsfeld; Bauer; Bentwich; Benz; Berghahn; Birnbaum; Brinson; Brotz; Cahnmann; Darke; Cesarini; Marion; Endelman; Finstein; Gershon; Glees; Gleibs; Göpfert; Gould; Grenville; Grossmann; Hahn; Hanke; Heusler; Hirschfeld; Kapp; Kölmel; Krausz; Kushner; Lamm; Lipman; London; Mosse; Ophir; Pellew; Pross; Ritchie; Romain; Rosenstock; Selig; Sherman; Snowmann; Stahleder; Starr; Stevens; Turner; Wasserstein; Zweig etc.

[23] Harald Welzer: Das Interview als Artefakt. Zur Kritik der Zeitzeugenforschung , in: BIOS 13/1 (2000), S. 51-62, S. 54. „Gestik, Mimik, körperliche Reaktionen wie Rotwerden oder Pupillenerweiterung, Aufgeregtheit etc.“

[24] Carola Lipp: Alltagskulturforschung in der empirischen Kulturwissenschaft und Volkskunde, in: Berliner Geschichtswerkstatt (Hg.) Alltagskultur, Subjektivität und Geschichte. Zur Theorie und Praxis von Alltagsgeschichte. Münster 1994, S. 78-98, S.92.

[25] Ursula Apitzsch /Lena Inowlocki: Biographical Analysis: a ‚German School’?, in: Prue Camberlayne/ Joann Bornat / Tom Wengraf (Hg.): The Turn to Biographical Methods in Social Science. Comparative Issues and examples. London, New York 2000, S. 53-70, S. 64.

[26] Peter Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung . Berlin, New York 2000, S. 157 ff.

[27] Günter L. Huber / Heinz Meindel: Verbale Daten. Eine Einführung in die Grundlagen und Methoden der Erhebung und Auswertung . Weinheim, Basel 1982, S. 128 f.

[28] Roswitha Breckner: Von den Zeitzeugen zu den Biographen. Methoden der Erhebung und Auswertung lebensgeschichtlicher Interviews , in: Berliner Geschichtswerkstatt (Hg.): Alltagskultur, Subjektivität und Geschichte. Zur Theorie und Praxis von Alltagsgeschichte. Münster 1994, S. 199-222, S. 216.

[29] Vgl. Franz-Josef Brüggemeier / Dorothee Wierling: Einführung in die Oral History. Kurseinheit 2: Das Interview . Hagen 1986, S. 7 f.

[30] Gabriele Rosenthal, Die erzählte Lebensgeschichte als historisch-soziale Realität. Methodologische Implikationen für die Analyse biographischer Texte , in: Berliner Geschichtswerkstatt (Hg.): Alltagskultur, Subjektivität und Geschichte. Zur Theorie und Praxis von Alltagsgeschichte. Münster 1994, S. 125- 138, S. 126.

[31] Barbara Keller, Rekonstruktion von Vergangenheit. Vom Umgang der „Kriegsgeneration“ mit Lebenserinnerungen , Opladen 1996, S. 50.

[32] Helmut Stahleder: Chronik der Stadt München. Herzogs- und Bürgerstadt. Die Jahre 1157-1505 . München 1995, S. 29.

[33] Ebd.

[34] Ludwig Hollweg: Vom Juden-Edikt, in: Münchener Leben, Heft 12/1967, S. 44.

[35] Andreas Heusler/Tobias Weger: Kristallnacht. Gewalt gegen die Münchener Juden im November 1938.

