Hybride Gestaltungen im internationalen Steuerrecht. Kritische Analyse von § 4k EStG-E des ATAD-Umsetzungsgesetzes


Thèse de Master, 2021

95 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Aufbau der Arbeit und Methodik
1.3 Historie und Hintergrund
1.3.1 OECD BEPS-Projekt
1.3.2 Die ATAD I und ATAD II Richtlinie

2 Besteuerungskonflikte durch hybride Gestaltungen
2.1 Ursachen für die Entstehung von Besteuerungskonflikten
2.1.1 Hybride Gesellschaftsformen/Rechtsträger
2.1.2 Mehrfachansässige Gesellschaften
2.1.3 Hybride Finanzinstrumente
2.1.4 Hybride Rechtsgeschäfte
2.2 Arten von Qualifikationskonflikten und Zurechnungskonflikten
2.2.1 Positive und negative Qualifikationskonflikte
2.2.2 Subjektive Qualifikationskonflikte
2.2.3 Objektive Qualifikationskonflikte
2.2.4 Zurechnungskonflikte
2.2.4.1 Positive und negative Zurechnungskonflikte
2.2.4.2 Subjektive Zurechnungskonflikte
2.2.4.3 Objektive Zurechnungskonflikte
2.3 Auswirkungen der Besteuerungskonflikte
2.3.1 Deduction/ no inclusion (D/NI)
2.3.1.1 Beispiel 1 - Hybride Gesellschaft (D/NI)
2.3.1.2 Beispiel 2 - Reverse Hybrid (D/NI)
2.3.1.3 Beispiel 3 - Hybrides Finanzinstrument (D/NI)
2.3.1.4 Beispiel 4 - Hybrides Rechtsgeschäft (D/NI)
2.3.2 Double Deduction (DD)
2.3.2.1 Beispiel 5 - Hybrider Rechtsträger (DD)
2.3.2.2 Beispiel 6 - doppeltansässige Gesellschaft (DD)
2.3.3 Indirect Deduction/ no inclusion (indirect D/NI)
2.3.3.1 Beispiel 7 – importierte Inkongruenz (indirect D/NI)
2.4 Handlungsempfehlungen gegen hybride Gestaltungen

3 Analyse von § 4k EStG-E des ATAD-UmsG als Maßnahme zur Bekämpfung hybrider Gestaltungen
3.1 Allgemeines
3.2 Anwendungsbereich des § 4k EStG-E
3.2.1 Persönlicher Anwendungsbereich (§ 4k Abs. 6 EStG-E)
3.2.2 Treaty Override (§ 4k Abs. 7 EStG-E)
3.3 Die einzelnen Sachverhalte des § 4k EStG-E
3.3.1 D/NI-Inkongruenzen (§ 4k Abs. 1-3 EStG-E)
3.3.1.1 Hybride Finanzinstrumente (§ 4k Abs. 1 EStG-E)
3.3.1.2 Hybride Zahlungen/ Betriebsstätten (§ 4k Abs. 2 EStG-E)
3.3.1.3 Umgekehrte hybride Strukturen (§ 4k Abs. 3 EStG-E)
3.3.2 DD-Inkongruenzen (§ 4k Abs. 4 EStG-E)
3.3.3 Importierte/ indirekte Inkongruenzen (§ 4k Abs. 5 EStG-E)
3.4 Zeitlicher Anwendungsbereich (§ 52 Abs. 8c EStG-E)
3.5 Verhältnis zu anderen Normen
3.6 Prüfschema
3.7 Steuerplanerische Gegenmaßnahmen

4 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Rechtsprechungsverzeichnis

Verzeichnis der Gesetze, Rechtsordnungen

Anhang

Anhang I: Gesetzestext des § 4k EStG-E, BR-Drs. 468/21 v. 4.6.21

Anhang II: Allgemeiner Überblick über die Empfehlungen der OECD

Abkürzungsverzeichnis

a.a.O. am angegebenen Ort

Abs. Absatz

AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der EU

ATAD Anti Tax Avoidance Directive

ATADUmsG ATAD-Umsetzungsgesetz

AO Abgabenordnung

Art. Artikel

BA Betriebsausgabe

ber. berichtigt

BEPS Base Erosion and Profit Shifting

BFH Bundesfinanzhof

BGBl. Bundesgesetzblatt

BMF Bundesministerium der Finanzen

BMG Bemessungsgrundlage

bspw. beispielsweise

BVerfG Bundesverfassungsgericht

bzgl. bezüglich

bzw. beziehungsweise

D/NI Deduction/ No-Inclusion

DBA Doppelbesteuerungsabkommen

DD Double Deduction

EK Eigenkapital

ESt Einkommensteuer

EStG Einkommensteuergesetz

EU Europäische Union

EuGH Europäischer Gerichtshof

f. folgende

ff. und die folgenden

FI Finanzinstrument

FK Fremdkapital

gem. gemäß

ggf. gegebenenfalls

grds. grundsätzlich

GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung

i.d.R. in der Regel

i.d.S. in dem Sinne

IDW Institut der Wirtschaftsprüfer e.V.

i.S.d. im Sinne des

i.V.m. in Verbindung mit

KapGes Kapitalgesellschaft

KG Kommanditgesellschaft

KSt Körperschaftsteuer

KStG Körperschaftsteuergesetz

min. mindestens

MNU Multinationale Unternehmen

NGO Non-governmental Organization

Nr. Nummer

OECD Organisation for Economic Cooperation and Development

PersGes Personengesellschaft

Rn. Randnummer

RT Rechtsträger

sog. sogenannte

stpfl. steuerpflichtig

Stpfl. Steuerpflichtiger

u. a unter anderem

v. vom

Vgl. Vergleiche

WG Wirtschaftsgut

z.B. zum Beispiel

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Mehrfachansässige Gesellschaft

Abbildung 2: Übersicht Qualifikations- / Zurechnungskonflikte

Abbildung 3: Entstehung weißer Einkünfte

Abbildung 4: Beispiel 1 - Hybride Gesellschaft (D/NI)

Abbildung 5: Beispiel 2 - Reverse Hybrid (D/NI)

Abbildung 6: Beispiel 3 - Hybrides Finanzinstrumente (D/NI)

Abbildung 7: Beispiel 4 - Hybrides Rechtsgeschäft (D/NI)

Abbildung 8: Beispiel 5 - Hybrider Rechtsträger (DD)

Abbildung 9: Beispiel 6 - doppeltansässige Gesellschaft (DD)

Abbildung 10: Beispiel 7 - importierte Inkongruenz (indirect D/NI)

Abbildung 11: Verkettung der importierten Besteuerungsinkongruenz

Abbildung 12: Prüfschema § 4k EStG-E.

