1. Einleitung
„Du Mann. Du Frau an der Maschine und in der Werkstatt. Wenn sie dir Morgen befehlen, du sollst keine Wasserrohre und Kochtöpfe mehr machen – sondern Stahlhelme und Maschinengewehre, dann gibt es nur eins:
Sag nein!“ (Borchert 1981)
Der Kampf gegen Krieg und Gewalt ist in Deutschland nicht erst eine Erscheinung der jüngsten Vergangenheit, sondern hat eine lange Tradition. Die Friedensbewegung der achtziger Jahre ist nicht aus dem Nichts entstanden, sondern resultierte aus der westdeutschen Entwicklung nach dem zweiten Weltkrieg und lässt sich in ihren Beweggründen auch bis dorthin zurückverfolgen.
In dieser Arbeit möchte ich jedoch speziell auf die besonders aktive Phase in den achtziger Jahre Bezug nehmen. Als Auslöser für eine europaweite Protestwelle kann die Demonstration vom 10.10. 1981 in Bonn betrachtet werden. Die Redaktion des Buches Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste , Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden sagt zu dem Ereignis:
„Die Demonstration vom 10.10.1981 in Bonn wird einmal als Wendepunkt der europäischen Friedenspolitik betrachtet werden. Sie war der Ausgangspunkt von Demonstrationen gegen die nukleare Aufrüstung in ganz Westeuropa. Millionen von Menschen haben sich an diesen Demonstrationen beteiligt. Unbescheiden kann man sagen, dass durch diese und in diesen Demonstrationen eine neue Gesinnung ihren Ausdruck findet, die auf politische Realisierung drängt. Die Demonstrationen zeigen, dass wachsende Teile der Bevölkerung Westeuropas dem Rüstungswettlauf Einhalt gebieten wollen und werden“ (Deile, Frey, Hartmann, Meyer, Zumach 1981: 9)
Was bewegte diese „Millionen von Menschen“ sich dem Protest anzuschließen? Mit Hilfe der Theorien des kollektiven Handelns möchte ich versuchen eine soziologische Erklärung der Friedensbewegung zu finden. Dabei wird mein Fokus auf der als bezeichnend betrachtete Demonstration des 10.10.1981 liegen, um einzelne Faktoren und selektive Anreize herausfiltern zu können.
Inhalt
1. Einleitung
2. Die Friedensbewegung
3. Ein Erklärungsmodell der Friedensbewegung in den 80er Jahren
3.1 Die Theorie des kollektiven Handelns
3.2 Das Kollektivgut der Friedensbewegung in den 80er Jahren
4. Bedingungen für die Demonstration am 10.10.1981
4.1 Unzufriedenheit mit den politischen Verhältnissen
4.2 Soziale Anreize
4.3 Moralische Anreize
4.4 Staatliche Sanktionen
5. Faktoren der Makroebene
5.1 Politische Situation
5.2 Sozialer Kontext
6. Fazit
Literatur
1. Einleitung
„Du Mann. Du Frau an der Maschine und in der Werkstatt. Wenn sie dir Morgen befehlen, du sollst keine Wasserrohre und Kochtöpfe mehr machen – sondern Stahlhelme und Maschinengewehre, dann gibt es nur eins:
Sag nein!“ (Borchert 1981)
Der Kampf gegen Krieg und Gewalt ist in Deutschland nicht erst eine Erscheinung der jüngsten Vergangenheit, sondern hat eine lange Tradition. Die Friedensbewegung der achtziger Jahre ist nicht aus dem Nichts entstanden, sondern resultierte aus der westdeutschen Entwicklung nach dem zweiten Weltkrieg und lässt sich in ihren Beweggründen auch bis dorthin zurückverfolgen.
