Das Wahlrecht ohne Altersgrenze als Chance für demokratisches Empowerment


Dossier / Travail, 2021

20 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung und Kontextualisierung des Themas in die (inter-)nationale Politik und Forschung

2. Modelle des Wahlrechts ab Geburt
2.1. Reines Kinderwahlrecht
2.2. Reines Elternwahlrecht
2.3. Stellvertretendes Elternwahlrecht

3. Wissenschaftliche Analyse der Datenlage
3.1. Diskussion des Wahlrechts ab Geburt aus verfassungsrechtlicher und demokratietheoretischer Sicht
3.2. Diskussion des Wahlrechts ab Geburt aus entwicklungspsychologischer und erziehungswissenschaftlicher Sicht

4. Warum ein Wahlrecht ab Geburt notwendig ist - Ein Fazit

5. Abstract

6. Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Einführung und Kontextualisierung des Themas in die (inter-)nationale Politik und Forschung

„Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“ Der Vorwurf, den die jungen Mitglieder der „Fridays For Future“-Bewegung an die älteren Generationen in Entscheidungspositionen formulieren, ist erheblich. Er steht stellvertretend für die verzweifelt wirkenden Hilferufe der Jüngeren an politische Entscheidungsträger:innen. Ein Generationenkonflikt, über dessen Symptome viel diskutiert wurde. Deren strukturelle Ursachen wurden in der öffentlichen Debatte jedoch meist ausgeblendet, was einige Fragen aufwirft: Warum wird Politik nicht immer auch an Generationengerechtigkeit gemessen wie jüngst sogar höchstrichterlich vom Bundesverfassungsgericht zu den Klimazielen der Bundesregierung gefordert wurde?1 Wie kann es sein, dass junge Menschen in Deutschland erst eine der größten globalen Jugendbewegungen aller Zeiten initiieren mussten, um sich Gehör zu verschaffen? Eine mögliche Antwort lautet: Praktizierende Politiker:innen wollen wiedergewählt werden und gewählt wird in Deutschland nur von Staatsbürger:innen über 18.

Die wichtigste demokratische Praxis für Staatsbürger:innen ist die Wahl der Legislative auf den verschiedenen politischen Ebenen. Die gewählten Parlamente entscheiden, wer regiert und damit auch, welche Interessen prioritär behandelt werden. Die in Art. 38 Abs. 2 GG verankerte Kopplung des Wahlrechts an die Volljährigkeit grenzt fast 14 Millionen Staatsbürger:innen aus und reduziert damit die Vertretung ihrer Interessen in den Parlamenten. Was also getan werden muss, um die Interessen von Kindern und Jugendlichen mit in den politischen Diskurs zu bringen? Sie wählen lassen. Und zwar nicht erst mit 16, mit 14 oder mit 12. Nein, ab Geburt!

Im internationalen Vergleich fällt auf, dass das Wahlrecht ab Geburt in keinem Staat existiert. In den meisten Staaten sind alle Menschen unter 18 Jahren ausgeschlossen, in einigen wenigen dürfen Jugendliche ab 16 Jahren wählen und eine Hand voll Staaten lässt Jugendliche ab 17 an die Urne.2

Die Diskussion um eine Herabsetzung des aktiven Wahlrechts auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene wird schon seit einiger Zeit aktiv geführt. Meistens beschränkt sie sich jedoch auf eine Absenkung auf 16 Jahre, selten auf 14. Eine Debatte über die gänzliche Abschaffung eines Mindestalters findet kaum ernsthaft statt. Dies ist jedoch - wie wir sehen werden - aus demokratietheoretischer und entwicklungspsychologischer Sicht zu kritisieren.