Abbildung 13: steuerplanerische Gestaltung (D/NI)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Anwendung von § 4k Abs. 1 S. 1 EStG-E

Tabelle 2: Anwendung von § 4k Abs. 2 S. 1 EStG-E

Tabelle 3: Anwendung von § 4k Abs. 3 S. 1 EStG-E

Tabelle 4: Anwendung von § 4k Abs. 4 S. 1 EStG-E

Tabelle 5: Anwendung von § 4k Abs. 5 S. 1 EStG-E

Tabelle 6: steuerplanerische Gestaltung (D/NI)

1 Einleitung

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

In regelmäßigen Abständen kommt es vermehrt zur Veröffentlichung durch Journalisten und NGOs, welche darlegen, auf welche Art und Weise multinationale Unternehmen durch internationale Steuergestaltung Steuern in Milliarden Höhe sparen und damit dem Fiskus vorenthalten. Entgegen der öffentlichen Meinung handelt es sich dabei nicht etwa um illegale Praktiken der Steuerhinterziehung, sondern in der Regel um legale – lediglich moralisch fragwürdige – Steuerminimierungspraktiken.1 Hierbei gilt, dass die Minimierung der Steuerbelastung durch die Konzernsteuerplanung einem anerkannten ökonomischen Prinzip der Kostenminimierung folgt und somit als legitimes Ziel jeder Unternehmensplanung verstanden werden kann.2

Im Kontrast zu dem legitimen Versuch die Steuerbelastung zu minimieren steht der Begriff der „aggressiven Steuerplanung“ unter welchem verstanden wird, dass Feinheiten und Unterschiede des nationalen und internationalen Recht in der Form ausgenutzt werden, dass es zu Maßnahmen kommt, welche eine Minimierung der weltweiten Steuerquote zur Folge hat.3 Derartige Maßnahmen folgen zumeist dem Grundkonzept, die Bemessungsgrundlage der Besteuerung möglichst gering zu halten und gleichzeitig diese in Länder zu verschieben, welche steuerlich eine günstige steuerliche Behandlung gewährleisten.4

Seit einiger Zeit steht daher die Bekämpfung „aggressiver Steuerplanung“ im Fokus nationaler und internationaler Steuerpolitik. Dies ist vor allem dadurch begründet, dass eine Studie der EU-Staaten zum Vorschein brachte, dass schätzungsweise jährlich Steuereinnahmen in Höhe von EUR 50 – 70 Mrd. entgehen.5 Neben dem wirtschaftlichen Schaden, welcher bei den Staaten aufgrund der „aggressiven Steuerplanung“ von Unternehmen entsteht, steht das unethische Handeln und die Ungerechtigkeit gegenüber anderen Unternehmen zunehmend in der Kritik der Öffentlichkeit.6 Das Streben nach höherer Steuergerechtigkeit wir dadurch enorm gesteigert und ist somit ein wichtiger Bestandteil neuer europäischer Rechtsnormen.7

In der weiteren Entwicklung rund um die Bekämpfung von „aggressiver Steuerplanung“ im internationalen Kontext kommt vor allem der Anti-BEPS-Initiative der OECD großer Bedeutung zu.8 Diese Initiative soll zunehmend Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerungen verhindern9 und wurde durch die Europäische Union mit ATAD10 und später ATAD II11 als Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarktes aufgegriffen.

Im Fokus dieser internationalen Maßnahmen steht vor allem die Beseitigung von Steuervorteilen aus sogenannten „Hybriden Gestaltungen“.12 Die in ATAD II vorgeschriebenen Maßnahmen zur Bekämpfung hybrider Gestaltungen waren bis zum 31.12.2019 in nationales Recht umzusetzen allerdings ist der Gesetzgeber dieser Umsetzung erst zum 30.06.2021 nachgekommen. Am 10.12.2019 hat das BMF den ersten Gesetzesentwurfes des ATADUmsG veröffentlicht, welcher unter anderem den § 4k EStG-E beinhaltet.13 Diese Norm soll im Zuge der Umsetzungen von ATAD II zur Bekämpfung hybrider Gestaltungen im deutschen Steuerrecht durch eine Versagung des Betriebsausgabenabzugs die Umsetzung in nationales Recht darstellen.

Am 24.03.2021 hat die Bundesregierung den Entwurf des Gesetzes zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie beschlossen, im Anschluss wurde das Gesetz am 25.06.2021 durch den Bundesrat verabschiedet und schlussendlich am 30.06.2021 verkündet14.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es die Vorschrift des § 4k EStG-E als Bestandteil des ATADUmsG zu analysieren und somit die Besteuerungsfolgen für international agierende Unternehmen in diversen Fallkonstellationen herauszuarbeiten und in einem Prüfschema vereinfacht zu veranschaulichen. Des Weiteren ist die Qualität der Norm in Bezug auf die Umsetzung der ATAD II durch den Gesetzgeber zu prüfen und eventuelle Auslegungsprobleme herauszustellen.

1.2 Aufbau der Arbeit und Methodik

Im anschließenden Unterkapitel (1.3) werden die historischen Hintergründe erläutert. Dies soll dazu dienen die Entstehungsgeschichte und damit den Zweck der Norm bzw. das Ziel des Gesetzgebers zu veranschaulichen. Hierbei werden das BEPS- Projekt und die ATAD Richtlinien nur aus dem Blickwinkel der hybriden Gestaltungen beleuchtet. Eine vollständige Darstellung und Einordnung dieser internationalen Rechtsmaßnahmen ist für die weitere Arbeit irrelevant.

Das Kapitel 2 stellt als Grundlagenkapitel zum einen dar, was hybride Gestaltungen als Ursache für Besteuerungskonflikte im Einzelnen sind (2.1), wie diese genau entstehen bzw. welche gesetzlichen Unterschiede die Nutzung dieser hybriden Gestaltungen ermöglichen (2.2) und wie sich diese ohne die Regelung des §4k EStG-E auf die Besteuerung auswirken würden (2.3). Neben hybriden Gestaltungen gibt es weitere Ursachen für Besteuerungskonflikte, wie beispielsweise der Einsatz von Betriebsstätten, welche in dieser Arbeit allerdings nicht von weiterer Bedeutung sind.

