Die Förderung der Lernerautonomie im DaF-Unterricht. Drei praxisorientierte empirische Studien im Vergleich


Hausarbeit (Hauptseminar), 2020

29 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die bestehende Konzeptionen der Lernerautonomien in der Fremdsprachedidaktik
2.1 Die situativ-technizistische Autonomiekonzeption
2.2 Handlungstheoretische Autonomiekonzeption (Henri Holec)
2.3 Strategisch-technische Autonomiekonzeption
2.4 Konstruktivistische Autonomiekonzeption
2.5 Entwicklungspsychologische Autonomiekonzeption (David Little)
2.6 Pädagogisch-fächerübergreifende Autonomiekonzeption

3 Darstellungen der Zusammenfassung und Reflexion der empirischen Studien
3.1 Die Studie von Bouchama (2019): Lernerautonomie in der Praxis des DaF-Unterrichts: Anwendungsmöglichkeiten durch handlungsorientierte Unterrichtsaktivitäten und Lernstrategievermittlung
3.1.1 Reflexion über die Studie von Bouchama (2019):
3.2 Die Studie von Al Marqini (2018): Lernerautonomie im DaF-Unterricht für arabische Lernende – Eine empirische Untersuchung zur Bedeutung metakognitiver Lernstrategien für die Förderung der Lernerautonomie
3.3 Die Studie von Rasoulifard Kashani (2014): Förderung der Lernerautonomie im universitären DaF-Unterricht im nahöstlichen Raum am Beispiel des Iran
3.4 Reflexion der Studie von Al Marqini 2018 und Rasoulifard Kashani

4 Meine Ergebnisse

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis:

1 Einleitung

Mit der Veränderung und der Entwicklung der Gesellschaft und Technik stellt unsere Zeit schnell immer wieder neue Anforderungen an uns. Dieser Wandel unserer Gesellschaft fordert einen wachsenden Bedarf an Wissen, Informationen und Qualifikation. Neue Kompetenzen werden immer kurzfristiger gefordert. Mit dem stets steigenden Bedürfnis an Fort- und Weiterbildung gelten die Konzepte wie z.B. lebenslanges Lernen, selbstbestimmtes Lernen, selbstgesteuertes Lernen, Lernerautonomie als eine mögliche pädagogische Antwort. Sie werden als eine der Lösungen dieses wachsenden Bedarfs an qualifizierten Arbeitskräften mit spezifischen Kompetenzen angesehen und zählen zu den Schlüsselqualifikationen. Darüber hinaus sind Lernende verschieden. Jeder Lerner hat seine eigenen unterschiedlichen Motivationen, Erfahrungen, Fähigkeiten, und Lernstile für das Lernen einer Sprache. Das Lernen wird als Prozess der Informationsverarbeitung aufgefasst, der die Aktivierung des vorhandenen Wissens und die immer neue Strukturierung des gesamten Wissens beinhaltet (Bimmel; Rampillon 2000:178). Es ist notwendig, solche individuellen unterschiedlichen Faktoren im Fremdsprachenunterricht zu berücksichtigen, um den Lernprozess der verschiedenen Lernenden adäquat zu unterstützen. Außerdem merken Lernende zwar schnell, dass das Lernen einer Fremdsprache in der Regel ein oft beschwerlicher und langwieriger Weg ist. Sie akzeptieren es für sich selbst jedoch nicht immer. Viele Lernende haben die Erwartung, dass sie in möglichst kurzer Zeit die gelernte Sprache sicher verstehen und anwenden können, sowohl in Wort als auch Schrift. Dazu entstehen Schuldzuweisungen an den Schwierigkeitsgrad der Sprache oder/ und an die Unfähigkeit der Lehrperson (ebd.:15). Unter diesen Umständen gehören die Entwicklung und die Förderung der Lernerautonomie im Unterricht zu den möglichen Auswegen, um das Lernen der einzelnen Lernenden außerhalb des Unterrichts zu ermutigen und um diese Schuldzuweisung beim Lernen einer Fremdsprache zu vermeiden. Die Entwicklung und Förderung der Lernerautonomie im Fremdsprachenunterricht zählen zu den sinnvollen Aufgaben der Lehrenden.

