Zur Bedeutung von Frauen in fundamentalistischen Bewegungen


Term Paper (Advanced seminar), 2000

18 Pages


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Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Der protestantische Fundamentalismus in den USA, 1910-28

III. Der schiitische Fundamentalismus im Iran, 1961-79

IV. Weibliche Lebensstile und Neo-Islam in Kairo

V. Religiöse Praktiken und Wandel der Geschlechterverhältnisse – Eine Fallstudie aus dem Nordsudan

VI. Migration, Islamisierung und Identitätspolitiken: Zur Bedeutung der Religiosität junger Frauen in Deutschland

VII. Zur Bedeutung des Kopftuches für das Selbstverständnis von Musliminnen im innerislamischen Geschlechterverhältnis

VIII. Schlußkapitel

IX. Literaturverzeichnis

Zur Bedeutung von Frauen in fundamentalistischen Bewegungen

I. Einleitung

Die Ausarbeitung dieses Themas wird anhand von 6 verschiedenen Texten erarbeitet. Dabei ist es wichtig zu erwähnen, daß die beiden Texte von Martin Riesebrodt, einem Soziologen, der unter anderem Aufenthalte am Center for European Studies und dem Soziologie-Department der Harvard-Universität, sowie dem Research Institut of the Humanities des Dartmouth College zur Erstellung dieser Texte verzeichnen kann, vergleichend zu 4 anderen Wissenschaftlerinnen, die sich allein mit dem Islam in Ihren Studien beschäftigt haben, in dieser Arbeit gelesen wird. Martin Riesebrodt versucht in seiner Arbeit als erster mit seiner Gegenstandsbestimmung, seiner Vorgehensweise und seinen Ergebnissen für die weitere universalhistorisch vergleichende Erforschung des Fundamentalismus in allen Religionen eine Basis zu legen, Hypothesen anzubieten und neue Fragen zu stimulieren.

Seine Definition von Fundamentalismus steht im Gegensatz zu der heutigen allgemein verbreiteten Auffassung. Für ihn ist Fundamentalismus kein religiös gefärbter Populismus oder Faschismus im religiösem Gewande, sondern ein eigenständiger Typ sozialer Bewegung, der unter Beschwörung einer mythischen Vergangenheit das traditionalistische Lager politisch mobilisieren will. Die zentrale These seiner Texte beinhaltet, daß es sich beim Fundamentalismus um eine städtische Bewegung handelt, die primär gegen die Auflösung personalistischer-patriarchalischer Ordnungsvorstellungen und Sozialbeziehungen sowie deren Ersetzung durch versachlichte Prinzipien gerichtet ist. Es handelt sich um die nativistische Phase innerhalb von Erweckungsbewegungen, die versucht gegen den epochalen Wandel, der keineswegs auf die Beziehungen zwischen den Geschlechtern beschränkt ist, sondern die Qualität nahezu aller sozialen Interaktionen und Institutionen verändert, anzugehen.

Wie wichtig aber die Aufrechterhaltung der patriarchalen Familienstruktur mit ausgeprägter geschlechtlicher Arbeitsteilung und väterlicher Autorität über Frau und Kinder in allen Heils- und Erlösungsreligionen ist, die das Kernstück der fundamentalistischen Idee von einem frommen, gottgefälligen Leben darstellt, will ich in dieser Arbeit veranschaulichen.

II. Der protestantische Fundamentalismus in den USA, 1910-28

Wieso zieht Martin Riesebrodt gerade den protestantischen Fundamentalismus als Beispiel für eine vom Christentum geprägte Gesellschaft heran?

