Mit der bolschewistischen Oktoberrevolution im Jahre 1917 brach für die Bevölkerung des
zusammengebrochenen Russischen Reiches eine neue Zeit an. Obwohl die Bolschewiken
eine Arbeiterpartei waren, nahm die Bauernpolitik in dem vorwiegend agrarisch geprägten
Staat (ca. 82-85% Landbevölkerung) einen wesentlichen Teil ihres Programms ein. Da
Bauern allgemein eine recht traditionsgebundene Bevölkerungsschicht waren, hatten die
Bolschewiken mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen, als sie ihre politischen, sozialen und
wirtschaftlichen Neuerungen auch auf dem Lande einbringen wollten. Doch trotz aller
bäuerlichen Schwerfälligkeit und dem entgegengebrachten Widerstand brachte der
Sowjetstaat schon in den 20-er Jahren einige Änderungen in das dörfliche Leben seiner
Untertanen, wobei der entscheidende Einschnitt allerdings erst mit dem Ende der NÖP und
in den darauffolgenden Jahren geschah. Wie sich das Leben der Bauern des neuen
sozialistischen Staates nach Revolution und Bürgerkrieg veränderte, soll in der
vorliegenden Hausarbeit in groben Zügen dargestellt werden. Nach einer kurzen
Darstellung der wirtschaftlichen und demographischen Situation zu Beginn der 20-er gehe
ich etwas näher auf die Sozialstruktur, Bildungslage und einige Aspekte der Rechtslage im
Zeitraum der Neuen Ökonomischen Politik, also von 1921 bis 1927.
Da im letzten Jahrzehnt viele Archive der ehemaligen Sowjetunion für Forscher
zugänglich wurden, ist die Quellenlage recht gut, zu den von mir behandelten Themen sind
zahlreiche Quellensammlungen veröffentlicht, außerdem gibt es darüber einige gute
Abhandlungen von renommierten Historikern. Die Schwierigkeit besteht darin, die
vorhandene Literatur und die Quellen zu sichten, vor allem im Hinblick darauf, dass
zeitgenössische Schriften gerade in der Sowjetunion meistens propagandistischen
Charakter hatten, was die Zuverlässigkeit der Angaben in Frage stellt. Auch deutsche und
englische Literatur aus der Zeit vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion kann nur
bedingt herangezogen werden, da auch die Historiker zu jener Zeit nur auf mangelhafte
Informationen zurückgreifen konnten und keinen oder nur geringen Zugang zu
einschlägigen Quellen hatten. Viele Bereiche der sowjetischen Geschichte, besonders der
Anfangszeit, können erst seit einigen Jahren eingehender erforscht werden – ein Feld, auf
dem sich viele Forscher betätigen, da das erst kürzlich zugänglich gewordene Material
äußerst interessant ist und viele neue Erkenntnisse und Gesichtspunkte bietet.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I. Die Ausgangslage: Bevölkerung und Wirtschaft auf dem Lande im ehemaligen Russischen Reich zu Beginn der 20-er Jahre und Einführung der NÖP
- 1. Bevölkerung und Wirtschaft der späteren Sowjetunion zu Beginn der 20-er Jahre
- 2. Einführung der NÖP
- II. Die Sozialstruktur auf dem Dorf der NÖP-Zeit
- 1. Sozialistische Klasseneinteilung
- a. Landlose Arbeitskräfte - „batraki“
- b. Die armen Bauern -,,bedn'aki“
- c. Die Mittelbauern -,,seredn❜aki“
- d. Die reichen Bauern -,,kulaki“
- e. Lehrer und Geistliche
- 2. Ziel und Erfolge der sozialistischen Klasseneinteilung
- 1. Sozialistische Klasseneinteilung
- III. Bildungsstand auf dem Lande in den 20-er Jahren und Leninistische Kulturrevolution
- 1. Bildungsstand der sowjetischen Bevölkerung nach der Revolution
- 2. Kampf gegen das Analphabetentum - eines der ersten Ziele der Bolschwiken
- 3. Erfolge der Alphabetisierungskampagnen
- 4. Bildungsreform in den 20-ern: Leninistische Kulturrevolution
- IV. Zur Rechtslage der Bauern im neuen Regime
- 1. Grundbesitz und Privateigentum
- 2. Administration und Verwaltung
- 3. Gewissensfreiheit und Religion
- 4. Wahlrecht
- Schluss
- Anhang
- 1. Benutzte Literatur
- 2. Tabellen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit der Veränderung des Lebens der Bauern im neuen sozialistischen Staat nach Revolution und Bürgerkrieg. Sie untersucht die wirtschaftliche und demographische Situation zu Beginn der 20-er Jahre und beleuchtet die Sozialstruktur, Bildungslage und einige Aspekte der Rechtslage im Zeitraum der Neuen Ökonomischen Politik (NÖP) von 1921 bis 1927.