Anschließend stellt Kapitel 3 als Kernstück die Analyse des § 4k EStG-E dar. Hierbei werden die Auswirkungen, auf die in Kapitel 2 erläuterten Folgen der Besteuerungskonflikte und Änderungen durch die Gesetzesnorm anhand von Beispielen veranschaulicht. Die Darstellung der Norm orientiert sich hierbei an dem zusammenfassenden Prüfschema aus Kap. 3.6 und beginnt daher abweichend von der Norm selbst mit dem persönlichen Anwendungsbereich. Das abschließende Kapitel 4 dient der Einordnung der neuen Gesetzesnorm in den Gesamtzusammenhang und soll einen Ausblick geben, welche Probleme im Zuge der Auslegung oder Umsetzung der Norm entstehen könnten.

Die angewandten Methoden orientieren sich hierbei an den allgemeinen wissenschaftlichen Grundsätzen, im Vordergrund steht hierbei die Analyse der gesetzlichen Bestimmung insbesondere in Form der Auslegung der Rechtsnorm. Neben der beschriebenen Methode soll das Thema insbesondere durch Literatur- und Judikaturrecherche erörtert werden, wobei hierbei aufgrund der Aktualität vornehmlich ausgewählte Artikel aus Fachzeitschriften zur Anwendung kommen.

1.3 Historie und Hintergrund

1.3.1 OECD BEPS-Projekt

Das BEPS-Projekt der OECD wurde durch die G20-Mitgliedsstaaten ins Leben gerufen und steht nun seit fast einem Jahrzehnt im Mittelunkt der internationalen Steuerpolitik. Die Finanzminister der Mitgliedsstaaten beauftragten die OECD damit einen Aktionsplan zu entwerfen, um die Aushöhlung von Bemessungsgrundlagen („Base Erosion“) und die internationale Verlagerung von Gewinnen von Hochsteuerländer15 in Niedrigsteuerländer16 („Profit Shifting“) zu bekämpfen bzw. die Techniken der Unternehmen zu identifizieren und Lösungsansätze zu liefern.

Das BEPS-Projekt gliedert sich in 15 Aktionspunkte bzw. Maßnahmen, die sich gegen internationale Minderbesteuerung bzw. Präferenzregime17 für internationale große Konzerne richtet.18 Diese Aktionspunkte19 wurden in einem 2000 Seiten umfassenden Abschlussbericht der OECD im Oktober 2015 veröffentlicht und anschließend von den G20 Staaten ratifiziert.20

Aktionspunkt 2 dieses Berichtes beschäftigt sich mit der „Neutralisierung der Effekte hybrider Gestaltungen“ und ist somit als Ausgangspunkt der Diskussion sowie der in dieser Arbeit folgenden Rechtsnormen anzunehmen.

Diese Empfehlungen zur Verhinderung der Steuervermeidung durch Unternehmen und zur allgemeinen Verbesserung des internationalen Steuerrechts gelten als Grundlage für die ATAD I und II und die daraus resultierende Umsetzung des Aktionspunktes 2 in der Norm des § 4k EStG-E in nationales deutsches Recht.

1.3.2 Die ATAD I und ATAD II Richtlinie

Im Anschluss an die Vorarbeiten der OECD reagierte die EU mit einem Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Steuervermeidung. Ziel ist es eine einheitliche Umsetzung der BEPS-Maßnahmen zu garantieren und Verzerrungen innerhalb des Binnenmarktes und schädliche Auswirkungen zu verhindern.21

Die einheitliche Umsetzung und Koordination ist hierbei von besonderer Bedeutung, da nur einheitliche Lösungen aller Mitgliedsstaaten für eine Verhinderung von Steuervermeidung sorgen kann und dies systematisch die Regelungslücken der nationalen Rechtssysteme schließt, das internationale/europäische Steuerrecht weitergehend harmonisiert und unterschiedliche Einzellösungen der Mitgliedsstaaten verhindert.

Dieses Maßnahmenpaket der EU wird auch als Anti Tax Avoidance Package bezeichnet und beinhaltet im Wesentlichen die folgenden Bestandteile:

- Mitteilung über eine externe Strategie für effektive Besteuerung22
- Empfehlung zur Bekämpfung des Missbrauchs von Steuerabkommen23
- Änderung der Richtlinie zur Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden24
- Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken25

Das Kernstück und somit für diese Arbeit von besonderer Relevanz ist die „Richtlinie mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarktes“ – auch ATAD I oder Anti-BEPS-Richtlinie genannt.

Diese Richtlinie wurde innerhalb von weniger als sechs Monaten nach dem ersten Entwurf durch den Rat beschlossen. Die Geschwindigkeit zeigt den starken politischen Willen und die Relevanz, die dieses Thema auf europäischer Ebene einnimmt.

Die Richtlinie verfolgt im Kern die Umsetzung der BEPS-Aktionspunkte auf EU-Ebene und wird damit begründet, dass selbständige Maßnahmen der Mitgliedsstaaten zu einer Fragmentierung26 des Binnenmarktes führen können. Diese Begründung ist von besonderer Wichtigkeit, da im Gegensatz zu den indirekten Steuern, welche nach Art. 93 EG-Vertrag weitestgehend harmonisiert sind, die Kompetenzen im Bereich der direkten Steuern bei den Mitgliedsstaaten direkt liegen und ein Eingriff in die Steuersouveränität gemäß Art. 115 AEUV nur durch die Errichtung oder das Funktionieren des Binnenmarktes begründet werden kann. Des Weiteren muss der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingehalten werden.27

Artikel 9 der ATAD Regelungen enthält die Behandlung von hybriden Gestaltungen. Aufgrund der Komplexität dieses Themenfeldes hat die EU nur diesem Gebiet eine weitere Richtlinie gewidmet. Die sogenannte ATAD II Richtlinie28 regelt im Einzelnen in den Art. 9, 9a und 9b, den Umgang mit hybriden Gestaltungen und die Umsetzung der Vermeidung von Steuervermeidung in diesem Zusammenhang.

Betroffen von dieser Richtlinie sind alle der Körperschaftsteuer unterliegenden Unternehmen der EU-Mitgliedsstaaten und EU-Betriebsstätten von Unternehmen, die in einem Drittstaat29 liegen. Inhaltlich lassen sich drei Konstellationen erkennen:

- Hybride Gestaltungen
- Umgekehrte hybride Gestaltungen und
- Inkongruenzen bei der steuerlichen Ansässigkeit von Gesellschaften

Hierbei soll der steuermindernde Effekt aus der hybriden Gestaltung durch eine Versagung des Betriebsausgabenanzugs oder der Berücksichtigung von Zahlungen in der steuerlichen Bemessungsgrundlage unterbleiben.

