Exegese zu Q4,1-13 - Die Versuchungen Jesu


Hausarbeit, 2008

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Synoptischer Vergleich

3 Deskriptive Analyse des Q-Textes
3.1 Einordnung in den Gesamtzusammenhang von Q
3.2 Sprachliche und inhaltliche Analyse

4 Theologisch-exegetische Bewertung
4.1 Schlussfolgerungen zum historischen Jesus
4.2 Schlussfolgerungen zur soziologischen Situation des Trägerkreises
4.3 Schlussfolgerungen zur theologischen Aussageabsicht
4.4 Schlussfolgerungen für ein gegenwärtiges Verständnis des Textes

5 Quellenverzeichnis

1 Einleitung

Jesus geht in die Wüste. Er isst viele Tage nichts. Ob er bewusst fastet, lässt die Logienquelle (Q) offen. Fest steht, dass er Hunger hat und in Versuchung gerät. Drei Versuchungen muss sich Jesus stellen:

1. der Überwindung von Mangel,
2. der Infragestellung göttlicher Autorität und
3. der Herstellung von Überfluss.

Die Erzählungen zu den Versuchungen Jesu stellen ein entscheidendes narratives wie theologisches Bindeglied zwischen Jesu Initiation in der Taufe und dem Beginn seines Wirkens dar. Jesu Gottessohnschaft ist zwar bereits in der Taufe durch die ´ruah JHWH` bestätigt worden, muss sich aber noch bewähren. Der Glaube an die Gottessohnschaft Jesu ist unabdingbare Voraussetzung, um die Bedeutung und Tragweite all dessen, was folgt, ermessen, verstehen und annehmen zu können. Dafür stellt der Gottessohn seine Loyalität dem Herrn, seinem Gott gegenüber unter Beweis. Damit schränkt er trotz göttlicher Legitimation seine eigenen Befugnisse und Machtbereiche ein. Auch er untersteht dem gottgegebenen Gesetz, an das er sich gebunden fühlt und im Rahmen dieser Dreifacherzählung erneut bindet. Da Jesu erstes öffentliches Auftreten in der Erzählung erst noch folgt, steht er für alles, was noch kommt unter dem Anspruch, den diese Versuchungserzählungen für sein Selbstverständnis und Wirken erheben: seine Gottessohnschaft und seine Gottestreue sowie sein Selbstverständnis, an das, was geschrieben steht gebunden zu sein (wie auch Gott sich an seine zusagen bindet), sind nicht – wie es der Versucher in der Figur des Teufels tut – in Frage zu stellen. Für jetzt und alle Zeit.

2 Synoptischer Vergleich

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Vergleicht man Q4,1-13 mit dem jeweils entsprechenden Mt- und Lk-Text fällt zunächst auf, dass die drei Fassungen sich auf den ersten Blick nur marginal unterscheiden, wohingegen ein Vergleich mit der Mk-Perikope, welche sich mit Jesu Zeit in der Wüste befasst (Mk1,12f), deutlich macht, dass es sich bei Mt, Lk und auch bei Q wohl um Sammlungen mehrerer Versuchungserzählungen handelt, die hier auf minimale Weise („da“: Mt4,5; „darauf“: Mt4,8) narrativ miteinander verbunden werden. Dies ist auch aus der von den beiden anderen abweichenden Anordnung der Einzelszenen der lk Fassung zu schließen. Interessant ist gerade diese Abweichung innerhalb der Reihenfolge der einzelnen Versuchungen, da in den meisten Fällen davon ausgegangen wird, dass Lk weniger Eingriffe in die Reihenfolge des von ihm vorgefundenen Q-Materials vorgenommen hat.[1] Neugebauer hingegen vermutet die auf Jesus zurückzuführende Reihenfolge bei Mt und in Q und erklärt die lk Entscheidung mit historischen innergemeindlichen Vorgängen, die es nötig machten, Irrlehren und Unsicherheiten bezüglich zentraler Glaubenssätze zu begegnen.[2] Gegen Neugebauer spricht der Befund, den ein Vergleich der lk Versuchungsreihenfolge mit den Bitten des Vaterunsers ergibt. Die drei „wir“-Bitten (Mt6,11ff; Lk/Q11,3f) um das tägliche Brot, Schuldenvergebung und Versuchungsverschonung stehen thematisch und semantisch in Zusammenhang und treten im Herrengebet wie in der lk Fassung der Versuchungen in identischer Reihenfolge auf.[3] Da die Abfolge jener Bitten jedoch auch in Mt wie in Q vorliegt, kann ebenso für die lk Reihenfolge als die ursprünglichere plädiert werden.[4]

Auf drei weitere Unterschiede soll nachstehend näher eingegangen werden.

