Als am 25. März 1957 die sogenannten „Römischen Verträge“ unterzeichnet wurden und damit die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) gegründet wurde, stand die Schaffung einer gemeinsamen europäischen Marktwirtschaft als Ziel im Vordergrund. An das Gesundheitswesen dachte zu diesem Zeitpunkt niemand. Die Zuständigkeit und Kompetenz für die Gesundheitspolitik und die Ausgestaltung bzw. Organisation der Gesundheitssysteme lag damals wie heute bei den einzelnen Gründungsstaaten der EWG bzw. heute bei den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU). Trotzdem und gerade wegen des Fortschreitens des europäischen Integrationsprozesses gewinnt die Gesundheitspolitik und das Sozialrecht immer mehr an Bedeutung. Zwischen der supranationalen Wirtschafts- und Währungspolitik und der Gesundheits- bzw. Sozialpolitik bestehen Interdependenzen. Die Krankenversicherung als Zweig des Gesundheitswesens wird immer mehr von den Regeln und den Urteilen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) beeinflusst. Das Gesundheitswesen ist in allen Mitgliedsstaaten der EU ein erheblicher Wirtschaftssektor mit enormen Beschäftigungszahlen und Finanzvolumen. Auch im Hinblick auf die demografische Entwicklung der europäischen Wirtschaftsländer wird ein leistungsfähiges Gesundheitssystem im europäischen Kontext zu einer noch größeren Gewichtung führen. Die Krankenversicherung ist Teil der Gesundheitspolitik und gliedert sich speziell in das Sozialrecht ein. Sozialrecht bezieht sich auf das Recht der sozialen Sicherheit und der Sozialhilfe. Beide werden als System des „sozialen Schutzes“ bezeichnet und bestehen seit mehreren Jahrzehnten in allen europäischen Staaten. Es umfasst im Wesentlichen die Einrichtungen sozialer Vorsorge für die Risiken Krankheit und Mutterschaft, Alter und Invalidität, Arbeitsunfall und Berufskrankheiten, Arbeitslosigkeit, die Familienleistungen sowie die Sozialhilfe. Der Inbegriff dieser Einrichtungen bildet das Sozialrecht.
Die Instrumente zur Errichtung eines gemeinsamen Binnenmarktes waren und sind vor allem die Markt- und Grundfreiheiten, also der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital. Diese Grundfreiheiten haben erheblichen Einfluss auf die nationalen gesetzlichen Krankenversicherungssysteme der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU), obwohl der EG-Vertrag einschlägige Rechtssetzungsbefugnisse der EG nur im Bereich der Freiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit vorsieht.[...]
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- Problemstellung und Motivation für die Themenwahl
- Gesundheitssysteme – keine zwei, die gleich sind
- Ziel, Inhalt und Aufbau der Arbeit
- DIE DEUTSCHE KRANKENVERSICHERUNG INNERHALB DES EG-RECHTS
- Historische Entwicklung der Krankenversicherung innerhalb des EG-Rechts
- Rechtssetzungsbefugnisse der EU auf dem Gebiet der Krankenversicherung
- Grenzüberschreitende Leistungsinanspruchnahme für deutsche Versicherte
- Koordinierung versus Harmonisierung in der Krankenversicherung
- EINFLUSS DER GRUNDFREIHEITEN AUF DIE GKV IN DEUTSCHLAND
- Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Freier Personenverkehr)
- Freizügigkeit der Arbeitnehmer als Grundfreiheit des europäischen Binnenmarktes
- Freizügigkeit der Arbeitnehmer im Kontext zur gesetzlichen Krankenversicherung
- Niederlassungsfreiheit (Freier Personenverkehr)
- Niederlassungsfreiheit als Grundfreiheit des europäischen Binnenmarktes