In Deutschland finden sich zahlreiche prominente Befürworter:innen eines Wahlrechts ab Geburt, teils in hochrangiger politischer Verantwortung. Auffällig ist, dass es sich nicht um die Idee des linken oder konservativen politischen Lagers handelt, sondern sich führende Vertreter:innen verschiedener Parteien dafür einsetzen: Neben Jens Spahn (CDU), Manuela Schwesig (SPD)3 oder Renate Schmidt (SPD)4, sprechen sich u.a. auch Danyal Bayaz (Bündnis 90/Die Grünen) und Martin Hagen (FDP)5 für ein Wahlrecht ab Geburt aus.

Um die Debatte zu versachlichen, lohnt es sich, sie wissenschaftlich und ernsthaft zu führen. Leitend ist die Frage: „Wie lassen sich entwicklungspsychologische Erkenntnisse bestmöglich mit der verfassungsgegebenen Souveränität des gesamten Volkes demokratietheoretisch interpretieren?“

2. Modelle des Wahlrechts ab Geburt

In der Debatte um ein Wahlrecht ab Geburt wird im Wesentlichen zwischen drei Modellen unterschieden:

2.1. Reines Kinderwahlrecht

Ein reines Kinderwahlrecht, auch originäres Kinderwahlrecht genannt, erlaubt allen Minderjährigen ab Geburt, selbst zu wählen. Kritiker:innen behaupten, es handle sich um ein Scheinwahlrecht, da (Klein-)Kinder psychisch und physisch unfähig zur Wahlentscheidung seien.6

2.2. Reines Elternwahlrecht

Deshalb fordern Vertreter:innen des Familien- bzw. Elternwahlrechts, auch als originäres Elternwahlrecht bezeichnet, dass die Stimmen Minderjähriger automatisch den Sorgeberechtigten angerechnet werden und somit jedes Elternteil eine halbe Stimme pro Kind mehr vergeben können. Kritiker:innen sehen in dem Modell einen starken Verstoß gegen das demokratische Grundprinzip der Gleichheit der Wahl.7

2.3. Stellvertretendes Elternwahlrecht

Vertreter:innen des Stellvertreter:innenwahlrechts, auch stellvertretendes/vikarisches

Elternwahlrecht genannt, schlagen vor, dass unter Berücksichtigung entwicklungspsychologischer Aspekte eine Altersgrenze (deutlich unter 18 Jahren) festgelegt wird, unter der Sorgeberechtigte die Stimme des Kindes treuhänderisch im Interesse des Kindes vergeben können. Das Kind darf aber jederzeit mit einem einfachen Hinweis an die zuständige Behörde die Wahl selbst durchführen - die Altersgrenze ist also flexibel. Mit Erreichen der Altersgrenze dürfen die Minderjährigen dann selbst wählen, die stellvertretende Stimmabgabe entfällt in jedem Fall. Kritiker:innen des stellvertretenden Elternwahlrechts behaupten, es handle sich nur um ein „Alibirecht“8, da die Interessen der Kinder erneut von den Eltern fremdbestimmt und das Höchstpersönlichkeitsprinzip von Wahlen verletzt würde.9

3. Wissenschaftliche Analyse der Datenlage

3.1. Diskussion des Wahlrechts ab Geburt aus verfassungsrechtlicher und demokratietheoretischer Sicht

Demokratische Prinzipien sind in der Bundesrepublik Deutschland im Grundgesetz verankert, weshalb die verfassungsrechtlichen und demokratietheoretischen Aspekte gemeinsam erörtert werden.

Art. 20 Abs. 2 des deutschen Grundgesetzes zur Volkssouveränität gesteht „dem Volke“ die Ausübung der alleinigen Staatsgewalt u.a. durch Wahlen und Abstimmungen zu. Die Zugehörigkeit zum „Staatsvolk“ hängt dabei ausschließlich von der deutschen Staatsbürgerschaft ab.10 Art. 38 Abs. 2 GG beschränkt das allgemeine und gleiche Wahlrecht jedoch auf volljährige Staatsbürger:innen. Einer Begründung für dieses Ausschlusskriterium bleibt unsere Verfassung schuldig. In einem Urteil stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass das Wahlrecht „nicht von besonderen, nicht von jedermann erfüllbaren Voraussetzungen [...] abhängig gemacht werden [darf]. [...] Das allgemeine Wahlrecht kann nur aus zwingenden Gründen eingeschränkt werden.“11

