Business Prozess Reengineering

Eine praxisorientierte Sicht


Fachbuch, 2008

119 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Ausgangssituation
1.2 Ziel der Arbeit
1.3 Vorgehensweise

2. Grundlagen des Business Process Reengineering
2.1 Einführende Darstellung
2.2 Konzeptionelle Merkmale
2.2.1 Prozessorientierung
2.2.2 Kundenorientierung
2.2.3 Quantensprünge
2.2.4 Paradigmawechsel
2.3 Vorgehensmodell
2.3.1 Entwickeln einer Vision
2.3.3 Identifikation von Prozessen
2.3.4 Prozessanalyse
2.3.4 Entwurf und Implementierung der neuen Prozesse
2.4 Strategie für erfolgreiche Projekte
2.5 Weitere Methoden der Geschäftsprozessoptimierung
2.5.1 Total Quality Management
2.5.2 Lean Produktion
2.5.3 Das virtuelle Unternehmen
2.5.4 Lernende Organisationen
2.5.5 Abgrenzung der Unternehmensorganisationskonzepte
2.6 Zusammenfassung

3. IST-Analyse
3.1 Einführende Darstellung
3.2 Der Ablauf bis zum fertigen Artikel
3.2.1 Erstellung des Kollektionskonzeptes
3.2.2 Der Designentwurf
3.2.3 Kollektionsverabschiedung
3.2.4 Gradierung und Schnittbilderstellung
3.2.5 Qualitätskontrolle der Materialien
3.2.6 Schnittstellen zu anderen Abteilungen
3.3 Die unternehmensweite Informationsverarbeitung der Daten
3.4 Die Schwachstellenanalyse in der Kollektionsentwicklung
3.5 Ableitung von Prozessanforderungen
3.6 Textilwirtschaftliche Projekte
3.6.1 Forschungsprojekt „Miederbekleidung für Frauen“
3.6.2 Verbundprojekt „Bekleidung nach Maß“
3.6.3 Projekt „MyNet“
3.6.4. Projekt „3D-Vermessung EXCELLENT“
3.6.5 Bewertung der Projekte
3.7 Ableitung eines Lösungsansatzes
3.8 Zusammenfassung

4. Das SOLL-Konzept
4.1 Die Organisationssicht
4.2 Die Funktionssicht
4.2.1 Funktionssicht der Produktentwicklung
4.2.2 Funktionssicht des Wareneingangs
4.2.3 Funktionssicht der Gradation
4.2.4 Funktionssicht der Technologie
4.3 Die Datensicht
4.3.1 Die Verwaltung des Technischen Briefs
4.3.2 Die Verwaltung der Prüfergebnisse
4.3.3 Das Konzept des Datenaustausches mit bestehenden Anwendungen
4.4 Die Steuerungsschicht
4.5 Zusammenfassung

5. Umsetzung des SOLL-Konzeptes
5.1 Ziel der Systemauswahl
5.2 Systembeispiele
5.2.1 Beispiel - CDI Technologies Ltd
5.2.2 Beispiel - Koppermann Computersysteme
5.2.3 Beispiel - Lectra Systemes
5.2.4 Beispiel - Assyst
5.2.5 Vergleich der Systeme und Systemauswahl
5.3 Einführungsstrategie
5.3.1 Die Projektplanung
5.3.2 Die Risikoanalyse
5.3.3 Das Prototyping der Prozesse
5.3.4 Die Qualifizierung der Mitarbeiter
5.4 Zusammenfassung

6. Zusammenfassung und Ausblick
6.1 Ergebnisse
6.2 Projektinitiierung
6.3 Weiterführende Aktivitäten

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 2.1: Informationsfluss – Unternehmensbereich Verkauf Quelle:[BK95,S.89]

Abbildung 2.2: Schritte des Business Process Reengineering Quelle: [DS90,S.14]

Abbildung 3.1: Serienzusammenstellung

Abbildung 3.2: Ablauf der Produktentwicklung

Abbildung 3.3: Prozessmodell der Kollektionsverabschiedung

Abbildung 3.4: Teilausschnitt einer Arbeitsgangfolge

Abbildung 3.5: Teilausschnitt einer Stückliste

Abbildung 3.6: Wechselwirkungen der Abteilungen (Teilausschnitt)

Abbildung 3.7: Modulübersicht FASHION Quelle:Leischke Software GmbH, Fellbach

Abbildung 4.1: Die Funktionssicht der Produktentwicklung

Abbildung 4.2: Die Funktionssicht des Wareneingangs/Qualitätskontrolle

Abbildung 4.3: Aufzeichnung über alle Lieferparameter (Auszug)

Abbildung 4.4: Funktionsbaum der Gradation

Abbildung 4.5: Funktionsbaum der Technologie

Abbildung 4.6: Teil des technischen Briefes

Abbildung 4.7: Teil des Prüfprotokolls Wareneingang Positionen

Abbildung 4.8: Hardwarebasis EXCELLENT

Abbildung 4.9: Schnittstelle zwischen Gradation und Stücklisten

Abbildung 4.10: Beispiel der Übergabedatei

Abbildung4.11: Datenaustausch zwischen Designsystem und Gradiersystem

Abbildung A-1: Symbol der EPK-Notation

Abbildung A-2: Symbol der ER-Notation

Abbildung B-1: Serienentwurf

Abbildung B-2: Entwurfsskizze

Abbildung B-3: Spitzenzeichnung

Abbildung B-4: Größengradierung

Abbildung B-5: Cupgradierung

Abbildung C-1: Technischer Brief – Vorderseite

Abbildung C-2: Technischer Brief – ökologischer Teil

Abbildung C-3: Prüfprotokoll des Wareneingangs

Abbildung C-4: Prüfprotokoll des Wareneingangs – Positionen

Abbildung C-5: Übersicht Materialverwendung als Kalkulationsgrundlage

Abbildung C-6: Nullserienprotokoll

Abbildung C-7: Technischer Pass

Abbildung D-1: Übersicht gradierter Flächenverbrauch für einen Artikel

Abbildung E-1: ER-Schema IST-Zustand

Abbildung E-2: ER-Schema des SOLL-Zustand

Abbildung F-1: Teilausschnitt IST-Unternehmensorganisation

Abbildung F-2: Teilausschnitt SOLL-Unternehmensorganisation

Abbildung F-3: SOLL-Organigramm Produktentwicklung

Abbildung F-4: Organigramm Design

Abbildung F-5: Organigramm Musternäherei

Abbildung F-6: Organigramm Gradation

Abbildung F-7: Organigramm Bereich Technologie

Abbildung F-8: Organigramm Bereich Einkauf

Abbildung F-9: Organigramm Bereich Qualitätssicherung/Wareneingang

Abbildung G-1: EPK des Designentwurfes IST-Zustand

Abbildung G-2: EPK des SOLL-Designentwurfes

Abbildung G-3: EPK des SOLL-Gradationsablauf und Schnittbildlegung

Abbildung G-4: EPK des SOLL-Wareneingangs

Tabellenverzeichnis

Tabelle 3.4: Stärken-Schwächenanalyse des Designprozesses

Tabelle 4.3: Informationsobjekte der Kollektionsentwicklung

Tabelle H-1: Anforderungskriterien

Tabelle I-1: Analyse der Projektrisiken

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Vorwort

Der Designentwurf als Teilprozess der Produktentwicklung ist, seit bestehen der Firma EX- CELLENT traditionell sehr handwerklich ausgerichtet und dadurch begründet bisher unzureichend rechentechnisch unterstützt. Hierdurch konnte der Designer zu jedem Zeitpunkt auf den Entwicklungsprozess einwirken, aber es ist ihm nicht möglich, den Entwurf auf der Grundlage von standardisierten Methoden auszuüben. Bedingt dadurch ergibt sich, dass innerhalb der Produktentwicklung ein hohes Entwicklungspotential vorhanden ist diesen Prozess besser zu unterstützen und in das bestehende Unternehmensinformationssystem einzubinden. Der sich ständig verschärfende Wettbewerb und die sich rasch ändernde Kundennachfrage führen dazu, dass die vorherrschenden Arbeitsmethoden den Erfordernissen nach einem sich verkürzenden Produktentwicklungszyklus nicht mehr gerecht werden können

In der Gegenwart lag der Schwerpunkt des Unternehmens auf die Optimierung der Prozesse der Fertigung, des Vertriebes und der Logistik. Mit dieser Beitrag wird der Versuch unternommen, Möglichkeiten zu finden, wie im Zusammenhang mit Business Process Reengineering und dem Einsatz von Standardsoftware die bestehenden Geschäftsabläufe während der Produktentwicklung auf einem standardisierten Designentwurf zurückzuführen. Und einem Geschäftsprozess zu finden, mit denen es möglich ist rasch und effizient auf Kundenanforderungen im Wettbewerb zu reagieren

Die erzielten Ergebnisse sollen der Prozessverbesserung und der weiteren Entwicklung eines integrativen Informationssystems, insbesondere bezogen auf die Kollektionsentwicklung aber auch auf andere Unternehmensbereiche, wesentliche Impulse geben. Auma, im März

