Als von Gott Berufene schreibt Mechthild von Magdeburg im 13. Jahrhundert ihr großes Werk Das fließende Licht der Gottheit. In sieben Büchern, die zusammen das Fließende Licht ergeben, beschreibt sie ihre Gottesvisionen und Offenbarungen. Dabei sind immer wieder Bezüge zum Minnesang, zum ins Volksprachliche übertragenen Hohelied und zu biblischen Erzählungen erkennbar. Das Liebesgespräch wird zur Grundlage ihres Werks: Mechthild hat es als erste konsequent als Modell der Gotteserfahrung verwendet, nachdem die theologische Tradition durch eine entsprechende mystische Exegese des Hohen Liedes die Vorraussetzung dafür geschaffen hatte.2 Vor allem der dialogische Aspekt des Liebesgespräches und die besondere (sprachliche) Beziehung, die die liebenden Gesprächspartner verbindet, rückt dabei in den Mittelpunkt. Das Verhältnis des Ichs zum Anderen drückt sich besonders im Dialog aus und gewinnt hier eine subtile, der Sprachtheorie nahestehende Aussagekraft. In seinen Grundlinien weist dieses Denken indes - auch wenn es auf den ersten Blick spezifisch modern wirkt - zurück auf eine lange Tradition, in der das anthropologische Verständnis sich verwiesen sieht auf eine konstitutive Funktion des Verhältnisses des einzelnen Menschen zum Du und zu seiner Umwelt.3 Mechthilds Dialoge der sele mit der minne sind mehr als literarische Beweise ihrer Gottesliebe. Vielmehr verbindet sie theologische Erkenntnisse im Dialog mit künstlerischer Textrezeption und einem Gottesverständnis, das in einer fast gleichberechtigten Liebe zu Gott besteht. Der Dialog wird damit zu mehr als einem stilistischen Mittel und gewinnt eine immanente Aussagekraft, die durch Mechthilds fragmentarischen Schreibstil verstärkt zur Geltung kommt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Mechthild von Magdeburg
2.1 Biographie
2.2 Das fließende Licht der Gottheit
2.2.1 Quellenlage
2.2.2 Aufbau und Inhalt
3. Der Dialog und Das fließende Licht der Gottheit
3.1 Dialoge in Philosophie und Literatur
3.1.1 Der Dialog in der christlichen Mystik
3.2 Der Liebesdialog bei Mechthild
4. Fazit: Mechthilds existenzielles Anliegen
Bibliographie
1. Einleitung
Dis buch sol man gerne enpfan, wan got sprichet selber du wort1
Als von Gott Berufene schreibt Mechthild von Magdeburg im 13. Jahrhundert ihr großes Werk Das fließende Licht der Gottheit.
In sieben Büchern, die zusammen das Fließende Licht ergeben, beschreibt sie ihre Gottesvisionen und Offenbarungen. Dabei sind immer wieder Bezüge zum Minnesang, zum ins Volksprachliche übertragenen Hohelied und zu biblischen Erzählungen erkennbar.
Das Liebesgespräch wird zur Grundlage ihres Werks:
Mechthild hat es als erste konsequent als Modell der Gotteserfahrung verwendet, nachdem die theologische Tradition durch eine entsprechende mystische Exegese des Hohen Liedes die Vorraussetzung dafür geschaffen hatte.2
Vor allem der dialogische Aspekt des Liebesgespräches und die besondere (sprachliche) Beziehung, die die liebenden Gesprächspartner verbindet, rückt dabei in den Mittelpunkt. Das Verhältnis des Ichs zum Anderen drückt sich besonders im Dialog aus und gewinnt hier eine subtile, der Sprachtheorie nahestehende Aussagekraft.
In seinen Grundlinien weist dieses Denken indes - auch wenn es auf den ersten Blick spezifisch modern wirkt - zurück auf eine lange Tradition, in der das anthropologische Verständnis sich verwiesen sieht auf eine konstitutive Funktion des Verhältnisses des einzelnen Menschen zum Du und zu seiner Umwelt.3
Mechthilds Dialoge der sele mit der minne sind mehr als literarische Beweise ihrer Gottesliebe. Vielmehr verbindet sie theologische Erkenntnisse im Dialog mit künstlerischer Textrezeption und einem Gottesverständnis, das in einer fast gleichberechtigten Liebe zu Gott besteht.