Infolge der unterschiedlichen Entwicklung der einzelnen Richtungen des Glaubens im Christentum, kommt es zu charakteristischen Unterschieden in der Reaktionsform zwischen katholisch, lutherisch und asketisch-protestantisch geprägten Ländern. Während es im Katholizismus zu rechtsradikalen Bewegungen von antichristlicher bis hin zu klerikaler Schattierung kommt, und in den lutherischen Ländern überwiegend säkulare rechtsradikale Bewegungen entstanden, brachte der asketische Protestantismus, also ein von Kalvinismus und täuferischen Sekten geprägter Glaube, den hier behandelten Fundamentalismus hervor. Dabei spielten religiöser Pluralismus, die institutionelle Autonomie der Religion gegenüber dem Staat, das fehlen hierokratischer Herrschaft und die individuelle Abhängigkeit des Geistlichen von seiner Klientel, die entscheidende Rolle. Diese Strukturbedingungen ermöglichen gesellschaftliche Selbstorganisation und soziale Kontrolle, die im Vergleich dazu in katholischen Ländern vom Vatikan übernommen wird. Die Trennung von Kirche und Staat, typisch für Länder mit protestantischer Weltanschauung, welche in den USA ein Produkt einer langen historischen Entwicklung von der Kolonialzeit über die Unabhängigkeit bis hin zum 1. Weltkrieg ist, begünstigte das entstehen des Fundamentalismus. Hinzukam in dieser Zeit die aufblühende Industriegesellschaft, welche zu einer starken regionalen Differenzierung innerhalb der USA führte und durch ihre ausgeprägte Unbrüderlichkeit in einem dramatischen Spannungsverhältnis zum christlichen Gebot der Nächstenliebe stand. Der aufkommende Darwinismus diente der Rechtfertigung für Elend und Ausbeutung und wälzte das bisherige Weltbild um. Die bewußte Schöpfung der Welt durch Gott, wurde ersetzt durch einen unbewußten biologisch determinierten Evolutionsprozeß. Der Paradiesverlust des Menschen durch die Sünde, wird verdrängt zugunsten einer zufälligen Entwicklung des Menschen aus dem Tierreich und der Idee einer sozialen Höherentwicklung. Mit diesem Wandel in der Anthropologie bricht aus fundamentalistischer Sicht auch die bisherige Christologie zusammen. Da die Notwendigkeit der Bekehrung des Menschen durch die Kirche zum Zweck der Errettung von Geschichtsoptimismus und Sozialreform verdrängt wird. Ohne den Sündenfall macht die Mission des Gottessohnes, nämlich das stellvertretende Sühnopfer Christi, gar keinen Sinn mehr und die Kirche überflüssig. Durch die Bibelkritik verliert die Bibel ihre zentrale Bedeutung als konkrete Orientierung, Legitimation für fromme Lebensführung und ihre ewige Wahrheit! Neue Irrlehren und Kulte sprössen, fremde Ideologien faßten Fuß. Es kommt zu sozialmoralischen Mißständen, wie Krieg und Verbrechen, Sittenlosigkeit und Hemmungslosigkeit als Konsequenz unbekehrter Individuen, die durch Infragestellung grundlegender Glaubensüberzeugungen ihren Stand und ihr Elend nicht mehr als von Gott gewollt akzeptieren. Dadurch ist die Reproduktion des fundamentalistischen Milieus in großer Gefahr und führt zu dessen Mobilisierung. Für die Fundamentalisten gibt es drei Institutionen die bisher Garant des christlichen Glaubens waren. Das ist zum ersten die Familie, desweiteren die protestantischen Denominationen mit ihren Gemeinden und nicht zuletzt die Sonntagsschulen und Ausbildungsstätten, sowie die öffentlichen Schulen, die es wieder gilt zu beeinflussen.

Vermittelt werden sollen die five fundamentals[1], die fünf Grundlagen des Glaubens: die Irrtumsfreiheit der Bibel, die als verbalinspiriertes Wort Gottes angesehen wird, das nicht symbolisch, sondern wörtlich zu interpretieren ist. Weiterhin gehört die Jungfrauengeburt, die leibliche Wiederauferstehung, das stellvertretende Sühneopfer und die physische Wiederkehr Christi dazu. Die Evolutionstheorie sollte verboten und nicht mehr an den Schulen gelehrt werden, was auch einige Zeitlang gelang.

