Der Einfluss der Wirtschaftselite auf die Politik Russlands


Hausarbeit, 2018

13 Seiten, Note: 1,2

Irina Schmidt (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Bedingungen für die Entstehung einer neuen Wirtschaftselite

3. State Capture: Die Oligarchen in der El'cin- Ära
3.1 Strategie der Entstehung einer neuen Wirtschaftselite
3.2. Politischer Einfluss der Oligarchen unter El'cin:
3.3 Die Wirtschaftskrise als Anfang der Entmachtung der Oligarchen

4. Business Capture: Die Oligarchen in der Putin Ära
4.1 Bruch mit der alten Elite
4.2 Der Fall Chodorkovskij:
4.3 Macht der Oligarchen in der heutigen Zeit:

5. Schluss:

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Wer regiert in Russland ? Die Antwort auf diese Frage scheint auf den ersten Blick sehr einfach zu sein, denn laut Kapitel 4, Artikel 80 der Verfassung der Russischen Föderation ist der Präsident das Staatsoberhaupt Russlands. Diese Annahme wird durch die Rechte und Pflichten des Präsidenten bestärkt, denn in der Verfassung wird ein starker Präsident und ein dem Präsidenten unterstelltes Parlament vorgesehen. Der Präsident der Russischen Föderation hat die Macht die Regierung zu ernennen, zu entlassen und das Parlament aufzulösen, heißt es weiter in Kapitel 4 der Verfassung.

Bei näherer Betrachtung, lässt sich allerdings Erkennen, dass die Frage nach der politischen Macht in Russland nicht so einfach ist wie sie anfangs scheint. In Russland, wie auch in meisten anderen Ländern dieser Welt versuchen die Wirtschaftssubjekte Einfluss auf die Regierung zu nehmen und sie zu ihrem eigenen Vorteil zu verändern. Wird die Frage nach der politischen Macht in Russland gestellt, darf die Gruppe der Wirtschaftselite nicht außer acht gelassen werden. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion sind die Oligarchen wichtige Akteure der Wirtschaft aber auch der Politik, weshalb in der folgenden Arbeit die Fragestellung beantwortet werden soll, welchen Einfluss die Oligarchen in auf die russische Politik haben.

Um diese Fragestellung beantworten zu können werden zuerst die Bedingungen aufgezeigt, welche die Entstehung der neuen Wirtschaftselite nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ermöglichten und die Strategien ihrer finanziellen Bereicherung näher beleuchtet. Da die Macht der Oligarchen und ihr Einfluss in der Politik und Wirtschaft keine Konstante ist, werden zunächst die Verhältnisse und Machtstrukturen während den beiden Amtsperioden des Präsidenten El'cin nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dann die Strukturen in der Regierungszeit des Präsidenten Putin aufzeigt und miteinander vergleichen. In der Schlussbetrachtung sollen die Ergebnisse zusammengetragen und eine Antwort auf die Leitfrage gefunden werden.

