Merkmale mündlicher und schriftlicher Kommunikation in der WhatsApp-Kommunikation


Seminararbeit, 2021

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Mündlichkeit und Schriftlichkeit

3. Untersuchung der WhatsApp-Nachrichten

4. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Da zeigt denn schon ein flüchtiger Blick, daß zwischen den Voraussetzungen für das geschriebene Wort und denen für das gesprochene Wort tiefgreifende Unterschiede bestehen. Das eine hat auf das Auge zu wirken, das andere auf das Ohr; und so sind schon die Mittel andere, über die beide gebieten.“ (Behaghel, 1927, S. 13).

Bereits vor 123 Jahren präsentierte Otto Behaghel anlässlich der Hauptversammlung des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins wesentliche Unterschiede zwischen gesprochener und geschriebener Sprache, die einen Grundstein für die künftige Sprachforschung und die Differenzierung zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit darstellten (vgl. Henning, 2016, S. 1–2). Doch in den letzten Jahrzehnten kam es im Bereich der neuen Medien zu Entwicklungen, die die digitale Kommunikation ermöglichten und damit die bisherige zwischenmenschliche Verständigung nachhaltig beeinflussten. Neben der E-Mail- und SMS-Kommunikation entstanden internetbasierte Nachrichtendienste, die neue Formen der Sprachnutzung hervorbrachten, die nicht mehr dem klassischen Verständnis gesprochener und geschriebener Sprache entsprechen. Anlässlich dieser Formen digitaler Kommunikation wurden bereits zahlreiche empirische und linguistische Untersuchung durchgeführt, um die sprachlichen Besonderheiten innerhalb dieser neuen Medien zu erforschen. Dabei sind sich die Forschenden grundsätzlich darin einig, dass gerade die internetbasierte Kommunikation zahlreiche Merkmale der gesprochenen Alltagssprache aufweist und diese sogar mit schriftsprachlichen Mitteln nachbildet, sodass sie in die Domäne der gesprochenen Sprache eingedrungen ist (vgl. Beißwenger, 2018b; Dürscheid/ Frick 2016; Hennig, 2001; Storrer, 2001; Storrer, 2013).

Eine der beliebtesten Formen der digitalen Kommunikation bildet dabei der 2009 gegründete und internetbasierte Instant-Messaging-Dienst WhatsApp, mit dem weltweit ca. zwei Milliarden Benutzter neben Textnachrichten auch Bild-, Video- und Ton-Dateien und Dokumente austauschen können. Dabei kann die Kommunikation, die vor allem über das Smartphone stattfindet, im Chat-Modus zwischen zwei Einzelpersonen oder in Gruppen erfolgen.1 Die enorme Anzahl an Benutzern verdeutlicht zum einen, welchen hohen Stellenwert der Austausch per WhatsApp einnimmt und zum anderen zeigt sie, dass die digitale Kommunikation das alltägliche Leben prägt. Doch hier stellt sich die Frage, welche Merkmale der mündlichen und schriftlichen Kommunikation weist die schriftliche WhatsApp-Kommunikation auf. Überwiegen dabei die Merkmale der gesprochenen oder doch der geschriebenen Sprache?

Um diese Fragen beantworten zu können, werden im ersten Teil dieser Arbeit die theoretischen bzw. sprachwissenschaftlichen Grundlagen erarbeitet, die die systematischen Unterschiede zwischen der Mündlichkeit und der Schriftlichkeit darstellen. Dabei werden sowohl das Nähe-Distanz-Modell von Koch und Oesterreicher als auch die prototypischen Merkmale gesprochener und geschriebener Sprache herangezogen und die wesentlichen Merkmale herausgearbeitet. Anschließend wird im zweiten Teil dieser Arbeit eine Untersuchung durchgeführt, in der ein WhatsApp-Nachrichtenkorpus anhand der zuvor beschriebenen Mündlichkeits- und Schriftlichkeitsmerkmale analysiert wird, sodass die jeweiligen Merkmale der WhatsApp-Nachrichten herausgearbeitet werden. Abschließend werden die erarbeiteten Ergebnisse zusammenfassend diskutiert.

