FASD bei Kindern und Jugendlichen. Möglichkeiten heilpädagogischer Förderung in der Schulzeit


Studienarbeit, 2021

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

I. Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Der Förderbedarf FASD in den Förderschwerpunkten
1.2 FASD in aktuellen Medienberichten
1.3 Heilpädagogischer Bezug zu FASD
1.4 Aufbau der Arbeit

2. FASD in Bildungseinrichtungen und Gesellschaft
2.1 Anforderungen und Problemstellung
2.1.1. Junge Menschen, die mit FASD leben - und ihre Perspektiven
2.1.2. FASD in der Schulzeit
2.2 Hilfsangebote für junge Menschen, die mit FASD leben
2.2.1. Heilpädagogische Fördermöglichkeiten für junge Menschen mit FASD
2.2.2. Heilpädagogische Unterstützung im Kontext von Inklusion
2.2.3. Beispiele inklusiver Ausrichtung im Ausland
2.2.4. Kontroversen in der Umsetzung

3. Fazit

II. Literaturverzeichnis:

Anhang 1: Abbildung – Kraniofasziale Veränderungen bei FAS

I. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1 Der Förderbedarf FASD in den Förderschwerpunkten

Für diese Seminararbeit soll zunächst ein Förderbedarf ausgewählt werden, welcher in den letzten Jahren in bekannten Printmedien oder TV-Dokumentationen präsent war. Dieser betreffende Förderbedarf soll weiterhin gemäß AO-SF eine sonderpädagogische Förderung an allgemeinen Schulen begründen und durch die sieben Schwerpunkte sonderpädagogischer Förderung kategorisierbar sein. Für diese Arbeit wird der multiple Förderbedarf infolge FASD (Fetal alcohol spectrum disorders) ausgewählt. Eine Beeinträchtigung durch FASD wird häufig den Förderschwerpunkten geistige und emotionale-soziale Entwicklung (ESE) oder Lernen zugeordnet (Michalowski, Lepke & FASD Deutschland, 2015, S. 72-73), aber auch im Bereich des Förderschwerpunkts körperliche und motorische Entwicklung sind Kinder und Jugendliche mit FASD relativ oft zu finden (Schlachtberger, 2020, S. 28). Das Syndrom wird bis heute nicht in dem der Prävalenz entsprechenden Maße beachtet und oft auch nicht oder erst spät diagnostiziert. FASD ist die häufigste, nicht-genetische Ursache einer geistigen Beeinträchtigung. Prof. Dr. Spohr führt Prävalenzstudien von Schulkindern an, welche z.B. für Italien Werte von 3 % und für die USA von 1-2 % ergaben (Spohr, 2016, S. 8-9). Nach seiner Darstellung lässt sich das gesamte Spektrum alkoholgeschädigter Kinder bis heute nicht sicher abschätzen. Je nach Untersuchungsform und Definition gehen Studien von einer weltweiten Häufigkeit von 2-4 % der allgemeinen Bevölkerung aus (op.cit. 9). In jedem Falle ist die Prävalenz von FASD deutlich höher als die der häufigsten genetisch bedingten Ursache geistiger Beeinträchtigung, der Trisomie 21. Diese wird mit einer Prävalenz von 1:700 angegeben, welche je nach Alter der schwangeren Mutter auf bis 0,2 % ansteigt (Wilken, 2017, S. 19-23). Damit ist FASD, selbst wenn man die Prävalenz nur mit einem Prozent annähme, in jedem Fall mindestens fünf Mal höher. Aufgrund einer hohen Dunkelziffer wird die Zahl vermutlich noch deutlich höher liegen.

Diese Arbeit soll darstellen, welche besonderen Anforderungen der ausgewählte Förderbedarf FASD in Bildungseinrichtungen der Schulzeit mit sich bringt. Weiterhin soll herausgestellt werden, wie die Heilpädagogik die Inklusion für diesen Förderbedarf ermöglicht und welche Verfahrensweisen aus anderen Ländern möglicherwiese als positives Beispiel dienen könnten. Auch soll die Arbeit mögliche, kontroverse Diskussionspunkte aufzeigen.