2. Bedingungen für die Entstehung einer neuen Wirtschaftselite

Die Sowjetunion existierte fast 70 Jahre, bevor sie im Jahr 1991 auseinanderbrach. Der sozialistische Leitgedanke und die zentrale Planwirtschaft der Supermacht galten als Gegenstück zum westlichen Kapitalismus und der dadurch freien Marktwirtschaft. Der Zusammenbruch der Sowjetunion kündigte sich bereits Anfang der Achtzigerjahre an, da die sowjetische Regierung und Bevölkerung mit massiven Problemen zu kämpfen hatte, welche nicht ohne weiteres gelöst werden konnten. Gleichzeitig führte dies zu der Bildung der neuen Wirtschaftselite. Ein gravierendes Problem der Sowjetunion in den Achtzigerjahren war die Überforderung des Systems, da die sowjetischen Bürger einen größeren Anspruch an ihre Lebensumstände stellten, als erreicht werden konnte. Gleichzeitig förderte der Staat jedoch die steigenden Ansprüche der Bevölkerung durch die eigene Zielsetzung der Überholung der führenden kapitalistischen Länder (vgl. Nolte 2003: 350). Michail Gorbacëv, der 1985 zum Generalsekretär gewählt wurde, versuchte die Probleme durch Reformen in den Griff zu bekommen, die Perestrojka (vgl. Nolte 2003: 353). Die Hauptdiskrepanz der neuen Reformen war die einerseits ablehnende Haltung gegenüber dem Konsum, andererseits jedoch die Förderung des Konsumverhaltens durch eine Anpassung der Löhne, beziehungsweise der Überwindung der Lohngleichheit (vgl. Nolte 2003: 354). Das sowjetische Wirtschaftssystem musste verändern werden um sich den Gegebenheiten anzupassen, so war das Ziel die Zentrale Planwirtschaft zu einer Marktwirtschaft hin zu verändern. Hierzu wurden Reformen auf den Weg gebracht, die den Betrieben mehr Eigenständigkeit zusprachen. Die Betriebe sollten die Produktionsmenge selbst bestimmen sowie nach den Prinzipien der Selbstkostendeckung und Eigenfinanzierung arbeiten. Des Weiteren sollten die Betriebe Gewinne erwirtschaften (vgl. Nolte 2003: 359) und durften ab 1987 mit den Konsumenten Preise aushandeln (vgl. Nolte 2003: 363) über die Summe der Löhne und über die Anzahl der Mitarbeiter entscheiden (vgl. Nolte 2003: 359). Ein weiterer Schritt in Richtung Marktwirtschaft war das 1988 verabschiedete Gesetz über Genossenschaften, welches Privatunternehmen im Dienstleistungssektor, Außenhandelssektor und Produktionssektor erlaubte. Diese Reformen führten nicht nur zu sozialen Unterschieden sondern vor allem zu regionalen Differenzen der Versorgung. Grund hierfür war unter anderem der Abbau von Staatlichen Subventionen für Lebensmittel.

Dieser führte zu Hamsterkäufen unter der Bevölkerung und einem Verkauf von Lebensmitteln nur mit Meldebescheinigungen beispielsweise in Moskau, um Spekulanten welche herumreisten und in unterschiedlichen Städten Waren aufkauften entgegenzuwirken. Als Resultat entstand eine Art Lokalegoismus der verschiedenen Regionen, da diese erst einmal ihre eigene Region versorgten. Dies führte zu einem Versorgungszusammenbruch der armen Bevölkerung im Winter 1990 auf Grund der Unterversorgung staatlicher Läden. (Vgl. Nolte 2003: 366) Die Versorgung der Bevölkerung verschlechterte sich immer weiter, da die Preise für Konsumgüter rapide anstiegen und das Geldeinkommen diesem Anstieg nicht hinterherkommen konnte. In dieser Krise wurden die Reformen stärker als anfangs gewollt an das kapitalistische Modell angepasst. Der Beschluss, Privateigentum an industriellen Produktionsmitteln zuzulassen um eine Mischform aus privatem und staatlichem Eigentum zu erreichen, kann als Anfang des Strukturwechsels betrachtet werden und als Beginn der Privatisierung. Es lässt sich also sagen, dass die Strukturprobleme der Sowjetunion in den Achtziger Jahren zum Systemwandel führten. Dieser Systemwandel, aber vor allem die Erlaubnis von Privatunternehmen und Privateigentum waren essentielle Grundvoraussetzungen für die Entstehung der neuen Wirtschaftselite (vgl. Nolte 2003: 366ff.)

3. State Capture: Die Oligarchen in der El'cin- Ära

3.1 Strategie der Entstehung einer neuen Wirtschaftselite

Der Systemwandel vor und nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und die Reformen, welche die sowjetische Planwirtschaft zu einer Marktwirtschaft verändern sollten brachten viele Probleme sowohl im wirtschaftlichen als auch im sozialen Sektor mit sich. Wichtiger Bestandteil der Umstrukturierung der russischen Wirtschaft und der Versuch die finanziellen Probleme des Staates zu lösen war die Privatisierung staatlicher Unternehmen. Da das Bruttoinlandsprodukt des Staates stetig sank (von 1989 bis 1995 hatte es sich halbiert), wurde beschlossen bis 1994 etwa fünfzig Prozent des industriellen Staatsbesitzes zu Privatisieren. Tatsächlich waren bis Mitte des Jahres 1993 etwa ein Viertel des Staatsbesitzes privatisiert. Dieses Vorhaben wurde durch die sogenannten Voucher realisiert. Die Voucher stellten Anteilsscheine der Betriebe dar, welche an die Bürger verteilt wurden und später gegen Aktien des Unternehmens eingetauscht werden konnten (vgl. Nolte 2003: 426ff.). Aufgrund der bereits aufgezeigten schlechten finanziellen Lage der Bevölkerung und der galoppierenden Inflation wurden die Voucher von den Lohnabhängigen Bürgern weiterverkauft. Dies führte zu einem Überangebot der Voucher auf dem Markt und lies deren Preise sinken.

