Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sieht im sogenannten „Maastricht-Urteil“ die Europäische Union (EU) als einen Staatenverbund, der sich aus souverän bleibenden Staaten zusammensetzt. Das Gericht versucht somit semantisch der Gestalt der EU gerecht zu werden: Sie ist mehr als ein Staatenbund von souveränen Staaten, die sich in einem Politikbereich zusammenschließen; sie ist gleichzeitig aber auch weniger als ein Gebilde, das man „Vereinigte Staaten von Europa“ nennen könnte. Zentral in dem obigen Zitat ist das Wort „souverän“. Da sich die Europäische Union im Kern durch eine Wirtschaftsgemeinschaft auszeichnet und die Politikbereiche der sogenannten „2. und 3. Säule“ äußerst schwach integriert sind, lässt sich der Begriff „souverän“ oder „Souveränität“
mitunter deskriptiv aus Sicht der policy-Perspektive fassen. Die Frage muss
lauten, welche Politikbereiche müssen bei Nationalstaaten verbleiben, um ihre eigene Staatlichkeit weiterhin begründen zu können? Sozialpolitik zählt hierbei sicherlich dazu, verbindet sie doch auf eindrucksvolle Art und Weise die „Herrschaft durch das Volk“ mit der „Herrschaft für das Volk“. Somit lässt sich die Sozialpolitik als ein für die souveräne Staatlichkeit eines Staates legitimierendes Element bezeichnen.
Ein weiteres Indiz für die Sozialpolitik als ein den Staat konstituierendes Element und von ausschließlich von ihm behandeltes Feld ist das der Sozialleistungssysteme.Während in der Europäischen Gemeinschaft bzw. in der Europäischen Union schon seit geraumer Zeit mit Waren, Kapital und Dienstleitungen freier Handel zwischen den Mitgliedstaaten
betrieben werden kann, war der Zugang zu ausländischen Sozialleistungsträgern und ausländischen Sozialleistungserbringern lange tabu, denn im Bereich der Sozialversicherung gilt in den Mitgliedstaaten das Territorialprinzip. Dennoch, „die heilige Kuh“ der nationalstaatlich geschlossenen Gesundheitssysteme ist nicht mehr sicher. Seit 1998 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) durch drei Entscheidungen den Zugang zu Behandlungen im EU-Ausland grundsätzlich mit nur wenigen Ausnahmen gestattet. Begründet wurde dies mit den sogenannten Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechts, hier vor allem mit der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49 und 50 des Europäischen Gemeinschaftsvertrags (EGV). [...]
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- EMPIRISCHER TEIL
- Gesundheitspolitische Maßnahmen der Gemeinschaft
- Entscheidungen des EuGH mit Relevanz für die Gesundheitspolitik
- DIE THEORETISCHE GRUNDLAGE:
- Gründe des Delegierens DAS,,PRINCIPAL-AGENT“ MODELL
- Das institutionelle Design einer Agentur
- Die Konsequenzen des Delegierens
- Fazit des Kapitels
- STELLUNG UND ENTWICKLUNG DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION
- Regulierung als Modus politischer Steuerung
- „Die Europäische Union als regulativer Staat"
- Der Glaubwürdigkeitsverlust der Kommission
- Fazit des Kapitels
- STELLUNG UND ENTWICKLUNG DES EUROPÄISCHEN GERICHTSHOFS
- Die Entwicklung des EuGH in den 1960er Jahren
- Die,,Nicht-Reaktion“ der Mitgliedstaaten
- Die nationalen Gerichte als Akteure im Prozess der rechtlichen Integration
- Das Vorgehen des EuGH: undogmatisch oder strategisch
- Fazit des Kapitels
- FAZIT
- LITERATURVERZEICHNIS
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Diplomarbeit untersucht die Rolle des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der europäischen Gesundheitspolitik. Sie analysiert, wie der EuGH durch seine Entscheidungen die Macht der Europäischen Kommission in diesem Bereich beeinflusst und welche Folgen dies für die Gestaltung der Gesundheitspolitik in der Europäischen Union hat. Die Arbeit befasst sich mit dem Verhältnis zwischen dem EuGH und der Kommission im Kontext des "Principal-Agent"-Modells und untersucht die Gründe für die Delegation von Kompetenzen an die Kommission sowie die Konsequenzen dieser Delegation.
- Die Rolle des EuGH in der europäischen Gesundheitspolitik
- Das Verhältnis zwischen dem EuGH und der Europäischen Kommission
- Die Delegation von Kompetenzen an die Kommission
- Die Folgen der Delegation für die Gestaltung der Gesundheitspolitik
- Das "Principal-Agent"-Modell im Kontext der europäischen Gesundheitspolitik
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel der Arbeit bietet eine Einleitung in das Thema und stellt die Forschungsfrage sowie die Relevanz der Arbeit dar. Es wird die Bedeutung der europäischen Gesundheitspolitik im Kontext der europäischen Integration sowie die Rolle des EuGH in diesem Bereich hervorgehoben.
Das zweite Kapitel befasst sich mit dem empirischen Teil der Arbeit. Es werden die wichtigsten gesundheitspolitischen Maßnahmen der Europäischen Union sowie die Entscheidungen des EuGH mit Relevanz für die Gesundheitspolitik vorgestellt.
Das dritte Kapitel behandelt die theoretische Grundlage der Arbeit. Es wird das "Principal-Agent"-Modell vorgestellt und die Gründe für die Delegation von Kompetenzen an die Kommission sowie die Konsequenzen dieser Delegation analysiert.
Das vierte Kapitel analysiert die Stellung und Entwicklung der Europäischen Kommission. Es wird die Rolle der Kommission als "regulativer Staat" sowie der Glaubwürdigkeitsverlust der Kommission im Laufe der Zeit untersucht.
Das fünfte Kapitel befasst sich mit der Stellung und Entwicklung des Europäischen Gerichtshofs. Es wird die Entwicklung des EuGH in den 1960er Jahren sowie die Rolle der nationalen Gerichte im Prozess der rechtlichen Integration untersucht.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die europäische Gesundheitspolitik, den Europäischen Gerichtshof (EuGH), die Europäische Kommission, das "Principal-Agent"-Modell, die Delegation von Kompetenzen, die Regulierung als Modus politischer Steuerung, der Glaubwürdigkeitsverlust der Kommission, die rechtliche Integration und die Rolle der nationalen Gerichte.
- Arbeit zitieren
- Joachim Wentzel (Autor:in), 2004, Die europäische Gesundheitspolitik als Nagelprobe - Der erstarkte EuGH und die schwächelnde Kommission , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113939