2 Besteuerungskonflikte durch hybride Gestaltungen

In einem internationalen Kontext tätige Unternehmen sind aufgrund multinationaler Strukturen oftmals in der Lage Besteuerungsinkongruenzen, die im Zusammenspiel verschiedener Steuersysteme30 entstehen, gezielt für sich zu nutzen.31 Diese Vorgehensweise ist durch sogenannte hybride Gestaltungen geprägt. Eine solche Gestaltung beruht immer auf einem grenzüberschreitenden Sachverhalt, welcher in der Form gestaltet wird, dass sich dieser positiv auf die Besteuerung des Konzerns auswirkt.

Diese Gestaltungen waren wie bereits beschrieben bereits Bestandteil von ATAD I zur Bekämpfung von Steuervermeidung und die Abwehrmechanismen wurden durch ATAD II noch auf die Anwendung bei Drittstaatenfälle erweitert.32 Hybride Gestaltungen werden allgemein in Art. 2 Abs. 9 ATAD II definiert. Als solche gelten Gestaltungen zwischen einem in der EU steuerlich ansässigen Stpfl. und verbundenen Unternehmen, dem Stammhaus und einer BS, Unternehmen, die demselben Konsolidierungskreis im Rahmen eines Konzernabschlusses angehören oder auch strukturierte Gestaltungen zwischen mindestens zwei voneinander unabhängigen Parteien. Strukturierte Gestaltungen, i.S.d. Art. 2 Abs. 11 ATAD sind Gestaltungen bei denen die Besteuerungsinkongruenz mit in die Bedingungen der Vereinbarung eingerechnet wird oder solche die gezielt entwickelt wurden, um eine hybride Struktur zu begründen.33 Alle diese Arten der Gestaltungen werden auch unter dem Begriff des „Hybrid Mismatches“ zusammengefasst. Abweichende steuerliche Einordnung von Rechtsträgern34 oder Finanzinstrumenten35 mit der Folge von Besteuerungsinkongruenzen führen entweder zu einem doppelten Abzug (Double-Deduction-Ergebnis; DD-Ergebnis)36 derselben Zahlung oder einem Abzug der Zahlung bei gleichzeitiger steuerlicher Nichtberücksichtigung des korrespondierenden Ertrages (Deduction/No-Inclusion-Ergebnis; D/NI-Ergebnis)37.38

2.1 Ursachen für die Entstehung von Besteuerungskonflikten

Neben dem Steuerwettbewerb und somit der Konkurrenz um Besteuerungsrechte und damit letztendlich Staatseinnahmen für die jeweiligen konkurrierenden Staaten haben sich die nationalen Steuerrechtsordnungen unterschiedlich entwickelt, was zu Regelungslücken und Divergenzen zwischen den besteuernden Staaten führt. Diese mangelnde Abstimmung als Resultat der Steuersouveränität der Staaten bringt für die multinational Steuerpflichtigen sowohl Vorteile aus auch Nachteile mit sich.39

Besteuerungskonflikte sind in diesem Zusammenhang meistens die Konsequenz von mangelnder Kongruenz zwischen den nationalen Steuerrechtsordnungen bzw. der Gesellschaftsrechtsordnungen der Staaten. Auf der einen Seite droht daraus für Unternehmen das Risiko der Doppelbesteuerung, da beispielsweise unterschiedliche Anknüpfungspunkte40 für die Besteuerung in den einzelnen Ländern relevant sind und es somit bei multinational tätigen Unternehmen zu einer Steuerpflicht des identischen wirtschaftlichen Sachverhalts in mehreren beteiligten Staaten kommen kann.41 Diese negativen Effekte für Steuerpflichtige aufgrund der divergenten Steuergesetzgebung werden zunehmend durch eine Vielzahl abgeschlossener bilateraler oder multilateraler DBA versucht zu vermeiden.

Auf der anderen Seite können Abweichungen beispielsweise bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die jeweilige Steuer oder andere steuerrechtliche oder gesellschaftsrechtliche Unterschiede zur Steueroptimierung in Form von doppelten Abzügen, Steuerstundung oder einen vollständige Nichtbesteuerung führen42 Diese Besteuerungsinkongruenzen entstehen zwar auch in anderen Zusammenhängen, wie z.B. bei der Zahlung von Zinsen43, ein großer Anteil beruht allerdings auf dem Einsatz hybrider Gestaltungen, was wiederum den Fokus der EU und anderen Organisationen auf die Steuervermeidung durch solche Konstruktionen erklärt.44

2.1.1 Hybride Gesellschaftsformen/Rechtsträger

Die Hybridität einer Gesellschaft knüpft an die steuerliche Behandlung dieser in den beteiligten Staaten an. Hierbei gilt eine Gesellschaft als hybride Gesellschaft, wenn diese in den beteiligten Staaten steuerlich unterschiedlich behandelt wird. Im Falle der Beachtung gleicher Qualifikationsgrundsätze wird die Personengleichheit bei der Besteuerung sichergestellt und die Identität des Steuerschuldners gewährleistet.45 Konträr dazu kristallisiert sich bei dem Einsatz hybrider Rechtsträger die Kernfrage heraus, ob die Gesellschaft im Rahmen der Besteuerung transparent oder intransparent behandelt wird.46

Die Besonderheit der hybriden Gesellschaften zielt genau auf dieses Problem ab, da diese besonders häufig fraglich im Zuge der steuerlichen Einordnung sind. Durch diese Eigenheit kann es passieren, dass ein Staat die Gesellschaft als Personengesellschaft einordnet und beispielsweise, nachdem Transparenzprinzip besteuert und es somit zu nicht steuerbaren Innenumsätzen kommen kann. Der andere beteiligte Staat qualifiziert dieselbe Gesellschaft allerdings als Kapitalgesellschaft und nimmt somit die Besteuerung anhand des Trennungsprinzip vor; die Gesellschaft wird somit eigenes Steuersubjekt.47

Eines der bekanntesten Beispiele für eine hybride Rechtsform/Gesellschaft ist die US-amerikanische Limited Liability Company (LLC). Bei dieser Rechtsform kann nach der sogenannten Check-the-box-Rule im amerikanischen Steuerrecht für steuerliche Zwecke ein Wahlrecht ausgeübt werden, ob diese Gesellschaft wie eine Personen- oder Kapitalgesellschaft behandelt wird. Im deutschen Steuerrecht ist die Behandlung der Gesellschaft als Personen oder Kapitalgesellschaft von der jeweiligen Ausgestaltung abhängig und muss im Einzelfall geprüft werden. Hierbei gelten dann für Personengesellschaften die Besteuerungsregeln entsprechend der deutschen KG oder, obwohl es sich bei der LLC eigentlich nicht um eine Kapitalgesellschaft handelt, die Besteuerung nach den Grundsätzen für Kapitalgesellschaften, vergleichbar mit einer deutschen GmbH.48

Auf diese Weise entsteht ein Qualifikationskonflikt49, wenn die Gesellschaft aus der Sicht des einen Staates als Kapitalgesellschaft und aus der Sicht des anderen Staates als Personengesellschaft klassifiziert wird. Dieser subjektive Qualifikationskonflikt der hybriden Gesellschaften bietet Unternehmen die Möglichkeit der steuerplanerischen Gestaltung und somit letztendlich zur Steueroptimierung. Hierbei kann die rechtliche Einordnung auch auf einem Wahlrecht hinsichtlich der Qualifikation der jeweiligen nationalen Rechtsordnung beruhen.