- Die Ausgangslage der ländlichen Bevölkerung in der Sowjetunion zu Beginn der 1920er Jahre
- Die Einführung der Neuen Ökonomischen Politik (NÖP) und ihre Auswirkungen
- Die Sozialstruktur auf dem Dorf während der NÖP-Zeit und die sozialistische Klasseneinteilung
- Der Bildungsstand der ländlichen Bevölkerung und die Leninistische Kulturrevolution
- Die Rechtslage der Bauern im neuen Regime, insbesondere in Bezug auf Grundbesitz, Verwaltung, Gewissensfreiheit und Wahlrecht
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Darstellung der wirtschaftlichen und demographischen Situation der ländlichen Bevölkerung im ehemaligen Russischen Reich zu Beginn der 1920er Jahre. Die Folgen des Ersten Weltkriegs und des Bürgerkriegs werden beleuchtet, wobei besonders auf die hohe Zahl der Toten und die Folgen der Hungersnot eingegangen wird. Die Einführung der Neuen Ökonomischen Politik (NÖP) wird als Reaktion auf die wirtschaftliche Notlage der Bauern dargestellt. Das Kapitel erläutert die wichtigsten Punkte der NÖP und ihre Auswirkungen auf die Landwirtschaft und die Wirtschaft des Landes.
Das zweite Kapitel befasst sich mit der Sozialstruktur der ländlichen Bevölkerung während der NÖP-Zeit. Die sozialistische Klasseneinteilung, die Bauern in verschiedene Kategorien einteilt, wird vorgestellt. Die Arbeit analysiert die Ziele und Erfolge dieser Klasseneinteilung und beleuchtet die verschiedenen Gruppen, die sich daraus ergeben.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit dem Bildungsstand der ländlichen Bevölkerung und der Leninistischen Kulturrevolution. Die Arbeit untersucht die Situation des Bildungswesens nach der Revolution und das Vorgehen der Bolschewiken im Kampf gegen Analphabetismus. Die Erfolge der Alphabetisierungskampagnen und die Bildungsreform der 1920er Jahre werden analysiert.
Das vierte Kapitel widmet sich der Rechtslage der Bauern im neuen Regime. Es werden Aspekte wie Grundbesitz und Privateigentum, Verwaltung und Administration, Gewissensfreiheit und Religion sowie Wahlrecht behandelt. Die Arbeit analysiert die Veränderungen und die Herausforderungen, die sich für die Bauern aus der neuen Rechtslage ergeben.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen Wirtschafts- und Sozialpolitik des Sowjetstaates auf dem Lande in den 1920-30er Jahren, insbesondere mit der Situation der ländlichen Bevölkerung in der Sowjetunion in der NÖP-Zeit (1921-27). Die Schwerpunkte liegen auf Sozialstruktur, Bildungsstand und Rechtslage der Bauern. Zu den Schlüsselbegriffen gehören: Neue Ökonomische Politik (NÖP), sozialistische Klasseneinteilung, Landwirtschaft, Kulturrevolution, Alphabetisierung, Analphabetismus, Grundbesitz, Verwaltung, Gewissensfreiheit, Religion, Wahlrecht.
- Arbeit zitieren
- Naemi Fast (Autor:in), 2002, Zu Sozialstruktur, Bildungsstand und Rechtslage der ländlichen Bevölkerung der Sowjetunion in der NÖP-Zeit 1921-1927, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11382