[36] Zitiert bei Edward Schöpflich: Zur Geschichte der Juden in München . Vortrag gehalten am 4.3.1926 in: Bayerisch Israelitische Gemeindezeitung, Nr. 8, vom 7.8.1926, S. 222. Diese Anordnungen erweiterten die Rechtssicherheit für Juden in einigen Punkten, aus denen zur Veranschaulichung 4 charakteristische Paragraphen zitiert werden: § I. Den unter churfürstlichem Schütze in München sich befindenden Juden ist erlaubt, in jeder Straße, wo sie wollen, in gemietheten oder eygenen Häusern zu wohnen. § III. Jede Familie erhält ihre bestimmte Nummer. Von der Familie kann daher nur 1 Kind heyrathen, auf welches die Nummer übertragen werden kann, andere Judenkinder nur alsdann heyrathen, wenn sich in der Zahl eine Minderung ergeben hat. § IV. Wittwen dürfen nur heyrathen, wenn sie kinderlos sind, ein fremdes Subjekt nur dann erwählen, wenn hierdurch ein beträchtliches Vermögen ins Land kommt. § IX. Den Juden kann Handel zu treiben erlaubt werden in: Draps d'or d'argem, Stoffe, Bänder, gestickte Waren, Bruch- und Fadengold, Silber, Juwelen, Bijouterie, Nesseltuch, Kanten, inländische Leinwand und Seidenwaren, Pferde, Federn, Wachs, Hopfen Möbel, Malereyen, Kunstsachen, Wein, Getreid, Thee, Kaffee, Schokolade, Tabak en gros."

[37] Ebd. S. 222. Paragraph 23 und 24 besagte, dass alle bayerischen Juden die „vollkommene Gewissens-Freiheit gesichert [wird], (...) wo Juden in einem gewissen, mit der Territorialeinteilung des Reichs übereinstimmenden Bezirke, in einer Zahl von wenigsten 50 Familien vorhanden sind, ist ihnen gestattet, eine eigene kirchliche Gemeinde zu bilden, und an einen Orte, wo eine Polizeibehörde besteht, eine Synagoge, einen Rabbiner und eine eigene Begräbnisstätte zu haben.“ Dies heißt nicht, dass es vor dem Edikt noch keine Synagogen gab, sondern dass die Juden in Bayern nun das Recht hatten, nach Erfüllung der Auflagen diese zu bauen.

[38] Werner J. Cahnmann: Die Juden in München 1918-43, in: Hans Lamm, Vergangene Tage, Jüdische Kultur in München. 1982 München, S. 31-84, S. 31.

[39] Vgl. Heusler / Weger, S. 12.

[40] Nach Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Geschichte und Zerstörung der jüdischen Gemeinde in München , in: Hans Lamm, Vergangene Tage, Jüdische Kultur in München, 1982 München, S. 462- 489, verfügte die jüdische Gemeinde 1887 gerade über ca. 5000 Mitglieder.

[41] Wolfram Selig: Synagogen und jüdische Friedhöfe in München , München 1988.

[42] Nach Ophir / Wieseman wuchs die jüdische Gemeinde von 1423 Mitgliedern im Jahr 1840 zu 4854 Mitgliedern im Jahr 1885, was im Jahr 1910 mit 11.083 Mitgliedern seinen Höhepunkt hatte und sich bis zum Jahr 1933 aufgrund von Kriegsopfern, Geburtenrückgang und anfänglicher Emigration auf ca. 9005 Mitglieder abnahm. Hier aufgeführt sind jedoch nur die in den jüdischen Gemeinden eingeschriebenen Mitglieder, assimilierte bzw. nicht religiöse Juden fallen somit aus der Statistik raus. Erst mit den rassischen Definitionen der Nürnberger Gesetze wurden auch Nicht-religiöse Juden wieder in die Statistiken aufgenommen.

[43] Zu nennen wären hier prominente Persönlichkeiten wie der Theaterkritiker und Schriftsteller Max Bernstein und seine Frau die Schauspielerin und Schriftstellerin Elsa Bernstein, der Dichter Karl Wolfskehl, der Schriftsteller Lion Feuchtwanger, die Dirigenten Hermann Levi und Heinrich Porges.

[44] Wie Nobelpreisträger Richard Willstätter, der Mathematiker Alfred Pringsheim, der Alpinist und Naturforscher Gottfried Merzbacher, dem Begründer des Faches Neue deutsche Literatur Michael Bernays, der Rabbi Josef Perles, der Jurist und Oberlandesgerichtsrath Heinrich Harburger

[45] Hierbei sind die Unternehmen Bernheimer, Rosenthal und Heinemann zu nennen, die ein internationales Renommee aufwiesen.

