Die Prostitutionsdebatte im Hinblick auf feministische und politische Perspektiven


Hausarbeit, 2021

16 Seiten


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definitionen

3. Feministischer Abolitionismus angewandt am „Schwedischen Modell“

4. Sex-Positivismus angewandt an der deutschen Gesetzeslage

5. Die Prostitutionsdebatte in Deutschland und der Versuch einer Konsensfindung
5.1 Menschenhandel
5.2 Freiwilligkeit

6. Ergebnisse der Forschungsfrage

7. Persönliches Fazit

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Durch die Corona Pandemie sind einige gesellschaftliche Themen näher in den Fokus gerückt, darunter auch die Prostitution. Im März 2020 beschloss die deutsche Bundesregierung die vorläufige Schließung aller Bordelle und Prostitutionsstätten. Eine Gruppe von 16 Bundestagsabgeordneten der CDU und der SPD wollen diese auch nach Ende der Pandemie weiterhin geschlossen halten und fordern ein Sexkaufverbot nach schwedischem Vorbild. Denn Prostitution sei „in der großen Mehrzahl der Fälle [..] menschenunwürdig, zerstörerisch und frauenfeindlich“ (Preuß & Roßbach 2020). Der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen warnt indessen davor, dass ein Verbot die Prostituierten in die Illegalität treibt, in der sie höherer Gewalt ausgesetzt sind (vgl. Preuß & Roßbach 2020). Es sind diese Gegenpole, die die eminent kontrovers geführte Prostitutionsdebatte so zuspitzen.

Diese Seminararbeit soll sich daher mit den zwei Fronten dieser Debatte beschäftigen und diese näher beleuchten. Zudem werde ich mich der Frage widmen, ob es realisierbar ist, in der Diskussion um die Prostitution einen Konsens zu finden.

Um die aufgeworfene Fragestellung systematisch bearbeiten zu können, werden zunächst die grundlegenden Begriffe der Sexarbeit und Prostitution definiert. Anschließend gehe ich im dritten und vierten Kapitel auf die zwei am stärksten in der Prostitutionsdebatte vertretenen, feministischen Bewegungen näher ein und lege diese an der Gesetzeslage von Schweden bzw. Deutschland dar. Nachdem ein Verständnis der beiden Perspektiven gewonnen wurde, widme ich mich im fünften Kapitel der zugrundeliegenden Fragestellung. Dabei beleuchte ich die Prostitutionsdebatte an zwei m.E. besonders kontrovers diskutierten Aspekten: dem Menschenhandel und der Freiwilligkeit in der Prostitution. Die Ergebnisse der Fragestellung präsentiert Kapitel sechs, ehe ich abschließend ein persönliches Fazit ziehe.

2. Definitionen

Aus wissenschaftlicher Sicht bezeichnet Sexarbeit eine im Konsens ausgeführte „sexuelle [..] Dienstleistung zwischen volljährigen Geschäftspartner:innen“ (Küppers 2016) gegen finanzielle oder materielle Vergütung. Es handelt sich dabei im weiteren

Sinne um einen Überbegriff, der jegliche Formen sexueller oder erotischer Praktiken - wie bspw. die Darstellung in der Pornoindustrie, die Arbeit als Domina oder Straßen- und Bordellprostituierte, usw. - inkludiert. Prostitution als explizite physische „Ausübung, Erduldung und Stimulation von sexuellen Handlungen“ (Küppers 2016) stellt lediglich ein Tätigkeitsfeld der Sexarbeit dar.

Die Differenzierung zwischen Sexarbeit und Prostitution ist jedoch nicht nur eine Frage der Definition, sondern auch eine der politischen bzw. feministischen Haltung in der Kontroverse der Prostitutionsdebatte. Der Begriff der Sexarbeit entstammt der internationalen Hurenbewegung der 1980er Jahre und wird von sex-positiven Feminist:innen meist als Synonym zu Prostitution genutzt, um seinen Dienstleistungscharakter und die Freiwilligkeit zu unterstreichen (vgl. Küppers 2016). Außerdem wird Sexarbeit von Frauen, Männern und Transpersonen in homo- und heterosexuellen Konstellationen ausgeübt. Es überwiegt jedoch deutlich die Form, in der Frauen sexuelle Dienstleistungen für Männer ausführen (vgl. Bowald 2010: 34).