Ausländer waren von dem Kauf der Anteilsscheine ausgeschlossen auch wenn sie bereit waren für bestimmte Unternehmen mehr zu bezahlen. Fiat bot für eine russische Automobilfabrik 2 Milliarden US Dollar, jedoch ging die Fabrik stattdessen für lediglich 45 Millionen US Dollar an Russen. Die wenigen Mächtigen in Russland, die die Möglichkeit hatten Besitz zu akkumulieren, hatten also kaum Konkurrenz bei dem Aufkauf des staatlichen industriellen Besitzes und konnten diesen zu unterdurchschnittlichen Preisen erwerben (vgl. Nolte 436ff.). Die größten Gewinner waren meist Manager oder Mitglieder der Nomenklatura der alten sowjetischen Elite, da diese schon im Vorfeld große Geldsummen von den Staatsunternehmen an Tochterfirmen transferierten um dann im großen Stil Anteilscheine aufzukaufen. Doch auch kriminelle Vereinigungen konnten durch diese Geschäfte ihr Geld "rein waschen" und so ihre Geschäfte legalisieren (vgl. Schneider 2004: 8). So entstand innerhalb kürzester Zeit eine neue Oberschicht in Russland, welche sich ohne große unternehmerische Leistung ein beträchtliches Vermögen sicherten. Der zweite finanziell lukrative Sektor der Neunziger Jahre war das Bankenwesen. Die Staatsbanken der Sowjetunion wurden größtenteils in Privatbanken umgewandelt und ein regelrechter Bankenboom begann. Verlockende Spekulationsgewinne führten dazu, dass die Zahl der aktiven Geschäftsbanken in Russland bis zum Jahr 1994 auf 2500 anstieg (vgl. Pleines 2003: 6). Die größten Gewinne wurden jedoch durch den Erwerb staatlicher Konzerne erwirtschaftet. Die Strategie der Großbanken war es, dem Staat im Jahr 1995 neun Billionen Rubel zu leihen, dafür wurden der Regierung gehörende Anteile an Konzernen an die Großbanken verpfändet. Die Regierung konnte die Kredite innerhalb der Frist in vier von elf Fällen nicht tilgen und so gingen die Ölkonzerne Sidanko, Sibneft und die Firma Jukos an vier Großbanken (vgl. Meyer 2000). Die zweite Möglichkeit die den Großbanken gegeben wurde um Staatskonzerne zu erwerben waren Auktionen auf welchen die staatlichen Konzerne versteigert wurde. Diese Auktionen waren sehr intransparent und es wurden nur ausgewählte Großbänker zu den Auktionen zugelassen. Auch durften Banken die Gebote annahmen, gleichzeitig mitbieten und begünstigten durch die Kenntnis der Offerten, eigene Tochterunternehmen (vgl. Meyer 2000). Dieser Vorgang der Privatisierung staatlichen Besitzes wird als State Capture bezeichnet (vgl. Yakovlev 2006).

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Details

Titel
Der Einfluss der Wirtschaftselite auf die Politik Russlands
Hochschule
Universität Potsdam  (Politik und Verwaltungswissenschaft)
Veranstaltung
Verwaltung und Wirtschaft Russlands
Note
1,2
Autor
Jahr
2018
Seiten
13
Katalognummer
V1138451
ISBN (eBook)
9783346510273
ISBN (Buch)
9783346510280
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Russland, Oligarchen, Wirtschaftseliten, Putin, Politikwissenschaft, Interdisziplinäre Russlandstudien, State Capture, Business Capture, Jelzin
Arbeit zitieren
Irina Schmidt (Autor:in), 2018, Der Einfluss der Wirtschaftselite auf die Politik Russlands, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1138451

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