Vor allem bei der amerikanischen Check-the-box-Rule ist dies der Anwendungsfall.50 Hierbei kann es durch geschickte Ausübung des Wahlrechts dazu kommen, dass im Falle von Inbound-Investitionen aus den USA mit natürlichen Personen, welche US-Staatsbürger sind, als Anteilseigner die deutsche Körperschaftsteuer in den USA Anrechnung findet und somit einen steuermindernden Effekt hat, sofern die LLC in den USA als Personalgesellschaft transparent behandelt wird.

Des Weiteren besteht die Möglichkeit mit grenzüberschreitenden Finanzierungsgestaltungen Steuerersparnisse zu erlangen. Zum einen besteht die Möglichkeit der Gestaltung, sodass Zinszahlungen einer hybriden deutschen GmbH beim US-Gesellschafter nicht als Zinseinnahmen anerkannt werden und dort nicht der Besteuerung unterliegen, ohne den Betriebsausgabenabzug in Deutschland zu versagen.51 Eine weitere Möglichkeit wäre der doppelte Betriebsausgabenabzug durch konzernexterne Zinszahlungen an eine Bank in Deutschland und eine in den Vereinigten Staaten.52

Es zeigt sich, dass der Einsatz hybrider Gesellschaften ein großes Feld an Fallkonstellationen beinhaltet und somit einen enormen Spielraum für steuerplanerische Gestaltung bietet. Allerdings ist der Einsatz dieser hybriden Gestaltungen aufgrund der bereits dargestellten Check-the-box-Rule als steuerliches Wahlrecht in den USA dort am attraktivsten und bietet weltweit Unternehmen die Möglichkeit von Gestaltungen Gebrauch zu machen und Steueroptimierung zu betreiben.53

2.1.2 Mehrfachansässige Gesellschaften

Neben der Hybridität einer Gesellschaft ausgelöst durch die unterschiedliche Auslegung der Rechtsform, kann diese auch aufgrund einer mehrfachen bzw. doppelten Ansässigkeit bestehen. Hierbei kann eine Gesellschaft beispielsweise unter Beibehaltung seines satzungsgemäßen Sitzes nur ihren Verwaltungssitz in einen anderen Staat verlegen. Durch die Abweichung von statutarischem Sitz und Verwaltungssitz entsteht somit eine doppelt/mehrfach ansässige Gesellschaft (dual resident Companies)54 In der Bundesrepublik Deutschland besteht die Möglichkeit dazu nach § 4a GmbHG und wurde mit dem MoMiG55 eingeführt. Bei doppeltansässigen Gesellschaften kann es durch Abweichungen bei der Ansässigkeitsbestimmung der jeweiligen beteiligten Länder dazu kommen, dass die Länder das Besteuerungsrecht dem jeweils anderem Land zurechnen und es somit zu keiner Besteuerung kommt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Mehrfachansässige Gesellschaft

Ein Beispiel wäre eine US-amerikanische Inc., die eine irische Ltd. als Tochtergesellschaft gründet, welche über eine Schwesterholding auf den Bermudas kontrolliert wird. In den USA erfolgt die Ermittlung der Ansässigkeit ausschließlich auf Basis des Gründungsortes, wodurch die Gesellschaft aus amerikanischer Sicht in Irland steuerpflichtig ist. Aus Sicht der irischen Finanzverwaltung handelt es sich allerdings bei der Gesellschaft um eine in Bermuda ansässige Gesellschaft und diese rechnet das Besteuerungsrecht Bermuda zu und es entsteht in Irland keine Steuerpflicht. Aufgrund dieser unterschiedlichen Auffassungen der abkommensrechtlichen Ansässigkeit, kommt es zu einer wechselseitigen Zuordnung der Besteuerungsbefugnis, was dazu führen kann, dass die Einkünfte in keinem Staat besteuert werden.56

2.1.3 Hybride Finanzinstrumente

Neben der hybriden Gestaltung mit Hilfe von Gesellschaften, können auch hybride Finanzierungsinstrumente durch großen Gestaltungsspielraum zu einer Besteuerungsinkongruenz aufgrund unterschiedlicher Qualifikation führen.57 Bei einer hybriden Finanzierungsform handelt es sich um ein Finanzinstrument, dass sowohl Eigenschaften und Merkmale von Fremdkapital als auch von Eigenkapital aufweist; eine eindeutige Zuordnung ist dadurch nur erschwert möglich.58

Oftmals ergeben sich Abweichungen zwischen der Einordung auf wirtschaftlicher Ebene und der Einordnung auf rechtlicher Ebene. Hierbei werden Eigenkapitalmerkmale59 mit Elementen des Fremdkapitalcharakter60 kombiniert. Diese auch Mezzanine61 -Finanzierung genannte Struktur bedarf einer steuerlichen Einordung sowohl in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen der Länder als auch im Zusammenspiel bei länderübergreifenden Sachverhalten.62

Aufgrund dieser Konstellation lassen sich zwei Probleme herausstellen. Neben der ohnehin schwierigen Zuordnung im Rahmen der Kapitalstruktur, kommen die unterschiedlichen Qualifikationen durch die beteiligten Staaten bei MNU erschwerend hinzu. Aufgrund der Tatsache, dass die Zuordnung zu einer Kapitalgruppe dem innerstaatlichen Recht folgt und diese aufgrund der Zwittergestalt bereits erschwert möglich ist, die Verteilungsnormen sich aber aus völkerrechtlichen Verträgen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung ergeben, bietet dies ein großes Potenzial für Qualifikationskonflikte.