Da der Begriff der Sexarbeit sehr weitläufig definiert ist und ich mich in dieser Seminararbeit keiner Position zuordnen werde, sondern beide kritisch reflektiere, beschränke ich mich im Zuge dieser Arbeit auf den Begriff der Prostitution. Zudem setze ich den Fokus auf weibliche Sexarbeiterinnen, die heterosexuelle Dienstleistungen für das männliche Geschlecht erbringen.

3. Feministischer Abolitionismus angewandt am „Schwedischen Modell“

Der Begriff des Abolitionismus entstammt der Antisklaverei-Bewegung des 18. und 19. Jahrhunderts. Dieser wurde im 19. Jahrhundert von einer Frauenbewegung, die die Abschaffung der Prostitution fordert, übernommen (Hill & Bibbert 2019: 7f.). Die radikal-feministische, abolitionistische Perspektive versteht Prostitution als Gipfel der Sexualisierung und Objektifizierung weiblicher Körper (vgl. Sauer 2014: 236). Vertreter:innen des Abolitionismus, die sich gegen die Unterdrückung und Unterwerfung von Frauen unter dem patriarchalen Herrschaftssystem einsetzen, gehen davon aus, dass Zwang und Ausbeutung der Prostitution stets inhärent sind und fordern daher ein radikales Verbot dieser (vgl. Tünte et al. 2018: 850). Als prominentes Beispiel, das diese Sichtweise vertritt, wird oft das Land Schweden herangezogen.

Dort trat am 1. Januar 1999 das „Gesetz zum Verbot des Kaufs sexueller Dienste“, verabschiedet von einer Koalition aus Sozialdemokraten, Linken und Grünen, in Kraft. Als erstes Land weltweit bestraft Schweden nicht den Verkauf, sondern allein den Kauf von sexuellen Diensten: „Sweden outlaws the buying, not the selling of sex“ (Dauber 2004: 13). Das sogenannte „Schwedische Modell“ besteht aus mehreren Gesetzen und Verordnungen. Die drei wichtigsten sind das Kuppeleigesetz, der Kündigungszwang für Mietverträge und das Sexkaufverbot. Bei ersterem wird Zuhälterei und die Förderung von Prostitution mit Geld- und Freiheitsstrafen von bis zu acht Jahren verurteilt. Der Kündigungszwang verpflichtet Vermieter:innen dazu, Mietverträge von Wohnungen, in denen Prostitution oder Zuhälterei betrieben wird, zu kündigen. Ansonsten machen sie sich selbst strafbar. Das Sexkaufverbot, das global bekannteste Gesetz, verbietet es Freiern sexuelle Dienstleistungen zu erkaufen (vgl. Dodillet & Östergren 2012: 3).

Damit verlagert Schweden erstmalig den Fokus weg von den Akteur:innen, die sexuelle Dienstleistungen anbieten, hin zu denen, die die Prostitution nachfragen. Sie werden nach schwedischem Gesetz, similär zur Sichtweise feministischer Abolitionist:innen, als „Opfer der international agierenden Sexindustrie“ (Grenz 2014: 2) angesehen, die durch Menschenhändler:innen, Zuhälter:innen und Freier betrieben wird. Prostituierte werden in Schweden also entkriminalisiert und nicht strafrechtlich verfolgt. Ihnen soll vielmehr, mithilfe zahlreicher staatlich finanzierter Organisationen und Programme, zu einem Ausstieg aus der Prostitution verholfen werden: “The law is also meant to encourage individuals involved to seek help to leave prostitution, as they can be safe in the knowledge that there will be no criminal consequences of having been involved in prostitution.” (Olsson 2019: 6).

