Squatting in Lusaka, Sambia - Zur Entwicklung informeller Siedlungsstrukturen in einer afrikanischen Großstadt


Magisterarbeit, 2008

83 Seiten, Note: 2,1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1.0 Einleitung
1.1 Hinführung zum Thema
1.2 Aufbau der Arbeit

2.0 Klärung der Begriffe informelle Siedlung und squatting

3.0 Entwicklung von Lusaka und Entstehung der squatter unter Einbezug der wohnungspolitischen Maßnahmen

4.0 Das Lusaka Squatter Upgrading and Sites and Services Project der Weltbank
4.1 Voraussetzungen für das Weltbankengagement in Lusaka
4.2 Ziele des Projektes
4.3 Partizipation der squatter

5.0 Die Entwicklung der informellen Siedlungsstrukturen in George
5.1 Entstehung und Demographie von George
5.2 Strukturen in George vor der Modernisierung
5.2.1 Bauformen und Baumaterial
5.2.2 Besitzverhältnisse
5.2.3 Bebauungsmuster und Dichte
5.2.4 Technische Infrastruktur
5.2.5 Soziale Infrastruktur
5.2.6 Organisation im squatter
5.3 Erwartungen der Bewohner hinsichtlich der Modernisierung
5.4 Upgrading in George
5.4.1 Auswirkungen auf die Behausungen und die Siedlungsstrukturen
5.4.2 Auswirkungen auf die Besitzverhältnisse
5.4.3 Einrichtung technischer und sozialer Infrastruktur
5.4.4 Bereitstellungsgebühr und Kostendeckung
5.4.5 Errichtung von George overspill und die Folgen

6.0 Auswertung des Projektes
6.1 Hausbau in Selbsthilfe und Besitzverhältnisse
6.2 Geschäfte zur Materialversorgung und Materialdarlehen
6.3 Infrastrukturelle Maßnahmen
6.4 Auswirkungen auf die Beschäftigung und gewerbliche Nutzung
6.5 Erschwinglichkeit für die Bewohner und Kostendeckung
6.6 Partizipation der Bevölkerung bei der Planung und Durchführung
6.7 Verwaltung des Projektes
6.8 Einfluss des Projektes auf die Wohnungspolitik

7.0 Schlussbetrachtung und Ausblick

8.0 Abkürzungsverzeichnis

9.0 Anhang
9.1 Abbildungen
9.2 Tabellen

10.0 Quellenverzeichnis

1.0 Einleitung

1.1 Hinführung zum Thema

Das weltweit bekannte Phänomen der informellen Siedlungen, d. h. solche, die ohne behördliche Genehmigung bzw. Planung entstanden sind, war bereits in den letzten 50 Jahren in entwicklungspolitischen Diskussionen zu finden. Durch die rasante Verstädterung und fehlende Steuerungsprozesse entwickelte sich bereits in den 1950er Jahren in vielen Großstädten in Ländern der Dritten Welt die Wohnraumversorgung einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen zum Problem. Die starke Land-Stadt-Migration und das hohe natürliche Bevölkerungswachstum in den 1960er Jahren sowie die ansteigende Verarmung der Mittelschichten und der Arbeiterschaft führte zunehmend zur Marginalisierung dieser Bevölkerungsgruppen, da der formelle Wohnungssektor der Nachfrage nach Wohnraum nicht nachkommen konnte und dieser ebenso für die Bevölkerungsmehrheit unerschwinglich und teilweise unangemessen war. Die einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen wurden zur Suche nach Wohnmöglichkeiten auf der informellen Seite gezwungen, die zumeist nur Behausungsprovisorien darstellten. Die Zunahme der Bevölkerung in den informellen Siedlungen, die damals bereits die Ränder der Metropolen und vieler Großstädte der Entwicklungsländer prägten und die Mehrheit der Bevölkerung dort beherbergten, hielt auch in den 1970er und 1980er Jahren an und stellte die offizielle Seite vor große Probleme. Informellen Siedlungen wurde vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt und Anfang der 1960er Jahre wurden sie zum ersten Mal von der UNO untersucht. Bis Mitte/Ende der 1960er Jahren wurde von den städtischen Behörden versucht, den informellen Siedlungen durch den am europäischen Vorbild orientierten sozialen Wohnungsbau (low cost housing) entgegenzuwirken. Die Unangemessenheit des konventionellen Wohnungsbaus zur Lösung des Wohnungsproblems in Städten der Dritten Welt wurde allerdings schnell erkannt und der Abriss der informellen Siedlungen, den viele Regierungen ebenso als konventionelle Maßnahme durchführten, wurde ebenso oftmals zu Gunsten von Sanierungs- und Konsolidierungsprogrammen aufgegeben. Als neuer Lösungsansatz wurde Anfang der 1970er Jahre die unterstützte Selbsthilfe im Wohnungssektor eingeführt, die eine wichtige Komponente der non conventional housing policies darstellte. Einen Wendepunkt in der Debatte von konventionellen zu unkonventionellen Wohnungsbau- bzw. Selbsthilfestrategien brachte auch die 1976 von der UNO einberufene „HABITAT I-Konferenz“ in Vancouver, auf der zum ersten Mal das Grundrecht auf Wohnen herausgestellt wurde. Der Selbsthilfeansatz wurde in den 1970er Jahren zum wesentlichen wohnungspolitischen Instrument in der Entwicklungszusammenarbeit und von Organisationen, wie z. B. der Weltbank, aufgegriffen. Die Selbsthilfekomponente wurde unterschiedlich intensiv in verschiedenen Wohnungsbauprogrammen der Weltbank umgesetzt: neben Sites and Services -Programmen (mit minimaler Infrastruktur ausgestattete Siedlungsflächen), die bis Mitte der 1970er Jahre dominierten, Core Housing -Programmen (zusätzlich ist bereits ein Hausteil auf dem Grundstück errichtet) und der Legalisierung informeller Siedlungen wurden als Variante auch upgrading -Programme eingeführt. Letztere wurden bis Anfang der 1980er Jahre eingesetzt und umfassten die bausubstanzielle und infrastrukturelle Aufwertung bestehender informeller Siedlungen entsprechend der (Mindest-) Normen sowie die Gewährung der Standortsicherheit für die Bewohner. Die oft jahrelang illegal bewohnten Grundstücke wurden politisch und administrativ offiziell anerkannt und versorgungstechnisch und rechtlich in die Stadt inkorporiert. Die Modernisierung der Behausungen erfolgte in Selbsthilfe.

