... und dennoch ohne Qual. Zur Darstellung von Menschlichkeit und Männlichkeit im Kontext des Don-Juan-Mythos in der frühen Lyrik Gottfried Benns


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2002

19 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Expressionistische Darstellungsverfahren Gottfried Benns

3. Die Darstellung von Menschlichkeit und Männlichkeit
3.1 Die Gedichte
3.1.1 „Requiem“
3.1.2 „Don Juan gesellte sich zu uns“
3.1.3 „Der Arzt II“
3.2 Die Darstellung der Geschlechter und die Beziehungen zwischen ihnen im Kontext des Don-Juan-Mythos

Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Ziel dieser Hausarbeit ist es, anhand von drei Gedichten aus der ersten Schaffensdekade Gottfried Benns, zu verfolgen, wie Menschlichkeit und Männlichkeit einen Ausdruck finden. Die Gedichte, mit deren Hilfe dies geschehen soll, sind, das Schlussgedicht aus dem 1912 veröffentlichten „Morgue“-Zyklus, „Requiem“, das 1913 erschienene Gedicht „Don Juan gesellte sich zu uns“ und das 1917 im Zyklus „Fleisch“ veröffentlichte Gedicht „Der Arzt II“.

Im Vorfeld der Analysen wird auf die expressionistischen Darstellungsverfahren Gottfried Benns einzugehen sein, um diese dann in den Gedichten in ihrer Anwendung näher zu betrachten. Den Mittelpunkt dieser Abhandlung bilden die Analysen der drei Gedichte, im Hinblick auf die Darstellung von Menschlichkeit und Männlichkeit. In diesem Zusammen-hang soll auch auf die Beziehungen der Geschlechter und deren unterschiedliche Darstellung eingegangen werden, um Parallelen zum Don-Juan-Mythos aufzuzeigen. Daran schließt sich ein Kurzessay an, der einem möglichen Einfluss Gottfried Benns auf moderne Autoren zu Beginn des 21. Jahrhunderts nachgehen soll, sowie einige Gedanken zu potentiellen Konstituenten für eine Literatur des 21. Jahrhunderts formuliert.

2. Expressionistische Darstellungsverfahren Gottfried Benns

1933 schreibt Gottfried Benn in seinem „Bekenntnis zum Expressionismus“, dass diese literarische Kunstrichtung keine Auflehnung gegen den Naturalismus oder Impressionismus war, sondern „ein neues geschichtliches Sein“ darstellt. Somit widerspricht Benn der gängigen Auffassung der Forschung, die den Expressionismus als eine Reaktion auf diese ihm vorangegangenen Epochen sieht. Für Benn ist der Expressionismus Wirklichkeits-zertrümmerung, ein „rücksichtsloses An-die-Wurzel-der-Dinge-Gehen“ sowie Ausdrucks-dichtung, mit betont revolutionärem Charakter. Die Suche nach einer neuen Wirklichkeit zwang die Dichter des Expressionismus nach Innen zu gehen, im eigenen Ich eine eigene Realität zu finden. Als Ziel wollte man „das Unbewusste bewusst, den Affekt zur Erkenntnis, die Seele zur Psychologie und die Liebe als Neurose“ begreifbar machen. Indem die expressionistische Lyrik die Wissenschaft hinter sich ließ, ging sie den schwierigen Weg nach Innen, zu den Schöpfungsschichten, zu den Urbildern und Mythen, um schließlich zu einem neuen Bild des Menschen zu gelangen. Der erste Weltkrieg – ein Erlebnis, das die meisten Expressionisten prägte, dem viele zum Opfer fielen –, führte zu einer Art Dekonstruk-tionismus der Kunst. Dem stellten sich die Expressionisten mit einem formalen Absolutismus entgegen, der jedes Chaos ausschließt und vollkommen apolitisch in seinem Wesen war.[1]

Aus diesen Vorbedingungen ergeben sich für die frühe Lyrik Gottfried Benns, und hier im besonderen für den „Morgue“-Zyklus, zwei wesentliche Darstellungsverfahren, welche die lyrische Aussage unterstützen und tragen: Zynismus und Montage.

Mit dem Zynismus gehen gewisse Provokationstendenzen einher[2], die keinen Bereich des Seins verschont lassen: so wird der Zynismus zum provokatorischen Stilmittel und ist Ausdruck eines Leidens an der Wirklichkeit des Lebens.[3]

Das zweite wichtige Darstellungsverfahren ist im Formprinzip der Montage gegeben, die sich auf das Wesentliche eines Vorganges konzentriert und mit der Selektion von bestimmten Motiven, Stimmungen und Worten einen Ausdruck schafft, der das Markante eines Milieus fixiert.[4]

Kurz nach Erscheinen der „Morgue“ tritt in der Lyrik Benns ein Wandel ein, der zwei verschiedene Gedichttypen herausbildete: der eine Typus verwendet weiterhin provokante Züge der „Morgue“-Gedichte, um die Hinfälligkeit und Dekadenz der Gesellschaft zu zeigen; der zweite Typus verbindet Motive der Tier- und Triebhaftigkeit, wobei dieser Gedichttypus, der auch vitalistisch-baalhaft genannt wird,[5] im dritten Teil dieser Arbeit noch eingehender in der Analyse des Gedichtes „Don Juan gesellte sich zu uns“ betrachtet wird.