In einem Kommentar über das Wahlrecht rechtfertigt Wolfgang Schreiber die Altersgrenze, da „die politische Urteilsfähigkeit ausschlaggebend“12 und damit als zwingender Grund anzuerkennen sei. Allerdings ist die politische Urteilsfähigkeit laut Grundgesetz keine Voraussetzung für das Wahlrecht und außerdem nirgendwo näher definiert, wie auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages feststellt.13 Der Bundeswahlleiter bestätigt:

„Mit den Verfassungsprinzipien der allgemeinen und gleichen Wahl wäre es nicht vereinbar [zu prüfen], ob der Wähler geistig in der Lage ist, die Bedeutung der Wahl und der dabei zu treffenden Entscheidung zu würdigen und dementsprechend ,vernünftig‘ zu wählen.“14

Vom Bundesverfassungsgericht heißt es lapidar zur Absenkung des Wahlrechts:

„Es ist von jeher aus zwingenden Gründen als mit dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl verträglich angesehen worden, dass die Ausübung des Wahlrechts an die Erreichung eines Mindestalters geknüpft wird.“15

Und zur Unvereinbarkeit von Allgemeinheit und Mindestalter der Wahl:

„Verfassungs prinzipien lassen sich in der Regel nicht rein verwirklichen; ihnen ist genügt, wenn die Ausnahmen auf das unvermeidbare Minimum beschränkt bleiben. So ist das Demokratieprinzip und das engere Prinzip der Allgemeinheit der Wahl nicht verletzt durch die Einführung eines Mindestalters“16.

In einem weiteren Beschluss konkretisiert es, dass der Ausschluss vom Wahlrecht gerechtfertigt sei, „wenn bei einer bestimmten Personengruppe davon auszugehen ist, dass die Möglichkeit der Teilnahme am Kommunikationsprozess zwischen Volk und Staatsorganen nicht in hinreichendem Maße besteht.“17

Tatsächlich stellt der frühere Ausschluss vom Wahlrecht von Personen, die sich in einem psychiatrischen Krankenhaus befinden oder durch Betreuer:innen vertreten werden nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts einen Verstoß gegen die Allgemeinheit der Wahl dar und ist somit verfassungswidrig.18 Es gibt kein Gesetz, das die ohnehin kaum zu definierenden Urteilsfähigkeiten bzw. nötigen Kommunikationskompetenzen als Wahlvoraussetzung festlegt. Eine Promillegrenze, die alkoholisierte und damit offensichtlich urteils- und kommunikationsunfähige Wähler:innen von der Wahl abhält, gibt es indes nicht.

Die gegenwärtige Verfassungsrechtsinterpretation bezüglich der Kommunikations- und Urteilskompetenzen als Ausschlusskriterien von Wahlen ist offensichtlich widersprüchlich. Auffällig ist dabei, dass das Bundesverfassungsgericht zwar wiederholt den Status Quo rechtfertigt, jedoch nicht sagt, dass ein Mindestalter verfassungsrechtlich unbedingt bestehen müsse. Die Volkssouveränität in Art. 20 Abs. 2 GG ist - neben dem Vorrang der Menschenwürde - durch die Ewigkeitsklausel in Art. 79 Abs. 3 GG als Staatsfundamentalnorm anzusehen. Laut dem früheren Bundesverfassungsgerichtspräsidenten Roman Herzog ist Art. 20 GG aber in allen Interpretationsfragen absolut Vorrang einzuräumen.19

Die Volkssouveränität gebietet die Übereinstimmung der Gruppe der Regierenden und der Regierten im Sinne demokratischer Partizipationsrechte. Da Minderjährige letzterer eindeutig angehören, ist ein Ausschluss vom Wahlrecht ein Verstoß gegen die Volkssouveränität und daher mit Art. 20 Abs. 2 GG unvereinbar.20