1.2 FASD in aktuellen Medienberichten

Gemessen an der hohen Anzahl von Menschen, welche mit FASD leben, ist die Thematik bis heute medial nach wie vor unterrepräsentiert. Vermutlich ist dies auf die verbreitet hohe Akzeptanz von Alkohol als Genussmittel in gesellschaftlichem Kontext zurückzuführen, welche im Gegensatz zu Scham und Stigmatisierung bei missbräuchlichem Genuss und/oder Folgen, insbesondere bei Schwangerschaft, stehen. Dennoch finden sich zahlreiche Berichte, sowohl in bekannten Zeitungen und Zeitschriften, als auch in TV Dokumentationen. Die FAZ berichtet in einem Artikel vom 19.03.2019 mit dem Titel: „Studie zu Passivtrinken – Tausende Babys mit Behinderung geboren“ (FAZ, 2019). Auch von der Süddeutschen Zeitung findet sich ein Artikel aus dem Jahre 2019 mit dem Titel: „Alkoholsyndrom – Das Leid wächst mit“ (Süddeutsche Zeitung, 2019). Aktuelle TV-Dokumentationen, welche die Thematik betreffen sind u.a.: „Alkoholkinder-Behinderung durch Alkohol in der Schwangerschaft“ von Jean Boué im WDR aus dem Jahre 2017 (WDR, 2018) und „Alkohol während der Schwangerschaft – das lebenslange Leiden der Kinder“ aus dem Jahre 2019 von Spiegel TV (Spiegel TV, 2019).

1.3 Heilpädagogischer Bezug zu FASD

Klein, Meinertz und Klausen definieren die Heilpädagogik als „Theorie und Praxis der Erziehung unter erschwerten personalen und sozialen Bedingungen“ (vgl. Klein, Meinertz, Klausen, 1992, S.14) unter Anwendung „zusätzlicher und spezieller pädagogische Maßnahmen, um diese erschwerenden Bedingungen zu kompensieren“ (op.cit., S.15). Dabei sind als personale Bedingungen solche zu verstehen, welche durch persönliche Eigenschaften der betreffenden Person einen Förderbedarf begründen. Dies können beispielsweise körperliche Einschränkungen sein, welche die Motorik, Gehör, Sehen, aber auch kognitive Fähigkeiten betreffen. Die sozialen Bedingungen stellen Rahmenbedingungen dar, welche z.B. durch ein negatives bzw. belastendes Familienumfeld letztlich aufgrund mangelnder Förderung zu Defiziten beim Lernen führen. Erschwerte personale und soziale Bedingungen können auch gemeinsam auftreten. FASD fällt zunächst in die Kategorie der personalen Bedingungen, denn die vorgeburtliche Schädigung ist eine persönliche, somatische Eigenschaft, welche dauerhaft, d.h. lebenslang besteht. Auch hier ist es denkbar, dass eine erschwerende soziale Bedingung eine zusätzliche Rolle spielt. Die infolge FASD bestehenden Beeinträchtigungen können aus schulischer Sicht gemäß AO-SF häufig Förderbedarfe in den Bereichen geistige Entwicklung, sozioemotionale Entwicklung (ESE), körperliche und motorische Entwicklung oder auch im Förderschwerpunkt Lernen begründen. Die Heilpädagogische Förderung hat zwar einen Schwerpunkt im Bereich der Hilfen für Kinder und Jugendliche, jedoch ist die Heilpädagogik generell in jedem Abschnitt der menschlichen Lebensspanne präsent. Diese Arbeit fokussiert den Bereich der Kindheit und Jugend während der Schulzeit.

In der Therapie für Menschen, welche mit FASD leben, spielt die Heilpädagogik eine bedeutende Rolle. Die heilpädagogische Förderung kann z.B. zur Förderung der sozialen Interaktion ab dem frühen Kindesalter eingesetzt werden und im Schulalter durch Förderzentren, heilpädagogische Horts und Schulbegleiter fortgeführt werden (Landgraf & Hoff, 2019, S. 68-69). Neben der Wahrnehmungsförderung und psychomotorischer bzw. motopädagogischer Förderung ist heilpädagogische, therapeutische Reiten nach den Erfahrungen der FASD Ambulanz nachweislich nach medikamentöser Behandlung die zweitwirksamste Therapie bei FASD Kindern (Lüder, Feldmann, Jungbauer, 2020, S. 20). Dies bestätigt auch eine Studie zum therapeutischen Reiten, welche von Pellengahr und Feldmann beschrieben wird (Feldmann, Michalowski, Lemke, 2015, S.107).