(1) Zum einen macht nur Lk klar, dass es sich bei dem Geist, der Jesus in die Wüste treibt um den Heiligen Geist handelt, wohingegen, sowohl Mt als auch der Q-Text die Möglichkeit offen lassen, ob es sich dabei auch um einen bösen Geist handeln könnte. Dem widerspricht Mertens. Für ihn kann der Geist, durch den Jesus „in die Wüste geführt“ wird, kein „böser Geist“ sein. Im Gegenteil äußert sich hier das Gottgewollte in einer Versuchung des Gottessohns, wenn der Geist, der Jesus eben noch in der Taufe öffentlich annimmt und legitimiert, ihn nun in die Wüste (beg-) leitet, „damit er vom Teufel versucht“ wird (Mt4,1).[5]

(2) Weiterhin findet sich bei Lk der Hinweis eines außerhalb des Geschehens stehenden Erzählers, der bereits einen Ausblick auf zukünftige Ereignisse im Leben Jesu gewährt. Dass der Teufel Jesus „eine Zeitlang“ (Lk4,13) verlässt, macht implizit deutlich, dass es wieder eine Zeit geben wird, in der Jesus erneut dem Teufel gegenübertreten muss. Auf einen derartigen Ausblick verzichten sowohl Q als auch Mt.

(3) Mt scheint es wichtig zu sein, am Ende zu klären, dass Jesus nicht weiter hungern muss, sondern von Engeln versorgt wird, was neben der profanen Versorgung auch Jesu Anspruch, Gottes Sohn zu sein, sichert. Gott versorgt seinen Berufenen, wie er es schon damals mit Elia getan hat (1Kön17,4ff – durch Raben; 19,5ff – durch den Engel JHWHs). So stellt Mt seinen Gottessohn mit dem Hinweis auf Jesu weitere Versorgung zunächst einmal in eine für jüdische Ohren nachvollziehbare Elia-Nachfolge. Gott will, dass sein Volk weiß, dass versorgt wird, wer sich auf ihn verlässt. Jesus selbst erfährt Entsprechendes durch die Engel und predigt es im Rahmen der in Mt folgenden Bergpredigt (Mt6,33 par).

Eine entscheidende Gemeinsamkeit der Fassungen besteht jedoch in der Bedeutung dessen, was geschrieben steht, innerhalb dieser Jesusüberlieferung. Alle drei Fassungen zitieren viermal nach der LXX (Dtn8,3; Ps91,11f; Dtn6,16; Dtn6,13a/ 10,20a).[6] Jedes dieser Zitate – selbst das Schriftwort, das der Versucher sich und seiner Sache aneignet – wird mit dem Hinweis auf ihre schriftliche Überlieferung versehen. Was mag dafür maßgeblich sein, sowohl den Sohn Gottes als auch seinen Gegenspieler hier in die Tradition altjüdischen Schriftgelehrtentums zu stellen und einzubinden, was im Besonderen durch die direkte Gegenargumentation Jesu („Wiederum steht auch geschrieben (…)“, Mt4,7) im Rahmen der Tempelszene hervorgehoben wird? Es ist festzustellen, dass Jesu alttestamentlichen Zitate allesamt in jeder der drei Fassungen dem Dtn entnommen sind, womit schon vor der Überlieferung von Jesu Wirken und seinen Reden klargestellt wird, dass er sich keineswegs losgelöst von der mosaischen Gesetzgebung sieht, sondern sich in ihrem Erbe begreift. Die Tatsache, dass ausgerechnet das Dtn als Quelle der jesuanischen Schriftzitate herangezogen wird, stellt Jesus neben der eigentlichen Rezitation als Schriftkundigen dar. Das Dtn selbst spiegelt die Tradition der Schrifterklärung wider – ist es doch nicht mehr Gotteswort, sondern bewusst als solches wahrgenommenes Prophetenwort, das sich zwar auf Gottes überlieferte Normen und Verheißungen bezieht, sie jedoch in einem sich veränderten Bezugsrahmen neu deutet. Eben das vermitteln Die Versuchungen Jesu auch über Jesus als Sohn Gottes. Weitere Parallelen zur prophetischen Gestalt des Mose sind in allen Fassungen dieser Perikope besonders augenfällig und sollen im Rahmen der sprachlich- inhaltlichen Analyse (Kap. 3.2) näher beschrieben werden.