1. Einleitung

Die Bekleidungsindustrie und der Bekleidungshandel sind mit über 50 Mrd. EURO Umsatz jährlich in Deutschland ein wichtiger Konsumgütermarkt. Seit Ende der 60er Jahre hat ein tiefgreifender Strukturwandel in der deutschen Bekleidungsindustrie stattgefunden. Bedingt durch das stetig steigende Lohnniveau wird versucht, durch Verlagerung der Fertigung ins Ausland die Produktionskosten zu senken, um auf nationalen und internationalen Märkten mit niedrigen Preisen konkurrenzfähig zu bleiben. Die heutige Unternehmenswelt unterliegt einem immer stärkeren Wandel. Stichworte wie Globalisierung, steigender Wettbewerbsdruck, wachsende Qualitätsanforderungen, radikale Technologieschübe und zunehmender Kostendruck sind allgegenwä]rtig [Som99,S.72]. Dieser zunehmenden Dynamik im Wettbewerbsumfeld kann nur durch schlanke und flexible Organisationsstrukturen begegnet werden [Kir96,S.1]. Mit traditionell nach Funktionen gegliederten Organisationskonzepten sind diese Herausforderungen jedoch nicht mehr zu bewältigen. Es bedarf einer radikalen Restrukturierung im Sinne eines Business Process Reengineering (BPR), um die Reduzierung von Durchlaufzeiten, die Senkung von Kosten, die Erhöhung der Flexibilität oder die Verbesserung der Produktund Servicequalität zu erreichen [HC96,S.48]. Diese Ziele können bei einem Produkt schon während des Entwicklungsprozesses entscheidend beeinflusst werden

1.1 Ausgangssituation

Durch die Analyse der Abläufe während der Entwicklung einer Kollektion in der Firma EX- CELLENT Intimates GmbH (nachfolgend kurz EXCELLENT genannt) und den abgeleiteten Schlussfolgerungen sollen Möglichkeiten aufgezeigt werden, Defizite im Ablauf zu beseitigen und das vorhandene Wissensund Erfahrungspotential optimal einzusetzen. Diese Defizite liegen hauptsächlich in der fehlenden durchgängigen datenseitigen Verknüpfung der Arbeitsebenen Entwurf und Schnittkonstruktion. Die Schnittkonstruktion erfolgt subjektiv - ganz nach Einschätzung und Erfahrung des Designers. Viel Zeit, Geduld und Können sind erforderlich, um der Größenund Formengeometrie des menschlichen Körpers und flankierenden Forderungen wie z. B. Funktionalität und modischer Aktualität gerecht zu werden. Dazu kommt bei einer immer stärkeren Auffächerung des Produktspektrums der Trend zur Verkürzung des Produktlebenszyklus und kleiner werdender Serien. Im Zuge steigender Anforderungen an Termintreue und Lieferfristen erhöht sich der Kostenfaktor der Produktentwicklung. Man schätzt 70 bis 80% aller Produktionskosten schätzt man, sind in diesen Bereich festgeschrieben. Weiterhin wird nicht nur der Umgang mit dem Erfahrungspotential der Mitarbeiter optimiert, sondern auch das eingesetzte Material während der Mustervervielfältigung minimiert und eine effektive Nutzung aller am Entwicklungsprozess beteiligten Ressourcen sichergestellt

Bei der Bearbeitung dieser Aufgabenstellung werden neue Abläufe während des Designprozesses in der Phase der Entwicklung der Kollektion mit Hilfe des Reengineering gefunden, die diese Anforderungen unterstützen. Die modellierten Abläufe werden auf die Firma EX- CELLENT bezogen und zum Teil so verallgemeinert, dass diese auch auf andere Firmen übertragbar sind. Bei der Lösung dieser Aufgabenstellung stehen integrierte Lösungen und Ansätze aus den Bereichen der Informationsverarbeitung und der Unternehmensführung in der Betrachtung, sowie technologisch neue Ansätze und Lösungen im Designprozess

Die aus der IST-Analyse entwickelten Anforderungen an den Designprozess sind systemund funktionalorientiert. Sie stellen Lösungsmöglichkeiten dar, die als Entscheidungsgrundlage für ein einzusetzendes Designsystem dienen. Weiterhin werden Anforderungen an die Investitionsvorbereitung und Einführung der Software schematisch aufgezeigt und eine Risikoanalyse durchgeführt. Das Gestaltungsziel ist eine prozessorientierte Organisationsgliederung aller Abläufe der Produktentwicklung, die konsequent auf die spezifischen Anforderungen des jeweiligen individuellen Marktund Wettbewerbsumfeldes ausgerichtet ist [AD97,S.10]. Somit kommt es zu einer Rückbesinnung auf unternehmerisches Handeln und zur permanenten Auseinandersetzung mit erfolgskritischen Unternehmensprozessen [Fie95, S.46]

1.2 Ziel der Arbeit

Eine immer größere Bedeutung kommt der Neugestaltung und Vereinfachung der Produktentstehungsprozesse zu. Daraus resultiert, ein Unternehmen, das seine Produktentwicklungsprozesse produktiv gestaltet, kann im internationalen Wettbewerb mit halten und sich als Partner erfolgreich am Markt positionieren. Das Zusammenführen des gesamten Know-hows im Unternehmen und der Zulieferer kann zu Beginn des Produktentstehungsprozesses erfolgreich beeinflusst werden

Das Ziel ist eine marktorientierte Unternehmensausrichtung. Bestehende Informationstechnologien stellen in der Regel ein Hemmnis für die Reorganisation dar. Sie folgen dem funktionsorientierten Paradigma aus getrennten Einzelkomponenten, die auf die individuellen Bedürfnisse einzelner Organisationseinheiten zugeschnitten sind [Bie97,S.48-49]. Diese Systeme sind kaum bzw. nur mit einem sehr hohen Entwicklungsaufwand an eine prozessorientierte Organisation anpassbar. Aus diesem Grund wird in Verbindung mit BPR-Projekten immer stärker der Einsatz integrierter Standardsoftware diskutiert, da diese als Wegbereiter für eine prozessorientierte Organisation gesehen wird [MT95,S.70-71]

Empirische Studien kommen zu der Auffassung, dass nur etwa die Hälfte der Unternehmen, die ihre Geschäftsprozesse restrukturieren, dies mit Erfolg schaffen [HS95,S.30; BWN95, S.18]. Aber auch integrierte Standardsoftware erfüllt nur in den wenigsten Fällen die gesetzten Erwartungen. Überlange Projektlaufzeiten, massive Budgetüberschreitungen ohne adäquaten Nutzen und unzureichende Projektzielerreichung sind keine Seltenheit [KR98,S.154-155]. Vor dem Hintergrund der dargestellten Erfolgsdiskrepanzen in der Durchführung von BPR- Projekten und der Einführung von Standardsoftware wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit geklärt, wie die nachfolgenden Projektziele erreicht werden können:

- Einsparung von Kosten für Mustermaterialien,
- Verkürzung der Entwicklungszeit für eine neue Kollektion,
- frühzeitige Auswahl der Materialien und Farben, die später in der Kollektion zum Einsatz kommen,
- Verbesserung der Qualität und der Passform,
- Möglichkeiten der frühzeitigen Nutzung der Ergebnisse aus dem Designentwurf für Marketingzwecke und Präsentationen,
- Integration der Lieferanten in die Entwicklungsphase,
- Anbindung des Designentwurfes an die Gradation und Schnittbildlegung,
- Schaffung von Schnittstellen für die Anbindung an das bestehende Informations system,
- Steigerung der Innovationskraft des Unternehmens

Es soll gezeigt werden, wie durch eine detaillierte Analyse der Arbeitsabläufe neue Formen der prozessorientierten Organisationsgliederung der Geschäftsabläufe gefunden werden und traditionelle Lösungsansätze als Basis für neue Ansätze dienen können und welche Faktoren im Rahmen eines BPR-Projektes maßgeblich für den Erfolg des Projektes sind

1.3 Vorgehensweise

Im Kapitel zwei werden die theoretischen Grundlagen und Konzepte der BPR beschrieben. Dies dient in seiner Breite vor allem der Vorbereitung der weiteren Inhalte für den nicht mit den Methoden des Reengineering vertrauten Leser

Das Kapitel drei befasst sich mit der formalen Begriffsanalyse, die in erster Linie auf den Sprachgebrauch der Firma EXCELLENT zugeschnitten aber zum Teil auch allgemeingültig ist. Diese Begriffe sind grundlegend für das Verständnis der nachfolgenden Kapitel. Daran schließt sich eine detaillierte Analyse der bisherigen Prozessabläufe während der Kollektionsentwicklung an. Hierbei wird ein Überblick über die in Forschungseinrichtungen und in anderen Unternehmen forcierten Projekte gezeigt, den Entwicklungsprozess von Kollektionen durchgängiger und einfacher zu gestalten

Das SOLL-Konzept als Kernpunkt der Arbeit wird in Kapitel vier beschrieben und stellt die neu zu gestaltenden Abläufe der Produktentwicklung dar. Dieser Ansatz erläutert die Anwendung funktionaler Zerlegung, die Generierung von Vorschlägen für die Systemaufteilung in Bausteine und die Modellierung der neu gestalteten Abläufe. Die Beschreibung der Prozesse erfolgt mit den ARIS-Toolsets [Sch93,S.16] und unter Anwendung der Grundsätze ordnungsgemäßer Modellierung. Die verwendete Notation ist in Abbildung A-1 im Anlagenteil dargestellt. Das Kapitel schließt mit einer vollständigen Vorgehensbeschreibung zur Neugestaltung des Produktentwicklungsprozesses ab