2. Mündlichkeit und Schriftlichkeit

Um Äußerungsformen jeglicher Art zu klassifizieren und diese zwischen den beiden Bereichen Mündlichkeit und Schriftlichkeit einzuordnen, hat sich in der Linguistik das Modell der Mündlichkeit und Schriftlichkeit der beiden Romanisten Peter Koch und Wulf Oesterreicher durchgesetzt, das mittlerweile „den Status einer Grundlage [hat], auf die man sich unbesorgt berufen kann“ (Henning, 2001, S. 219). Dabei unterscheiden die beiden Romanisten in ihrem Ansatz, den sie in den 1980er-Jahren entwickelten, zwischen einer medialen und einer konzeptionellen Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit in der Gestaltung sprachlicher Äußerungen. Die mediale Dimension bezieht sich auf die Realisationsform der sprachlichen Äußerung, d. h., es wird ermittelt, ob eine Äußerung in gesprochener bzw. phonischer, also medial mündlich oder in geschriebener Sprache bzw. grafischer, also medial schriftlich, vorliegt. Die konzeptionelle Dimension orientiert sich an der Ausdrucksweise bzw. dem sprachlichen Duktus einer Äußerung, da eine Äußerung tendenziell an die gesprochene oder die geschriebene Sprache angelehnt sein kann (vgl. Koch/Oesterreicher, 2007, S. 347–350). Während Koch und Oesterreicher das Medium als dichotomisch ansehen, da eine sprachliche Äußerung entweder phonisch oder grafisch zum Ausdruck kommt, stellen sie die Konzeption dagegen als ein Kontinuum dar, bei dem sich Äußerungen zwischen dem Pol der konzeptionellen Mündlichkeit, das mit dem Begriff der Nähe assoziiert wird, und dem Pol der konzeptionellen Schriftlichkeit, das mit dem Begriff der Distanz assoziiert wird, bewegen, und zwar unabhängig davon, ob sie medial mündlich oder medial schriftlich realisiert sind (vgl. ebd., S. 348).

2.1. Sprache der Nähe und Sprache der Distanz

Mit ihrem Model präsentierten Koch und Oesterreicher einen mehrdimensionalen Raum zwischen den Polen der konzeptionellen Mündlichkeit und der konzeptionellen Schriftlichkeit und ermöglichen damit, dass sich sprachliche Äußerungen zwischen diesen Polen einordnen lassen, wodurch auch feine Abstufungen möglich sind. Dabei gehen die beiden Romanisten davon aus, dass sich die Gestaltung sprachlicher Äußerungen an den situativen Kommunikationsbedingungen orientiert und damit von kommunikativen Parametern abhängig ist (vgl. Koch/Oesterreicher, 1985, S. 19). Während konzeptionell mündliche Äußerungen sich durch eine kommunikative Nähe auszeichnen, sind konzeptionell schriftliche Äußerungen durch eine kommunikative Distanz geprägt. Demnach zeichnet sich die Sprache der Nähe laut Koch und Oesterreicher dadurch aus, dass die Kommunikationspartner miteinander vertraut sind, die Partner sich in einer Face-to-Face-Interaktion räumlich und zeitlich nahestehen, die Kommunikation dialogisch strukturiert ist, die Partner aufeinander eingehen können, die Kommunikation unter Bedingungen der Privatheit stattfindet, zwischen den Partnern eine emotionale Bindung herrscht, die Kommunikation eine Situations- und Handlungseinbindung erlaubt, die Kommunikation eine freie Themenentwicklung und Spontaneität gestattet. Dagegen zeichne sich die Sprache der Distanz durch eine Fremdheit der Partner, eine räumliche und zeitliche Distanz, eine monologische Struktur, keine kommunikative Kooperation, eine öffentliche Kommunikation, eine geringe emotionale Beteiligung, eine Situations- und Handlungsentbindung, eine Themenfixierung und eine Reflektiertheit aus (vgl. Koch/Oesterreicher, 1985, S. 19–21; Koch/Oesterreicher, 2007, S. 351).

Im Zusammenhang mit den kommunikativen Bedingungen stehen laut Koch und Oesterreicher die sogenannten Versprachlichungsstrategien, die sich durch das Auftreten bestimmter sprachlicher Ausdrucksmittel auszeichnen, wodurch Äußerungsformen unterschieden und entweder der Schriftlichkeit oder der Mündlichkeit zugeordnet werden können (vgl. Koch/Oesterreicher, 1985, S. 21–23). Zu den wichtigsten Strategien zählen die Informationsdichte, die Kompaktheit, die Integration, die Komplexität, die Elaboriertheit und die Planung (vgl. ebd., S. 23). Auf der Seite des Mündlichkeitspols sind sprachliche Äußerungen dabei weniger elaboriert und weisen eine geringere Komplexität auf, und zwar sowohl auf der lexikalischen als auch syntaktischen Ebene. Sie zeichne sich unter anderem durch einen parataktischen Satzbau, das Kürzen und Weglassen von Ausdrücken, eine umgangssprachliche Wortwahl oder Interjektionen aus (vgl. Koch/Oesterreicher, 1985, S. 22–23; Dürscheid, 2016, S. 48–49). Als prototypisches Beispiel für diese Sprache der Nähe könne das mündliche Gespräch unter Freunden angesehen werden. Wohingegen für die Sprache der Distanz ein Gesetzestext als prototypisch gelte (vgl. Beißwenger, 2015, S. 28). Auf der Seite des Schriftlichkeitspols seien sprachliche Äußerungen dagegen nicht nur elaborierter und komplexer, sondern weisen auch eine größere Informationsdichte und Planung auf. Aufgrund dessen zeichne sich die Sprache unter andrem durch einen hypotaktischen Satzbau und eine aufwendigere Verbalisierung aus (vgl. Koch/Oesterreicher, 1985, S. 22–23; Dürscheid, 2016, S. 48–49).