3 Deskriptive Analyse des Q-Textes

3.1 Einordnung in den Gesamtzusammenhang von Q

Die aus Schnittmengen von Mt und Lk (gegen Mk) erschlossene Logienquelle Q umfasst in erster Linie narrativ unverbundene Logien. Ausnahmen zu dieser Regel stellen lediglich Die Versuchungen Jesu (Mt4,1-11; Lk/Q4,1-13) und Der Glaube eines Heiden an Jesu Wort (Mt8,5- 13; Lk/Q7,1-10) dar, die einen gewissen Grad erzählerischer Komposition aufweisen, jedoch auch einen klaren Schwerpunkt auf das Spruchgut setzen. Die Q-Fassung der Versuchungen Jesu steht (ebenso wie bei Mt und auch Mk) in unmittelbarer Verknüpfung mit der Tauferzählung. Nur Lk fügt zwischen Taufe und Teufelsbegegnungen den Stammbaum Jesu ein. Betrachtet man Q als zusammenhängende Texteinheit, durch die sich ein roter Faden zieht und welche einen Spannungsbogen aufweist, fällt auf, dass Die Versuchungen Jesu ein entscheidendes Bindeglied zwischen zwei in ihrer Funktion verschiedenen Teilen darstellen. Es lohnt sich, Q auf Fragen, die der Text aufwirft und beantwortet, hin zu untersuchen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anders dargestellt lässt sich eine Parallelstruktur entdecken:

Wer ist Jesus? Was will er? Wem gilt seine Verkündigung (nicht)? Wie geht es weiter?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Jede dieser Fragen beantwortet Q auf zweifache Weise. Bis Q11,13 werden die Fragen mit einem klaren Gegenwarts- bzw. Diesseitsbezug beantwortet. Ab Q11,14 werden ebendiese erneut gestellt aber mit einer anderen, nämlich eschatologischen Schwerpunktsetzung beantwortet. Nun liegt das Hauptaugenmerk auf den Ereignissen der Zukunft. Auffällig ist dabei, dass die Frage, worauf Jesus sich festlegt, kein erneutes Mal beantwortet wird. Es scheint nicht nötig zu sein, die Frage, ob und inwiefern auf Jesus Verlass ist, auch im Hinblick auf zukünftige Ereignisse zu durchdenken. Die Antwort, die sich aus Q4,1-13 ergibt, behält auch in eschatologischer Hinsicht ihre Gültigkeit. Thematisch rahmen in Q (wie bei Mt) die Versuchungsszenen, welche die Versorgung betreffen (Überwindung von Mangel vs. Herstellung von Überfluss), die Konfrontation Jesu mit der Autorität seines himmlischen Vaters am bzw. auf dem Tempel.

[...]


[1] Vgl. G. Theißen/ A. Merz, Der historische Jesus. Ein Lehrbuch. Göttingen 2001, S. 44.

[2] Vgl. F. Neugebauer, Jesu Versuchung. Wegentscheidung am Anfang. Tübingen 1986,S. 89ff.

[3] Da diese thematisch-semantische Einordnungen auch den Q-Text betreffen, sollen sie im deskriptiven Teil dieser Arbeit (Kap. 3) ausführlich erläutert werden.

[4] M. Hengel/ A. M. Schemer, Der messianische Anspruch Jesu und die Anfänge der Christologie. Vier Studien. Tübingen 2003, S. 229.

[5] Vgl. H. A. Mertens, Handbuch der Bibelkunde. Düsseldorf 1997,S. 306.

[6] Nach der Hebräischen Bibel lautet Dtn8,3: „So hat er dich durch Hunger gezüchtigt (…), um dir zu zeigen, dass der Mensch nicht nur von Brot leben kann, sondern (…) durch alles, was aus Gottes Munde kommt (…).“

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Exegese zu Q4,1-13 - Die Versuchungen Jesu
Hochschule
Universität Bielefeld  (Fakultät für Geschcihtswissenschaft, Philosophie und Theologie Abteilung Theologie)
Veranstaltung
Die Worte Jesu. Einführung in die Logienquelle Q.
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
22
Katalognummer
V113880
ISBN (eBook)
9783640158362
ISBN (Buch)
9783640159512
Dateigröße
535 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Exegese, Versuchungen, Einführung, Logienquelle, Worte Jesu
Arbeit zitieren
BA Janina Pfaffner (Autor:in), 2008, Exegese zu Q4,1-13 - Die Versuchungen Jesu, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113880

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