Das Zentrum der fundamentalistischen Gesellschaftskritik lag auf der Zersetzung der patriarchalischen Familie, da sie als Garant der christlichen Erziehung galt. Glaube, Bibel, Moral und Familie werden als eine unlösbare Einheit gesehen, aus der Wohl und Wehe der anderen gesellschaftlichen Institutionen sich wesentlich herleiten.[2] Würde sie diese Funktion nicht mehr übernehmen, kommt es automatisch zum moralischen Niedergang der Gesellschaft, zur sozialen Dekadenz. Krisenmerkmale waren der Niedergang der politischen und ökonomischen Moral, die Zunahmen von Ehescheidungen, Jugendkriminalität, Alkohol- und Tabakkonsum, Vergnügungssucht, Profitsucht, Verschwendung, sexuellen Ausschweifungen und Prostitution. Vor allem aber trage zu dieser Entwicklung die Frauenemanzipation bei.[3] Tanz, profane Musik, unzüchtige Frauenkleidung, die alle der sexuellen Aufreizung und somit der Verführung zur Sünde dienten, ja noch prinzipieller wurde das Rauchen von Frauen besonders in der Öffentlichkeit verurteilt. Es ergibt sich eine extreme dualistische Sicht von männlicher und weiblicher Anlage und Bestimmung, die auf dem Eva-Mythos basiert. Die Frau wird als Gefahr für den Mann gesehen, als Verführerin zur Sünde, als >> typische Eva<<, derer sich Satan bedient, um den Mann zu verderben.[4] Deshalb besteht ein zentrales Anliegen des protestantischen, also auch des islamischen Fundamentalismus darin, die Frau in der Öffentlichkeit zu Uniformieren. Gemeinsam ist allen Fundamentalisten die positive Schätzung der Arbeit als Prophylaxe gegen die Sünde. Frei nach den von ihnen immer wieder benutzten Sätzen: daß, wer nicht arbeitet, auch nicht essen solle und das man sein Brot im Schweiße seines Angesichts essen solle.[5] Eine, wie ich finde, interessante Formulierung, käme diese doch im Auslegungsfall auch den Frauen zu gute und unterstützte sie in ihrer von den Fundamentalisten eigentlich ungewollten Emanzipation. Fest steht, daß die ideale Familie des protestantischen Fundamentalisten die traditionelle patriarchalische Kleinfamilie mit einer klaren geschlechtlichen Arbeitsteilung ist. Um den Haushalt und die Erziehung der Kinder sorgt sich die Mutter. Der Vater als Familienoberhaupt ist für den Unterhalt und gegebenenfalls für die Politik zuständig, im Sinne der Wahrung der Interessen seiner Familie. Dem family altar[6], dem gemeinsamen Gebet und der väterlichen Bibellesung, wird dabei eine zentrale Bedeutung beigemessen. Die Familie ist daneben eingebettet in eine lokale Kirchengemeinde, die zugleich den wichtigsten Ort für die Freizeitgestaltung darstellt. Das Konsumverhalten wird gekennzeichnet durch Sparsamkeit und Bescheidenheit. Die Kleidung soll anständig und züchtig sein. Sexualität außerhalb ehelicher Beziehungen ist streng verpönt und tabuisiert.

In der Familie herrscht das personalistisch-patriarchalische Strukturprinzip. Autorität beruht auf Pietät der Frauen und Kinder gegenüber dem Vater, sowie der pietas der Väter gegenüber Gott.

III. Der schiitische Fundamentalismus im Iran, 1961-79

Der Islam stellt wie das Christentum kein statisches Gebilde dar. Er unterliegt ebenso Veränderungen in seiner Theorie und Praxis, in Auseinandersetzungen mit historischen Wandlungsprozessen in Gesellschaft, Politik und Ökonomie.

Die Entstehung fundamentalistischer Protestbewegungen wird im Islam vor allem durch eine geringe religiöse Legitimität des Staates begünstigt. Diese beruht auf der institutionellen Trennung von politischer und hierokratischer Herrschaft seit dem 16. Jahrhundert und der Monopolisierung des Heilswissens durch die Hierokratie. Unter der Berücksichtigung, daß der Islam im Jahre 622 nach Christus, wie einst das Christentum, als alternativer Glaube (Sekte) wegen der Unzufriedenheit mit dem vorherrschenden hierokratischen System entstand, hatte er es auch schwer zur Staatsreligion zu werden. Im Jahre 1501 wurde die Zwölfer-Schia von dem militanten Mystiker Orden der Safaviden als Religion ihres Herrschaftsbereiches proklamiert. Damit begann der Aufstieg des Islam, der zwar starken Schwankungen unterlag, sich aber immer wieder in kritischen Zeiten, wo sein Einfluß durch fremde Mächte sank, durch große Proteste der Geistlichkeit zusammen mit dem Basar, wie dem Tabakprotest von 1891-92 oder der konstitutionellen Revolution von 1906-09, in eine bessere Position rückte.

[...]


[1] Riesebrodt, S. 12

[2]Ebd., S. 71

[3] Riesebrodt, S. 70

[4] Ebd., S. 79

[5] Ebd., S. 85

[6] Ebd., S, 87

Excerpt out of 18 pages

Details

Title
Zur Bedeutung von Frauen in fundamentalistischen Bewegungen
College
Humboldt-University of Berlin  (Institut für Europäische Ethnologie )
Course
Frauenmacht und Männerherrschaft im Islam und Christentum
Author
Year
2000
Pages
18
Catalog Number
V114082
ISBN (eBook)
9783640158386
ISBN (Book)
9783640159529
File size
412 KB
Language
German
Keywords
Bedeutung, Frauen, Bewegungen, Frauenmacht, Männerherrschaft, Islam, Christentum
Quote paper
Thomas Funke (Author), 2000, Zur Bedeutung von Frauen in fundamentalistischen Bewegungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114082

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