Der demographische Wandel und damit die zunehmende Alterung der deutschen Gesellschaft macht eine demokratiestrukturelle Debatte über einen Steuerungsmechanismus der Machtverhältnisse notwendig. Rund 13,7 Millionen Minderjährige sind derzeit vom Wahlrecht ausgeschlossen, während fast jede:r dritte Deutsche 60 Jahre oder älter ist. Der Trend der Alterung der deutschen Gesellschaft nimmt weiter zu.21 Dadurch entstehen zwangsläufig Spannungen in der Generationengerechtigkeit - schließlich fließen die Interessen der älteren Generationen durch Wahlen erheblich stärker in die Politik ein als die der Jüngeren.

Bei der letzten Bundestagswahl 2017 stellte mit 74% Zustimmung der Befragten „Rente/Altersvorsorge“ das wichtigste Thema dar. Nur 57% der Befragten gaben an, dass „Familie und Kinder“ für sie ein wichtiges Thema für die Wahlentscheidung sei - Platz 6. Auch andere klassische „Zukunftsthemen“ wie „Bildung und Erziehung“ (Platz 5) oder „Umwelt und Energie(-wende)“ (Platz 10) schienen für die Wähler:innen deutlich unwichtiger zu sein als die eigene Altersvorsorge.22 In Anbetracht der Umfragen ist es wenig erstaunlich, dass eines der dominierenden Themen des letzten Bundestagswahlkampfs die Grundrente war. Und das, obwohl anteilig viel mehr Kinder und Jugendliche von Armut gefährdet sind als Ältere.23

Was in den Umfragen in der Wähler:innenpopulation logischerweise wenig auftaucht: 71% der Jugendlichen im Alter von 12 bis 25 Jahren geben an, dass die Umweltverschmutzung ihnen Angst bereitet - Platz 1. Sonst findet man mit Ausnahme von der Angst vor Terror wenig Ähnlichkeiten im Vergleich der Problemsichten Jugendlicher und der wahlentscheidenden Themen für die Bundestagswahl 2017.24

Es herrscht offensichtlich ein Interessenkonflikt zwischen Jung und Alt. Aber Jugendthemen sind für handelnde Politiker:innen eben wenig lukrativ was den Erhalt des eigenen Mandats angeht. Die Kürze der Legislaturperioden verleitet gewählte Politiker:innen strukturell zu einer kurzfristig gedachten „Gegenwartspolitik“, soll heißen: Um das eigene politische Mandat zu erhalten ist es zielführender, eine Politik zu betreiben, deren Erfolge sich bereits im nächsten Wahlkampf auszahlen. Langfristige „Zukunftsthemen“, die die ältere und stimmenmäßig erheblich größere Wähler:innenpopulation womöglich nicht mehr betreffen wie die Klimakrise, Kindesarmut, Ressourcenknappheit oder Digitalisierung treten in den Hintergrund.25 Ein Wahlrecht ab Geburt könnte dazu führen, dass die Interessen der Minderjährigen zwangsläufig stärker in den Fokus geraten und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch parlamentarische Repräsentanz erfahren.

Ein Wahlrecht ab Geburt umfasst konsequenterweise sowohl das aktive als auch das passive Wahlrecht. Die Argumente für und gegen das passive Wahlrecht ähneln denen des aktiven Wahlrechts stark, weshalb sie nicht separat diskutiert werden sollen. Kleine Hürden müssten aber überwunden werden: Minderjährige sind nur beschränkt zivilrechtlich geschäftsfähig. Eine Koalitionsvereinbarung z.B. wäre von Minderjährigen unterschrieben derzeit nicht rechtskräftig.26 Entsprechende Widersprüche müssten also für ein passives Wahlrecht für Minderjährige gelöst werden, ähnlich wie es für minderjährige Unternehmer:innen Ausnahmeregelungen gibt.27 Die Bürger:innen haben die Verantwortung und Entscheidungskompetenz, wem sie demokratisch wählbare Ämter am ehesten zutrauen. Von Minderjährigen, die den Prozess der Kandidatur, des Wahlkampfs und der Wahl selbst glaubhaft kompetent absolviert haben, kann angenommen werden, dass sie auch fähig sind, das angestrebte politische Amt auszuüben.