Der Dialog wird damit zu mehr als einem stilistischen Mittel und gewinnt eine immanente Aussagekraft, die durch Mechthilds fragmentarischen Schreibstil verstärkt zur Geltung kommt.
2. Mechthild von Magdeburg
2.1 Biographie
Mechthild von Magdeburg wurde vermutlich um 1207 in der Nähe von Magdeburg geboren. Ihre Lebensdatendaten wurden größtenteils von biographischen Anmerkungen in ihrem Werk abgeleitet. Dies lässt viel Raum für Spekulationen: So schreibt Hans Neumann im Verfasserlexikon, dass sie 1230 aus dem Elternhaus nach Magdeburg „flüchtete“ 4. Unter welchen Bedingungen Mechthild ihre Entscheidung traf und welchen Möglichkeiten ihr offen standen bzw. welchen Zwängen sie ausgesetzt war, ist aber aus heutiger Sicht aufgrund mangelnder Informationen nur schwer zu beurteilen.
Die Entscheidung sich von ihrem wahrscheinlich recht behüteten, wohlhabenden Leben abzuwenden, begründet Mechthild selbst mit ihrer ersten Visionsehrfahrung mit 12 Jahren, die sie in das Fließende Licht beschreibt:
Ich unwirdigu sunderin wart gegrusset von dem heligen geiste in minem zwolften jare also vliessende sere, do ich was alleine, das ich niemer mere mohte erliden, das ich mich zu einer grossen teglichen sunde nie mohte erbieten..5
Der in ihren Schriften erkennbare Bildungsgrad legt nahe, dass sie höfisch erzogen wurde.6 Zudem weiß man, dass ihr leiblicher Bruder Balduin zum Subprior des Hallenser Prediger- klosters ernannt wurde und sie in Kontakt mit Bruder und Familie stand.7
Nach der Trennung von ihrem Elternhaus, lebt sie für mehrere Jahre in einem Magdeburger Beginenhaus in freiwilliger Armut und Frömmigkeit.
Es wird davon ausgegangen, dass sie um 1250 mit der Arbeit an dem fließenden Licht der Gottheit begann.8 Unterstützt wird sie von ihrem dominikanischen Beichtvater Heinrich von Halle, der wenn nicht als Mentor, so doch als motivierender Kritiker ihres Werks gilt.
Ca. 1270 zieht sich Mechthild in das Zisterzienserinnenkloster der Nonnen von Helfta zurück, wo sie 1982 bzw. 1294 stirbt.9
Die Differenz von 12 Jahren zwischen den beiden möglichen Todesdaten deutet an, wie schwierig der Schreibprozess und die Textkomposition für heutige Forscher/ innen nachzuvollziehen ist.
[...]
1 Magdeburg, Mechthild von: Das fließende Licht der Gottheit. Herausgegeben von Gisela Vollmann-Profe. Frankfurt am Main 2003. FL Buch I, Prolog, S.18
2 Haug, Walter: Das Gespräch mit dem unvergleichlichen Partner. Der mystische Dialog bei Mechthild von Magdeburg als Paradigma für eine personale Gesprächsstruktur. In: Das Gespräch. Herausgegeben von Karlheinz Stierle und Rainer Warning. München 1984. S. 275
3 Largier, Niklaus: Anima mea liquefacta est. Der Dialog der Seele mit Gott bei Mechthild von Magdeburg und Heinrich Seuse, in: IKaZ 16 (1987), S. 227
4 Neumann, Hans: Mechthild von Magdeburg. In: Ruh, Kurt (Hrsg.): Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon., Berlin/ N.Y. 1987, S. 260
5 FL Buch IV, Kapitel II, S.228
6 Vgl. Vollmann-Profe, Gisela: Mechthild von Magdeburg. In: Killy, Walter (Hrsg.): Literatur Lexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache. München 1990
7 Vgl. Neumann 1987, S. 261 und FL Buch VI, Kapitel XLII, S.516: Am Ende des sechsten Buches findet sich eine kurze Notiz, die an ihren Bruder gerichtet ist und ihn auffordert sich dem Willen Gottes freudig zu ergeben. 8 Vgl. Vollmann-Profe 1990, S. 41
9 Die Meinungen der Forscher gehen hier deutlich auseinander. Vgl. Stölting, Ulrike: Christliche Frauenmystik im Mittelalter. Historisch-theologische Analyse. Mainz 2005, S. 163
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