Kapitel fünf gibt einen Überblick über die zur Verfügung stehenden Softwarewerkzeuge. Anhand dieser Darstellung wird gezeigt, dass neue Methoden der Produktentwicklung von grundlegender Bedeutung für einen strategischen Softwareeinsatz sind. Abschließend werden Empfehlungen für eine Einführung im Unternehmen gegeben. Der Einsatz dieser Software soll die Ablauforganisation während der Kollektionsentwicklung unterstützen und somit das Verbesserungspotential erhöhen

Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst und ein Ausblick für weitere Möglichkeiten des Reengineering in anderen Bereichen der Firma gegeben. Der Anhang enthält ergänzende Darstellungen, die die nachfolgend beschriebenen Abläufe verdeutlichen

2. Grundlagen des Business Process Reengineering

Die aktuellen Markterfordernisse verlangen nicht nur eine ausreichende Produktivität, sondern vor allem Flexibilität und Innovationskraft. Unternehmen mit traditionellen Strukturen empfinden beides als Störung und Problem. Dadurch entwickelt sich der Arbeitsablauf zur ständigen Problembehebung. Die Bewältigung eventueller Probleme und Krisen führt nicht wieder zur stabilen Normalität, sondern die Krise selbst ist zur Normalität geworden [HC96,S.18]

Vergleicht man hierzu eine Studie aus einem anderen Industriezweig, wird diese These in ihrer Begründung noch unterstützt. Diese Studie wurde im Bereich der Automobilherstellung erhoben. Da für die Textilindustrie solche Erhebungen fehlen, soll diese verallgemeinernd darauf bezogen werden. In dieser Studie wurden die Produktivitätsunterschiede analysiert, die durch unterschiedliche Unternehmensorganisation und Prozessabläufe bedingt sind [WJR+94, S.108]. Danach liegen Produktivitätsunterschiede wie folgt vor:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Studie lässt auch unter dem Sachverhalt, dass sie für die Automobilindustrie erhoben wurde die Erkenntnis zu, dass Produktivitätsdefizite durch unterschiedliche Arten der fertigungsgerechten Konstruktion und verschiedenartiger Fabrikorganisation entstehen. Damit unterstützt die Studie auch die Aussage, dass die Automatisierung in der Produktentwicklung in dieser Form nicht den geeigneten Weg zur Beseitigung der Schwachstellen darstellt. Weiterhin ist erkennbar, dass die Organisationsstrukturen zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor geworden sind. Daraus folgt der Schluss, dass die Notwendigkeit in der Entwicklung dynamischer, das heißt in selbst Flexibilität und Innovation erzeugender Organisationsformen, besteht. Dabei ist von ausschlaggebender Bedeutung, dass die Organisationsform nicht auf die Prozessund Materialflussebene sowie die Finanzen reduziert, sondern um die Ebene der Information ergänzt wird. Auch die sozial-psychologischen, strategischen sowie die kulturellen Ebenen werden mit in diese Formen der Organisation eingeschlossen [War96,S.151]. Hieraus lassen sich grundlegende Anforderungen an moderne Konzepte der Organisationsformen wie folgt definieren:

- Es entsteht eine Tendenz zur Dezentralisierung von Abläufen
- Die bisherigen Führungskonzepte werden durch Selbstregulierungssysteme (verteilte Intelligenz) ergänzt
- Eine Neudifferenzierung und Neuintegration von Prozessschritten erfolgt
- Neue Rahmenbedingungen für die Kreativität und Innovationsmöglichkeiten der Menschen werden geschaffen

Hieraus entstanden verschiedene voneinander abweichende Organisationsmodelle, die für die betrachteten Unternehmen beziehungsweise auch in ausgewählten Bereichen herangezogen werden können, um die dort vorherrschenden Abläufe, wie in der Kollektionsentwicklung, effektiver zu gestalten. Diese unterschiedlichen Organisationsmodelle werden im nachfolgenden nur für einen vollständigen Überblick betrachtet, weil in der Aufgabenstellung schon die Auswahl der Methoden vorgenommen wurde und die Betrachtung sowie ein Vergleich dieser untereinander den Rahmen der Arbeit sprengen würde

2.1 Einführende Darstellung

Im folgenden Abschnitt werden die wichtigsten Charakteristika des Business Process Reengineering dargestellt, um das Wesen des Ansatzes zu vermitteln. Business Process Reengineering stellt im Kern eine strategiegelenkte, radikale Restrukturierung von Geschäftsprozessen mit erheblicher Einflussnahme auf die intraund interorganisatorische Struktur des Unternehmens dar [Dav93,S.167-168;Ser94,S.27]. Der Ansatz ist aus verschiedenen bereits bekannten methodischen Betrachtungen abgeleitet und erweitert diese. BPR bedeutet also keinen Ausschluss von Ansätzen, wie Total Quality Management (TQM), Just in Time (JiT) oder Outsourcing, sondern relativiert deren Bedeutung und integriert sie in einem weiteren Kontext der Prozessorientierung [Fie95,S.47]

BRP wird in der Literatur unter zahlreichen synonymen Bezeichnungen diskutiert, wie etwa Business Reengineering [HC96,S.13], Business Redesign [DS90,S.11] oder auch Core Process Redesign [KM91,S.121]. Auf diese unterschiedlichen Bezeichnungen wird im nachfolgenden verzichtet und auf die gebräuchliche zurückgegriffen, das Business Process Reengineering. BPR ist nach HAMMER/CHAMPY wie folgt definiert:

„The fundamental rethiking and radical redesign of business processes to archieve dramatic improvement in critical, contemporary mesasures of performance, such as cost, quality and speeed.“ [HC93,S.3]

2.2 Konzeptionelle Merkmale

Ob es sich bei BPR um eine Methode bzw. um ein Vorgehensmodell handelt, ist in der Literatur umstritten [HÖ95,S.121]. Da für BPR jedoch keine einheitlich definierten Prinzipien existieren, kann BPR auch nicht als Methode bezeichnet werden, sondern nur als Vorgehensmodell, das durch eine Reihe von Basiselementen und Merkmalen geprägt ist, die den grundsätzlichen Ablauf eines BPR-Projektes beschreiben [Bar96,S.19]. Im nachfolgenden wird auf diese Merkmale eingegangen

2.2.1 Prozessorientierung

Das Hauptmerkmal des Business Process Reengineering besteht in der Fokussierung auf Prozesse, das heißt das Unternehmen wird durch eine „Prozesslinse“ betrachtet, wobei eine horizontale Ausrichtung der Unternehmenstätigkeit im Vordergrund steht [Ser94,S.46]. Das bedeutet, dass die klassische, funktionsorientierte Betrachtungsweise im Unternehmen überwunden wird mit dem Ziel, eine abteilungsübergreifende, prozessorientierte Sichtweise im Unternehmen zu implementieren [BK95,S.19f]. Funktionsorientierte Organisationsstrukturen führen im Kontext der heutigen Wettbewerbsbedingungen zu erheblichen Nachteilen, wie zum Beispiel mangelnde Flexibilität, Brüche im Informationsfluss und aufwendige Koordination von Einzelvorgängen [Kir96,S.7]. Die dargestellten Nachteile ergeben sich aus der isolierten Betrachtung der einzelnen betriebswirtschaftlichen Funktionen, da diese logisch und inhaltlich eng miteinander verknüpft sind

Beispiel 1: Der Auftrag wird im Vertrieb angestoßen, löst in der Materialwirtschaft Dispositions- und Beschaffungsfunktionen aus, veranlasst im Bereich Produktion Fertigungsund Montagearbeiten und endet im Versand. Begleitet wird die Abwicklung von Aktivitäten im Rechnungswesen. Diese abteilungsübergreifenden Arbeiten setzen einen Informationsaustausch zwischen den Funktionsbereichen voraus, was zu redundanter Datenhaltung führt, siehe nachfolgende Abbildung 2.1, die diese Zusammenhänge verdeutlichen soll

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.1: Informationsfluss – Unternehmensbereich Verkauf Quelle:[BK95,S.89]

Die Segmentierung der Organisation nach Geschäftsprozessen versucht, diese Probleme zu vermeiden. Hierbei orientiert sich die Strukturierung des Unternehmens nicht an einzelnen Funktionen, sondern an Geschäftsprozessen. Nach SCHEER [Sch94,S.6] sind Geschäftsprozesse wie folgt definiert:

Definition 1 - (Geschäftsprozess): Geschäftsprozesse sind als ein Bündel von Aktivitäten, für das ein oder mehrere unterschiedliche Inputs benötigt werden und das für den Kunden ein Ergebnis von Wert erzeugt, definiert [HC93,S.10ff.]. SCHEER [Sch94, S.6] beschreibt die mit der Bearbeitung von Objekten verbundenen Funktionen, beteiligten Organisationseinheiten, benötigten Daten und die Ablaufsteuerung der Ausführung

Eine geschäftsprozessorientierte Organisationsstruktur gliedert sich im Sinne der verwendeten Definition nach Objekten. Diese können Kunden oder Produkte sein [Kir96,S.5]. Die Zusammenfassung einzelner Geschäftsprozesse in einem organisatorischen Teilbereich ist Ziel des geschäftsprozessorientierten Organisationskonzepts. So lassen sich innerbetriebliche Leistungsverflechtungen weitgehend vermeiden, wodurch Brüche im Informationsfluss und daraus resultierende Probleme reduziert werden [The96,S.68]