Das Argument, eine Abschaffung des Wahlalters würde vor allem von Kindern und Jugendlichen aus gebildeten, privilegierten Akademiker:innenhaushalten wahrgenommen werden und damit nicht zu der gewünschten Repräsentanz der gesamten Generation und ihren diversen Interessen führen, ist unzulässig, da derselbe Trend auch in der Gesamtbevölkerung zu beobachten ist. Ein Vergleich: Nach einer Wahl-Analyse der Bertelsmann Stiftung mit infratest dimap lag die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl 2013 bei Menschen aus „sozial privilegierten“ Haushalten um bis zu 40 Prozentpunkte höher als bei Menschen aus „sozial schwachen“ Milieus.28 Die Jugend-Umfragen zeigen einen ähnlichen Trend: Während 41% der Gymnasiast:innen und 66% der Studierenden angeben, sich für Politik zu interessieren, sind es bei den Schüler:innen der anderen Schularten nur 25%.29 Abgesehen davon, dass in unserer Demokratie Bildung kein Stellenwert im Wahlrecht einnimmt, handelt es sich offensichtlich um ein gesamtgesellschaftliches Problem, das eine Altersbegrenzung keineswegs legitimiert.

Verfassungsrechtlich problematisch könnte sich allerdings die praktische Umsetzung des Wahlrechts ab Geburt darstellen. In allen Konzepten müsste verfassungsrechtlich Art. 38 Abs. 2 GG zur Volljährigkeit als Wahlvoraussetzung angepasst werden. Das originäre Kinderwahlrecht bedarf verfassungsrechtlich nur der Korrektur dieses Artikels.

Das Stellvertreter:innenwahlrecht gilt verfassungsrechtlich als umstritten.30 Konkret geht es v.a. um die in Art. 38 Abs. 1 GG festgelegte Gleichheit der Wahl, die einige verletzt sehen, wenn Eltern die Stimme stellvertretend für ihre Kinder und damit praktisch zwei Mal abgeben.31 Dabei, so das Gegenargument, würde die Gleichheit der Wahl nicht verletzt, da die Eltern eben keine zwei Stimmen für sich hätten, sondern treuhänderisch die Stimme für ihr Kind abgeben könnten. Weiterhin gelte: Ein:e Bürger:in - eine Stimme.32 Üblich ist die treuhänderische Entscheidungskompetenz der Eltern auch in anderen Bereichen: Immer da, wo das minderjährige Kind Verträge oder Entscheidungen aufgrund der fehlenden Geschäftsfähigkeit nicht treffen darf. Das originäre Elternwahlrecht verstößt mit verhältnismäßig einhelliger Meinung von Verfassungsrechtler:innen gegen den Wahlgrundsatz der Gleichheit.33

Minderjährige tragen durch Steuerabgaben zum Gemeinwohl bei. Sie sind laut Verfassung Teil des Volks und eingeschränkt geschäftsfähig. Mit 14 Jahren dürfen sie sich für eine Religion entscheiden, mit 17 Jahren der Bundeswehr beitreten, doch politisch über ihre Zukunft entscheiden erst mit 18? Jede Beschränkung des Wahlrechts nach Alter oder Reife und damit auch das viel diskutierte Wahlalter 16 ist diskriminierend, mit der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl unvereinbar und daher aus demokratietheoretischer und verfassungsrechtlicher Sicht höchstproblematisch.

[...]


1 Vgl. BVerfGE, 1 BvR 2656/18.

2 16-Jährige dürfen u.a. in Österreich, Kroatien, Brasilien oder Mexiko wählen, 17-Jährige z.B. in Griechenland.

