Die Entwicklung des Vertragsrechts am Beispiel des IGH-Urteils Gabcíkovo-Nagymaros


Masterarbeit, 2001

72 Seiten, Note: cum laude


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Die Entwicklung des Streites über das Wasserkraftwerk Gabčíkovo-Nagymaros
I.1. Das Recht der völkerrechtlichen Verträge
I.2. Zeittafel der tatsachlichen und rechtlichen Entwicklung
I.3. Vertrag vom 16.9.1977 über die Errichtung des Wasserkraftwerkes
I.3.1.1. Das Ziel des Projekts
I.3.1.2. Die Pflicht zum Schutz der Umwelt
I.3.1.3. Die Verantwortlichkeit und Haftung
I.3.1.4. Das Verfahren

II. Das Urteil vom 25.9.1997
II.1. Vereinbarung über die gerichtliche Streitbeilegung
II.2. Entscheidung des Gerichtshofs

III. Analyse des Urteils – Anwendung der völkerrechtlichen Institute im Urteil
III.1. Geltung des Vertrages von 1977
III.1.1.1. Slowakei als Vertragspartei des Vertrages
a) Parteivorträge
b) Meinung des Gerichts
III.1.1.2. Rechtsnachfolge in radizierten Verträgen
a )Parteivorträge
b) Meinung des Gerichts
III.1.1.3. Bedeutung des Grundsatzes Pacta sunt servanda
III.1.1.4. Auslegung von Verträgen nach Treu und Glauben
III.2. Beendigung und Suspendierung des Vertrages von 1977
III.2.1.1. Anwendung der Wiener Vertragsrechtskonvention auf den Vertrag von 1977
a) Parteivorträge
b) Meinung des Gerichts
III.2.1.2. Vertragsbruch
a) Parteivorträge
b) Meinung des Gerichts
c) Meinungen des Richters Koroma
III.2.1.3. Nachträgliche Unmöglichkeit der Erfüllung
a) Parteivorträge
III.2.1.4. Grundlegende Änderung der Umstände (Clausula rebus sic standibus)
a) Parteivorträge
b) Meinung des Gerichts
III.2.1.5. Umweltstandard
a) Parteivorträge
b) Meinung des Gerichts
c) Meinungen der Richter
1) Das Recht auf Entwicklung
2) Das Prinzip von der kontinuierlichen Entwicklung
3) Die Anwendung der Prinzipien des Umweltrechts
III.2.1.6. Notstand
a) Parteivorträge
b) Meinung des Gerichts
c) Meinungen der Richter
III.2.1.7. Variante C – eine Gegenmaßnahme?
a) Parteivorträge
b) Meinung des Gerichts
c) Meinungen der Richter
III.2.1.8. Schadensersatzansprüche
a) Parteivorträge
b) Meinung des Gerichts
c) Meinungen der Richter
III.3. Offene Fragen
III.3.1.1. Verpflichtung der Parteien zu verhandeln
III.3.1.2. Der künftige Status der Objekte

Zusammenfassung

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis
Rechtsquellen
Literatur
Internetquellen

Anlagen

Erklärung der Kandidatin

Einleitung

„Die schönsten Worte sind die Taten“

Jozef Cíger Hronský

Die Donau spielte schon immer eine sehr bedeutende Rolle in der Region der beiden Staaten Ungarn und Slowakei. Dabei war diese auch immer von den ökonomischen sowie auch wirtschaftlichen Aspekten geprägt worden. Seit Jahren existieren Kooperationsversuche, die eine effiziente Wassernutzung ermöglichen sollen.

Die Wasserkraftwerke auf der Donau in den benachbarten Ländern haben immer auch zur Verbesserung der Schifffahrt beigetragen, wie auch zum Schutz vor Überschwemmungen. Manchmal kann sich durch technologischen Wandel, hier z.B. durch den Bau eines Wasserkraftwerkes die Beurteilung der Folgen der Entwicklung im Laufe der Zeit auch grundlegend verändern. Die moderne Epoche brachte einen ständigen Wandeln mit sich. Dabei verlangte diese Epoche sowohl vom Menschen, als auch von der Natur eine stetige Anpassung.