Am Beispiel von Sambia lässt sich exemplarisch das Wohnraumproblem im Zuge der Urbanisierung sowie die Maßnahmen zur Problembewältigung durch den Staat und internationale Organisationen sehr gut aufzeigen. In Sambia kam es wie in anderen afrikanischen Ländern auch bereits in der kolonialen Ära im Zuge der Arbeitsmigration in die sich entwickelnden Städte zu sehr starken Zuwanderungsraten. Afrikanische Arbeiter siedelten sich in Zentren an, wo sich die Industrie konzentrierte sowie in der heutigen Hauptstadt Lusaka und an Verkehrsknotenpunkten. Der formelle Wohnungsbestand reichte nicht aus, wodurch in der Folge informelle Siedlungen am Stadtrand entstanden und anwuchsen. Zudem wurde eine Baupolitik verfolgt, die eine Trennung in informelle und formelle Stadtbereiche vorsah und bei der Festlegung des Standards europäischen Vorbildern folgte, die den lokalen Verhältnissen jedoch nicht entsprachen. Die unteren Einkommensgruppen wurden mit einer Verschlechterung ihres Lebensumfelds im Zuge des Wachstums und der Verdichtung der städtischen Gebiete konfrontiert.

Die Regierung Sambias verfolgte zunächst eine laissez-faire -Strategie und verweigerte die Bereitstellung der notwendigsten infrastrukturellen Grundversorgung in den informellen Siedlungen, wodurch die Lebensbedingungen der Bewohner erheblich erschwert wurden. Erst weit nach der politischen Unabhängigkeit 1964, als die informellen Siedlungen durch die Aufhebung der kolonialen Zuzugsbestimmungen und die Landflucht in Anzahl und Größe am stärksten angewachsen waren, wurde versucht, das Wohnraumproblem mittels staatlicher Hilfe zu lösen. Sambia ist eines der wenigen Länder in Afrika „(...) that undertook a substantial effort to integrate its squatter populations.“ (tait 1997:160) und eines der ersten Länder, in dem die Regierung des Landes und auch die Weltbank als Geldgeber für ein Experiment nach dem Konzept des upgradings gewonnen werden konnte. Die hohe Kapitalausstattung, die aus der Preissteigerung für Kupfer auf dem Weltmarkt bis Mitte der 1970er Jahre resultierte, ermutigte die Regierung Sambias dazu, sich ab 1974 für ein mehrjähriges und umfassendes upgrading -Programm in Lusaka zu engagieren, das ca. 60 % der Bevölkerung der Hauptstadt dienlich sein sollte. Einige Siedlungen konnten legalisiert, im Zuge des upgradings in die Stadt inkorporiert und ihre Aufwertung angegangen werden. Zudem wurden Infrastrukturbau und Umsiedlungen durchgeführt und Wohnbaukredite gewährt. Ebenso wurde die Bevölkerung zur aktiven Mitwirkung bei den technischen Verbesserungsmaßnahmen aufgefordert.

1.2 Aufbau der Arbeit

Die Problemstellung, die in der vorliegenden Ausarbeitung erörtert werden soll, geht aus der insuffizienten Wohnraumversorgung einkommensschwacher Bevölkerungsschichten in Lusaka hervor, in deren Folge es zur Entstehung von informellen Siedlungen gekommen ist. Es sollen die unzulänglichen Lebensbedingungen in diesen Wohngebieten aufgezeigt und herausgestellt werden, inwieweit eine Aufwertung dieser angegangen wurde. Ziel der Arbeit ist es, zu untersuchen, ob die durchgeführten Maßnahmen in den informellen Siedlungen die gewünschten Erfolge zur Verbesserung der Lebensbedingungen der dort ansässigen Bevölkerungsmehrheit Lusakas gebracht haben.