Es ist festgelegt, dass die Entwicklung und die Förderung der Lernerautonomie sinnvoll für das Fremdsprachenlernen sind, aber wie wird die Lernerautonomie im Fremdsprachenunterricht, besonders im DaF-Unterricht, gefördert? Um diese Frage zu beantworten versuche ich in dieser Arbeit, drei praxisorientierte empirische Studien für die Förderung der Lernerautonomie im DaF-Unterricht zu vergleichen und über sie zu reflektieren, um die möglichen notwendigen Voraussetzungen für die Förderung der Lernerautonomie im DaF-Unterricht und die möglichen praktizierten Mittel dafür zu finden. Zunächst werde ich die in deutschsprachigem Raum existierenden Autonomiekonzeptionen skizzieren, um einen groben Überblick über den Begriff von Lernerautonomie zu geben. Folgend werden die Zusammenfassungen der empirischen Studien und die entsprechenden Reflexionen darüber im dritten Teil dargestellt. Diese drei praxisorientierten empirischen Studien richten sich auf die Umsetzung der Lernerautonomie in der Unterrichtspraxis und die Förderung der Lernerautonomie im DaF-Unterricht. Im vierten Teil folgen meine Ergebnisse, die die möglichen didaktischen Hinweise und weiter offene Fragen in diesem Bereich beinhalten. Abschließend fasse ich meine Ergebnisse zusammen.

2 Die bestehende Konzeptionen der Lernerautonomien in der Fremdsprachedidaktik

Lernerautonomie gehört zu den logischen Existenzen. Anders als die physischen Existenzen, die man genau und eher konkret beschreiben kann, weil sie in der realen Wirklichkeit existieren, kann man die logischen Existenzen nur als Annährung und in Verbindung mit den physischen existierenden Gegenstände oder Subjekten definieren. Andere Beispiele für logisch existierende Sachverhalte sind „Liebe“, „Hass“, „Freiheit“, „Mündigkeit“ usw. Im Verstand des Menschen gibt es nur eine holistische und pauschale Vorstellung und eine allgemeine Grundbedeutungen für solche logische Existenz. Aufgrund dieser allgemeinen Grundbedeutungen kann man diese Sachverhalte wahrnehmen und begreifen (Bouchama 2019:83). Um die logische Existenz „Lernerautonomie“ in der Unterrichtspraxis umzusetzen und um sie im Unterricht zu fördern, ist es notwendig, die Konzeption der Lernerautonomie zu erläutern und die Vorstellung der Lernerautonomie zu konkretisieren.

In diesem Kapitel werden die existierenden Konzeptionen über Lernerautonomie im fremdsprachendidaktischen Diskursn kurz skizziert, um einen groben Überblick über die bestehenden konzeptuellen Auffassungen von Lernerautonomie beim Fremdsprachenlernen darzustellen, bevor auf die Förderung der Lernerautonomie im DaF-Unterricht näher eingegangen wird. Die Begriffsauffassung der Lernerautonomie ist diffus, facettenreich und hoch kompliziert. Die bestehenden Autonomiekonzeptionen sind auffallend heterogen und inkonsistent. Sie werden in unterschiedlichen fremdsprachlichen Kontexten angewendet. In Anbetracht ihrer Funktionen beim fremdsprachlichen Lernen und Lehren unterscheidet Schmenk (2010) insgesamt zwischen sechs verschiedenen Autonomiekonzeptionen:

2.1 Die situativ-technizistische Autonomiekonzeption

Nach der situativ-technizistischen Autonomiekonzeption wird der Begriff Lernerautonomie mit dem Alleinlernen gleichgesetzt. Autonomie bedeutet hier allein, selbständig, selbstverantwortlich und unabhängig (Schmenk 2008: 66ff.). Dieser unscharfe Autonomiebegriff erscheint oft im Kontext des computergestützten Fremdsprachenlernens (Schmenk 2010: 14). Unter der situativ-technizistischen Autonomiekonzeption versteht man das Lernen nur so, dass Lernende die Aufgaben oder Übungen, die die gelernten Kenntnisse betreffen, mit Unterstützung vom Computer außerhalb des Unterrichts ohne Hilfe einer Lehrkraft allein machen. Lernen wird hier als eine Summe von Tätigkeiten verstanden, die an und mit fremdsprachlichen Materialien allein und isoliert ausgeführt werden (Schmenk 2008: 129). Beispielsweise beantworten die Lernenden die vorliegenden Fragen allein oder finden selbstständig die Lösungen für die entsprechenden Aufgaben, d.h. sie lernen ohne Lehrende und ohne Lernpartner. Die Lernerautonomie in diesem Konzept liegt lediglich in dem selbständigen Erledigen einer Aufgabe. Nach dieser Auffassung sind die Lernenden nur die Erledigenden einer Aufgabe aus den Lernmaterialien. Die Lehrenden sind nur die Anbieter von Lernmaterialien. Die Lernmaterialien spielen die Rolle des Lehrens oder Beibringens (Burbat 2015:41). Die Qualität des Fremdsprachlernens wird nicht diskutiert (Bouchama 2019: 78).

2.2 Handlungstheoretische Autonomiekonzeption (Henri Holec)

Die handlungstheoretische Autonomiekonzeption geht auf Henri Holec (1980) zurück. Nach dieser Konzeption wird Lernen als Handeln aufgefasst, wobei das selbst gesteuerte Lernhandeln Autonomie voraussetzt (Schmenk 2008:129). Für Holec ist Lernerautonomie die Fähigkeit des Lerners, den Lernprozess in all seinen Phasen selbstverantwortlich durchzuführen. Dazu zählen die vier Phasen des Lernprozesses: die Planung (das Bestimmen von Lernzielen, das Festlegen der Lerninhalte und der Lernprogression), die Durchführung (die Auswahl und Durchführung geeigneter Lernmethoden und Lerntechniken), die Reflexion (die Überwachung und die Reflexion des Lernverlaufs) und die Evaluation des Erreichten (Schmenk 2010:14; Tassinari 2010:56; Bellingrodt 2011:73). Die Lernenden müssen die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten haben, um den gesamten Lernhandlungsprozess selbst steuern zu können. Laut Holec ist Autonomie die Fähigkeit zur Selbstverantwortung des Lernens von Erwachsenen und sie ist die notwendige Voraussetzung für selbstgesteuertes Lernen. Lernende lehren sich selbst unter der Voraussetzung von Lernerautonomie. Der Lehrer wird dann überflüssig, wenn alle einzelnen Lernhandlungsschritte allein von den Lernenden selbst geplant, durchgeführt und bewertet werden. Die Lernenden spielen die Rolle des Lehrenden, um sich selbst zu unterrichten, wodurch die Rolle des Lehrenden sich zu einem Lernberater entwickelt. (Bouchama 2019: 77). Diese Form der Lernerautonomie eignet sich nicht für den institutionalisierten Fremdsprachenunterricht. Laut Schmenk ist diese Konzeption von Lernautonomie ein sehr anspruchsvolles pädagogisch-didaktisches Konzept. Nicht nur Hilfestellungen und Beratung sollten für Lernende angeboten werden, sondern auch umfangreiche und unterschiedliche Materialien, mit denen Lernende ihren Leistungstand einschätzen, sollten für Lernenden im Lernprozess vorbereitet werden. Des Weiteren sind begleitende Tutorien und Beratungsgespräche notwendig, während die Lerner selbst gesteuert lernen (Schmenk 2010:15).