„…Die Slowakische Republik bereitet sich auf die erste ungarische finanzielle Entschädigung vor. Der Grund ist die nicht gebaute untere Stufe des gemeinsamen Wassekraftwerkes Gabčíkovo-Nagymaros…“[1]

Die Fakten sprechen immer für sich selber, sie beurteilen und legen die reale Situation des Wasserkraftwerkes dar. In der faktischen Beurteilung ist Gabčíkovo ein Symbol geworden – Symbol auch der Unflexibilität und Konfrontation zwischen zwei Nachbarstaaten: der Slowakei und Ungarn.

In dieser Arbeit wird das Problem des Wassekraftwerkess Gabčíkovo-Nagymaros analysiert. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Analyse des Urteils des Internationalen Gerichtshofs in der Sache Gabčíkovo – Nagymaros im Lichte des Völkerrechtes.

Die Arbeit besteht insgesamt aus drei Kapiteln. Im ersten Kapitel geht es um die Entwicklung der Auseinandersetzung. Dieser Weg durchläuft verschiedene Stationen: zuerst die Beschreibung des völkerrechtlichen Vertrages und dessen Bedeutung und danach vom Vertrag über die Errichtung des Wassekraftwerkess zur Entwicklung des Konfliktes.

Das zweite Kapitel widmet sich der Vereinbarung der Parteien über die gerichtliche Streitbeilegung und dem Urteil des Gerichtshofs in der Sache Gabčíkovo – Nagymaros. Die grundlegenden Aussagen bilden hier die Argumente der beteiligten Parteien und die Stellungsnahme des Gerichtes zu den vorgelegten Streitpunkten.

Das dritte Kapitel behandelt die Analyse des Urteils unter Anwendung der völkerrechtlichen Institute: Das Urteil behandelt die Rechtsnachfolge in radizierten Verträgen, die Bedeutung des Pacta sunt servanda Grundsatzes, die Auslegung von Verträgen nach Treu und Glauben, die Berufung auf Notstand als Kündigungsgrund, die clausula rebus bei der Entwicklung neuer Umweltstandards, die Rechte der vertragstreuen Partei bei Vertragsbruch, die Verpflichtungen der Parteien zu Verhandlungen und die Schadenersatzansprüche für Vertragsverletzung.

Gerade in zwischenstaatlichen Rechtsstreitigkeiten ist es schwierig, eine Einigung zu finden. In diesem Streit hat letztlich der Internationale Gerichtshof eine wichtige Rolle gespielt. Damit die Parteien zu einer vernünftigen Beilegung kommen konnten, haben sie sich der internationalen Gerichtsbarkeit unterstellt.

I. Die Entwicklung des Streites über das Wasserkraftwerk Gabčíkovo-Nagymaros

I.1. Das Recht der völkerrechtlichen Verträge

Das Recht der völkerrechtlichen Verträge, dass den Abschluß, die Geltung und die Beendigung von Verträgen regelt, galt lange Zeit nur gewohnheitsrechtlich. Es ist mittlerweile umfassend in drei Übereinkommen geregelt worden:

- Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23.5.1969[2] ;
- Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge zwischen Staaten und Internationalen Organisationen[3] ;
- Wiener Übereinkommen über Staatennachfolge in den Verträgen aus dem Jahre 1978[4].

Das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (Wiener Vertragsrechtskonvention – WVK) ist für diese Auseinandersetzung ausschlaggebend. Es regelt ausschließlich das Recht der Verträge zwischen Staaten und ist auf Verträge in Schriftform beschränkt.[5] Die Wiener Vertragsrechtskonvention selber ist ein völkerrechtlicher Vertrag und entfaltet seine Bindungswirkung daher nur inter partes.[6]

Ein völkerrechtlicher Vertrag ist jede zwischen zwei oder mehreren Staaten bzw. anderen vertragsfähigen Völkerrechtssubjekten getroffene Vereinbarung, die dem Völkerrecht unterliegt.[7] Die Vertragsparteien eines völkerrechtlichen Vertrages können nur völkerrechtliche Subjekte sein. Dies sind die Staaten und die Internationalen Organisationen sowie die sonstigen traditionell als Völkerrechtssubjekte anerkannten Verbandeinheiten. Der Vertrag im Völkerrecht hat eine vielfältige Funktion. Er dient nicht nur der Verfügung über individuelle Rechtspositionen, sondern auch der Erzeugung künftiger Verhaltensnormen. Die völkerrechtlichen Verträge als Hauptquelle des Völkerrechts sind das vorherrschende und wichtigste Instrument für die Entwicklung der internationalen Rechtsordnung.