2.2. Merkmale gesprochener und geschriebener Sprache

Sowohl die gesprochene als auch die geschriebene Sprache zeichnen sich durch spezifische Merkmale aus, die sich vor allem auf die Prototypen beider Sprachen beziehen. Jedoch betonen Fiehler und Dürscheid, dass eine kritische Auseinandersetzung mit diesen Merkmalen essenziel ist, da aufgrund des Prozesses der Prototypisierung die Gefahr besteht, dass einerseits die gesprochene und geschriebene Sprache vereinheitlicht wird und anderseits, dass andere ebenfalls existierende Merkmale, die nicht als prototypisch gelten, vernachlässigt werden (Dürscheid, 2016, S. 24–25; Fiehler, 2000, S. 97, 102–103). Dennoch ist „eine typisierende Gegenüberstellung“ (Dürscheid, 2016, S. 25) nötig, um „grundlegenden Unterschiede zwischen den beiden Repräsentationsformen von Sprache am besten [zu] verdeutlichen.“ (ebd., S. 25). Dabei haben sich laut Dürscheid zehn prototypische Merkmale etabliert, wobei für die gesprochene Sprache die Face-to-Face-Kommunikation und für die geschriebene Sprache ein elaborierter Text als prototypisch gelten (vgl. ebd., S. 24). Obwohl einige dieser Merkmale bereits zuvor anhand des Ansatzes von Koch und Oesterreicher direkt oder indirekt benannt wurden, werden die Merkmale und Unterschiede noch einmal kurz aufgelistet, damit sie für die Untersuchung der WhatsApp-Nachrichten herangezogen werden können. Jedoch werden nicht alle zehn, sondern nur die Merkmale aufgeführt, die für die Analyse relevant sind.

Zunächst gilt laut Dürscheid, dass die gesprochene Sprache flüchtig und nicht wie die geschriebene dauerhaft ist, da Gesprochenes im Gegensatz zum Geschriebenem nicht archiviert werden kann. Zudem unterliege die gesprochene Sprache den Voraussetzungen von Zeit und Raum, wohingegen das Geschriebene nicht an eine gemeinsame Äußerungssituation gebunden sei. Anknüpfend daran verlaufe die gesprochene Kommunikation synchron und in der geschriebenen Verständigung dagegen asynchron, weil dabei sowohl die Produktion als auch die Rezeption einer Äußerung zeitlich nicht übereinstimme (vgl. Dürscheid, 2016, S. 27–29). Des Weiteren umfasse die gesprochene im Gegensatz zur geschriebenen Sprache deiktische Ausdrücke, da der Wahrnehmungszeitraum der Kommunikationspartner deckungsgleich sei. Im Anschluss trete die gesprochene Sprache gemeinsam mit weiteren Informationsträgern wie Intonation, Mimik und Gestik auf. Dagegen müsse beim Geschriebenen zum Großteil darauf verzichtet werden (vgl. ebd., S. 29–30). Ein weiterer Unterschied schreibt vor, dass die gesprochene Sprache im Vergleich zur geschriebenen Sprache „häufig […] durch fehlerhaften Satzbau, Flexionsbrüche, Dialektismen, umgangssprachliche Ausdrücke, Ellipsen, Selbstkorrekturen, Gesprächspartikeln“ (ebd., S. 31–32) gekennzeichnet sei. Ein letztes Merkmal beschreibe noch, dass die gesprochene Sprache im Gegensatz zur geschriebenen Sprache, die monologische ausgerichtet sei, vor allem dialogisch verlaufe (vgl. ebd., S. 33–34).

[...]

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Merkmale mündlicher und schriftlicher Kommunikation in der WhatsApp-Kommunikation
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
14
Katalognummer
V1140673
ISBN (eBook)
9783346516213
ISBN (Buch)
9783346516220
Sprache
Deutsch
Schlagworte
merkmale, kommunikation, whatsapp-kommunikation
Arbeit zitieren
Martin Michalski (Autor:in), 2021, Merkmale mündlicher und schriftlicher Kommunikation in der WhatsApp-Kommunikation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1140673

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