In dieser Arbeit möchte ich jedoch speziell auf die besonders aktive Phase in den achtziger Jahre Bezug nehmen. Als Auslöser für eine europaweite Protestwelle kann die Demonstration vom 10.10. 1981 in Bonn betrachtet werden. Die Redaktion des Buches Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste[1], Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden[2] sagt zu dem Ereignis:
„Die Demonstration vom 10.10.1981 in Bonn wird einmal als Wendepunkt der europäischen Friedenspolitik betrachtet werden. Sie war der Ausgangspunkt von Demonstrationen gegen die nukleare Aufrüstung in ganz Westeuropa. Millionen von Menschen haben sich an diesen Demonstrationen beteiligt. Unbescheiden kann man sagen, dass durch diese und in diesen Demonstrationen eine neue Gesinnung ihren Ausdruck findet, die auf politische Realisierung drängt. Die Demonstrationen zeigen, dass wachsende Teile der Bevölkerung Westeuropas dem Rüstungswettlauf Einhalt gebieten wollen und werden“ (Deile, Frey, Hartmann, Meyer, Zumach 1981: 9)
Was bewegte diese „Millionen von Menschen“ sich dem Protest anzuschließen? Mit Hilfe der Theorien des kollektiven Handelns möchte ich versuchen eine soziologische Erklärung der Friedensbewegung zu finden. Dabei wird mein Fokus auf der als bezeichnend betrachtete Demonstration des 10.10.1981 liegen, um einzelne Faktoren und selektive Anreize herausfiltern zu können.
2. Die Friedensbewegung
„Du Forscher, du Forscherin im Laboratorium. Wenn sie dir Morgen befehlen du sollst einen neuen Tod erfinden gegen das alte Leben, dann gibt es nur eins:
Sag nein!“ (Borchert 1981)
Betrachtet man die Vorgeschichte der Friedensbewegung kann man eine Kontinuität in der Argumentation und personelle und organisatorische Überschneidungen erkennen. U. Wasmuth nennt diese Bewegung ein „Glied einer Kette von kontinuierlichen, dialektische miteinander verbundenen Massenlernprozessen.“ (Wasmuth 1987: 112)
Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs, der Niederlage und Teilung Deutschlands und dem Beginn der Ost-West-Konfrontation war die politische Landschaft in der Bundesrepublik trotz des Wiederaufbaus keineswegs homogen. Es bildeten sich bereits in dieser Zeit zahlreiche Gruppierungen, die sich verstärkt mit Fragen der Sicherheitspolitik befassten. Besonderer Schwerpunkt war die Beschäftigung mit der Problematik der Atombewaffnung beziehungsweise des Atomkriegs. Obwohl der atomare Rüstungswettlauf der Weltmächte und die Politik der Abschreckung noch nicht so offensichtlich waren wie in späteren Jahren, hatte die Erfahrung der Atomschläge auf Hiroshima und Nagasaki bleibende Erinnerungen hinterlassen. Der Atompazifismus entwickelte sich zu einem Charakteristikum der Friedensbewegung.
Stärker wurde die Diskussion über die Wiederbewaffnung mit dem Beginn des Korea-Krieges sowie der Aufstellung von Einheiten der „kasernierten Volkspolizei“ in der sowjetisch besetzten Zone 1950, die als Bedrohung des inneren Friedens wahrgenommen wurden.
Die Wiederbewaffnung der Bundeswehr durch die Aufnahme der BRD in die NATO[3] 1955 löste eine erste Aktionswelle der Kriegsgegner aus. Allerdings war in dieser Phase noch keinerlei koordiniertes Handeln oder gar Gemeinschaftsaktionen zu beobachten, was vor allem daran lag, dass noch kein kollektives Ziel erkennbar war. So prallten innerhalb der Friedensbewegung die Angst vor einer Verschlechterung der Lebensverhältnisse, Ressentiments gegen die Siegermächte des zweiten Weltkriegs und das allgemeine Gefühl, es lohne sich nicht mehr, für Werte zu kämpfen, aufeinander. Das änderte sich erst, als 1957 die Pläne der Bundesregierung bekannt wurden, atomare Kurzstreckenraketen auf deutschem Boden zu stationieren. (Vgl. Grieß 2000: 3f)
Reaktion darauf war die „Kampf dem Atomtod“-Kampagne, die zunächst von namhaften Wissenschaftlern initiiert wurde - unter ihnen u.a. Albert Einstein und Linus Pauling. Es kam zu regelmäßigen Zusammenkünften und Konferenzen, die auch heute noch wichtige Impulse für die Friedensforschung beisteuern. (Vgl. Wasmuth 1987: 115ff)
Den Anstoß für eine breite öffentliche Debatte und vielseitiges Engagement der Bevölkerung lieferte allerdings erst der Appell der „Göttinger Achtzehn“[4], die darauf aufmerksam machten, dass jede taktische Atombombe eine ähnliche Wirkung habe wie diejenige, die über Hiroshima abgeworfen wurde. In der Folge schlossen sich große Institutionen wie die SPD, der DGB und die Kirchen der Kampagne an.