Es ist folgendes Verfahren zum Abschluß eines Vertrages üblich: Die Vorbereitung des Abkommens erfolgt häufig in Gremien. Die vorläufigen Ergebnisse dieser Verhandlungen werden durch Paraphierung, also durch Zeichnung mit dem Namenskürzel bestätigt. Der Vertragstext wird damit endgültig und authentisch festgelegt und in einer nächsten Stufe, der Unterzeichnung, vollzogen.[8] Die eigentliche Vertragsbindung wird in der Regel durch Austausch von Urkunden besiegelt.[9] Im „zusammengesetzten Verfahren“ ist in diesem Schritt ein innerstaatliches Verfahren, zumeist eine parlamentarische Zustimmung, vorgeschaltet, die mit der Ratifikation endet.[10] Das Inkrafttreten des Vertrages erfolgt zu dem von den Parteien im Vertrag selbst bestimmten Zeitpunkt.[11] Die Wiener Vertragsrechtskonvention sieht vor, dass die Vertragsurkunden und Willenserklärungen beim Depositar hinterlegt und von diesem verwahrt werden.[12] Außerdem ist nach Art. 102 UN-Charta der Vertrag dem UN-Sekretariat zur Registrierung zu übermitteln.[13] Die Veröffentlichung des Vertrages erfolgt in der amtlichen UN-Sammlung.[14] Grundsätzlich gilt der Vertrag für das gesamte Hoheitsgebiet und in zeitlicher Hinsicht ex nunc, soweit die Parteien nichts anderes beschließen.[15]

All dies spiegelt sich auch in dem Vertrag von 1977[16] wider. Mit ihm fing die erste Vereinbarung über den Bau des Wassekraftwerkes an.

I.2. Zeittafel der tatsachlichen und rechtlichen Entwicklung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[17][18][19][20][21]

I.3. Vertrag vom 16.9.1977 über die Errichtung des Wasserkraftwerkes

Das Wasserkraftsystem Gabčíkovo ist ein Musterbeispiel der Großplanung entlang eines 200 Kilometer langen Abschnittes des zweitgrößten Flusses Europas. Das betroffene Gebiet umfaßt etwa 500 km². Es ist klar, dass eine Investition diesen Ausmaßes auch einen großen Einfluss auf die Wirtschaft der beteiligten Länder, sowie auf das Ökosystem und die Einwohner dieses Gebietes ausüben wird. Für diesen Bau des Wassekraftwerkes und für alle anderen Fragen ist eine rechtliche Grundlage ausgehandelt worden. Es handelt sich dabei um einen völkerrechtlichen Vertrag, „…eine zwischen Völkerrechtssubjekten getroffene Übereinkunft, auf der völkerrechtlichen Ebene eine rechtlich bindende Verpflichtung zu schaffen…“.[22]

I.3.1.1. Das Ziel des Projekts

Der Vertrag zwischen Ungarn und der damaligen Tschechoslowakei legt die Bedingungen des Betriebes des Werkes fest. In der Einleitung ist das Ziel des Projektes genannt: „… Aus gemeinsamen Interesse und um die allseitige Nutzung der Naturquellen der Donau für den Ausbau der Wasserwirtschaft, Energie, Verkehr, Landwirtschaft und andere Gebieten, … zu nutzen …, haben sich die Vertragsparteien entschieden, den Vertrag über den Bau und den Betrieb des Wasserkraftwerk Gabčíkovo-Nagymaros zu schließen….“[23]

Der Vertrag gliedert sich in acht Kapitel mit diversen Artikeln und Paragraphen:

- Im ersten Kapitel sind der Gegenstand des Vertrages und die gemeinsamen und staatliche Investitionen festgelegt.
- Das zweite Kapitel nennt die Voraussetzungen für die Ausführung des Vertrages.
- Das dritte Kapitel sagt etwas zur Realisierung des Wasserkraftwerkes.
- Das vierte Kapitel handelt vom Betrieb des Wassekraftwerkes.
- Das fünfte Kapitel stellt die Bedingungen fest, die das Wasserkraftwerk erfüllen muss.
- Das sechste Kapitel regelt den Verkehr auf der Donau.
- Das siebte Kapitel trägt den Titel „Lösung der streitigen Fragen“.
- Das achte Kapitel beinhaltet die abschließenden Bestimmungen.