[46] Auf die Frage, ob jüdische Herkunft eine ethnische oder religiöse Frage war, werde ich nicht eingehen, da diese Frage äußerst komplex ist und einen eigenen Forschungsgegenstand darstellen würde. Vgl. Michael Brenner, Die Konfusion um die Konfession , In: Süddeutsche Zeitung vom 24.9.1999.

[47] Ob Kurt Eisner den Freistaat oder Volksstaat Bayern gründete, war Frage längerer politischer und historischer Debatten, die sich nie ganz klären ließ, vgl. Johannes Merz, „Freistaat Bayern“.

Metamorphosen eines Staatsnamens , in: VjhZG, 45. Jg. (1997), S. 121-142 und Freya Eisner, Kurt Eisner und der Begriff “Freistaat“. Eine Entgegnung auf die Miszelle „Freistaat Bayern“. Metamorphosen eines Staatsnamens , in: VjhZG, 46. Jg. (1998) S. 487-496.

[48] Vgl. Michael Brenner, Man wird doch wohl noch ein bisschen lügen dürfen , in: Frankfurter Rundschau vom 17.11.2003.

[49] Immanuel Birnbaum, Juden in der Münchener Räterepublik , in: Hans Lamm, Vergangene Tage, Jüdische Kultur in München, S. 369-371, hier: S. 371.

[50] Vgl. Heusler/Weger S. 18.

[51] Zu nennen wäre hierbei die verschieden Synagogen: Eine orthodoxe Synagoge der Glaubensgemeinschaft in der Herzog-Rudolf-Straße, eine Ostjüdische Synagoge in der Reichenbachstraße, die nach dem Krieg wieder aufgebaut wurde, sowie mehrer Bethhäuser in der Isarvorstadt. Außerdem gab es im Bildungsbereich eine Cossman-Werner-Bibliothek mit Lesesaal in der Herzog-Max-Straße und die Israelitische Volksschule in der Herzog-Rudolf-Straße. Hinzu kommt das Sozial- und Wohlfahrtswesen mit Wohltätigkeitskasse, Waisenstiftung, Ritueller Speiseanstalt in der Klenzestraße 4, Lipschützscher Versorgungsanstalt in der Mathildenstraße 8, Altersheim in der Kaulbachstraße 65, Kinderheim in der Antonienstraße 7 und Krankenhaus in der Hermann-Schmid-Straße 5-7. Weitere 38 soziale und religiöse Vereine runden das Bild eines aktiven kulturellen und sozialen Engagements der Münchener Juden ab. Vgl. Cahnmann, S. 34.

[52] Nach Ophir/Wiesemann S. 465 lag der Prozentsatz der Mischehen unter Juden in München zwischen 1924-1933 bei ca. 50 Prozent.

[53] Der jüdische Bevölkerungsanteil war in anderen deutschen Städten wesentlich höher, beispielsweise betrug in Frankfurt der Bevölkerungsanteil 4,8 Prozent, in Berlin 3,8 Prozent, in Breslau 3,2 Prozent, in Köln 2,0 Prozent, in Leipzig 1,6 Prozent und in Hamburg 1,5 Prozent. (Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 451 [Heft 5], Berlin 1936, S. 10).

[54] Heusler/Weger S. 25.

[55] Vgl. Werner Cahnmann (1982), S. 36 f.

Excerpt out of 96 pages

Details

Title
Jüdische Münchener Emigranten in London
College
LMU Munich  (Historisches Seminar)
Course
Jüdische Geschichte
Grade
1
Author
Year
2004
Pages
96
Catalog Number
V113674
ISBN (eBook)
9783640212651
ISBN (Book)
9783640212736
File size
2027 KB
Language
German
Keywords
Jüdische, Münchener, Emigranten, London, Jüdische, Geschichte
Quote paper
Joseph Badde (Author), 2004, Jüdische Münchener Emigranten in London, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113674

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