Das Mittel des Beschreibens in den Geistes- und Sozialwissenschaften

Auseinandersetzung mit Amartya Sens Aufsatz „Description as Choice“


Hausarbeit, 2006

12 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Motivation und Arten von Beschreibungen

3. Was macht eine gute Beschreibung aus?
3.1. Selektion
3.2. Einflussfaktoren und Kriterien von Selektion
3.3. Relevanz des Wahrheitsgehalts
3.4. Zweckmäßigkeit

4. Schlussbetrachtung

5. Anhang
- Graphik
- Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Unter Geisteswissenschaftlern ist man sich darüber einig, dass rein beschreibend verfasste Arbeiten kein allzu großes Ansehen verdient haben. Konsens scheint auch darüber zu herrschen, dass die Beschäftigung mit der Thematik des Beschreibens an sich nicht wirklich von Bedeutung ist. Dieser Eindruck jedenfalls entsteht, wenn man sich auf die Suche nach Literatur zu diesem Thema begibt und so gut wie nicht fündig wird (vgl. auch: Sen 1982: 433). Auf den ersten Blick scheint die Disziplin auch keine wirklich intellektuelle Herausforderung darzustellen: Es bedarf schließlich nur der simplen Wiedergabe dessen, was man beobachtet hat. Oder?

Denn auf den zweiten Blick ist es nicht immer ganz so einfach – jedenfalls nicht, wenn es nach Amartya Sen geht. Der in Indien geborene Professor für Wirtschaft und Philosophie unterrichtet an der Harvard Universität und erhielt neben vielen anderen Auszeichnungen 1988 auch den Nobel-Preis für Wirtschaft (http://post.economics.harvard.edu/faculty/sen/bio.pdf). 1982 veröffentlichte er mit dem Aufsatz „Description as Choice“ eine intensive Auseinandersetzung mit der Thematik des Beschreibens.

Wie äußert sich Sen darin über das Beschreiben? Was macht seiner Meinung nach eine (gute) Beschreibung aus? Und welche Konsequenzen haben die Erkenntnisse des Autors für jemanden, der eine Beschreibung vornehmen will? Vorliegende Arbeit wird sich im Folgenden mit Sens Abhandlung und Schlussfolgerungen auseinander setzen und versuchen, diese Frage zu klä- ren[1]. Dabei sollen sowohl die Motivation zum Formulieren einer Beschreibung und die Arten von Beschreibungen, als auch der Aspekt der Selektion und die Relevanz des Wahrheitsgehalts behandelt werden.

2. Motivation und Arten von Beschreibungen

Ein Wissenschaftler beschreibt nach Sen aus unterschiedlichen Gründen:

„Description can be motivated by predictive interests or by prescriptive interests, but it may also have other motivations“ (Sen 1982: 447).

Das Beschreiben an sich – also die Wiedergabe dessen, wie etwas istkann demzufolge neben vielen anderen Möglichkeiten zum einen vorschreibenden Charakter haben und Informationen darüber transportieren, wie etwas sein sollte. Zum anderen kann es demnach aber auch vorhersagend sein und eine Prognose dessen liefern, wie etwas sein wird. Dass eine Beschreibung nicht gleich einer Vorschrift oder einer Vorhersagung ist, bleibt anzumerken, die Grenzen zwischen den jeweiligen Aspekten jedoch können durchaus „schwammig“ sein (Sen 1982: 432).

Generell unterscheidet Sen Beschreibungen in zwei verschiedene Arten: In diese, die einem konkreten Zweck dienen und jene, die rein deskriptiv sind und beispielsweise Tatsachen, Verläufe und Geschehnisse wiedergeben (Sen 1982: 434)[2].

3. Was macht eine gute Beschreibung aus?

Aus der so von Sen getroffenen Unterscheidung geht implizit bereits hervor, dass Beschreibungen von ein und derselben Sache durchaus unterschiedlich ausfallen können, je nachdem, ob sie ein konkretes Ziel verfolgen (und wenn ja welches) oder nicht.