2.3 Strategisch-technische Autonomiekonzeption

Lernen wird nach dieser Auffassung als Management der Lernprozesse betrachtet, und Fremdsprachenlernen erscheint hier als eine Frage des richtigen Managents von Strategien und Autonomie wird hier als Anwendung von Strategien konzeptualisiert. Schmenk beschreibt einen Kontext für die strategisch-technische Autonomiekonzeption wie folgt: „Typisch für strategisch-technische Autonomiebegriffe ist die Auffassung, dass Lernende […] autonom sind, wenn sie über ein Repertoire an Strategien bzw. Techniken verfügen, die sie begründet und zielgerichtet beim Fremdsprachenlernen einsetzen können, um möglichst effizient zu lernen.“ (ebd.) Autonomie resultiert hier aus der Synthese von Ökonomie und Fremdsprachlernen (Schmenk 2008: 83). Lernende sollten in den Lernprozessen nach Effizienz streben, wobei Lernerautonomie hier als ein Mittel zur Erhöhung der Lerneffizienz und Leistung verstanden werden kann. Ein Mittel zur Entwicklung oder Förderung der Lernerautonomie ist die Beherrschung von Lernstrategien. Die Lernenden sollten Lernstrategien und Lerntechniken beherrschen und beim Lernprozess bewusst einsetzen, um den möglichst besten Lernerfolg zu erreichen. Die Lernenden, die ein breites Strategienrepertoire besitzen und die Lernstrategien gegebenenfalls angemessen beim Lernen einsetzen können, werden als erfolgreiche Lernende angesehen. „Lernen ist dann in erster Linie Managen, ein von Einzelnen mit Hilfe trainierbarer strategischer Entscheidungen steuerbarer Prozess.

Es ist umso effizienter, je besser Lernende ihre Strategienrepertoire beherrschen, zielgerichtet nutzen, um einen optimalen Ertrag bzw. Gewinn zu erzielen.“ (Schmenk 2010: 15) Die Vermittlung und das Training der Lernstrategien und Techniken gehören zu den wichtigen Aufgaben der Lehrenden im Unterricht.

2.4 Konstruktivistische Autonomiekonzeption

Ein Kerngedanke der radikalkonstruktivistischen Theorie ist „die Wirklichkeit, in der wir leben, ist nicht unmittelbar zugänglich für uns, sondern wir können immer nur Konstruktionen dieser Wirklichkeit (im Sinne von Repräsentationen) entwickeln.“ (ebd.: 16) Lernen ist nach konstruktivistischen Theorien ein vom lernenden Gehirn individueller eigenständiger, gesteuerter und selbstorganisierter Konstruktionsprozess, der auf den Lebenserfahrungen des Lerners aufbaut. Lernen kann deshalb nur in Eigenverantwortung durchgeführt und von außen nur wenig beeinflusst werden. Die Individualität von Lernprozessen und Lernergebnissen wird hier betont. Da dieser Konstruktionsprozess auf dem individuellen Lernwissen aufbaut, bekommen unterschiedliche Lernende individuell unterschiedliche Ergebnisse, obwohl die Lernenden im gleichen sozialen Kontext lernen (Bimmel; Rampillon 2000: 40). In diesem Sinne ist Autonomie nicht mehr ein zu erreichendes Ziel von Lern- oder Erziehungsprozessen, sondern nur eine schon existierende Eigenschaft und ein Hauptmerkmal des jeden individuellen Lernens.