Schwedens Motive für die Verabschiedung des Sexkaufverbots, sind auf die abolitionistische Perspektive zurückzuführen (vgl. Dodillet & Östergren 2012: 1). Der Schwerpunkt dieser liegt vornehmlich auf den binären Geschlechterverhältnissen bzw. der „Projektion von Geschlechterungleichheit auf die Prostitution“ (Sauer 2014, S. 236). Diese reproduziert, laut Abolitionist:innen, den Anschein, dass Männer das Recht haben, Frauenkörper käuflich zu erwerben (Dodillet & Östergren 2012: 1). Folglich macht der Kauf von sexuellen Dienstleistungen nicht nur Prostituierte, sondern alle Frauen zu Opfern eines patriarchalen Unterdrückungssystems. Eine Gleichheit der Geschlechter kann also nur durch die Abschaffung bzw. des Verbots der Prostitution erreicht werden (vgl. Sauer 2014: 237).

Zudem ist jede Form kommerzieller sexueller Aktivitäten für feministische Abolitionst:innen ein gewaltsamer Akt. Die zunehmende Ökonomisierung der Gesellschaft und die Entkriminalisierung von Sexarbeit in Deutschland bedeutet ein Schritt in die Vermarktung des „letzten unberührten Resorts der Welt“ (Sauer 2014: 237) - des weiblichen Körpers und der Intimität. Sexualität und Intimität soll aber, nach abolitionistischer Sichtweise, außerhalb des Ausdrucks von Liebe und Partnerschaft keinen Wert haben und darf daher kein Geld kosten (vgl. Sauer 2014: 237). Zu diesem Argument wirft sich mir jedoch die Frage auf, warum Sexualität lediglich auf die zwei Modi „Partnerschaft oder Prostitution“ reduziert wird? Kann Sexualität nicht auch Ausdruck von Lust und Leidenschaft sein, die nicht zwingend mit einer Bindung an einen Partner oder eine Partnerin einhergeht, aber fernab von Prostitution liegt? Für unser heutiges Verständnis gelebter Sexualität scheint dieser abolitionistische Gedankenansatz m.E. zu starr zu sein.

Eine der bekanntesten Verfechter:innen des abolitionistischen Feminismus ist die Frauenrechtsorganisation TERRE DES FEMMES. Zahlreiche Aktivist:innen der Organisation setzen sich bereits seit vielen Jahren gegen die Prostitution ein. Der Kauf von sexuellen Dienstleistungen und der damit in Verbindung gebrachte Frauenhandel ist, laut TERRE DES FEMMES, eine schwere Menschenrechtsverletzung (vgl. EMMA 2014). Eine weitere prominente Vertreterin in Deutschland ist die Feministin und Publizistin Alice Schwarzer. Diese hat mit ihrer Kampagne der Zeitschrift EMMA durch tausende Unterschriften, darunter zahlreiche bekannte Persönlichkeiten, viel Aufmerksamkeit für die Forderung einer Prohibition der Prostitution erregt (vgl. EMMA 2013). Mit ihrer Kampagne stellt sie sich öffentlich gegen die deutsche Prostitutionspolitik, die einen antagonistischen politischen Kurs führt, den ich im Folgenden darlegen werde.

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die Prostitutionsdebatte im Hinblick auf feministische und politische Perspektiven
Hochschule
Universität Augsburg
Autor
Jahr
2021
Seiten
16
Katalognummer
V1137459
ISBN (eBook)
9783346512499
ISBN (Buch)
9783346512505
Sprache
Deutsch
Schlagworte
prostitutionsdebatte, hinblick, perspektiven, feminismus
Arbeit zitieren
Stephanie Eibl (Autor:in), 2021, Die Prostitutionsdebatte im Hinblick auf feministische und politische Perspektiven, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1137459

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