Zur Verdeutlichung dieser Aussage kann man sich unterschiedliche Personenbeschreibungen vorstellen: Bei einer polizeilichen Täterbeschreibung, die dazu dient, einen Verbrecher dingfest zu machen, wird sich die Beschreibung vor allem auf Äußerlichkeiten konzentrieren. Das Ziel der Beschreibung in diesem Falle ist es zu erreichen, dass der Täter sofort erkannt und seine Sichtung gemeldet werden kann. Demzufolge sind weder biographische Besonderheiten noch charakterliche Eigenheiten erwähnenswert. Ganz anders sieht das beispielsweise im Fall einer historischen Persönlichkeit aus. Bei einer Beschreibung von – sagen wir - Napoléon Bonaparte, interessieren uns dessen Charakter und Lebensumstände deutlich mehr als sein Äußeres. Sein Leben und Wirken als Kaiser und Kriegsherr, in der Gesetzgebung und auf dem Schlachtfeld, veränderten die Welt bei weitem mehr als seine äußere Erscheinungsform[3].

Diese zwei Versionen von Beschreibungen unterscheiden sich grundlegend – und doch wird jeder der Beschreibenden die jeweils gewählte Version als eine gute Beschreibung verstehen. Wie kann das erklärt werden?

3.1. Selektion

Was das soeben erläuterte Beispiel verdeutlicht, bringt Amartya Sen mit einem wichtigen Aspekt auf den Punkt:

„Description isn’t just observing and reporting; it involves the exercise – possibly difficultof selection. … In fact, description can be characterized as choosing from the set of possibly true statements a subset on grounds of their relevance” (Sen 1982: 433).

Mit dieser Aussage formuliert Sen erstmals in der Wissenschaft etwas, das von der Mehrheit seiner Kollegen vermutlich schon immer unwissentlich angewandt wurde: Dem Beschreiben liegt immer eine Theorie - wenn auch meist in Form eines unbewussten Entscheidungsprozesses – zugrunde. In Anwendung dieser Theorie wird festgelegt, welche Aussagen aus dem Set der unendlich vielen möglichen Aussagen über eine Sache auszuwählen sind, um schließlich eine Beschreibung zu formulieren (vgl. Titel: „Description as Choice“):

„It is perhaps not an exaggeration to say that any conscious act of description contains some theory – usually implicit – about the relative importance of the various statements dealing with the subject matter. I shall call this the ’choice basis of description’“ (Sen 1982: 433).

Dass eine Beschreibung somit niemals vollständig sein kann, sieht auch der deutsche Philosoph Nicholas Rescher in seinem Buch „Die Grenzen der Wissenschaft“ (Stuttgart 1985) so:

„Wissenschaft kann die Welt einfach nicht vollständig beschreiben. ... Der Bereich wissenschaftlich relevanter Tatsachen ist zu umfangreich für deskriptive Vollständigkeit“ (Rescher 1985: 69 ff).

Demzufolge ist die Selektion eine Anwendung, an der man im Zuge von Beschreibungen nicht umher kommt.

3.2. Einflussfaktoren und Kriterien von Selektion

Laut Sen reflektiert eine gute Beschreibung einer Sache die Realität dieser Sache ohne sie zu verfälschen:

„A good description of something reflects reality about that thing in some straightforward sense, rather than distorting it“ (Sen 1982: 435).

[...]


[1] Da der Aufsatz für Wirtschaftswissenschaftler geschrieben wurde, werden allerdings nur die für Geistesund Sozialwissenschaften relevanten Abschnitte - größtenteils zu Beginn und Ende des Aufsatzes, der aus insgesamt 15 Kapiteln besteht - in die Betrachtung einbezogen.

[2] Wobei kritisch anzumerken bleibt, dass Beschreibungen der zweiten Kategorie im engeren Sinne natürlich auch immer einen Zweck verfolgen werden, sonst müsste man ja gar nicht erst eine Beschreibung formulieren.

[3] Dieses Beispiel soll später noch einmal aufgegriffen werden.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Das Mittel des Beschreibens in den Geistes- und Sozialwissenschaften
Untertitel
Auseinandersetzung mit Amartya Sens Aufsatz „Description as Choice“
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Grundseminar: Politische Theorie
Note
3,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
12
Katalognummer
V113755
ISBN (eBook)
9783640144587
ISBN (Buch)
9783640877287
Dateigröße
388 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mittel, Beschreibens, Geistes-, Sozialwissenschaften, Grundseminar, Politische, Theorie
Arbeit zitieren
Katharina Klinge (Autor:in), 2006, Das Mittel des Beschreibens in den Geistes- und Sozialwissenschaften, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113755

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