2.5 Entwicklungspsychologische Autonomiekonzeption (David Little)

Angesichts der Auffassung der entwicklungspsychologischen Autonomiekonzeption wird Lernen als ein Prozess angesehen, in dem man anfangs vom Äußeren beeinflusst wird und dadurch selbstständig werden kann. Nach der kognitiven Theorien kann man etwas verstehen und lernen, wenn die unbekannte Information mit dem bereits vorhandenen Wissen verbindet. Das Lernen findet immer in sozialen Kontexten statt. Deshalb ist die Interaktion mit anderen für das Lernen von großer Bedeutung. Die Interaktion in kooperativen Arbeitsformen im Unterricht ist besonders relevant (Bimmel; Rampillon 2000:40). Es ist für die Lernerautonomie sinnvoll, dass die angenehmen Lernumgebungen gebildet werden, um die Entwicklung individueller Fähigkeit zu unterstützen, und um den Lernprozess eigenständig zu steuern. Lernprozesse werden hier als Prozesse der Trennung verstanden. Wir lernen im Lauf unserer Entwicklung, etwas allein, selbständig und ohne fremde Hilfe zu schaffen. Lernen ist eine Rekonstruktion von Wissen und Können durch eine Internalisierung von Vorgegebenem (Schmenk 2010:18). Wenn diese Idee auf das Sprachlernen übertragen wird, werden Lernende zunächst stark von den Hilfestellungen der Äußeren (Lehrende und andere Lerner) beeinflusst. Im Laufe des Lernprozesses lässt sich solche äußere Hilfe und Einflüsse zurückfahren, indem Lernende ohne fremde Hilfe fähig sind, fremdsprachliche Aufgabe allein zu bewältigen (ebd.: 18f.). Autonomie bedeutet hier einen zu erreichenden Zustand, in dem Lernende während der Arbeit nicht mehr die Hilfe von anderen benötigen und eigenständig und selbständig sind. Sie wird durch die individuelle Entwicklung im sozialen Kontext erworben. Bei der Entwicklung der Lernerautonomie spielt die Interkation eine zentrale Rolle und zählt zu den Bausteinen und Auslösern für Autonomie. Lehrende, die eine wichtige äußere Einflussnahme sind, spielen eine unverzichtbare Rolle bei der Entwicklung der Lernerautonomie. „Lehren kann als tendenzielles Eingreifen und Steuern der Lernprozess gewertet werden: Lehrende geben so lange Hilfestellungen, bis die Lernenden in der Lage sind, selbständig und ohne Lehrereingriff zu arbeiten“(ebd.: 19)

2.6 Pädagogisch-fächerübergreifende Autonomiekonzeption

Autonomie wird nach der pädagogisch-fächerübergreifenden Autonomiekonzeption als Pendant oder Synonym zur Emanzipation, Mündigkeit und Selbstbestimmung in der Pädagogik angesehen und wird als ein übergeordnetes fachunabhängiges bzw. fächerübergreifendes Lern- und Erziehungsziel betrachtet (Schmenk 2008: 119). Es gibt nach dieser Konzeption für die Förderung der Lernerautonomie zwei Ziele: zum einen die Aneignung des fremdsprachlichen Wissens und Könnens, zum anderen die Entwicklung und die Entfaltung der Persönlichkeit des Lernenden (Bouchama 2019:66). Autonomie verlangt hier gleichzeitig kritische Distanznahme und die Bereitschaft und Fähigkeit zur Befreiung aus der eigenen Unmündigkeit. Autonomie stellt hier den Anspruch auf „[…] die Kraft zur Reflexion, zur Selbstbestimmung, zum Nicht-Mitmachen.“ (Adorno 1971: 93; zit. n. Schmenk 2010: 20) Man sollte Ordnungen nicht einfach hinnehmen, sondern aktiv mitgestalten (Schmenk: 2018: 12). Auf der moralischen und politischen Ebene beinhaltet Autonomie in diesem Sinne auch das Neinsagen, die Emanzipation bzw. die Befreiung von Fremdbestimmung (Schmenk 2010: 20). Diese Konzeption kann auf die Aufklärung von Kant zurückgehen. Laut Kant wagt das mündige Subjekt zu wissen, entscheidet selbst, denkt kritisch und lässt sich nicht bevormunden (Schmenk 2018: 12). Diese Autonomiekonzeption bietet eine neue Dimension in der Erziehungs- und Bildungsphilosophie. Lehrende sind hier als Erzieher, der dem noch unmündigen Lernenden hilft, mündig zu werden. Das Fremdsprachenlernen wird als Instrument angesehen, das Lernende zur Mündigkeit ausbildet.