Auch wenn es keine Legaldefinition63 für den Begriff der „hybriden Finanzierungsformen“ gibt, so handelt es sich dabei klassischerweise um Gewinnobligationen, stille Beteiligungen oder partiarische Darlehen.64

Die gestalterische Freiheit ist allerdings in Bezug auf hybride Finanzierungsformen nahezu unbegrenzt, was bereits die Bestimmung eines solchen nur erschwert möglich macht. Hybride Finanzierungsformen werden von der OECD auch unter den Begriff des „Hybrid Mismatches“ gefasst. Diese schlägt aufgrund der Schwierigkeit bei der Identifikation dieser Finanzinstrumente vor, dass die Einordnung bereits dann erfolgen soll, wenn der Einstufung der Zahlungen im Staat des Leistenden als Finanzierungsausgaben, keine Einordnung als ordentlichen Einnahmen im Staat des Empfängers gegenüberstehen.65

Durch den Einsatz von hybriden Finanzinstrumenten und deren Fremdkapitalcharakter kann es zu einer Ausnutzung des sogenannten Leverage-Effektes kommen. Diese Hebelwirkung des Verschuldungsgrades kann mit zunehmenden Verschuldungsgrad zu einer Steigerung der Rendite führen, solange das Fremdkapital zu einem niedrigeren Zinssatz im Vergleich zur Gesamtrentabilität verzinst wird.66 Dieses Fremdkapital zur Nutzung des Leverage-Effekts stammt aber oft innerhalb von Konzernstrukturen aus internen Gesellschafterdarlehen, sodass es sich wirtschaftlich betrachtet bei diesen nicht um Fremdkapital, sondern um Eigenkapital handelt.67

Neben diesem positiven Rentabilitätseffekt können aber auch Nachteile für Unternehmen aufgrund der hybriden Finanzinstrumente entstehen. Dies kann vor allen dadurch entstehen, dass die verschiedenen Rechtsordnungen auf der einen Seite die Erträge als steuerpflichtig erfassen aber auf der anderen Seite den entsprechenden Aufwandabzug versagen bzw. nicht vorsehen.68

Ein Beispiel aus der Praxis wäre, wenn innerhalb einer Konzernstruktur die von der Tochterkapitalgesellschaft geleisteten Zahlungen an die Mutterkapitalgesellschaft im Ansässigkeitsstaat der Tochter als nicht abzugsfähige Zinsen qualifiziert werden würden und auf der anderen Seite im Ansässigkeitsstaat der Mutter diese Zahlungen als steuerpflichtige Dividenden angesehen werden würden; es entsteht eine Doppelbesteuerung.

2.1.4 Hybride Rechtsgeschäfte

Als dritten Aspekt der Hybriden Gestaltungen lassen sich die hybriden Rechtsgeschäfte bzw. Transaktionen nennen.

In diesem Fall ergibt sich die Hybridität und damit der Ansatzpunkt für die steuerliche Gestaltung aus der unterschiedlichen Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums an einem Wirtschaftsgut zu diversen Personen. Die steuerlichen Vorteile ergeben sich hierbei daraus, dass die Staaten unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich des Charakters der Eigentumsrechte an einem Vermögensgegenstand haben und die Steuerpflichtigen sich diese zu Nutzen machen durch die Auslösung einer Besteuerungsinkongruenz.69 In der Regel handelt es sich bei solchen hybriden Übertragungen um eine bestimmte Art besicherter Darlehensvereinbarungen oder Derivattransaktionen70, bei welchen beide Vertragsparteien der Transaktion in ihrem jeweiligen Staat als Eigentümer der Sicherheit für das Geschäft angesehen werden. Die unterschiedliche Charakterisierung dieser Geschäftsbeziehungen kann dazu führen, dass sich bei den Zahlungen im Rahmen der Durchführung des Geschäftsvorfalls Besteuerungsinkongruenzen ergeben, welche steuermindernde Wirkung für das Unternehmen haben. Auch bei hybriden Rechtsgeschäften hängen die rechtlichen Grundlagen von den jeweiligen nationalen rechtlichen Verhältnissen der betreffenden Staaten ab.

Die am weitest verbreitete und verwendete Transaktion zur Gestaltung eines „Hybrid Mismatches“ ist laut Angabe der OECD das Repo-Geschäft. Bei einem Repo-Geschäft handelt es sich um eine Rückkaufvereinbarung über ein Wirtschaftsgut, dessen wirtschaftliche Ausgestaltung einem besicherten Darlehen entspricht. Die Besteuerungsinkongruenz kann in diesem Fall dadurch ausgelöst werden, wenn ein Staat die Gestaltung nach ihrer formalen Struktur behandelt (Abwicklung auf Kauf und Verkauf) und der andere Staat die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise vornimmt (als besichertes Darlehen). Oftmals handelt es sich bei dem eingesetzten Wirtschaftsgut um Beteiligungen an Tochtergesellschaften.71

2.2 Arten von Qualifikationskonflikten und Zurechnungskonflikten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Übersicht Qualifikations- / Zurechnungskonflikte72

Bei denen durch hybride Gestaltungen entstehenden Besteuerungsinkongruenzen ist zwischen zwei Arten zu unterscheiden. Qualifikationskonflikte beruhen darauf, dass die beteiligten Staaten voneinander abweichende Tatsachenbeurteilungen im Einzelfall vornehmen oder abweichende Abkommensauslegungen anwenden.73 Im Vergleich dazu werden bei Zurechnungskonflikten74 die Einkünfte selbst bzw. die Vermögenszuordnung durch die Staaten unterschiedlich vorgenommen aufgrund der unterschiedlichen nationalen Rechtsnormen.75

Abbildung 1 verdeutlicht auf welche Weise durch die mangelnde Harmonisierung der nationalen Steuerrechtsordnungen Qualifikations- und Zurechnungskonflikte zu Stande kommen und welche Auswirkungen diese jeweils haben. Hierbei ist zwischen der Vermeidung von positiven Zurechnungs- und Qualifikationskonflikte, die lediglich eine Doppelbesteuerung vermeiden wollen und der Schaffung negativer Zurechnungs- und Qualifikationskonflikte als Mittel zur Verringerung steuerpflichtiger Erträge und Optimierung der Konzernsteuerlast zu unterscheiden.

2.2.1 Positive und negative Qualifikationskonflikte

Grundsätzlich ist bei den Folgen einer Besteuerungsinkongruenz zwischen Doppelbesteuerung und „keiner Besteuerung“ zu unterscheiden. Im Falle einer Doppelbesteuerung spricht man von einem positiven Qualifikationskonflikt, wenn die Besteuerung ausbleibt, wird dies negativer Qualifikationskonflikt genannt.76

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht der Unternehmen gilt es somit im Rahmen der Steuerplanung positive Qualifikationskonflikte zu vermeiden und eventuelle negative Qualifikationskonflikte gerade durch international tätige Unternehmen zur Kosten-/Steueroptimierung zu nutzen.