- Niederlassungsfreiheit im Kontext zur gesetzlichen Krankenversicherung
- Dienstleistungsfreiheit
- Dienstleistungsfreiheit als Grundfreiheit des europäischen Binnenmarktes
- Dienstleistungsfreiheit im Kontext zur gesetzlichen Krankenversicherung
- Warenverkehrsfreiheit
- Warenverkehrsfreiheit als Grundfreiheit des europäischen Binnenmarktes
- Warenverkehrsfreiheit im Kontext zur gesetzlichen Krankenversicherung
- KOORDINIERUNGSENTWICKLUNGEN DER EU IM GESUNDHEITSWESEN
- Europäisches koordinierendes Sozialrecht
- Grundsätzliche Entscheidungen des EuGH für das Sozialrecht
- Urteile im Zusammenhang mit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer
- Rechtssache Rindone 22/86 vom 12. März 1987
- Rechtssache Paletta C-45/90 vom 3. Juni 1992
- Urteile im Zusammenhang mit der Warenverkehrsfreiheit
- Urteile im Zusammenhang mit der Niederlassungsfreiheit
- Urteile im Zusammenhang mit der Dienstleistungsfreiheit
- Rechtssache Kohll C-158/96 vom 28. April 1998
- Rechtssache Smits / Peerbooms / Vanbraekel C-157/99 und C-368/98 vom 12. Juli 2001
- Rechtssache Müller-Fauré / van Riet C-385/99 vom 13. Mai 2003
- SPANNUNGSVERHÄLTNIS ZWISCHEN WETTBEWERB UND REGULIERUNG IM BINNENMARKT (AUSWIRKUNG DES EU-WETTBEWERBSRECHTS)
- Die Besonderheiten des Marktes für Gesundheitsdienstleistungen
- Der europäische Gesundheitsmarkt im Wandel am Beispiel der deutschen GKV
- Spannungsverhältnis von Wettbewerb und Daseinsvorsorge
- DIE REFORM DES EUROPÄISCHEN KOORDINIERENDEN SOZIALRECHTS
- VO (EG) Nr. 883/2004
- Die VO (EG) Nr. 883/2004 aus Sicht der gesetzlichen Krankenversicherung
- Die VO (EG) Nr. 883/2004 aus der Sicht der deutschen Sozialpolitik
- Die neue europäische Sozialrechtskoordinierung
- Die EU-Dienstleistungsrichtlinie
- Die EU-Gesundheitsrichtlinie
- KOORDINIERUNGSCHWIERIGKEITEN IM DEUTSCH - ÖSTERREICHISCHEN GRENZGEBIET
- Erwartungen bei grenzüberschreitenden Gesundheitsdienstleistungen aus Sicht der deutsch - österreichischen Grenzbevölkerung
- Hintergrund und Untersuchungsziele
- Untersuchungsergebnisse
- Soziodemografischer Teil
- Offene Fragen
- Zusammenfassung des inhaltlichen Teils
- Verbesserungsansätze für die Vision,,Gesundheit ohne Grenzen“
- Notfallversorgung
- Informationsbedarf an Versicherte
- Einfacher Zugang zu grenzüberschreitenden Leistungen
- Einzelverträge mit ausländischen Leistungserbringern
- Grenzüberschreitende Zusammenarbeit im deutsch - österreichischen Grenzbereich
- Informationen an Leistungserbringern über die europäische Krankenversichertenkarte
- Elektronische Lesbarkeit von nationalen Krankenversicherungskarten
- Ergänzende Leistungsabdeckung
- FAZIT UND ZUSAMMENFASSUNG
- Anhang
- Literaturverzeichnis
- Anlage
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit befasst sich mit den Auswirkungen der Grundfreiheiten des EG-Vertrages auf die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland, insbesondere im Kontext der deutsch-österreichischen Grenzregion. Die Arbeit analysiert die rechtlichen Rahmenbedingungen und die praktische Umsetzung der Grundfreiheiten im Gesundheitswesen, wobei ein besonderer Fokus auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Niederlassungsfreiheit, die Dienstleistungsfreiheit und die Warenverkehrsfreiheit gelegt wird. Ziel ist es, die Herausforderungen und Chancen der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung im Lichte der europäischen Integration zu beleuchten und Lösungsansätze für eine effiziente und patientenorientierte Gesundheitsversorgung in der Grenzregion zu entwickeln.
