Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
1. Einleitung: Das Problem sozialer Ungleichheit
2. Netzwerke und Soziales Kapital
3. Das Ego-zentrierte Netzwerk als eine Form der Netzwerkanalyse
4. Die Stärken der „schwachen Beziehungen“ (weak ties)
5. Die Stärken der „starken Beziehungen“ (strong ties)
6. Der Einfluss von Status
7. Soziales Kapital und Stellensuche
8. Der Einfluss städtischer Siedlungen
9. Zusammenhang von Siedlungsgröße und Netzwerk
10. Fazit
Literaturangaben
Zusammenfassung
Diese Arbeit widmet sich der Fragestellung, in wie fern sich das soziale Netzwerk einer Person auf deren Berufs- und Einkommenschancen auswirkt und deren soziale Mobilität beeinflussen kann. Hierzu werden einige theoretische Aspekte vorgestellt, darunter der Ansatz der „weak und strong ties“ von Mark Granovetter, der die Stärken schwacher Beziehungen in ihrem höheren Informationsfluss sieht, die starken Beziehungen jedoch aufgrund ihrer unterstützenden Funktion in Krisensituationen wertschätzt. Da statusniedere Personen meist auf ein verlässliches Netzwerk angewiesen sind, mangelt es ihnen an nötigen Bekanntschaften, die ihnen nützliche Informationen zu einem besseren Arbeitsplatz übermitteln könnten. Dieses Dilemma führt neben den ohnehin schon existierenden ökonomischen und bildungsbezogenen Nachteilen zusätzlich zu einer Verfestigung der sozio-ökonomischen Immobilität der sozial benachteiligten Bevölkerung.
1. Einleitung: Das Problem sozialer Ungleichheit
Soziale Ungleichheit wird schon lange nicht mehr als natürlich und gegeben angesehen. So untersuchte die klassische Forschung zu sozialer Mobilität und sozialer Ungleichheit (Blau/ Duncan) meist den Zusammenhang zwischen Bildung und Berufsstatus des Elternhauses mit den Berufschancen des Kindes (Jansen 2003, S.237). Bei der Betrachtung der Sozialstruktur der Akteure werden dabei jedoch lediglich Verteilungen von Einkommen oder Bildung berücksichtigt und die „Embeddedness“ der Akteure bleibt unbeachtet. In der strukturalistisch-netzwerkanalytischen Betrachtungsweise hingegen gilt die „Embeddedness“ als ein wichtiger Faktor bei der Verfestigung von Ungleichheit, da durch sie individuelle Handlungsmöglichkeiten beeinträchtigt werden (Jansen 2003, S.239).
In der folgenden Arbeit soll untersucht werden, auf welche Weise das Netzwerk einer Person Einfluss auf deren Berufs- und Einkommenschancen und damit auf die Chancen eines sozialen „Aufstiegs“ einer Person ausübt. Dazu sollen zunächst einige theoretische Aspekte zu Netzwerken und sozialem Kapital behandelt werden, wobei das Fischer-Instrument als eine besondere Erhebungsmethode vorgestellt wird. Im Folgenden wird auf die Auswirkungen der beschriebenen Phänomene auf der Ebene der Stadt eingegangen. Abschließend erfolgt ein Fazit, in dem die zentralen Ergebnisse dieser Arbeit zusammengefasst werden sollen.
2. Netzwerke und Soziales Kapital
Der amerikanische Soziologe James S. Coleman definiert das Sozialkapital eines Akteurs als eine aus der Entstehung von Verpflichtungen, Erwartungen und Vertrauenswürdigkeit hervorgehende Ressource, welche die Informationsübermittlung begünstigt und Normen zu setzen vermag (Baron, S.; Field, J.; Schuller, T. 2000, S.6). Coleman verknüpft in seinem Konzept Sozialkapital kausal mit den Verfügungen und Zugängen zu anderen Kapitalien. Er geht davon aus, dass soziales Kapital aufgrund seiner unbewußten und unbeabsichtigten Erzeugung ohne jegliche Zusatzkosten produziert werden kann (Baron, S.; Field, J.; Schuller, T. 2000, S.7; Jansen 2003, S. 26). Es kann jedoch, im Unterschied zu anderen Kapitalarten, nicht im „Besitz“ eines Akteurs sein (Jansen 2003, S. 27), sondern muss stattdessen durch kontinuierliche Interaktion immer wieder bestätigt werden. Damit ist also die Reproduktion von Sozialkapital auf beständige Reziprozität und Beziehungsarbeit angewiesen. Die Faktoren Zeit und Mobilität spielen hier eine entscheidende Rolle. Manche Akteure können durch ihren Status, wie zum Beispiel durch die Ererbung eines „guten Familiennamens“ stärker von Gelegenheitsbekanntschaften profitieren, da sie entweder in traditionelle Beziehungsgeflechte eingebunden sind, oder sie so bekannt sind, dass es sich für die „Masse“ schlichtweg lohnt, sie zu kennen (Bourdieu 1983, S.193).