Im BPR wird eine Verbesserung der Kernprozesse angestrebt. Das sind die Prozesse, die zur Wertschöpfung beitragen und damit die Wettbewerbsfähigkeit einer Unternehmung sichern [TS96,S.136]. Beispiele hierfür sind die Auftragsabwicklung, die Produktentwicklung oder Prozesse in der Produktion [BK95,S.20]. Auf diese Hauptprozesse soll sich die Restrukturierung im Unternehmen konzentrieren

2.2.2 Kundenorientierung

Ein weiteres Merkmal des BPR-Konzeptes ist die Kundenorientierung, d.h. der Fokus ist darauf gerichtet, was im Ergebnis den Kundennutzen steigert [Nip95,S.70]. Kunde ist jeder, der innerhalb eines Prozesses Leistungsempfänger ist. Leistungsempfänger innerhalb des Unternehmens werden als interne Kunden bezeichnet, solche außerhalb der Unternehmung als externe Kunden [Har91,S.73]. Durch diese Forderung können Prozesse generell als Tätigkeits-, Aktivitäts-, Handlungsoder Arbeitsfolgen beschreiben werden. Diese Abläufe stehen untereinander im Zusammenhang und grenzen sich durch einen Prozessbeginn und ein Prozessende voneinander ab [Dav93,S.5]. Auf diesem Sachverhalt beruhend lässt sich der Prozess als eine wiederholbare Folge von Tätigkeiten, wobei die Anzahl dieser unerheblich ist, mit einem messbaren Inund Output und einer speziell erfassbaren Wertschöpfung charakterisieren

Definition 2 - (Prozess): Ein Prozess lässt sich generell als Tätigkeits-, Aktivitäts-, Handlungs- oder Aufgabenverfolgung beschreiben, die in einem logischen Zusammenhang stehen und durch ein Prozessbeginn und –ende abgegrenzt werden [Dav93,S.5]. Dabei stellt er eine wiederholbare Folge von Tätigkeiten dar [EK93,S.43]

Dadurch wird deutlich, dass ein Prozess immer mindestens einen Lieferanten und einen Kunden hat. Es wird das Ziel verfolgt, durch spezielle Eingangsparameter (Input) oder eine Kombination von Eingangsparametern, ein materielles und/oder immaterielles Ergebnis (Output) zu erhalten. Damit lässt sich feststellen, dass Prozesse ereignisgesteuert sind. Sie benötigen ein definiertes Ereignis, um ausgeführt zu werden

2.2.3 Quantensprünge

Ein weiteres wesentliches konzeptionelles Merkmal des BPR stellt die Existenz von Quantensprüngen dar. Dieses bringt zum Ausdruck, dass es sich bei BPR-Projekten nicht um eine inkrementale Verbesserung bzw. Anpassung der Organisation handelt, sondern um einen radikalen strukturellen Umbruch [HC96,S.48-51]. Damit wird ausgedrückt, dass BPR keine

Verbesserung des vorherrschenden Zustandes darstellt. Das BPR erreicht vielmehr eine Neuorganisation mit strukturellen und prozessorientierten Aspekten einer Unternehmung. Es wird davon ausgegangen, dass hier eine Schwerpunktverlagerung von den traditionell vorherrschenden Abteilungsund Bereichsgedanken innerhalb der Abläufe eines Unternehmens hin zu einer prozessorientierten Sichtweise führt

Dieser Umbruch ist durch ein fundamentales und radikales Überdenken der betrieblichen Abläufe zu erreichen. Fundamental bedeutet nach HAMMER/CHAMPY [HC96,S.48-49], dass der Neugestaltung von Prozessen nicht die Frage vorangehen sollte, wie Prozesse schneller ausgeführt werden können, sondern die Frage, warum Prozesse überhaupt ausgeführt werden. Radikales Reengineering impliziert die Abkehr von bestehenden Organisationsstrukturen und Führungsstilen, das heißt, bestehende Strukturen und Machtverhältnisse stellen kein Hindernis für die Restrukturierung dar

Auf der Basis dieser Erkenntnis gelangen nun grundlegende Aspekte einer Unternehmung in das Zentrum der Betrachtung, die eigentlichen Aufgaben und die existierenden Beziehungen der Abteilungen bzw. Abläufe untereinander

2.2.4 Paradigmawechsel

Ein weiteres Merkmal des BPR ist der Paradigmawechsel hinsichtlich der Arbeitsorganisation. Der Kernbestandteil ist die beschriebene Prozessorientierung. Unter dem Merkmal Paradigmawechsel werden noch weitere Veränderungen zusammengefasst. Hierunter fällt z. B. die Delegation von Entscheidungskompetenz auf hierarchisch niedrigere Stufen, wodurch die vertikale Autonomie der Mitarbeiter erweitert wird. Mit der Verlagerung der Entscheidungskompetenz findet gleichzeitig eine Verringerung der Kontrolle durch übergeordnete Hierarchiestufen statt [HC96,S.74] und ergänzt dabei die Bildung einer prozessorientierten Struktur um die nötige Entscheidungsautonomie [The96,S.69]. Hierunter ist zu verstehen, dass eine Verringerung der Hierarchieebenen im Unternehmen bzw. in einem Geschäftsbereich angestrebt wird. Das kann im wesentlichen dadurch erreicht werden, dass Entscheidungskompetenz delegiert und abgegrenzte organisatorische Einheiten gebildet werden. Durch die Delegation verringert sich der Abstimmungsbedarf auf übergeordneten Ebenen. Die Bildung der abgegrenzten Einheiten reduziert den Koordinationsaufwand zwischen den Abteilungen. Somit entfällt die Notwendigkeit für eine stark gegliederte Hierarchie [The96,S.70]

Ein Element des Paradigmawechsels ist die prozessorientierte Motivation der Mitarbeiter. Hierunter wird ein Anreizkonzept verstanden, das den Geschäftsprozess als Grundlage eines leistungsabhängigen Entlohnungssystems ansieht. Die prozessorientierte Organisationsgestaltung fördert ein leistungsabhängiges System der Entlohnung, da die Einordnung der Tätigkeiten des Einzelnen in den Gesamtzusammenhang erleichtert wird. Das bezieht sich auf die Rolle bzw. die Aufgaben der Vorgesetzten. Dieser wird sich nicht mehr als Kontrolleur verstehen, sondern als „Coach“, der seine Mitarbeiter bei Problemlösungen unterstützt und die für die Aufgabenerfüllung nötigen Ressourcen beschafft [HC96,S.104-105]

2.3 Vorgehensmodell

Im folgenden wird das Vorgehen bei einem BPR-Projekt aufgezeigt. Das Vorgehensmodell beschreibt, wie der Gestaltungsprozess zu koordinieren und zu organisieren ist. In der Literatur sind darüber hinaus noch weitere Modelle dargestellt, die sich nur unwesentlich unterscheiden. Hier ergeben sich die Unterschiede häufig aus dem Sachverhalt, dass Phasen zusammenführt oder lediglich anders benannt werden

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.2: Schritte des Business Process Reengineering Quelle: [DS90,S.14]

In Abbildung 2.2 ist eine fünfstufige Gliederung wiedergegeben, die sich an dem Vorgehensmodell von DAVENPORT/SHORT orientiert und nachfolgenden näher erläutert wird

2.3.1 Entwickeln einer Vision

Im Mittelpunkt des ersten Schritts steht die Beschäftigung mit der zukünftigen Entwicklung des Unternehmens. Die BPR-Vision gibt an, wie die Wettbewerbsstrategie des Unternehmens umgesetzt werden kann. Davenport sieht die Vision als Bindeglied zwischen Strategie und Ausführung. Sie soll die strategischen Vorgaben spezifizieren und für die Prozessgestaltung handhabbar machen [Dav93,S.117]. Dieser Schritt setzt eine gedankliche Festigung der wichtigen Ziele für das Unternehmen voraus. Das bedeutet, dass die vom Unternehmen strategisch verfolgten Ziele klar definiert und zur Unternehmensphilosophie geworden sind

Durch die Entwicklung einer Idee für das BPR-Projekt wird der Zusammenhang zwischen Zielvorstellung und Unternehmensstrategie hergestellt. Dieser bildet die Basis für das weitere Vorgehen, um bei strategischen BPR-Projekten die passende Architektur und Konzeption sowie die Art und Weise der Abwicklung innerhalb eines definierten Projektrahmens zu entwickeln. Somit ist es möglich das Risiko für neue Technologien zu minimieren. Durch eine objektive Bewertung der einzelnen Risikofaktoren werden negative Projektauswirkungen frühzeitig analysiert und für den Projektverlauf verhindert. Diese Möglichkeit lässt schon sehr frühzeitig Rückschlüsse auf negative Auswirkungen für das Unternehmen zu, so dass einen Entscheidungsspielraum erhalten bleibt

Die Prozessvision wird im Rahmen von Workshops erstellt. Wichtige Punkte, die in die Vision einfließen sind die Wettbewerbsstrategien, die Bedürfnisse der Kunden, sowie die Leistungsfähigkeit der Mitbewerber [DS90,S.14]