- Rechtliche Rahmenbedingungen der Grundfreiheiten im Gesundheitswesen
- Auswirkungen der Grundfreiheiten auf die gesetzliche Krankenversicherung
- Koordinierung und Harmonisierung im europäischen Gesundheitswesen
- Herausforderungen und Chancen der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung
- Lösungsansätze für eine effiziente und patientenorientierte Gesundheitsversorgung in der Grenzregion
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Problemstellung und die Motivation für die Themenwahl dar. Sie erläutert die Besonderheiten der Gesundheitssysteme und die Relevanz der europäischen Integration für die Gesundheitsversorgung. Die Arbeit gliedert sich in sieben Kapitel, die sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen, den Auswirkungen der Grundfreiheiten auf die gesetzliche Krankenversicherung, den Koordinierungsentwicklungen der EU im Gesundheitswesen, dem Spannungsverhältnis zwischen Wettbewerb und Regulierung im Binnenmarkt, der Reform des europäischen koordinierenden Sozialrechts und den Koordinierungsschwierigkeiten im deutsch-österreichischen Grenzgebiet befassen.
Kapitel 2 beleuchtet die historische Entwicklung der Krankenversicherung innerhalb des EG-Rechts und die Rechtssetzungsbefugnisse der EU auf dem Gebiet der Krankenversicherung. Es werden die rechtlichen Grundlagen für die grenzüberschreitende Leistungsinanspruchnahme für deutsche Versicherte sowie die Koordinierungs- und Harmonisierungsbestrebungen der EU im Bereich der Krankenversicherung dargestellt.
Kapitel 3 analysiert den Einfluss der Grundfreiheiten auf die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland. Es werden die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Niederlassungsfreiheit, die Dienstleistungsfreiheit und die Warenverkehrsfreiheit im Kontext der gesetzlichen Krankenversicherung betrachtet. Die Kapitel beleuchtet die rechtlichen Rahmenbedingungen, die praktischen Auswirkungen und die Herausforderungen, die sich aus der Anwendung der Grundfreiheiten im Gesundheitswesen ergeben.
Kapitel 4 befasst sich mit den Koordinierungsentwicklungen der EU im Gesundheitswesen. Es werden die grundsätzlichen Entscheidungen des EuGH für das Sozialrecht sowie die Urteile im Zusammenhang mit den Grundfreiheiten im Gesundheitswesen dargestellt. Die Kapitel beleuchtet die Entwicklung des europäischen koordinierenden Sozialrechts und die Bedeutung der Rechtsprechung des EuGH für die Gestaltung des Gesundheitswesens in der EU.
Kapitel 5 analysiert das Spannungsverhältnis zwischen Wettbewerb und Regulierung im Binnenmarkt, insbesondere im Kontext des EU-Wettbewerbsrechts. Es werden die Besonderheiten des Marktes für Gesundheitsdienstleistungen und die Herausforderungen der Regulierung des Gesundheitswesens im Spannungsfeld von Wettbewerb und Daseinsvorsorge betrachtet.
Kapitel 6 befasst sich mit der Reform des europäischen koordinierenden Sozialrechts. Es werden die VO (EG) Nr. 883/2004, die neue europäische Sozialrechtskoordinierung, die EU-Dienstleistungsrichtlinie und die EU-Gesundheitsrichtlinie vorgestellt. Die Kapitel beleuchtet die Ziele und Auswirkungen der Reform auf die gesetzliche Krankenversicherung und die deutsche Sozialpolitik.
Kapitel 7 analysiert die Koordinierungsschwierigkeiten im deutsch-österreichischen Grenzgebiet. Es werden die Erwartungen der Grenzbevölkerung an die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung sowie die Herausforderungen und Lösungsansätze für eine effiziente und patientenorientierte Gesundheitsversorgung in der Grenzregion betrachtet.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Grundfreiheiten des EG-Vertrages, die gesetzliche Krankenversicherung, die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung, die deutsch-österreichische Grenzregion, die Koordinierung und Harmonisierung im europäischen Gesundheitswesen, die Rechtsprechung des EuGH, das EU-Wettbewerbsrecht, die Reform des europäischen koordinierenden Sozialrechts und die Herausforderungen der Gesundheitsversorgung in der EU.
- Arbeit zitieren
- Erwin Felber (Autor:in), 2008, Auswirkungen der Grundfreiheiten des EG-Vertrages auf die gesetzliche Krankenversicherung am Beispiel der deutsch-österreichischen Grenzregion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114018