3 Darstellungen der Zusammenfassung und Reflexion der empirischen Studien

Nach dem kurzen Skizzieren der verschiedenen Konzeptionen von Autonomie werden im Folgenden die Zusammenfassung und Reflexion der drei praxisorientierten empirischen Studien dargestellt. Sie sind die Studie von Bouchama (2019), die Studie von Al Marqini (2018) und die Studie von Rasoulifard Kashani (2014). Alle Studien zielen auf die Förderung der Lernerautonomie im DaF-Unterricht. Aber sie gehen von unterschiedlichen Autonomiekonzeptionen aus und verfolgen unterschiedliche Forschungsansätze zur Untersuchung. Verschiedene Forschungsmethoden werden in den jeweiligen Studien verwendet. Der konkrete Kontext und die Rahmbedingung für den DaF-Unterricht sind auch unterschiedlich.

3.1 Die Studie von Bouchama (2019): Lernerautonomie in der Praxis des DaF-Unterrichts: Anwendungsmöglichkeiten durch handlungsorientierte Unterrichtsaktivitäten und Lernstrategievermittlung

Das Erkenntnisinteresse der Studie von Bouchama (2019) liegt in der Anwendungsmöglichkeit der Lernerautonomie durch handlungsorientierte Lernaufgaben und Vermittlung der Lernstrategien in der DaF-Unterrichtspraxis an Gymnasien. Er geht von der entwicklungspsychologischen Autonomiekonzeption von David Little aus und lehnt sich an die Auffassung der Lernerautonomie in der Kognitionspsychologie an, die die soziale Dimension der Lernerautonomie bzw. des Fremdsprachenlernens und die zentrale Rolle der sozialen Interaktion für die Autonomieentwicklung betont (Bouchama 2019: 67). Er entwickelte in seiner Studien ein autonomieförderndes Unterrichtmodell für Schüler und Schülerinnen, als eine konkrete Anwendung der Lernerautonomie in der schulischen DaF-Unterrichtspraxis. Bouchama untersuchte ebenfalls die Wirkung dieses Unterrichtsmodells durch Fragebögen und überprüft, ob dieses Unterrichtsmodell die Lernerautonomie der Schüler und Schülerinnen fördert. 107 Probanden aus den vier Klassen in Skikda waren an der Studie beteiligt. Sie nahmen am Deutschunterricht teil, der zwei Wochen dauerte und insgesamt 10 Unterrichtsstunden beinhaltete. Am Ende der gesamten Unterrichtsstunden beantworteten die Schüler die Fragebögen.