3. Die Darstellung von Menschlichkeit und Männlichkeit

In dem nun folgenden Kapitel werden die drei Gedichte „Requiem“, „Don Juan gesellte sich zu uns“ und „Der Arzt II“ hinsichtlich ihrer Darstellung von Menschlichkeit und Männlichkeit untersucht. Der Abschnitt 3.2 wird sich anschließend mit den in diesen Gedichten vorgefundenen Geschlechterbeziehungen und der unterschiedlichen Darstellung der Geschlechter befassen.

3.1 Die Gedichte

3.1.1 „Requiem“

Auf jedem Tische zwei. Männer und Weiber

kreuzweis. Nah, nackt, und dennoch ohne Qual.

Den Schädel auf. Die Brust entzwei. Die Leiber

gebären nun ihr allerletztes Mal.

Jeder drei Näpfe voll: von Hirn bis Hoden.

Und Gottes Tempel und des Teufels Stall

nun Brust an Brust auf eines Kübels Boden

begrinsen Golgatha und Sündenfall.

Der Rest in Särge. Lauter Neugeburten:

Mannsbeine, Kinderbrust und Haar vom Weib.

Ich sah von zweien, die dereinst sich hurten,

lag es da, wie aus einem Mutterleib.

Als fünftem und letztem Gedicht, des 1912 erscheinen Zyklus „Morgue“, kommt ihm eine zentrale Rolle zu, die im folgenden kurz beleuchtet werden soll, um dann auf den eigentlichen Untersuchungsgegenstand zu stoßen.

Requiem“ unterscheidet sich dahingehend von den anderen vier Zyklus-Gedichten, da es das einzige mit mehreren Strophen ist, ein konsequentes Reimschema (Kreuzreim) verfolgt und inhaltlich beziehungsweise formal die voranstehenden Gedichte noch einmal aufgreift.

Der Titel „Requiem“ suggeriert dem Leser, dass das Thema behutsam, ja sogar in gewissem Maße emotional bearbeitet wird, denn ein Requiem ist eine Toten- oder Seelenmesse im katholischen Glauben. Bereits nach den ersten zwei Verszeilen wird dieses Bild zerstört. Im gesamten Gedicht vollzieht sich dieser systematische Zerstörungsakt auf zwei Ebenen: der inhaltlichen und der formalen.

Die inhaltliche Ebene löst das harmonische Bild durch eine Wortwahl auf, die einem sakralen

Kontext zwar zugeordnet werden kann, die mit diesem aber in keiner Weise zu vereinen ist. Indem die Worte nah und nackt in der zweiten Verszeile durch das Komma in einen Kausalzusammenhang gebracht werden, kann dies als blasphemischer Affront gegen christliche Traditionen gelesen werden und ist auf Stimmungszerstörung angelegt.[6]

[...]


[1] Gottfried Benn: Bekenntnis zum Expressionismus, S. 261-271 (gesamter Absatz nimmt Bezug auf diese
Quelle)

[2] Erich Huber-Thoma, S. 35

[3] Theo Meyer, S. 389

[4] ebd, S. 387

[5] Erich Huber-Thoma, S. 39-41

[6] Erich Huber-Thoma, S. 26

Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
... und dennoch ohne Qual. Zur Darstellung von Menschlichkeit und Männlichkeit im Kontext des Don-Juan-Mythos in der frühen Lyrik Gottfried Benns
Université
University of Erfurt  (Philosophische Fakultät - Literaturwissenschaft)
Cours
Seminar: Literarische Serientäter - Von Don Juan bis Blaubart
Note
1,0
Auteur
Année
2002
Pages
19
N° de catalogue
V11390
ISBN (ebook)
9783638175630
Taille d'un fichier
533 KB
Langue
allemand
Mots clés
Qual, Darstellung, Menschlichkeit, Männlichkeit, Kontext, Don-Juan-Mythos, Lyrik, Gottfried, Benns, Seminar, Literarische, Serientäter, Juan, Blaubart
Citation du texte
Tobias Sichert (Auteur), 2002, ... und dennoch ohne Qual. Zur Darstellung von Menschlichkeit und Männlichkeit im Kontext des Don-Juan-Mythos in der frühen Lyrik Gottfried Benns, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11390

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