2.3.3 Identifikation von Prozessen

Bei der Prozessidentifikation handelt es sich um alle nachfolgend determinierenden Aktivitä- ten und somit um die erfolgsbestimmende Phase [Gai98,S.372]. Ziel ist es, die Kernprozesse des Unternehmens zu identifizieren und die Projektarbeit auf drei bis vier Prozesse zu konzentrieren [Zel95,S.114]. Zur allgemeinen Prozessidentifikation bieten sich zwei unterschiedliche Vorgehensweisen an. Bei der deduktiven Prozessidentifikation werden die im Unternehmen bereits in abstrakter Form vorhandener Prozesse lediglich konkretisiert. Demgegen- über wird bei der induktiven Prozessidentifikation der Kernprozess schrittweise aufgebaut, indem um eine Leistung, die einen Kundennutzen darstellt, ein Prozess generiert wird [Gai98,S.372]. Das Ziel ist es, die wichtigsten und damit verbunden eine Anzahl von kritischen Geschäftsprozessen zu erhalten. Dabei lässt sich definieren, dass der Geschäftsprozess als funktionsübergreifende Aktivität mit einem vorgegebenen Input und Output verstanden wird, der eine Beziehung auf interne oder externe Kunden/Lieferanten ausübt. Danach erfolgt die Prozessanalyse mit dem Ziel, existierende Prozesse zu verstehen. Eine Zerlegung der Prozesse bis ins kleinste Detail wird nicht als sinnvoll erachtet, weil dadurch der Analyseaufwand erheblich steigt und das keine Auswirkungen auf die Prozesslogik besitzt. Für die Entwicklung eines Neudesigns ist es sehr wichtig, Aufgabe, Wirkung, Funktionsfähigkeit und Wirkungszusammenhänge des Prozesses zu verstehen [HC96,S.167]. Sind die Unternehmensprozesse identifiziert, folgt mit der Prozessselektion die Auswahl und Festlegung der Priorität der Prozesse, die einer radikalen Neugestaltung unterzogen werden sollen

2.3.4 Prozessanalyse

Bei der Prozessanalyse wird eine Erhebung der IST-Situation der bestehenden Prozesse vorgenommen [Gai95,S.72]. Die Analyse ist vor der GPO durchzuführen, so dass sich die Prozessbeteiligten ein gemeinsames Verständnis der Thematik erarbeiten. Durch die Analyse des IST-Zustandes kann eine gemeinsame Sprache, innerhalb des aus verschiedenen Funktionsbereichen zusammengesetzten Teams, entwickelt werden [Bar96,S.172]. Um Restrukturierungsmaßnahmen zu erklären und zu rechtfertigen, bedarf es in vielen Fällen eines SOLL- IST-Vergleichs oder der bewertete IST-Prozess kann als Vergleichsbasis für den SOLL- Prozess herangezogen werden

Damit wird der SOLL-Prozess anhand des IST-Prozesses auf seine Vollständigkeit überprüft werden [Öst95,S.94]. Aus der Praxis leitet sich jedoch immer stärker die Forderung ab, die Prozessanalyse durch ein Prozessverstehen abzulösen [HC96,S.167;Hes98,S.47-48]. Dies liegt daran, dass Prozessanalysen zu lange dauern, ohne einen größeren Nutzen aufzuweisen [HS95,S.35], wie auch an der Tatsache, dass die Analyse dem Wandel im Wege steht. Eine lange Analysephase der Abläufe erschwert das Erkennen von alternativen Abläufen [HS95, S.35]

Im Rahmen der Prozessanalyse ist eine detaillierte Beschreibung der Funktionsweise der bestehenden Prozesse zu erstellen. Im Gegensatz hierzu wird beim Prozessverstehen lediglich eine abstrahierte Form der IST-Situation aufgestellt. Hierdurch entfallen umfangreiche Erhebungsarbeiten sowie eine Gliederung der Prozesse in unterschiedlich detaillierte Ebenen. HAMMER/ STANTON fordern für die Prozessbeschreibung der IST-Situation einen zeitlichen Rahmen von vier bis sechs Wochen vorzugeben, in dem die Untersuchung abgeschlossen sein muß. Der Umfang bzw. die Gliederungstiefe der Erhebung ist im Vorfeld festzulegen [HS95,S.37]

Folgende Fragen, werden durch die Erhebung schwerpunktmäßig beantwortet [HS95,S.35- 37;Gai95,S.72]:

- Wer sind die Prozesskunden?
- Welche Leistungen erwarten die Kunden von dem Prozess?
- Welche Zielerreichung hatte der untersuchte Prozess?
- Warum wurden keine besseren Ergebnisse hervorgebracht?

Zusammenfassend ist zu erkennen, dass bei der Beschreibung der IST-Prozesse das „Was“ und „Warum“ im Vordergrund steht und nicht das „Wie“. Denn das Team legt weniger Aufmerksamkeit auf die Funktionsweise des heutigen Prozesses als vielmehr darauf, „Was“ der neue Prozess erfüllen wird [HC96,S.170]

2.3.4 Entwurf und Implementierung der neuen Prozesse

Die Informationsund Kommunikationstechnologie (IKT) wird als Wegbereiter für BPR- Projekte gesehen. Das bedeutet, IKT ermöglicht es, neue Prozesse zu gestalten und nicht nur neugeschaffene zu unterstützen [DS90,S.16]. Aus diesem Grund ist es erforderlich, die IKT im Prozess der Restrukturierung gezielt zu berücksichtigen. Die Potentiale der IKT für das Reengineering sind vielfältig. So ist es zum Beispiel möglich, Aktivitäten parallel ausgeführt werden, die vorher sequentiell abgelaufen sind. Außerdem können Prozesse über geographische Grenzen hinweg gestaltet werden [DS90,S.17]. Davenport/Short schlagen vor, die Möglichkeiten des IKT im Rahmen von Brainstoring-Sitzungen auf die eigenen Unternehmensprozesse anzuwenden und zu ermitteln [DS90,S.16]

Das Ziel besteht darin, ein SOLL-Modell für die Einführung der neuen Prozesse zu erstellen sowie dieses erfolgreich umzusetzen [Zel95,S.117]. Grundlage für das SOLL-Prozessmodell ist die Prozessvision und die Ergebnisse aus der Prozessanalyse [DS90,S.14]. Zur Überprü- fung der erstellten SOLL-Prozesse wird ein Prototyp gebildet, der überprüft, inwieweit der Prozess die angestrebten Ziele erreicht. Nach bestandenem Abschluss des Prototyping kann der Prozess im Unternehmen implementiert werden [DS90,S.14-15]

2.4 Strategie für erfolgreiche Projekte

Grundlage für eine Initiierung und eine erfolgreiche Durchführung eines BPR-Projektes sind zwei Aspekte: zum einen muss eine klar strukturierte Systemarchitektur und zum anderen ein Konzept für eine erfolgreiche Abwicklung des Projektes entwickelt werden. Die Schwierigkeit liegt darin, dass die Anforderungen an die Systemarchitektur eine stabile Grundlage für das Projekt geben soll. Außerdem muss das Konzept so strukturiert sein, dass das Projekt zum Erfolg führt. Allerdings bedeutet dies auch, dass die Systemarchitektur so aufgebaut ist, alle durch die Konzeptionserstellung hervorgerufenen Änderungen flexibel abzubilden. Man erkennt, dass kleinere Projekte in Architektur und Konzeption mehr oder weniger stark vorgeschrieben sind. Sie bilden einen Rahmen, in dem ein Projekt durchgeführt wird. Dabei setzen sich Architektur und Konzeption im Laufe der Projektentwicklung voneinander ab. Der hieraus entstandene Projektablauf beschreibt die Koordination und Organisation des Entwicklungsprozess in den einzelnen Phasen. Für erfolgreiche EPR-Projekte ist folgender Ablauf wichtig:

- Entwicklung einer Prozessvision,
- Prozessidentifikation,
- Prozessstrukturierung,
- Prozesslogistik

Entwurf und Implementierung der neuen Prozesse bedeutet, ein SOLL-Modell für die Einführung der neuen Prozesse zu erstellen und dieses erfolgreich umzusetzen [Zel95,S.117]. Die Grundlage für das Prozessmodell ist die Prozessvision und auch die Ergebnisse der Prozessanalyse [DS90,S.14]. Auf Basis der Analyse muss der Gesamtablaufprozess in mehrere einzelne Teilprozesse bzw. Prozesssubsysteme zerlegt werden. Dabei ist es erforderlich, den Schwerpunkt der Zerlegung und Strukturierung auf die Herstellung einer inhaltlich abgeschlossenen Einheit zu legen. Die Teilung erfolgt nach den logischen Zusammenhängen der jeweiligen Einzelprozesse. Auf dieser Basis fordert Gaitanidis [Gai95,S.14-15] die Zerlegung der, in logischer Abhängigkeit stehenden, Erfüllungsvorgänge. Hierbei ergeben die folgenden Problemdimensionen:

- Festlegung eines für die Problemstellung ausreichenden Detaillierungsgrades
- Festlegung der Systemgrenze