In der Form, wie es die Parteien vereinbart haben, war der völkerrechtliche Vertrag als zwischenstaatliche Vereinbarung in den Gesetzessammlungen der Tschechoslowakei und Ungarns unter den dort geltenden rechtlichen Voraussetzungen bekanntgemacht worden. Eine englische Fassung des Vertrages wurde im Sekretariat der Vereinigten Nationen hinterlegt.[24]

Die Aufgaben des Wassekraftwerkes sind in den Artikeln 13 bis 17[25] niedergelegt. Es handelt sich dabei um den Schutz der Uferstaaten vor Überschwemmungen und Eis, den Schutz der Wasserqualität und die Nutzung des Wassers aus dem Donaubett.[26]

Nach Artikel 1, Kapitel 1 des Vertrages 1977[27] wurde vereinbart: „…Die Vertragsparteien werden gemeinsam das Wasserkraftwerk Gabčíkovo-Nagymaros bauen wie die gemeinsame Investition, bestehend aus dem Wasserkraftwerk Gabčíkovo und aus dem Wasserkraftwerk Nagymaros, die ein gemeinsames, ungetrenntes, betriebliches System bilden…“.[28]

§1 des Artikels 2 regelt: „…In der Bindung an die gemeinsame Investition und im Interesse der Nutzung des Wasserkraftwerkes realisieren die Vertragsparteien die staatlichen Investitionen, die ausdrücklich nur deren Interesse und Zielen dienen…“ Es wurde die Beteiligung der Parteien an der Finanzierung des ganzen Baus festgelegt. §2 des Artikels 2 lautet: „…Die Kosten für die staatlichen Investitionen trägt in der vollen Verantwortlichkeit jede Vertragspartei…“ Der Vertrag ging also davon aus, dass jede von den Vertragsparteien allein die volle Verantwortung für die Investitionshöhe ihres Anteils tragen wird. Was außerdem eine wesentliche Rolle in diesem Zusammenhang spielt, ist in Kapitel III §1 Absatz 4 niedergelegt: „…Die gemeinsame Investition wird man nach der Realisierung des gemeinsamen Vertragsprojekts tätigen…“. Zu dem Vertrag wurde schließlich auch ein gemeinsames Projekt erarbeitet, das gemeinsame technische Parameter und alle Daten, die für die Realisierung des Projektes nötig sind, beinhaltet. Sehr genau sind dort auch die einzelnen Objekte beschrieben, für welche jede der beiden Seiten die volle Verantwortung trägt.

Der Vertrag legt außerdem fest, dass sich „…nicht der Verlauf der Grenze, die durch die Donau führt, ändern soll, sondern nur ihr Charakter…“[29] Entsprechend dem Friedensvertrag von Trianon war die Grenze auf der Hauptschiffahrtslinie plaziert, die sich von Zeit zu Zeit zusammen mit dem Thalweg verschieben konnte. Nach dem Ausbau des Kraftwerks wird sie in diesem Abschnitt fest auf der Schiffahrtslinie, entsprechend dem Stand von September 1977, verlaufen, obwohl ein Großteil des Durchflusses und die neue Schiffahrtslinie im Bereich von Gabčíkovo in den Seitenkanal verlegt wurde.[30]

I.3.1.2. Die Pflicht zum Schutz der Umwelt

Die Naturschutzpflicht regelt die Artikel 15, 19 und 20 des Vertrages:

„…Jeder Partei ist die Pflicht auferlegt, ihr zugewiesenes Objekt so zu bauen und zu betreiben, dass die Wasserqualität, der Zustand der Umwelt und die Interessen der Fischzucht nicht gefährdet werden…“.