3 Vgl. Hummel, Thomas: Kinder an die Urnen! In: Süddeutsche Zeitung vom 05.10.2018. Online einzusehen unter: https://www.sueddeutsche.de/politik/wahlrecht-kinder-an-die-urnen-1.4156233 (Letzte Einsicht am 23.05.2021).

4 Vgl. Schmidt, Renate: Lasst unsere Kinder wählen! München 2013.

5 Vgl. Stiftung für die Rechte Zukünftiger Generationen: Botschafter*innen. Online einzusehen unter: https://generationengerechtigkeit.info/botschafter/ (Letzte Einsicht am 23.05.2021).

6 Vgl. Tremmel, Jörg: Die Ausprägung des Wahlwillens und der Wahlfähigkeit aus entwicklungspsychologischer Sicht. In: Stiftung für die Rechte Zukünftiger Generationen (Hg.): Wahlrecht ohne Altersgrenze? Verfassungsrechtliche, demokratietheoretische und entwicklungspsychologische Aspekte, München 2008, hier S. 224f.

7 Vgl. Heußner, Hermann K.: Dürfen Eltern für ihre Kinder wählen? Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines elterlichen Stellvertreterwahlrechts. In: Stiftung für die Rechte Zukünftiger Generationen (Hg.): Wahlrecht ohne Altersgrenze? Verfassungsrechtliche, demokratietheoretische und entwicklungspsychologische Aspekte, München 2008, hier S. 229.

8 Gründinger, Wolfgang: Wer wählt, der zählt. In: Stiftung für die Rechte Zukünftiger Generationen (Hg.): Wahlrecht ohne Altersgrenze? Verfassungsrechtliche, demokratietheoretische und entwicklungspsychologische Aspekte, München 2008, hier S. 29.

9 Vgl. Weimann, Mike: Wahlrecht für Kinder. In: Stiftung für die Rechte Zukünftiger Generationen (Hg.): Wahlrecht ohne Altersgrenze? Verfassungsrechtliche, demokratietheoretische und entwicklungspsychologische Aspekte, München 2008, hier S. 56.

10 Vgl. BVerfGE 83, 37.

11 BVerfGE 58, 202/205.

12 Schreiber, Wolfgang: Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag. Kommentar zum Bundeswahlgesetz unter Einbeziehung der Bundeswahlordnung, der Bundeswahlgeräteverordnung und sonstiger wahlrechtlicher Nebenvorschriften. Köln 1998, S. 238.

13 Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages 1995: 4. Zitiert nach: Gründinger 2008, S. 24.

14 Zitiert nach: Gründinger, Wolfgang: Wahlrecht ohne Altersgrenze. Demokratietheoretische, jugendsoziologische und politische Hintergründe einer überfälligen Reform. 2014. Online einzusehen unter: http://www.wir-wollen- waehlen.de/media/files/was_tun_wir_-_newsticker/PP-Wahlrecht.pdf, S. 9 (Letzte Einsicht am 24.05.2021).

15 BVerfGE 2 BcC 2/99.

16 BVerfGE 42, 312.

17 BVerfGE 2 BvC 62/14.

18 Vgl. ebd.

19 Vgl. Herzog, Roman: zu Art. 20, VII, Rn. 22. In: Maunz, Theodor; Dürig, Thomas (Hg.): Grundgesetz Sonderdruck, München 2003. Zitiert nach: Gründinger 2008, S. 23.

20 Vgl. Gründinger 2008, S. 23.

21 Vgl. Statistisches Bundesamt (Destatis): 14. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung für Deutschland 2021. Online einzusehen unter: https://service.destatis.de/bevoelkerungspyramide/index.html (Letzte Einsicht am 24.04.2021).

22 Vgl. Suhr, Frauke: Diese Themen sind wichtig bei der Bundestagswahl. 23.08.2017. Online einzusehen unter: https://de.statista.com/infografik/10787/wichtige-themen-bei-der-bundestagswahl/ (Letzte Einsicht am 24.05.2021). Umfrage durchgeführt von YouGov.