1.4 Aufbau der Arbeit

In der Einleitung wurde eingangs der Förderbedarf FASD in den Förderschwerpunkten, die mediale Aktualität der Thematik sowie der Bezug zur Heilpädagogik dargestellt. Der Hauptteil soll im ersten Teil den Förderbedarf durch FASD weiter erläutern und Antworten auf die Fragestellung liefern, welche besonderen Anforderungen dieser Förderbedarf in der Schulzeit mit sich bringt. Im zweiten Teil des Hauptteils soll die Fragestellung um Lösungsmöglichkeiten für die bestehenden Anforderungen in der Schulzeit erweitert werden. So soll beantwortet werden, wie die Heilpädagogik durch Unterstützung die Inklusion für Kinder und Jugendliche mit FASD ermöglichen kann. Auch soll ein Vergleich zu positiven Beispielen aus anderen Ländern gezogen werden und mögliche Kontoversen betrachten werden. Im Fazit werden abschließend die gewonnenen Informationen zusammengefasst und es wird versucht, einen Ausblick in die Zukunft und mögliche Lösungsansätze für die Förderung und Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit FASD zu skizzieren.

2. FASD in Bildungseinrichtungen und Gesellschaft

2.1 Anforderungen und Problemstellung

Nach Hochrechnungen und absoluten Geburtenzahlen wird für Deutschland eine Prävalenz für FASD von 1% vermutet, damit ist die Prävalenz um ein Vielfaches höher als beim Down-Syndrom als der häufigsten genetisch verursachten Behinderung. Durch diese hohe Zahl gilt FASD als eine der häufigsten angeborenen Erkrankungen (Schlachtberger, 2020, S. 27). Trotz dieser Tatsache sind sowohl Mediziner als auch Diagnostiker viel zu wenig über das Krankheitsbild informiert oder haben Hemmungen den Verdacht auf FASD mitzuteilen. Dies führt letztlich dazu, dass die Diagnose FASD immer noch viel zu selten gestellt wird (op.cit, S .27). FASD tritt in verschiedenen Ausprägungen und Formen auf, welche nicht zwingend deutlich sichtbar sind. Besondere Anforderungen in der schulischen Entwicklung ergeben sich ggf. unter anderem durch Wahrnehmungsbeeinträchtigungen, Orientierungsstörungen, Sprachentwicklungsstörungen, Schwierigkeiten mit der Feinmotorik sowie z.T. schwere soziale und emotionale Störungen. Durch Komorbiditäten, z.B. häufig mit ADHS, aber auch Differentialdiagnosen, ist die Diagnostik, aber auch die passende pädagogische Förderung mitunter erschwert (op.cit., S. 24.)