Der ökologische Zustand der Natur wurde im Rahmen der Projektarbeiten studiert und es wurden Maßnahmen empfohlen, um mögliche negative Auswirkungen zu mildern, oder sogar in positive zu transformieren. Da die Probleme der Senkung des Wasserspiegels im Donaubett nach Ableitung eines wesentlichen Teiles des Durchflusses in den Seitenkanal durch den Ausbau einiger Schwellen gelöst werden sollten, haben die Vertragsparteien einen Erhaltungsdurchfluss im Donaubett von 50 bis 200 Kubikmeter pro Sekunde bestimmt, welcher die biologischen Funktionen des Flusses in der Region sichert.[31]

I.3.1.3. Die Verantwortlichkeit und Haftung

Die Haftung für die entstehenden Schäden, die durch eine der beiden Seiten verursacht werden könnten, regelt der Vertrag ebenfalls. Jede Seite ist verantwortlich:

„a) für ausgeführte Arbeiten im Rahmen der gemeinsamen Investition, nach dem Artikel des Gemeinsamen Projekts
b) für die Inbetriebnahme des Wasserkraftwerkes und im Gemeinsamen Projekt realisierte Objekt, für deren betriebsfähigen Zustand, sowie für die Lagerung der Substanz dieser Objekte.“

Jeder Seite wurde die Verantwortung für Ausbau und Betrieb gewisser Objekte zugewiesen. Da der größte Teil des Projektes auf slowakischem Boden lag, hat Ungarn auch die Verantwortung für folgende Objekte zugewiesen bekommen: Den Ableitungskanal, den rechtsseitigen Damm des Staubeckens, die Abdämmung der Donau bei Dunakiliti und den Verbindungsdamm zum Kanal weiterhin für die Maßnahmen im Donaubett entlang des Seitenkanals und für die Vertiefung der Donau unterhalb der Kanalmündung.

Der Vertrag regelt sämtliche Einzelheiten vor, während und nach dem Bau des Wasserkraftwerkes. Nicht geringe Bedeutung hat auch der Artikel über die Teilung von Kosten und Gewinnen. Er bestimmt die gleiche Beteiligung an Kosten und erzeugter Energie – obwohl 55% des Hydropotentials auf dem Gebiet der ČSFR liege.

Jede der Vertragsparteien ist allein verantwortlich für die Schäden, die während der Bauarbeiten eintreten - auch für Schäden, die durch Dritte verursacht werden. Die Vertragsparteien haften für alle Schäden, die durch die Inbetriebnahme der Objekte verursacht werden. Die jeweilige Partei ist auch verpflichtet, alle Schäden, die durch Verzögerungen oder bauliche Mängel in der Fertigstellung des Wasserkraftwerkes entstehen könnten, der andere Seite oder den Dritten zu erstatten.[32]

I.3.1.4. Das Verfahren

In Kapitel XII und in Artikel 27 findet sich die Regelung über die Lösung der möglichen Streitigkeiten. Diese bleiben in dem Interessensfeld der Regierungsbeauftragten für die jeweilige Vertragspartei: „…Wenn der Fall eintritt, dass sie keine Einigung finden können, dann legen sie dies den Regierungen der Vertragsparteien vor…“.

Dieser zwischenstaatliche Vertrag über den Ausbau und Betrieb des Wassekraftwerkes wurde mit den jeweiligen Protokollen am 16.9.1977 durch die Premierminister Gyorgy Lázár und Ľubomír Štrougal gemäß Artikel 28 unterschrieben. Danach wurden die Ratifikationsurkunden auf einem Treffen in Prag ausgetauscht. Der Vertrag ist am 30. Juni 1978 in Kraft getreten und in der Vertragssammlung der Vereinten Nationen (UNTS) registriert und veröffentlicht.[33] Artikel 28 enthält die Schlußklauseln. Der Vertag trat durch den Austausch der Urkunden in Kraft. Er ist in ungarischer, slowakischer und englischer Fassung ausgefertigt.

„…Der Vertrag ist ein seriöser Ausdruck zwischenstaatlicher Beziehungen zwischen zwei Völkern auf dem ausgewählten Gebiet der Regelung…“.[34]