1960 entstand die Ostermarschbewegung, die als direkter Vorläufer und Impulsgeber für die außerparlamentarische Opposition und die Studentenbewegung der 60er Jahre gelten kann. In diesem Fall waren die Auslöser einerseits die geplante Notstandsgesetzgebung des damaligen Innenministers Gerhard Schröder, deren Realisation sich allerdings bis 1967 hinziehen sollte, und andererseits der Vietnamkrieg, der 1964 seinen Anfang nahm.
Allgemein kann man sagen, dass es seit 1945 zyklische Protestbewegungen gegeben hat, die niemals unabhängig von den vorhergehenden und in ihren Voraussetzungen von diesen abhängig gewesen sind. (Vgl. Brand 1982: 35)
Konkreter Auslöser der neuerlichen Formierung der Friedensbewegung war schließlich der NATO-Doppelbeschluss[5] von 1979.
1981 begann mit der Friedensdemonstration am 10. Oktober in Bonn eine Welle von Demonstrationen Europaweit. Der Grundstein für die Demonstration in Bonn wurde durch die Zusammenarbeit des Interkirchlichen Friedensrates (IKV)[6] der Niederlande und der ASF gelegt. Um die Idee der Friedenswoche aus den Niederlanden in Deutschland zu etablieren, fanden im Frühjahr 1980 erste Gespräche statt, die zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit führten. Im April 1981 wurde eine erste Erklärung für eine gemeinsame Westdeutsche Strategie während des Atomkongresses in Groningen der Presse vorgestellt und die Idee zu einer Demonstration in Bonn am 10.10.1981 entwickelt. Der IKV und die ASF übernahmen die Verantwortung als Veranstalter. Alle anderen Organisationen sollten sich als Unterstützer anschließen. (Vgl. Deile, Frey 1981: 13ff)
[...]
[1] ASF: gegründet 1958, setzen sich dafür ein, aus der Vergangenheit zu lernen, um eine friedliche Zukunft zu schaffen. Solidarität zu Randgruppen und Reisen zu Gedenkstätten werden von über 150 Freiwillige im In- und Ausland organisiert. (Vgl. Meyer, Rabe 1981: 200)
[2] AGDF: Dachorganisation von 15 Friedensorganisationen, darunter auch der ASF. Menschen mit christlicher und gewaltfreier Haltung arbeiten daran Gewalt, Unfreiheit, Not und Angst aufzudecken, die Ursachen darzustellen und ihnen entgegenzuwirken. (Vgl. Meyer, Rabe 1981: 200)
[3] North Atlantic Treaty Organization. Ein Verteidigungsbündnis auf der Grundlage des am 4.4.1949 geschlossenen Nordatlantikvertrages. Ziele und Grundsätze bekräftigen die UN-Satzung, sowie den Wunsch mit allen Völkern und Regierungen in Frieden zu Leben. Die Staaten verpflichten sich bei Konflikten den friedlichen Ausgleich zu suchen. (Brockhaus 2003: 5078)
[4] Gruppe von Atomphysikern, die sich 1957 in der gemeinsamen Göttinger Erklärung gegen die damals geplante Aufrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen wandten. (www.student-online.net)
[5] In dieser Entschließung war vorgesehen, zunächst dem Warschauer Pakt Verhandlungen über den Abbau der sowjetischen Mittelstreckenraketen anzubieten und bei deren Misserfolg mit den neuen Waffensysteme Pershing II und Cruise Missile nachzurüsten. Erstmals sollten dabei in Deutschland Atomraketen mittlerer Reichweite als Erstschlagswaffen gegen die Sowjetunion stationiert werden.
[6] Der IKV führte seit 1967 jährliche Friedenswochen in den Niederlanden durch.; seit 1977 begleitet von der Kampagne Schafft die Atomwaffen aus der Welt, beginnt damit in den Niederlanden. (Vgl. Deile, Frey 1981: 13)
- Arbeit zitieren
- Julia Marg (Autor:in), 2007, Gegen die atomare Bedrohung gemeinsam vorgehen!, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113941
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