Bei der Bearbeitung dieser Problemstellung wird sehr schnell ersichtlich, dass bei ihrer Zerlegung mit verschiedenem Detaillierungsgrad sich die einzelnen Prozessebenen ergeben. Bezogen auf eine unterschiedliche Auslegung des Grades der Verfeinerung ergibt sich eine hierarchische Struktur, die sogenannte Prozessstruktur. Die daraus abgeleitete Prozessarchitektur stellt das Gerüst eines Einzelprozesses oder mehrerer Prozesse untereinander dar. Der Grundgedanke der Gestaltung von Prozessen unterliegt dabei immer den beiden Kriterien Zweckmassigkeit und Wirtschaftlichkeit

Das Ziel der Strukturierung der Prozesse liegt in der Schaffung von Transparenz und Modellierbarkeit, um eine tragfähige Basis für eine effektive Prozesssteuerung der beteiligten Einzelprozesse zu erhalten. Dabei ist neben der Prozessstrukturtiefe oder der vertikalen Prozess- struktur die horizontale Ausdehnung zu beachten. Für die vertikale Ausdehnung sind die gleichen Anforderungen wie für die horizontale gültig, wobei beide Dimensionen in der Prozessausdehnung nicht unabhängig voneinander sind. Allgemein zeigt sich, dass beide Dimensionen gleichwichtig sind. Erst wenn die Strukturierung der Prozesse abgeschlossen ist, werden anhand der vorgegebenen Ziele Schwachstellen in der vorhandenen Prozessstruktur sichtbar. Diese lassen sich wiederum durch neu erstellte Sollprozesse beseitigen

2.5 Weitere Methoden der Geschäftsprozessoptimierung

Jedes Unternehmen agiert in dynamischen und komplexen gesellschaftlichen Umfeldern und verändert sich ebenfalls ständig. Von außen her bekommen die konkreten Kundenwünsche immer mehr Bedeutung und im Produktionsprozess wächst die Rolle der flexiblen und kreativen Mitarbeiter in Teamwork. Diese beiden Tendenzen sind eng miteinander verflochten. Es reicht nicht mehr aus, durch bessere Produktivität und einen dadurch möglichen niedrigeren Preis mit den Wettbewerbern zu konkurrieren. Qualität und Flexibilität kommen als Faktoren hinzu. In zunehmendem Maße werden Innovation, Lernfähigkeit und Einmaligkeit der Produkte zum wesentlichen Überlebensfaktor der Unternehmen

Es wird inzwischen technisch möglich, durch flexible Produktion auch kleine Serien und Einzelwünsche zu berücksichtigen. Zum Beispiel ist die Modulbauweise gut geeignet, das Produkt genau nach Kundenwunsch zu konfigurieren. Die sogenannte „Kundenindividuelle Massenproduktion“ stellt die Möglichkeiten zur Verfügung, die der übersättigte Markt in seinem Drang nach Diversifizierung fordert. Indem die Kundenwünsche direkt in das Produkt einflie- ßen, entsteht die Ware als „Resultat eines kreativen Prozesses, der die Produzentinnen und Produzenten ebenso wie die Konsumentinnen und Konsumenten einschließt“ [LVN+98, S.55ff.]. Die Produktion wird auftragsbetrieben [Zäp98,S.19]. Das funktioniert jedoch nicht, wenn die Auftragsbearbeitung in traditioneller Weise über mehrere Abteilungsgrenzen sowie Kontrollen und Auslösungen über mehrere Hierarchiestufen hinweg erfolgen. Deshalb gehen die modernen Unternehmen dazu über, die Abläufe im Unternehmen entlang der Unternehmensprozesse, die auf die Erfüllung der Kundenwünsche fokussiert sind, umzustrukturieren. In den neueren Unternehmensorganisationsmodellen, entsprechend der Konzepte von Lean Production, Business Reengineering, Fraktaler Fabriken usw. kommen bei allen Unterschieden folgende Prinzipien zum Tragen:

- Orientierung auf die Prozesse, die über Kundenaufträge direkt wertschöpfend sind,
- Re-Organisation der Unternehmensstrukturen: Verflachung der Hierarchie, Bildung von Teams,
- prozessorientierte Abläufe,
- Verantwortungsübergabe an Teams und Mitarbeiter

Die tragende Rolle der arbeitenden Menschen - von moderner Technik unterstützt - bringt den Charakter von Unternehmen als soziales System wieder stärker in den Vordergrund

Gerade die Wechselwirkung zwischen externen Einflüssen (Markt, Kunde) und Mitarbeitern im „Herzen“ des Unternehmens ermöglicht ein „Mitfließen“ des Unternehmens mit den Marktanforderungen

Das Ziel der Unternehmenstätigkeit besteht ganz unmittelbar in der besseren Erfüllung der Kundenwünsche. Mittelbar entsteht daraus eine Flexibilität, deren innere Auswirkungen auf das Unternehmen auch mit „Lernen“ bezeichnet werden („Lernende Unternehmen“). Die Produktion verläuft nicht mehr längerfristig kontinuierlich optimiert, sondern muss flexibel den (auch den erst entstehenden!) Kundenwünschen entsprechend „mitfließen“. Das Managen ist kein Steuern vom bestehenden IST-Zustand zu einem stabilen SOLL-Zustand, es muss vielmehr „Changemanagemen t“ sein. Der Umgang mit dem Wissen der Mitarbeiter wie des Unternehmens sowie die ständige Innovationsfähigkeit ist wesentlicher Inhalt des Managements

2.5.1 Total Quality Management

Das Total Quality Management (TQM) wird deshalb in diesem Kontext betrachtet, weil die Produktion bisher dadurch optimiert wurde, dass über die dafür verantwortlichen Abteilungen ein optimaler SOLL-Zustand für die Prozessführung ermittelt wurde. Diesem war der IST- Zustand ständig anzupassen. Veränderungen erforderten einen hohen Aufwand und deshalb waren schnelle Veränderungen als „Störungen“ möglichst auszuschalten. Natürlich ist der störungsfreie Ablauf das Ziel [FHA+93,S.150]. Das Ganze war in einem gewissen dynamischen Gleichgewicht. Nach der Problembearbeitung sollte es immer wieder dahin gebracht werden

Diese Funktionsweise ist innerhalb der dauerhaft turbulenten Märkte aber nicht mehr ausreichend. Das Unternehmen muss selbst hinreichend komplex reagieren und agieren. Es geht um das Aushandeln, ja das Gestalten von Ungleichgewichten und ständigen Veränderungen, Fluktuationen und chaotischen Zuständen. Diese Zustände können tatsächlich existenzgefährdend sein; der Umgang damit muss gekonnt sein. Die Selbstorganisationskonzepte wurden seit Anfang der 80er Jahre immer weiter entwickelt. Inzwischen sind die Regeln im scheinbar Regellosen gut bekannt und nutzbar [Sch96,S.50]. Es ergeben sich keine starren Vorschriften, sondern eher grundlegende Prinzipien. Selbstorganisierte Systeme, also in unserem Fall Unternehmen, lassen sich nicht „von außen“ oder „von oben her“ steuern, sondern regeln sich selbst. Was man „vorgeben“ kann und muss, sind geeignete Rahmenbedingungen

Unter Qualität wird nicht mehr nur das Erzielen bestimmter vorgegebener Produktparameter verstanden, sondern die Erzeugung des Produkts entsprechend dem Kundenwunsch. Damit liegt Qualitätsmanagement (QM) voll im Trend der oben genannten Entwicklungen. Insbesondere Total Quality Management ist nicht mehr nur ein IST-SOLL-Abgleich mit der Implementierung einer „stabilen“ Sollerfüllung, sondern gibt genau die Rahmenbedingungen, die für eine dynamische Selbstorganisation im oben genannten Sinne notwendig sind. Unter dynamischer Selbstorganisation ist u. a. der Prozess der ständigen Verbesserung zu sehen. In seinem Kern unterstützt QM die Bestrebungen, aus Mitarbeitern Mitunternehmer zu machen, indem auch unternehmensintern jeder nachfolgende Prozessakteur als Kunde betrachtet wird. Nach DIN ISO 8401 [Beu02] ist jeder „Empfänger eines Produkts, das von einem Lieferanten bereitgestellt wird“, ein Kunde. TQM verbindet die externe mit der internen Flexibilität

Es geht dabei nicht nur darum die vorhandenen Unternehmensstrukturen und -prozesse in einem Handbuch „aufzuschreiben“, sondern den neuen Anforderungen entsprechend zu gestalten. Ein „Festschreiben“ veralteter Strukturen wäre geradezu kontraproduktiv. Bereits im Bereich der Qualitätssicherung gibt es bei den neuen Produktionsmethoden eine grundlegende Veränderung. Aber Qualitätsmanagement ist noch mehr als reine Qualitätssicherung. Im Qualitätsmanagement steht die Rückbindung der „Regelgröße“ an den Kundenwunsch und eine direkte Verknüpfung zwischen diesem und der Qualitätsvorgabe im Zentrum der Aufmerksamkeit. Dieser Kreis ist prozessund nicht nur ergebnisorientiert. In ihm sind Innovation und Lernen eingebunden [KIR98,S.12ff.]. Der hohe Anteil nichttechnischer Faktoren in diesem Qualitätsmodell verweist bereits darauf, dass sozial-kulturelle Faktoren an Gewicht gewinnen, wie bereits oben festgestellt wurde. Qualität bedeutet eine Transformation unserer Denkund Verhaltensweisen, unserer Vorstellungen von Werten und Belohnungen und unserer Erfolgsauffassung. Alle arbeiten zusammen, um ein einheitliches wertorientiertes System zu entwickeln und zu betreiben. Zu diesem System gehören die Qualitätskontrolle, der Kundenservice, die Verfahrensverbesserung, ein gutes Verhältnis zu den Zulieferern und gute Beziehungen zu den Gemeinschaften, in denen die Menschen leben. Das beste QM ist deshalb eines, das aus der Unternehmung ein lernendes Unternehmen macht