II. Das Urteil vom 25.9.1997

II.1. Vereinbarung über die gerichtliche Streitbeilegung

In der internationalen Praxis haben sich seit langem unterschiedliche Mittel der Streitbeilegung herausgebildet. An traditionelle Vorgehensweisen knüpft die folgende Auflistung: Verhandlung, Untersuchung, Vermittlung, Vergleich, Schiedsspruch, gerichtliche Entscheidung.[35] Verhandlung, Untersuchung, Vermittlung und Vergleich lassen sich als sogenannte diplomatische Verfahren bezeichnen. Ihre Eigenart besteht darin, daß die Streitparteien die Kontrolle über den Konflikt behalten und deshalb vorgeschlagene Lösungen akzeptieren oder verwenden können. Demgegenüber verlangen die streitabschließenden Entscheidungsverfahren – Schiedsspruch, Entscheidung eines Gerichts – daß die Parteien bereit sind, das Ergebnis der streitentscheidenden Instanz von vornherein als bindend zu akzeptieren.[36] Im Kontext der friedlichen Streitbeilegung kommt dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag eine besondere Stellung zu. Ihm sollen die Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten der UN unterbreitet werden.[37]

Schiedsgerichte können ad hoc vereinbart und gebildet werden. Sie entscheiden ausschließlich über einen zwischen den Parteien bereits entstandenen Konfliktfall. Ein – meist schriftlich geschlossener – Schiedsvergleich (Kompromiß) legt den Streitgegenstand, die Zusammensetzung des Schiedsgerichts, dessen Entscheidungsmaßstab und das Verfahren fest. Sind die Bestimmungen über das anwendbare Recht oder Verfahren im Schiedsvergleich zunächst nicht getroffen worden, ergibt sich aus diesem die Verpflichtung der Parteien, die offen geblieben Fragen in einer weiteren Vereinbarung zu klären.[38]

Mit dem Brief vom 2.7.1993, der dem Kanzler des Internationalen Gerichtshofes überreicht worden ist, haben der Botschafter der Ungarischen Republik in Holland und der Chargé ď affairs ad interim der Slowakischen Republik dem Gericht ein Sonderabkommen vorgelegt, das am 7. April 1993 im Brüssel unterzeichnet worden ist. In Kraft trat es am 28.4.1993 mit dem Austausch der Urkunden.

Der Text des Sonderabkommens lautet: „…Die Slowakische Republik und die Ungarische Republik haben in Betracht gezogen, dass der Streit zwischen der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik und der Ungarischen Volksrepublik entstanden ist und die Erfüllung des Vertrages über die Errichtung und Inbetriebsetzung des Wasserkraftwerkes Gabčíkovo-Nagymaros, in Budapest am 16.9.1977 unterzeichnet worden ist und auch die zusammenhängenden Dokumente über die Errichtung und Betriebssetzung der befristeten Lösung der Variante C. Sie haben in Betracht gezogen, dass die Slowakische Republik ein Nachfolgestaat ist, was die Rechte und Pflichten des Projekts anbelangt …“[39]

Gleichzeitig erkennen beide Parteien an, dass sie nicht in der Lage waren, den Streit durch Verhandlungen zu lösen. Deswegen entschieden sie sich, den Streit wegen aller Aspekte der Verpflichtungen aus dem Projekt Gabčíkovo-Nagymaros einem internationalen Schiedsgericht oder dem Internationalen Gerichtshof zu unterbreiten. Die Seiten erhofften sie sich die Lösung durch das Gericht. Bis zum Urteil werden die Parteien eine vorläufige Lösung für das Wasserkraftwerk vereinbaren, die in Verhandlungen gemeinsam abgesprochen wird.[40] Die Parteien haben dem Gericht die Fragen vorgelegt. Die Vorlage der Fragen stimmt mit Art.40 Abs. 1 des Statuts des Internationalen Gerichtshofes überein.

Beide Parteien legten am 2. Juli 1993 den Streit dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag vor und baten um Antwort auf vier gemeinsam formulierte Fragen:

- War Ungarn berechtigt den Vertrag zu kündigen?
- War die Tschechoslowakei berechtigt, den Bau 1991 mit der Variante C fortzusetzen und Gabčíkovo im Oktober 1992 einseitig in Betrieb zu nehmen?

[...]


[1] Entschädigung von Gabcíkovo, www.pravda.sk.

[2] Wiener Vertragsrechtskonvention – WVK,( BGBl.1985 II,926).

[3] WVKIO, BGBl. 1990 II,1414.

[4] IML 1978,1488.

[5] Vgl. Art.2, Abs.1 lit.a u. Art.3 WVK.

[6] Unter den Gleichen.

[7] Vgl. Ipsen, S. 97.

[8] Vgl.Art.10 WVK.