Robert Putnam nennt zudem die Bedeutung von „bridging“ und „bonding“ als wichtige Aspekte des sozialen Kapitals. Beide Formen können nebeneinander auftreten. Als sog. „bridging“ werden Verbindungen bezeichnet, die Interrelationen zwischen heterogenen Gruppen ausdrücken. D.h. Netzwerke, die an sich keine Verbindungen untereinander aufweisen, werden durch die Verbindung jeweils eines Akteurs aus den betreffenden, eher heterogenen Netzwerken verbunden, wodurch eine „Brücke“ zu dem jeweils andersartigen Netzwerk geschlagen wird. Als sog. „Bonding“ hingegen werden Verbindungen definiert, die zwischen homogenen Netzwerken geknüpft werden. Sie werden in der angelsächsischen Literatur als „links between like-minded people“ (Baron, S.; Field, J.; Schuller, T. 2000, S.10) bezeichnet und schaffen eine Interrelation lediglich zu einer kulturell ähnlich situierten Gruppe (Baron, S.; Field, J.; Schuller, T. 2000, S.10).
Nach Jansen (2003, S. 28) bestehen sechs Ressourcen bzw. Werte des sozialen Kapitals.
Dazu zählen:
1) Die Familien- und Gruppensolidarität: Diese zeichnen sich durch intensive Verbindungen („strong ties“), also durch enge und häufige Kontakte, sowie durch eine starke Reziprozität und eine hohe Netzwerkdichte innerhalb einer abgegrenzten Gruppe aus.
2) Ein Vertrauen in die Geltung universalistischer Normen: Positive Charaktereigenschaften, wie beispielsweise das Zeigen von guten Sitten, Moral und sicherem Auftreten produzieren Vertrauen und damit eine wichtige Grundlage für soziales Kapital.
3) Information: Es konnte wissenschaftlich belegt werden, dass der Zugang zu neuen Informationen vor allem über schwache Beziehungen (weak ties) geschieht.
4) Macht durch strukturelle Autonomie: Wenn ein Akteur als Bindeglied zwischen mehreren voneinander getrennten Gruppen fungiert, er also sozusagen strukturelle Löcher überbrückt, so ist seine Position zwischen den Gruppen als Ressource anzusehen, da er Zugang zu beiden Netzwerken und deren Ressourcen für sich und seine Gruppenmitglieder schaffen kann.
5) Selbstorganisationsfähigkeit von Kollektiven: Gruppen organisieren sich selbst indem sie eine Hierarchie innerhalb der Gruppe schaffen. Großer Einfluss durch ein großes Strong-Tie-Netzwerk kommt eher selten vor, da dessen Aufrechterhaltung mit enormem Aufwand verbunden wäre. Stattdessen kann zusätzlicher Einfluss durch eine zentrale Position innerhalb einer Gruppe oder zwischen unterschiedlichen Netzwerken oder auch durch Ansehen und Prestige erreicht werden.
6) Macht durch sozialen Einfluss: Durch zentrale Positionen zwischen Netzwerken und durch die Absicherung von Loyalitäten kommt es zu einer Akkumulation von Macht. Macht wird also nicht nur durch materielle Güter oder individuelle Stärke erreicht, sondern auch durch die Loyalität von Mitmenschen.
3. Das Ego-zentrierte Netzwerk als eine Form der Netzwerkanalyse
Die Netzwerkanalyse ist ein Instrument, mit dem man soziale Ressourcen und soziales Kapital erfassen kann. Die Erforschung des zu untersuchenden Netzwerkes erfolgt dabei über Umfragen, bei denen die verschiedenen Akteure zu ihren Beziehungen untereinander und zu anderen Personen befragt werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Ego-zentriertes Netzwerk (Quelle: Jansen 2003, S. 82)
Das ego-zentrierte Netzwerk (s. Abb. 1) zählt zur Gruppe der persönlichen Netzwerke (Jansen 2003, S. 65). Zu dessen Erhebung wird lediglich ein einzelner Akteur zu seinen sozialen Beziehungen befragt und damit nur eine eindimensionale, subjektive Sichtweise festgehalten. Dieser Ansatz wird als relational bezeichnet, da vorerst keine Positionsdifferenzierung stattfindet, d.h. es werden lediglich die Verbindungen, nicht jedoch deren hierarchische Ausprägungen aufgenommen. Abbildung 2 gibt einen Überblick über die verschiedenen Analysestrategien, wobei zwischen Analyserichtung und Analyseebene unterschieden wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Verschiedene Formen der Netzwerkanalyse nach Burt, 1980 (Quelle: Jansen 2003, S. 67)
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