2.2.2 Subjektive Qualifikationskonflikte

Ein subjektiver Qualifikationskonflikt wird dadurch gekennzeichnet, dass ein steuerlicher Sachverhalt zwar dem gleichen Steuersubjekt zugerechnet wird, dieses Steuersubjekt allerdings unterschiedlich qualifiziert wird. Man spricht in diesem Zusammenhang auch oft von einem Klassifizierungskonflikt, da die Einkünfte zwar demselben Subjekt zugerechnet werden, dieses wird aber durch die verschiedenen nationalen Rechtsnormen unterschiedlich klassifiziert.77

Hierbei gilt, dass gemäß deutschem Recht die Einordnung einer Rechtsform immer anhand des Rechtstypenvergleiches durchgeführt wird. Diese Einordnung ist unabhängig von der Einordnung durch ausländische Staaten.78 Daraus leitet sich ab, dass auch die steuerliche Einordnung eines Rechtsträgers für jeden Staat einzeln erfolgt. Die Einordnung als transparente Personengesellschaft oder als intransparente Kapitalgesellschaft aus deutscher Sicht erfolgt somit losgelöst von Besteuerungsprinzipien in anderen Staaten.79

Kommt es also beispielsweise dazu, dass Deutschland das Transparenzprinzip auf eine Personengesellschaft anwendet und somit die Einkünfte auf der Ebene des Gesellschafters besteuert, der andere beteiligte Staat wendet allerdings das Trennungsprinzip an, kommt es zu einem subjektiven Qualifikationskonflikt. Diese könnten unter Umständen zukünftig häufiger auftreten, da auch Deutschland ein Optionsmodell für die Besteuerung der Personengesellschaften plant, wodurch ein Wahlrecht entstehen würde.80

Bei der Betrachtung dieses Sachverhaltes aus abkommensrechtlicher Sicht können sich noch weitere Probleme in Bezug auf die Qualifikation ergeben. Diese entstehen auf Ebene der persönlichen Abkommensberechtigung im Falle einer Personengesellschaft. Wenn der Sitzstaat im Ausland, der das Trennungsprinzip anwendet, diese selbst besteuert, wird er in der Regel auch eine abkommensberechtigte und ansässige Person nach Art. 4 Abs. 1 OECD-MA unterstellen. Fraglich bleibt, wie das auf deutscher Seite zu betrachten ist. Die Gesellschaft könnte nach Art. 3 Abs. 1 lit. b OECD-MA weiterhin als intransparent behandelt werden oder nach Art. 3 Abs. 2 OECD-MA weiterhin gemäß den nationalen Vorschriften als transparent zu besteuernde Personengesellschaft.81 Hierbei scheitert die Abkommensberechtigung aus deutscher Sich an Art. 4 Abs. 1 OECD-MA aufgrund der mangelnden Steuerpflicht82, gleichwohl es sich um eine Person i.S.v. Art. 3 Abs. 1 lit. a OECD-MA handelt83.

Es zeigt sich also, dass ein subjektiver Qualifikationskonflikt auch auf Grundlage der Abkommensberechtigung eines Rechtgebildes entstehen kann, was ebenfalls steuerplanerischen Spielraum bietet.84

2.2.3 Objektive Qualifikationskonflikte

Bei einem objektiven Qualifikationskonflikt kommt der Konflikt dadurch zustande, dass eine bestimmte Einkunftsart durch die beteiligten Staaten unterschiedlich qualifiziert wird und somit in den jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen unterschiedliche Verteilungsnormen Anwendung finden.85

Dieser Konflikt entsteht insbesondere bei den Sondervergütungen und gewerblich geprägten oder infizierten Personengesellschaften für welche Deutschland ein Besteuerungsrecht beansprucht. Das Problem bei Sondervergütungen kristallisiert sich daraus, dass das OECD-MA keine eigene Regelung für eine solche Art der Vergütung vorsieht und es somit zu den Anwendungen verschiedener Normen durch die beteiligten Staaten kommen kann. Besteht kein DBA ist der Sachverhalt meistens unkritisch, da die Vermeidung der Doppelbesteuerung in diesem Fall durch den Ansässigkeitsstaat des Steuersubjektes durchgeführt wird.86

2.2.4 Zurechnungskonflikte

Zurechnungskonflikte sind durch die OECD anerkannte Konflikte, welche sich aufgrund der nicht harmonisierten nationalen Steuerrechtsordnungen bzw. deren Anwendung auf internationale Sachverhalte ergeben. Diese sind somit von den Qualifikationskonflikten insoweit abzugrenzen, dass diese nicht auf einer abweichenden Tatsachenbeurteilung bzw. Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen beruhen, sondern aus den nationalen Steuernormen an sich.87

Die mangelnde Kongruenz der nationalen Steuersysteme wirkt sich insoweit auf den Steuerpflichtigen aus, dass es zur doppelten Zurechnung von Einkünften kommen kann, welche sich wiederrum in einer Doppelbelastung durch doppelte Erträge bei Konzerngesellschaften auswirken können, obwohl der Ertrag faktisch nur einmal entstanden ist. Besonders anfällig für diese Probleme sind Tochterpersonengesellschaften und Betriebsstätten. Dies kann beispielsweise dadurch entstehen, dass Einkünfte den verschiedenen Unternehmensteilen desselben Steuerpflichtigen zugerechnet werden, z.B. wenn Einkünfte nicht klar der Betriebstätte oder dem Stammhaus zugerechnet werden können.88

[...]


1 Diese sind zwingend zu differenzieren von Finanzstrafvergehen oder missbräuchlichen Gestaltungen i.S.d. § 42 AO vgl. hierzu: (Kofler, et al., 2009 S. 381f.)

2 Vgl. (Perner, et al., 2014)

3 Vgl. (Europäische Kommission, 2012)

4 Beispielsweise niedrige Steuersätze, umfangreiche Verlustverrechnung, Steuerfreiheit

5 Vgl. (Europäische Kommission, 2017)

6 Siehe hierzu auch den Entwurf des Steueroasen-Abwehrgesetz vom 31.03.2021

7 Vgl. (Kahlenberg, et al., 2018, Rz. 2)

8 Vgl. (Bundesministerium der Finanzen, 2017)

9 Hierbei ist zu beachten, dass es sich hierbei um Empfehlungen an den Gesetzgeber ohne jegliche bindende Wirkung handelt.

10 Vgl. (Europäische Union, 2016a)

11 Vgl. (Europäische Union, 2017)

12 Siehe dazu BEPS Aktionspunkt 2 und Art 9 ATAD II; eine genaue Erläuterung des Begriffs „Hybride Gestaltung“ sowie deren Arten und Auswirkungen folgen in Kap. 2.1 ff.