[9] Vgl.Art.13 WVK.

[10] Vgl. Graf Vitzthum, Völkerecht, S.74 ff.

[11] Vgl.Art.24 Abs.1 WVK.

[12] Vgl. 76 ff WVK.

[13] Vgl. Art.80 WVK.

[14] UNTS – Registration Number:17134, Jahr:1978.

[15] Vgl. Art.28 WVK u. Art.29 WVK.

[16] Vertrag zwischen Tschechoslowakische sozialistische Republik und der ungarische Volksrepublik über die Bau des Wassekraftwerkes Gabčíkovo-Nagymaros, Zb.č.109/1978, S. 482, Band 25, UNTS – Registration Number:17134.

[17] Slowakischen Teil des WKWs.

[18] Ungarischen Teil des WKWs.

[19] WKW-Wasserkraftwerk.

[20] N.B. Erstmalig in der Geschichte des Internationalen Gerichtshofes führte damit das Gremium der Richter einen Ortstermin durch.

[21] Lejon, Egil, Gabcíkovo-Nagymaros, Old and New Sins, S.30-35.

[22] Binder, Prečo nemá Gabcíkovo Nagymaros? (Warum hat nicht Gabcíkovo auch Nagymaros?), S.30.

[23] Lejon, Egil, Gabčíkovo-Nagymaros, Old and New Sins, S.55-60.

[24] UNTS – Registration Number:17134, Jahr:1978.

[25] Wortlaut siehe Anlage zur Magisterarbeit.

[26] Mucha, Pleinipotentiary of the SR for construction and operation of the Gabčíkovo – Nagymaros-Hydropower Scheme, S.101-120.

[27] Vertrag zwischen Tschechoslowakische sozialistische Republik und der ungarische Volksrepublik über die Bau des Wassekraftwerkes Gabčíkovo-Nagymaros, Zb.č.109/1978, S. 482, Band 25, UNTS – Registration Number: 17134.

[28] Binder, Prečo nemá Gabcíkovo Nagymaros?(Warum hat nicht Gabčíkovo auch Nagymaros?), S.45.

[29] Artikel 22, Vertrag zwischen Tschechoslowakische sozialistische Republik und der ungarische Volksrepublik über die Bau des Wassekraftwerkes Gabčíkovo-Nagymaros, Zb.č.109/1978, S. 482, Band 25, UNTS – Registration Number: 17134.

[30] Lejon, Gabcíkovo – Nagymaros, Old and New Sins, S.55-60.

[31] Binder, Preco nemá Gabcíkovo Nagymaros? (Warum hat nicht Gabcíkovo auch Nagymaros?), S.45.

[32] Artikel 28, Vertrag zwischen Tschechoslowakische sozialistische Republik und der ungarische Volksrepublik über die Bau des Wassekraftwerkes Gabcíkovo-Nagymaros, Zb.č.109/1978, S. 482, Band 25, UNTS – Registration Number:17134, Jahr: 1978.

[33] UNTS – Registration Number:17134, Jahr:1978, Vol.236,p.241.

[34] Klein, Statusverträge im Völkerrecht, S. 55.

[35] Art.33 Abs.1 UN-Charta.

[36] Vgl Graf Vitzthum, S. 555 ff.

[37] Art.36 Abs.3 UN Charta.

[38] Vgl. Graf Vitzthum, S. 560.

[39] Sonderabkommen am 7. April 1993 im Brüssel unterzeichnet.

[40] Binder, Prečo nemá Gabčíkovo Nagymaros?(Warum hat nicht Gabčíkovo auch Nagymaros?),S.55.

Ende der Leseprobe aus 72 Seiten

Details

Titel
Die Entwicklung des Vertragsrechts am Beispiel des IGH-Urteils Gabcíkovo-Nagymaros
Hochschule
Universität Hamburg  (Master of Law)
Veranstaltung
Master of Law
Note
cum laude
Autor
Jahr
2001
Seiten
72
Katalognummer
V11398
ISBN (eBook)
9783638175708
ISBN (Buch)
9783638717151
Dateigröße
601 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Völkerecht
Arbeit zitieren
Ivana Urbanová (Autor:in), 2001, Die Entwicklung des Vertragsrechts am Beispiel des IGH-Urteils Gabcíkovo-Nagymaros, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11398

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