23 Bei unter 18-Jährigen lag die Armutsgefährdungsquote 2019 bei 20,5%, bei 18- bis 25-Jährigen bei 25,8%. Bei Menschen, die 65 Jahre oder älter sind, lag sie bei 15,7%. Vgl. Statistisches Bundesamt (Destatis): Armutsgefährdungsquote gemessen am Bundesmedian nach Alter und Geschlecht in Prozent im Zeitvergleich. 2018. Online einzusehen unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft- Umwelt/Soziales/Sozialberichterstattung/Tabellen/03agq-zvbm-alter-geschl.html (Letzte Einsicht am 24.05.2021).

24 Vgl. Schneekloth, Ulrich; Albert, Mathias: Jugend und Politik: Demokratieverständnis und politisches Interesse im Spannungsfeld von Vielfalt, Toleranz und Populismus. In: Shell Deutschland Holding (Hg.): Jugend 2019 - 18. Shell Jugendstudie Eine Generation meldet sich zu Wort, Weinheim 2019, hier S. 56.

25 Vgl. Suhr, Frauke: Diese Themen sind wichtig bei der Bundestagswahl. 23.08.2017. Online einzusehen unter: https://de.statista.com/infografik/10787/wichtige-themen-bei-der-bundestagswahl/ (Letzte Einsicht am 24.05.2021).

26 Vgl. § 106-113 BGB.

27 Vgl. § 112 BGB.

28 Vgl. Vehrkamp, Robert; Tillmann, Christina: Der typische Nichtwähler kommt aus sozial schwachem Milieu. 2015. Online einzusehen unter: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2015/september/der-typische-nichtwaehler-kommt- aus-sozial-schwachem-milieu/ (Letzte Einsicht am 24.05.2021).

29 Vgl. Schneekloth/Albert 2019, S. 56.

30 Vgl. Heußner 2008, S. 230. Siehe auch Diskussion in Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages: Fragen zum Wahlrecht von Geburt an - Ausarbeitung. 2017. Online einzusehen unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/531942/6669f3e29651882065938fc6a14fd779/wd-3-157-17-pdf-data.pdf, S. 6-11 (Letzte Einsicht am 24.05.2021).

31 Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages: Fragen zum Wahlrecht von Geburt an - Ausarbeitung. 2017. Online einzusehen unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/531942/6669f3e29651882065938fc6a14fd779/wd-3-157-17-pdf- data.pdf, S. 9 (Letzte Einsicht am 24.05.2021).

32 Vgl. Merk, Kurt-Peter: Wahlrecht ohne Altersgrenze? In: Gürlevik, Aydin; Hurrelmann, Klaus; Palentien, Christian (Hg.): Jugend und Politik Politische Bildung und Beteiligung von Jugendlichen, Wiesbaden 2016, hier S. 299 und vgl. Heußner 2008, S. 229.

33 Vgl. Heußner 2008, S. 229.

Fin de l'extrait de 20 pages

Résumé des informations

Titre
Das Wahlrecht ohne Altersgrenze als Chance für demokratisches Empowerment
Université
University of Augsburg
Cours
Sozialwissenschaften und Praxis
Note
1,0
Auteur
Année
2021
Pages
20
N° de catalogue
V1138453
ISBN (ebook)
9783346514561
ISBN (Livre)
9783346514578
Langue
allemand
Annotations
Es handelt sich um einen Policy Brief, einer Unterkategorie der Hausarbeit, in der zu einem politischen Vorschlag evidenzbasiert und wissenschaftlich begründet Stellung bezogen werden soll.
Mots clés
Wahlalter, Wahlrecht, Minderjährigenwahlrecht, Demokratie, Wählen, Wahl, Diskriminierung, Mindestalter
Citation du texte
Rasmus Noeske (Auteur), 2021, Das Wahlrecht ohne Altersgrenze als Chance für demokratisches Empowerment, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1138453

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