2.1.1. Junge Menschen, die mit FASD leben - und ihre Perspektiven

Das Begriff FASD beschreibt ein Spektrum von möglichen Beeinträchtigungen, welche von leichten Lernschwierigkeiten bis hin zu starken kognitiven und körperlichen Behinderungen reichen können. Es handelt sich um eine meist schwerwiegende, lebenslange Beeinträchtigung, welche durch den Verzicht der Mutter auf Alkohol während der Schwangerschaft vollständig vermieden werden könnte (Schlachtberger, 2020, S.18-20). Eine intrauterine Alkoholexposition kann in jedem Fall und jeder Expositionsmenge zu schweren Folgen für das ungeborene Kind führen. Gemessen an der Vergleichsprävalenz sowie Expertenschätzungen sind in Deutschland ca. 130.00 Kinder von FASD, dem Oberbegriff für verschiedene Fetale Alkoholspektrumstörungen betroffen. Nur bei einem geringen Anteil dieser Kinder wird tatsächlich die Diagnose FASD gestellt (Landgraf & Hoff, 2019, S. 27). FASD wird international in die Störungsbilder FAS (Vollbild), pFAS (partielles Fetales Alkoholsyndrom und ARND (alkoholbedingte, entwicklungsneurologische Störung) eingeteilt. Eine vierte Variante, ARBD (alkoholbedingte, angeborene Malformationen) soll nach der S3 Leitlinie für FASD wegen fehlender Spezifität nicht als Diagnose verwendet werden (op.cit, S. 31). Laut Dr. Landgraf muss bei einem FASD-Verdacht in jedem Falle die Gefahr der Stigmatisierung von Kind und Mutter gegenüber den Vorteilen einer Diagnose für das Kind abgewogen werden (op.cit., S.31). In der Diagnostik werden u.a. Wachstumsauffälligkeiten (Kleinwuchs) und Gesichtsauffälligkeiten (kurze Lidspaltenlänge, verstrichenes Philtrum, schmale Oberlippe, evtl. Microcephalie) sowie Auffälligkeiten im ZNS des Kindes betrachtet. Funktionelle bzw. strukturelle Auffälligkeiten sind hier z.B. eine Intelligenzminderung, Beeinträchtigung von Sprache, Feinmotorik, räumlich-visueller Wahrnehmung, Lern-.und Merkfähigkeit, exekutiver Funktionen, Rechnen, Aufmerksamkeit sowie sozialer Fertigkeiten / Verhalten (op.cit., S. 34-35). In Kombination mit der beschriebenen Diagnostik sollte der Alkoholkonsum der Mutter erfragt werden, was jedoch infolge Scham oder sozial erwünschter Antworten zu abweichenden Ergebnissen führen kann. Eine diagnostische Ergänzung zur S3-Leitlinie ist der FASQ (Fetal Alcohol Syndrome Questionaire) von Reinhold Feldmann, ein Fragenkatalog zur Untersuchung sozialer und emotionaler Auffälligkeiten. Die Folgen einer pränatalen Schädigung des Gehirns sind nicht heilbar und bestehen daher lebenslang. In der Kindheit und Jugend wird, sofern das Symptom noch nicht diagnostiziert wurde, zunächst ein Problem mit der Regulation der Aufmerksamkeit festgestellt. Dies führt häufig zu ersten Schwierigkeiten im schulischen Umfeld. Später kommen oft weitere Symptome, wie Verhaltensstörungen, Tendenz zu delinquentem Verhalten, oft nicht vorhandenes Unrechtsbewusstsein sowie ein gestörtes Nähe-Distanz-Verhältnis hinzu. Durch diese Eigenschaften werden diese Kinder sehr oft zu Opfern, aber auch zu Tätern (op.cit., S. 60-63). Die Diagnose von FASD ist heute immer noch schwierig zu stellen, denn 70-80 % der betroffenen Patienten haben keine oder geringe Dysmorphien, die Symptome sind vielfältig und können auch aufgrund von Komorbiditäten zu Fehldiagnosen führen. Weiterhin gibt es kein eindeutiges neuropsychiatrisches Profil für FASD, auch verfügen Ärzte vielfach noch nicht über ausreichende diagnostische Kenntnisse (vgl. Spohr, 2016, S. 19). Bei bestätigter FASD-Diagnose sollte eine neuropsychologische Diagnostik durchgeführt werden, da die kognitiven Unterschiede erheblich sind. Getestet werden in der Regel Intelligenz, Sprache, visuelle/räumliche Fähigkeiten, Gedächtnis, Exekutivfunktionen, Aufmerksamkeit, Feinmotorik und das soziale Verhalten (op.cit., S.50-51). Von Personen aus dem Hilfesystem werden bei Kindern mit FASD häufig Einschränkungen wie ein Unverständnis für das Konzept von „Zeit“, Stimmungsschwankungen, mangelndes Abstraktionsvermögen, Gedächtnisprobleme, mangelndes Konsequenzbewusstsein, häufiges Verlaufen, mangelnde soziale Kompetenz und verzögerte motorische Entwicklung sowie ggf. Gleichgewichtsstörungen beschrieben (op.cit., S.51). FASD ist eine Beeinträchtigung, welche angeboren ist und durch die Schädigung des Gehirns dauerhaft bestehen bleibt. Durch passende Therapien ist es jedoch möglich, das individuell vorhandene Potenzial auszuschöpfen (Schlachtberger, 2020, S. 29). Hilfreich sind hier z.B. Logopädie, Ergotherapie, Physiotherapie, Mototherapie, therapeutisches Reiten sowie Verhaltenstherapie und Sensorische Integrationstherapie. Besonders wichtig für die erfolgreiche Förderung sind eine individuell abgestimmte Umgebung sowie die Stärkung durch Aufbau von Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl (op.cit., S.31 u. 32). Für die Zukunft junger Menschen mit der Diagnose FASD sollte frühzeitig das Erfordernis der Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung sowie die Gestaltung der Wohnsituation geprüft werden. Nach einer empirischen Erhebung sind ca. 80 % der Patient*innen mit FASD später nicht in der Lage, den Anforderungen des ersten Arbeitsmarktes gerecht zu werden. Hier ist ggf. ein geschütztes Arbeitsverhältnis eine Alternative, die eine sinnstiftende und strukturierende Tätigkeit z.B. in WfbM oder entsprechenden Außenarbeitsplätzen ermöglichst (LWL/Landesjugendamt, 2017, S.33-34).