13 Vgl. (Greinert, et al., 2020)

14 Vgl. (NWB, 2021)

15 z.B. Deutschland, Norwegen, Belgien u.v.m.

16 z.B. Cayman Islands, Bermuda, Bahamas u.v.m.

17 Unter Präferenzregimen wird in diesem Zusammenhang verstanden, dass Staaten steuerliche Vorteile für bestimmte Unternehmen schaffen, um sich im internationalen Steuerwettbewerb eine vorteilhafte Position zu sichern. Diese Praxis wird auch innerhalb der EU z.B. von Ländern wie Irland, Luxemburg und Malta vollzogen.

18 Vgl. (Pinkernell, 2013)

19 Weitere Ausführungen zu den einzelnen Aktionspunkten siehe: (Bundesministerium der Finanzen, 2017)

20 Vgl. (OECD, 2013)

21 (Europäische Kommission, 2016a)

22 Zur weiteren Vertiefung siehe: (Europäische Kommission, 2016b)

23 Zur weiteren Vertiefung siehe: (Europäische Union, 2016b)

24 Zur weiteren Vertiefung siehe: (Europäische Union , 2021)

25 (Europäische Union, 2016a)

26 Vgl. (Oppel, 2016 S. 797 f.)

27 Die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird in der Literatur teils umstritten gesehen; siehe dazu: (Eilers, et al., 2016 S. 312 ff.)

28 (Europäische Union, 2017)

29 Drittstaat bezeichnet in diesem Zusammenhang das Gebiet außerhalb des Regelungsbereiches der EU

30 Vgl. (Marquardsen, 2019 S. 374f.)

31 Vgl. (Kahlenberg, et al., 2018)

32 Vgl. (Fehlig, 2020 S. 700ff.)

33 Vgl. (Grotherr, 2017 S. 1374)

34 siehe dazu Kap. 2.1.1 / 2.1.2

35 siehe dazu Kap. 2.1.3

36 siehe dazu Kap. 2.3.1

37 siehe dazu Kap. 2.3.2

38 Vgl. (Kokott, 2018 S. 90)

39 (Haase, 2013 S. 163)

40 z.B. Anknüpfung nach dem Territotialprinzip oder Totalitätsprinzip, Anknüpfung an das Steuersubjekt oder Steuerobjekt bzw. Trennungs- oder Transparenzprinzip.

41 Vgl. (Jacobs, et al., 2016 S. 3 f.)

42 Vgl. (Jacobs, et al., 2016 S. 1258)

43 Siehe dazu: § 4i EStG; Aktionspunkt 4 BEPS

44 Vgl. (OECD, 2017a S. 20)

45 (Roser, 2020 S. 30)

46 (OECD, 2017a S. 27)

47 (Schnitger, 2015 S. 4f.)

48 BMF-Schreiben vom 19.3.2004- V B 4- S. 1301 USA- 22/04.

49 Siehe dazu Kap. 2.2

50 (Jacobs, et al., 2016 S. 1276f.)

51 „Deduction/ no inclusion (D/NI)“, siehe dazu Kap. 2.3.1

52 „Double Deduction (DD)“, siehe dazu Kap. 2.3.2

53 Ausführlicher siehe: BMF-Schreiben vom 19.3.2004- V B 4- S. 1301 USA- 22/04.

54 Vgl. (Kollruss, et al., 2011 S. 13)

55 BGBl. I 2008, 2026.

56 Beispiel aus: (Kahlenberg, 2014 S. 334)

57 Vgl. (Sigge, 2012 S. 16f.)

58 Vgl. (Dörrfuß, et al., 2015 S. 129)

59 Bspw. Beteiligungsverhältnis, Gewinnbeteiligung, zeitlich unbefristete Überlassung, Zinsen i.d.R. steuerlich nicht abziehbar.

60 Bspw. Schuldverhältnis, feste Verzinsung, zeitlich begrenzte Überlassung, Zinsen stellen i.d.R. Betriebsausgaben dar.

61 Italienisch: mezzo – „halb“

62 Vgl. (Häuselmann, 2018 S. 200)

63 Vgl. (Häuselmann, 2018 S. 200)

64 Vgl. (Dörrfuß, et al., 2015 S. 129f.)

65 (OECD, 2017a S. 27)

66 Zum Leverage-Effekt siehe: (Breuer, et al., 2018)

67 (Wittenstein, 2015 S. 160)

68 Man spricht in diesem Fall von einem positiven Qualifikationskonflikt, Kap. 2.2.1

69 Vgl. (Schnitger, 2015 S. 7)

70 Derivat dient in diesem Zusammenhang als Oberbegriff für eine Vielzahl von Finanzprodukten bspw. Aktien, Swaps, Futures, Zertifikate, Optionen u.v.m.

71 Vgl. (OECD, 2017a S. 30f.)

72 In Anlehnung an: (Karpa, 2018 S. 83)

73 Vgl. (OECD, 2017b)

74 Vgl. (Wagner, 2006 S. 59f.)

75 Vgl. (Wassermeyer, 2015 S. 200)

76 Vgl. (Wassermeyer, 2015 S. 199); (Lehner, 2021)

77 Vgl. (Rupp, et al., 2018 S. 199)

78 Vgl. (Kofler, 2020 S. 553ff.)

79 BFH v. 15.03.1995, II R 24/91, BStBl. II 1995

80 Vgl. Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG)

81 Vgl. (Blöchle, et al., 2011 S. 839)

82 Vgl. (Mick, et al., 2018 S. 934ff.)

83 Vgl. (Rupp, et al., 2018 S. 199ff.)

84 Vgl. (Schaumburg, et al., 2017 S. 650)

85 Vgl. (Haase, 2013 S. 162f.)

86 (Wagner, 2006 S. 59f.)

87 Vgl. (OECD, 2017b S. 85f.)

88 Vgl. (Brähler, 2010 S. 107)

Fin de l'extrait de 95 pages

Résumé des informations

Titre
Hybride Gestaltungen im internationalen Steuerrecht. Kritische Analyse von § 4k EStG-E des ATAD-Umsetzungsgesetzes
Université
Bochum University of Applied Sciences
Note
1,0
Auteur
Année
2021
Pages
95
N° de catalogue
V1138262
ISBN (ebook)
9783346511041
ISBN (Livre)
9783346511058
Langue
allemand
Mots clés
hybride, gestaltungen, steuerrecht, kritische, analyse, estg-e, atad-umsetzungsgesetzes
Citation du texte
Maurice Münch (Auteur), 2021, Hybride Gestaltungen im internationalen Steuerrecht. Kritische Analyse von § 4k EStG-E des ATAD-Umsetzungsgesetzes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1138262

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