2.5.2 Lean Produktion

Der Grundgedanke dieses Konzeptes liegt in der Ausrichtung aller Prozesse auf die Wertschöpfung und damit verbunden, jegliche Art von Verschwendung zu vermeiden. Das Lean Production beinhaltet hierbei nicht die Verbesserung der Prozesse untereinander und auch nicht eine Anhebung der Arbeitsintensität. Das Ziel ist es, die einzelnen Prozesse besser zu synchronisieren, um hierdurch Pufferzeiten zwischen den einzelnen Arbeitsschritten zu senken. Dieses Ziel soll durch Verbesserungen im Produktionsbereich aber auch in der Beziehung zwischen Lieferanten und Kunden verwirklicht werden. Für die einzelnen Bereiche bedeutet das, dass Just-in-Time Zulieferungen einen kontinuierlichen Arbeitszyklus benötigen und deshalb durch eine bessere Kundenbindung, ein aggressiveres Marketing, die Kombinationen von Verkaufsund Finanzierungspaketen sowie durch die Integration der Händler in das Produktionssystem eine stärkere Produktionsglättung erreicht wird. In der Zusammenarbeit mit den Lieferanten ergeben sich folgende Veränderungen:

- Der individuelle Preismarkt zwischen den Unternehmen wird durch langfristige Vereinbarungen der Zusammenarbeit mit zukunftweisenden Rahmenbedingungen für eine Kostenanalyse, Preisfestsetzung und Gewinnteilung ersetzt. Für alle Beteiligten entwickelt sich so eine gewinnbringende Kooperation
- Der Lieferant wird in die firmeninterne Verbesserung der Prozesse einbezogen. Dadurch können sich Zulieferverbände mit einer abgestimmten Hierarchie herausbilden

In der Durchführung der Produktion werden folgenden Änderungen vorgenommen:

- Ein Maximum von Aufgaben und die sich daraus ergebenden Verantwortlichkeiten werden an die Arbeiter übergeben
- Die vorherrschende Arbeitsteilung und Fließfertigung wird beibehalten [Zin95,S.13]
- Es ist ein Fehlerentdeckungssystem (KAIZEN) in die Unternehmensphilosophie zu installieren. KAIZEN beinhaltet, jedes entdeckte Problem in der Fertigungsdurchführung aufzuzeigen und zu analysieren, um die Ursachen für die Störungen abstellen zu können [WJR+94,S.120]
- Entscheidungen über Ressourcen und Prioritäten werden zu Beginn des Produktionsprozesses mittels konfliktorientierter Kommunikation erzwungen
- Die Grundlagen für diese Art der Produktionsorganisation sind hochflexible und zunehmend automatisierte Maschinen, welche die Vorteile von handwerklichen Produktionsfaktoren mit denen der Massenproduktion verschmelzen lassen
- Die hohe Produktvielfalt in sehr großen Produktionsstückzahlen ist kennzeichnend
- Das Konzept der Produktionsorganisation ist charakterisiert durch die Optimierung aller an der Wertschöpfung beteiligten Prozesse, bei der die Komplexität auf ein Mindestmaß reduziert wird

2.5.3 Das virtuelle Unternehmen

Das Hauptmerkmal dieses Organisationskonzeptes liegt in der Erhöhung der betrieblichen Flexibilität und Innovationskraft. Damit verbunden ist eine Konzentration auf die unternehmenseigenen Kernkompetenzen. Hieraus ergibt sich, dass sich mehrere der Einzelunternehmen zum Aufbau komplexerer Strukturen zusammenschließen, es kommt zur Vernetzung. Eine solche Art der Firmenvernetzung kann nicht durch Zuliefer-, Preisund Konditionsverhandlungen erreicht werden. Es ist erforderlich, tiefgreifendere Kooperationsvereinbarungen zwischen den einzelnen beteiligten Unternehmen zu entwickeln und zu vereinbaren. Für diese Art von Unternehmensorganisationsmodellen ist folgendes typisch:

- Die Zulieferfirmen werden in dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess eingeschlossen und es entwickeln sich Zulieferverbände, die eine auf sich abgestimmte Hierarchie aufweisen [WJR+94,S.153]
- Die Firmen schließen langfristige Vereinbarungen der Zusammenarbeit mit einer sinnvollen Preisgestaltung und Gewinnbeteilung, die für alle beteiligten Firmen eine gewinnbringende Kooperation darstellt

Das Hauptziel virtueller Unternehmen ist es, ein unternehmensübergreifendes Netzwerk zu schaffen, wobei die Wertschöpfungskette optimiert wird. Vereinfachungen lassen sich nur durch eine entsprechende Komplexität der beteiligten Unternehmen erreichen. Dabei kommen neue Aspekte der Informationsund Kommunikationstechnologien zum Tragen, weil dadurch zumindest teilweise räumliche als auch zeitliche Grenzen überwunden werden können

Diese Unternehmensorganisationen entstehen, wenn rechtlich eigenständige Firmen und/oder auch selbständige Einzelpersonen an einem bestimmten Projekt oder für bestimmte Abnehmer zusammenarbeiten. Der Zeitraum der Zusammenarbeit ist oft begrenzt, regional verteilt, oder sogar global. Diese Unternehmen nutzen die Datennetze als zentrales Kommunikationsinstrument. Beim Auftreten einer Marktchance schließen sich mehrere rechtlich und wirtschaftlich selbständig bleibende Unternehmen zusammen, um das zeitlich begrenzt vorhandene Marktpotential als virtuelles Unternehmen erfolgreich und voll auszuschöpfen. Der Zusammenschluss und die Kooperation als virtuelles Unternehmen wird schnell und ohne die Einrichtung zusätzlicher Koordinationsstellen und zum Teil auch ohne die Aushandlung von genau spezifizierten Verträgen verwirklicht

Der Begriff „virtuelles Unternehmen“ geht auf eine Analogie zur virtuellen Speicherverwaltung im Bereich der Speichertechnik bei Computersystemen zurück. Hier erscheint der virtuelle Speicher dem Benutzer eines Computersystems im vollem Unfang als einheitlicher Speicher vorhanden zu sein. Tatsächlich werden aber nicht benutzte Speicherbereiche unter Zuhilfenahme spezieller Pageing-Algorithmen auf einen wesentlich langsameren Sekundärspeicher ausgelagert. Im Bezug auf die Organisationsformen der Unternehmen bedeutet „virtuell“, dass das Netzwerk von Einzelorganisationen nach außen hin als homogener und eigenständiger Partner am Markt in Erscheinung tritt, real aber nicht als örtlich bestimmbares Unternehmen dargestellt werden kann

2.5.4 Lernende Organisationen

In den Mittelpunkt dieses Konzeptes der Unternehmensorganisation werden die entwicklungsfähigen humanbezogenen Faktoren gestellt. Hierbei wird der Mensch nicht mehr als Basis körperlicher Kraft angesehen, sondern er fungiert in seiner Eigenschaft als einziger wertschöpfungsfähiger Faktor innerhalb der Produktionsdurchführung. Dieser Sachverhalt wird nicht durch eine weitere Technisierung der Produktion außer Kraft gesetzt. Durch den hohen Technikeinsatz steht hier der Mensch im Mittelpunkt der Produktion. Wichtig ist die neue Qualität, die aus einer sinnvoll geeigneten Beziehung der Potenzen der Menschen eine Organisation bildet

Nachfolgend wird das „Lernen“ als allgemeingültiger Begriff der Organisationslehre für die Wissensveränderung verwendet. Die Veränderung des Wissens beschränkt sich hier nicht auf das individuelle Lernen des Einzelnen, sondern beinhaltet die Wissensveränderung zwischen Individuen, aber auch zwischen Kollektiven und deren Wechselbeziehung untereinander. Auf der Basis dieser neuen Anforderungen und Möglichkeiten ergeben sich wesentliche positive Aspekte für die Unternehmensorganisation. Die Unternehmen sind folglich nicht die Hülle der Einzeltätigkeiten von Mitarbeitern. Sie erhalten selbst eine eigenständige Dynamik und würden so agieren, als hätten sie selbst eine Intelligenz. Daraus kann abgeleitet werden, dass gerade Unternehmen sich selbst an eine dynamische Umwelt anpassen und diese auch aktiv mitgestalten. Dazu sind allerdings wichtige Informationen für den Entscheidungsprozess zur Verfügung zu stellen

Bei näherer Betrachtung, kann festgestellt werden, dass traditionelle Managementmethoden (bis Mitte der 60er Jahre) kybernetische Regelkreismodelle benutzten. Abweichungen vom optimalen produktiven und effektiven Prozess wurden als Störung bezeichnet, die es zu beseitigen und auf dem schnellsten Wege wieder vergessen galt. Stellt man sich den heutigen Wettbewerbsdruck mit den sich immer schneller wechselnden Marktund Technikveränderungen vor, zeigt sich, dass „Störungen“ so zusagen zum Normalfall werden und die damit verbundene Behebung ein immer aufwendigeres Ausmaß annimmt