Dieses Unterrichtsmodell wird mit dem Ziel der Förderung der Lernerautonomie der Schüler gestaltet. Nach diesem Modell wurde der Unterricht in unterschiedliche Phasen geteilt, wobei jede Phase bestimmte Teillernziele erstrebt und Lernaufgaben beinhaltet. Er besteht aus einer Einstiegs-, Präsentations-, Semantisierungs-, Systematisierungs-, Festigungs-, Anwendungs- und einer Evaluationsphase. Am Anfang jeder Phase wurden das Ziel und die Rolle dieser Phase im Unterricht erörtert. Mit der Behandlung des Lernstoffs wurden Aufgaben zur Autonomieförderung und zur Vermittlung der Lernstrategien durchgeführt. Bei jeder Phase wurde das erstrebte Lernziel erklärt; Aufgaben zur Förderung der Lernerautonomie wurden implizit und explizit durchgeführt und die passenden Lernstrategien wurden vermittelt. Danach wurden intensive Aufgaben und Übungen zur Förderung der Lernerautonomie speziell für Sprachfertigkeiten (Leseverstehen, Hörverstehen, Schreibfertigkeit und Sprechfertigkeit), die Grammatik und Wortschatzarbeit durchgeführt (ebd.: 162ff.). In diesem Unterrichtsmodell werden den Schülern das Lernziel, der Lerninhalt, der Nutzen der Aufgabe und die damit verbundenen Lernmethoden bei jeder Unterrichtsaktivität erklärt. Mit solchen angebotenen Orientierungen kann der Schüler seine individuellen Lernintentionen, Interessen, Lernstrategien und Lerntechniken intentional mit dem Unterrichtsziel verbinden und sie ins Unterrichtsgeschehen einbeziehen. Wenn die Schüler geplant und bewusst im einzelnen Lerngeschehen involviert sind, können sie auf diese Weise beim Lernen gezielt handeln, den Lernprozess planen und an der Steuerung des Lernprozesses teilnehmen. Die Aufgaben, die in diesem Unterrichtsmodell durchgeführt werden, erfüllen nach Nodari (1994) die vier Bedingungen für die Förderung der Lernerautonomie. Nämlich sind die Schüler im Lehr- und Lerngeschehen zu orientieren, die Lernverantwortung zu übernehmen, die eigenen Lernweisen kennenzulernen und zu optimieren sowie die eigenen kulturbedingten Verhaltensweisen kennenzulernen. Die Aufgaben werden in Anlehnung an Nodari den algerischen Schulbedingungen angepasst (Bouchama 2019: 166). Bouchama verzichtet nicht total auf den bestehenden Unterricht, sondern suchte die Optimierungen und bettet die Aufgaben zur Lernerautonomie da ein, wo es möglich ist. In diesem Unterrichtsmodell wird Lernerautonomie sowohl als Prinzip und Verfahren, als auch als Lernziel im Unterricht behandelt. Dieses Modell berücksichtigt die Individualität des einzelnen Schülers. Durch die eingesetzten handlungsorientierten Lernaufgaben und die bewusstmachenden Lernstrategien können Schüler in diesem Unterrichtsmodell die Verantwortung über ihren eigenen Lernprozess allmählich übernehmen und sich stufenweise von den heteronomen Fremdbestimmungen befreien. Laut Bouchama (2019) fördert dieses Unterrichtsmodell die Lernerautonomie durch drei Faktorenbereiche, nämlich die Berücksichtigung der individuellen Faktoren der Schüler, die handlungsorientierten Lernaufgaben und die Vermittlung bzw. das Training der Lernstrategien. Jeder Bereich enthält mehrere Autonomiefaktoren, die durch Fragbögen untersucht werden sollen. Um die Wirkung des Unterrichtsmodells auf die Schüler zu untersuchen, werden alle Schüler in seiner Studie mit Fragbögen befragt und getestet. Drei Fragebögen werden dafür designt. Der erste Fragebogen bezieht sich auf die Eigenschaften der individuellen Faktoren der einzelnen Schüler, nämlich Lernstil, Lerntyp und allgemeine intrinsische und extrinsische Motivation. Dieser Fragebogen dient dazu, Daten aufzubereiten, damit die individuellen Eigenschaften der Schüler erkannt werden und mögliche Korrelationen und Zusammenhänge mit den Unterrichts- und Autonomiefaktoren herausgefunden werden können. Der zweite Fragebogen bezieht sich auf die Wirkung der Autonomiefaktoren auf die Lernqualität und Motivation der Schüler. Mit diesem Fragebogen möchte Bouchama herausfinden, welche Lernerautonomiefaktoren auf Lernmotivation und Lernqualität der DaF-Schüler große Wirkungen haben. Der dritte Fragebogen befasst sich mit der Unterrichtsqualität und der Anwendungsakzeptanz dieses entwickelten autonomiefördernden Unterrichtsmodells bei den Schülern. Mit diesem Fragebogen möchte er herausfinden, welche Autonomiebereiche und welche Autonomiefaktoren durch dieses Unterrichtsmodell erfolgreich gefördert werden und welche für die Lernenden wichtig sind. Alle Fragbögen sind hier halboffen. Sie bestehen aus vorbestimmten Antwortenmöglichkeiten und einer offenen Frage für mögliche Schülerantworten. Die erhobenen Daten werden statistisch untersucht und analysiert.

[...]

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Die Förderung der Lernerautonomie im DaF-Unterricht. Drei praxisorientierte empirische Studien im Vergleich
Hochschule
Universität Bielefeld
Note
1,7
Autor
Jahr
2020
Seiten
29
Katalognummer
V1137400
ISBN (eBook)
9783346512055
ISBN (Buch)
9783346512062
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lernerautonomie, DaF Unterricht
Arbeit zitieren
Lingxiao Xu (Autor:in), 2020, Die Förderung der Lernerautonomie im DaF-Unterricht. Drei praxisorientierte empirische Studien im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1137400

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