2.1.2. FASD in der Schulzeit

Schüler mit der Diagnose FASD werden nach Umfragen und Studien überdurchschnittlich oft in Förderschulen beschult, dabei sind häufige Förderschwerpunkte die Schwerpunkte Geistige Entwicklung, Körperliche und motorische Entwicklung sowie Lernen. Trotzdem ist auch in den Förderzentren der Bekanntheitsgrad von FASD gering und die spezifischen Verhaltensauffälligkeiten werden selten erkannt bzw. ausreichend beachtet (Schlachtberger, 2020, S. 28). Eine Studie von Küpper, Weglage und Feldmann mit 135 Kindern mit FAS und einer etwa gleich großen Kontrollgruppe kommt zu dem Ergebnis, dass derzeit nur wenige Kinder und Jugendliche mit FAS einen Schulabschluss erreichen. Etwa 53 % der Untersuchungsgruppe hatten eine Förderschule besucht, davon 28,2 % die Förderschule Lernen und 17,9 % eine Förderschule für Geistige Entwicklung (Michalowski, Lepke & FASD Deutschland, 2015, S. 72-73). Auffälligkeiten welche sich schon in der Primarschulzeit bemerkbar machen sind z.B. eine gestörte Sinneswahrnehmung der Kinder, welche sich durch Überempfindlichkeit, Schmerzunempfind-lichkeit, mangelndes Temperaturempfinden und fehlendes Hunger- oder Sättigungsgefühl bemerkbar machen können (Michalowski, Lepke & FASD Deutschland, 2015, S. 116). Kinder mit FASD sind zudem schnell reizüberflutet, haben ein mangelndes Abstraktionsvermögen und können oft „mein“ und „dein“ nicht unterscheiden bzw. differenzieren. Eigene Fehler können sie nicht eingestehen, sie haben außerdem häufig eine stark verminderte Konzentrationsfähigkeit gekoppelt mit einer hohen motorischen Aktivität. Trotz dieser Einschränkungen haben sie verschiedene Ressourcen, sind dabei häufig sportlich oder musisch begabt und z.T. empathisch und hilfsbereit und auch verantwortungsvoll im Umgang mit Tieren (op.cit., S. 118). Eine Hilfestellung für FASD-Kinder in der Schulzeit sind klare Strukturen und Rituale im Schulalltag, welche z.B. durch eine reizarme Umgebung, visuelle Unterstützung, Ordnung im Klassenzimmer und Vermeidung von Reizüberflutung realisiert werden kann. Im Unterricht selbst sind häufigere Wiederholung und die Unterteilung in übersichtliche Teilaufgaben sinnvoll, auch sollte den Kindern eine Rückzugsmöglichkeit geboten werden (op.cit., S. 119). In der Kommunikation mit den Kindern ist die Klarheit sehr wichtig. Blickkontakt und direkte Ansprache sind empfehlenswert, auch sollten Anweisungen immer in der gleichen Form erfolgen. Nicht erwünschtes Verhalten sollte Konsequenzen haben, dabei sollten mit dem FASD-Kind Erlebtes nachbesprochen werden, um ihm zu ermöglichen, andere Menschen einzuschätzen und sein Verhalten anzupassen (op.cit., S. 121). Ein Problem in der schulischen Entwicklung für Kinder und Jugendliche mit FASD ist eine Einschränkung der sogenannten Exekutivfunktionen, was u.a. Probleme mit der Flexibilität, Planungsfähigkeit und Konzeptbildung, aber auch mit dem Arbeitsgedächtnis beinhalten kann (Feldmann, Michalowski, Lepke, 2015, S. 50). Es handelt sich hierbei um ein Kernmerkmal von FASD, welches z.T. unauffällig sein kann, aber mit zunehmender Komplexität der Aufgaben auftritt und/oder schnellere Erschöpfungszustände hervorruft (op.cit., S. 56). Derzeit erreichen etwas mehr als 40 % der jungen Menschen mit FASD den Hauptschulabschluss und 25 % beenden die Schulzeit ohne Abschluss, was letztlich darauf zurückzuführen ist, dass es den Betroffenen aufgrund ihrer Beeinträchtigungen nicht möglich ist, den Leistungsanforderungen der Schule gerecht zu werden (Lüders, Feldmann, Jungbauer, 2020, S. 23).