Die auf diesem Sachverhalt beruhenden Beziehungen zwischen den Menschen und der Organisationsform zeigen, dass Störungen als neue Impulse von außen in der Organisation zu werten sind. Hieraus lässt sich ableiten, dass „Lernen“ bedeutet die bis zum heutigen Zeitpunkt erworbenen Erfahrungen ständig zu überprüfen und danach in ein allgemein zugängliches Wissen zu überführen. Die Überführung des speziellen Wissens in ein verallgemeinertes Wissen ist für den Hauptzweck der Organisation von grundsätzlicher Bedeutung [RSR+95,S.55]

Um lernende Organisationsformen erfolgreich praktizieren zu können, sind folgende Strukturund Prozesselemente einzuführen:

- Es werden eigenverantwortliche, technologisch sinnvolle Produktionssegmente mit der Übergabe der Verantwortung und Entscheidungsfähigkeit gebildet
- Die Mitarbeiter sind an der strategischen Zielstellung der Unternehmung und an der Strategieplanung ihrer Bereiche zu beteiligen
- Der kontinuierliche Verbesserungsprozess (KAIZEN) muss in den Unternehmensgedanken implementiert werden
- Erfahrungen müssen abgebildet und weitergegeben werden können

Aus der Implementierung dieser Elemente entsteht eine „Organisation, die das Lernen aller Mitarbeiter ermöglicht und fördert. Aus diesem Prozess heraus entwickelt sich die Organisation kontinuierlich selbst weiter [Sau98,S.47].“ In der Weiterentwicklung des Lernprozesses, welcher auf der Basis der ständigen Qualifikation der Mitarbeiter beruht, steht nicht nur die Verallgemeinerung des erworbenen Wissens. Das Unternehmen muss auch die Fähigkeiten erwerben, seine eigenen Regeln entsprechend dem Lernprozess zu verändern und gleichzeitig Vorgaben für die Regeländerung zu entwickeln, um damit auf seiner Basis einwirken zu können. Diese Eigenschaft lernender Unternehmen wird als reflexiv bezeichnet

2.5.5 Abgrenzung der Unternehmensorganisationskonzepte

Im folgenden wird Business Reengineering den aktuellen Organisationsmethoden Lean Produktion, Total Quality Management, virtuelles Unternehmen und lernendes Unternehmen gegenübergestellt, wobei die Darstellung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden im Vordergrund steht

Lean Produktion hat die „schlanke Produktion“ zum Ziel, welche durch flache Unternehmenshierarchien, kurze Entscheidungswege sowie dem Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung geprägt ist. Die angestrebte Leistungsverbesserung bezieht sich in erster Linie auf die

Steigerung der Produktivität durch die Vermeidung von Ressourcenverschwendung zum Beispiel Material, Kosten oder Zeit bei der Produktionsdurchführung. Dieser Prozess wird ausschließlich durch die Mitarbeiter getragen. Wesentliches Merkmal von Lean Produktion ist nicht die Umgestaltung des Unternehmens oder Teile davon, sondern die Verbesserung der Kostenstruktur und durch Personalabbau das Unternehmen schlanker zu gestalten. Lean Produktion ist ein Konzept und besitzt keine Methodik, deshalb fehlen auch die theoretischen Grundlagen zur praktischen Umsetzung. Ein radikaler Wandel der Organisation und ein verstärkter Einsatz von Informationstechnologien ist nicht zwingend vorgesehen

Das Konzept Total Quality Management bezieht sich auf das ganze Unternehmen. Um ein hohes Maß an Qualität zu erreichen, müssen sich die Qualitätsgedanken auf alle Bereiche des Unternehmens beziehen. Jeder Mitarbeiter steht bei diesem Konzept als Lieferant für interne und externe Kunden, deren Waren in einer vorher festgelegten Qualität geliefert werden müssen. Ziel dieses Konzeptes ist es, das Qualitätsbewusstsein in der Unternehmensphilosophie zu verankern. Das Werkzeug des Total Quality Management sind Qualitätszirkel und -audits, in denen die Mitarbeiter aller Hierarchieebenen ausgewählte Qualitätsprobleme diskutieren und Lösungsvorschläge zu deren endgültigen Behebung erarbeiten. Bei der Gegenüberstellung von Lean Produktion, Total Quality Management und Business Reengineering ist zu erkennen, dass diese Konzepte Gemeinsamkeiten in folgenden Punkten aufweisen:

- die Kundenorientierung,
- dem umfassenden Qualitätsgedanken,
- die Leistungsverbesserung und
- dem Prozessdanken

Trotz dieser Gemeinsamkeiten, gibt es auch Unterschiede von Business Reengineeringmaßnahmen gegenüber Lean Produktion und TQM:

- die radikale Neugestaltung von Prozessen,
- die Geschäftsprozessorientierung, bei der der Kundennutzen im Vordergrund steht,
- die Konzentration der Unternehmertätigkeit auf das Kerngeschäft,
- eine wesentliche Leistungssteigerung,
- die konsequente Nutzung moderner Informationsstrategien,
- die aggressiven Zielvorgaben

Aus diesem Vergleich lässt sich erkennen, dass Business Reengineering die radikale Neugestaltung kritischer Geschäftsprozesse bedeutet und sich damit grundlegend von Lean Produktion und TQM unterscheidet. Weiterhin wird sichtbar, das zwischen Prozess und Struktur zahlreiche Wechselwirkungen bestehen, wobei traditionell Prozesse innerhalb vorgegebener Aufbaustrukturen ablaufen und gestaltet werden. Business Reengineering wandelt dieses Prinzip um. Die Aufbaustruktur orientiert sich hier an den erfolgskritischen Geschäftsprozessen eines Unternehmens

Die bisher dargestellten Grundlagen und die Vergleiche der verschiedenen Methoden zeigen, dass für die gestellte Aufgabenstellung das Konzept des Business Reengineering am besten geeignet ist. Zu diesem Standpunkt hat die Erkenntnis geführt, das eine Neugestaltung derProzesse anvisiert wird, die sich nicht an vorgegebene Richtlinien und eingeschliffene unternehmensbedingte Besonderheiten anlehnt. Dadurch ist es möglich, ohne Rücksicht auf die Gegebenheiten, neue Abläufe in der Kollektionsentwicklung einzuführen und dabei auf die spezifischen Gegebenheiten der Firma EXCELLENT anzuwenden und einen allgemeingültigen Charakter zu bewahren.

2.6 Zusammenfassung

Bei der Erstellung der SOLL-Prozesse in der Entwurfsphase handelt es sich um die eigentliche Neugestaltung der Kernprozesse. Grundlegendes Ziel der Restrukturierung ist die Gestaltungvon SOLL-Prozessen, so dass die wettbewerbsstrategischen Vorgaben erfüllt werden. Der Prozessentwurf wird unabhängig von jeglicher Restriktion entwickelt. Der spätere Einsatz der Standardsoftware ist nur insoweit berücksichtigt, als die erstellten Prozessmodelle möglichst viele Freiheitsgrade enthalten und somit eine spätere standardsoftwaregerechte Detaillierung möglich machen [KR98,S.161-162;Bar96,S.182;Kir96,S.70]. Die Modelle sindjedoch so stark zu detaillieren, dass aus ihnen hervorgeht, wie die angestrebten Prozessziele erreicht werden [Bar96,S.182]. Wie bereits dargestellt, ist im Rahmen der SOLL-Prozesserstellung ein hohes Maß an induktiver Denkweise nötig. Dieses Denken bezieht sich auf Lösungspotentiale, die als Wegbereiter neuer Prozesse angesehen werden können [HC96, S.114]. Die Potentiale werden hier folgenden drei Bereichen zugeordnet [Dav93,S.17]:

- Technologie, ƒ- Organisation und
ƒ- Human Ressource.

Unter dem Wegbereiter Technologie sind nicht nur integrierte Softwaresysteme zu verstehen, sondern in den Prozessentwurf müssen die gesamten Möglichkeiten der IKT, vor allem Potentiale der Schrittmacherund Zukunftstechnologien einfließen [Bar96,S.182]. Hierzu ist es unerlässlich, dass im Team Technologieexperten vertreten sind, das heißt es wird die EDVAbteilung oder ein Beraterteam hinzugezogen.

In diesem Kapitel wurden die theoretischen Grundlagen des Business Process Reengineering detailliert betrachtet und anderen Unternehmensorganisationenformen gegenübergestellt. Es hat sich gezeigt, dass die in der Aufgabenstellung beschriebenen Schwerpunkte nur mit dem Konzept des Business Process Reengineering durchgeführt und realisiert werden können. Die gewonnenen Kenntnisse dienen im folgenden als Basis für die IST-Analyse und werden auf die Entwicklung des SOLL-Konzeptes der Abläufe während der Kollektionsentwicklung angewendet.

[...]

Ende der Leseprobe aus 119 Seiten

Details

Titel
Business Prozess Reengineering
Untertitel
Eine praxisorientierte Sicht
Autor
Jahr
2008
Seiten
119
Katalognummer
V114135
ISBN (eBook)
9783640146598
ISBN (Buch)
9783640148363
Dateigröße
3105 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Business, Prozess, Reengineering
Arbeit zitieren
Dipl.-Inf. Andreas Pescholl (Autor:in), 2008, Business Prozess Reengineering, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114135

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