Für die Beschulung von FASD-Kindern ist es von großer Bedeutung, dass alle Beteiligten die Art und den Umfang der Beeinträchtigungen kennen und begreifen, damit eine effektive Unterstützung implementiert werden kann. Wenn auf die Bedürfnisse der Kinder angemessen eingegangen würde, könnten sehr viele Kinder mit FASD einen Schulabschluss erreichen (op.cit., S,24). Dazu ist es erforderlich, sich die elementaren Anforderungen bewusst zu machen. Kinder mit FASD können eigene Überforderung nicht erkennen, haben Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion, obwohl sie dazugehören möchten, sind leicht beeinflussbar und haben oft kein Gefahrenbewusstsein. Bei Schüler*innen mit FASD werden die Beeinträchtigungen oft unterschätzt, aber auch deren Stärken seltener erkannt. So bilden die bei Kindern mit FASD häufigen Stärken wie Empathie, Hilfsbereitschaft, Gerechtigkeitssinn, Geschick und Ausdauer eine gute Basis für eine mögliche Förderung (Schlachtberger, 2020, S. 31). Um auf die besonderen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen mit FASD eingehen zu können, müssen Eltern bzw. Erziehungsberechtigte, Lehrer*innen, ggf. Heilpädagog*innen, Schulbegleiter*innen und die Schulgemeinschaft eng zusammenarbeiten (Lüders, Feldmann, Jungbauer,2020, S. 33-40). Das Wissen über FASD und der enge Austausch sind u.a. auch hilfreich, um ein besonders Verhalten von FASD-Kindern richtig zu interpretieren, wo ohne diese Kenntnisse eine Fehldeutung leicht möglich wäre. Bei der Kommunikation ist es wichtig, die Kinder direkt anzusprechen, klare Anweisungen in gleichlautender Formulierung zu geben und dabei Blickkontakt zu halten. Arbeitsanweisungen müssen eindeutig formuliert werden und in Falle der Nichterledigung wiederholt werden (op.cit., S, 40-45.). Förderlich für die Kinder sind kleine Klassen und ein Sitzplatz mit möglichst wenig Ablenkung. Die Abläufe im Schulalltag sollten als Hilfestellung für FASD-Kinder mit Routinen und auch mit visuellen, taktilen und / oder akustischen Strukturhilfen versehen werden. Dabei können Übergange und verbleibende Zeiten, welche von den Kindern nicht eingeschätzt werden können, z.B. durch Sanduhren, Bilderkarten oder Zeichen visualisiert werden. Akustische Signale können vielfältig als Hilfestellung eingesetzt werden, auch können Wege zur Unterstützung mit farbigen Linien markiert werden. Allgemein ist eine vertraute Person als Begleitung in der Schule und im Unterricht eine große Hilfe. Sofern keine Schulbegleiter*in zur Verfügung steht, kann dies z.B. auch von eine/m Mitschüler*in übernommen werden. Für das Lernen selbst müssen Methoden und Abläufe, aber auch die Anforderungen individuell angepasst werden. Hilfreich und bewährt ist für Kinder mit FASD die Unterstützung der Lehrmethoden durch visuelle und taktile Mittel. Anleitungen, Informationen und die Wissensvermittlung können zusätzlich mit Bildern und Symbolen unterstützt werden. Bei Texten sind Eselsbrücken oder eine Kombination des Textes mit entsprechenden oder begleitenden Liedern eine Hilfe. (op.cit., S. 47-56). Durch taktiles Lernen können bestimmte Unterrichtsinhalte für FSAD-Kinder leichter erfasst werden. So ist es z.B. denkbar, Sachinhalte mit Möglichkeiten des Ertastens, Riechens oder der Kombination mit Bewegung zu verbinden. So können z.B. Gegenstände geknetet werden, Exkursionen unternommen werden, um Dinge zu erleben, Buchstaben mit Farbe gemalt oder rausgeschnitten und Würfel o.ä. als Hilfe für das mathematische Verständnis genutzt werden. Generell sollten in Unterricht alle Arbeitsaufträge in kleine Schritte zerlegt werden (op.cit, S. 58-59).

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
FASD bei Kindern und Jugendlichen. Möglichkeiten heilpädagogischer Förderung in der Schulzeit
Hochschule
IU Internationale Hochschule
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
19
Katalognummer
V1137345
ISBN (eBook)
9783346513892
ISBN (Buch)
9783346513908
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Anhang mit freundlicher Genehmigung der Pflege- und Adoptivfamilien Südniedersachsen e.V.
Schlagworte
FASD, Alkohol, Schule, Inklusion, Heilpädagogik, Förderbedarf, Syndrom, Schädigung
Arbeit zitieren
Michael Hubig (Autor:in), 2021, FASD bei Kindern und Jugendlichen. Möglichkeiten heilpädagogischer Förderung in der Schulzeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1137345

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