Zunächst werden in einem allgemeinen, einleitenden Teil die zentralen Begrifflichkeiten squatting und informelle Siedlung geklärt sowie deren Rechtsstatus, Lokalisierung, Siedlungsstrukturen und Funktionen aufgezeigt. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird die Entwicklung von Lusaka und der informellen Siedlungen von der Kolonialzeit bis Anfang der 1980er Jahre unter Einbezug der jeweiligen wohnungspolitischen Richtlinien dargestellt. Im Zentrum der Ausarbeitung steht das bereits erwähnte, von der Weltbank teilfinanzierte upgrading -Projekt, das sich der Aufwertung der Siedlungen zur Verbesserung der Lebensbedingungen gewidmet hat und dessen Inhalte und Ziele herausgestellt werden. Anhand der informellen Siedlung George, deren Modernisierung im Projekt mit eingeschlossen wurde, werden in der Folge die Siedlungsstrukturen und Lebensbedingungen vor der Modernisierung dargestellt und anschließend die Auswirkungen des upgradings aufgezeigt. Abschließend erfolgt die Evaluierung des Projektes, indem die in der Literatur vorfindbaren unterschiedlichen Meinungen bezüglich des Erfolges bzw. Misserfolges der Maßnahmen analysiert werden. Es wird untersucht und diskutiert, inwieweit die angestrebten Projektziele umgesetzt werden konnten und ob die Durchführung des Projektes die Situation in den informellen Siedlungen von Lusaka verbessern konnte. Im Schlussteil wird nach einer Zusammenfassung kurz auf die weitere Entwicklung der Siedlungen in den 1990er Jahren eingegangen.

2.0 Klärung der Begriffe informelle Siedlung und squatting

Der Begriff der informellen Siedlung ist in der Fachliteratur einer der gängigsten, obgleich es für dieses Phänomen keine allgemein gültige Definition und diverse den Sachverhalt betreffende Bezeichnungen gibt.

Informell bedeutet in Bezug auf die Bausubstanz „(...) ohne behördliche Genehmigung bzw. Planung entstanden (...)“ (lohnert 2002:47). Die für den Kontext dieser Arbeit treffendste Definition ist bei Lohnert (2002:50) zu finden:

„Informelle Siedlungen (...) sind häufig jüngere, durch nicht-autorisierte Landbesetzung entstandene und oft in Selbsthilfe gebaute Siedlungen, die größtenteils für die Bebauung generell ungeeignete (steile Hanglagen, überschwemmungsgefährdete Gebiete o.ä.) oder randstädtische Lagen aufweisen. (...) Aufgrund fehlender städtebaulicher Planung verfügen informelle Siedlungen meist über eine äußerst unzureichende Ausstattung mit Basisinfrastruktur (Wasserversorgung, sanitäre Einrichtungen, Transportsystem etc.).“

huchzermeyer et al. (2006b:20) sehen in informellen Siedlungen zudem „(…) an indication of a failure of the public sector, the legislative framework and the economy to provide conditions through which the poor may be housed formally (…).”.

Während informelle Siedlungen in der Literatur und Planung zunächst gleichgesetzt wurden mit dem Begriff Slum bzw. Elendssiedlung und unter Bezeichnungen wie unkontrollierte/ unerlaubte/ ungeplante Siedlungen eher negative Assoziationen geweckt wurden, die das Phänomen zudem falsch oder unvollständig beschrieben, verwendete man später vermehrt die Bezeichnungen Spontan- und Selbsthilfe-Siedlung, wodurch ein positiveres Image erlangt wurde. In englischsprachigen (Entwicklungs-) Ländern werden die Siedlungen squatter oder squatter settlements genannt- Begriffe, denen zusätzlich die Bedeutung „illegal“ anhaftet. Da die vorliegende Arbeit hauptsächlich auf englischen Quellen beruht und die Amtssprache in Sambia Englisch ist, werden die Bezeichnungen squatter (die Siedlung und die Person bezeichnend) und squatting (der Vorgang der Landnahme) beibehalten.

Abstammend aus dem Englischen bedeutet to squat „(...) sich niederhocken, (...) sich auf Land niederzulassen (...).“ (wetter 1985:3f.). Squatter sind Siedler ohne Rechtstitel, „(…) who occupy land without the explicit permission of the owner. They often differ from other informal settlements only in this in particular.“ (un-habitat 2003:82). Unter squatting versteht man folglich die illegale Ansiedlung auf staatlichem oder privaten Grundbesitz und die unerlaubte, eigenständige Errichtung der Häuser, die zudem entgegen den baugesetzlichen Bestimmungen, d. h. nicht entsprechend der gängigen Baustandards sowie ohne Baugenehmigung, d. h. nicht entsprechend der Flächennutzungspläne, geschieht (kersting 1996:35). Die Wohnviertel weisen somit unkonventionelle Baustandards auf, sind hinsichtlich ihres Rechtsstatus illegal, die Schaffung des Wohnraumes erfolgt in privater Hand und in informeller Bauweise.

Squatter entstehen an den Rändern vieler Großstädte, vor allem in Ländern der Dritten Welt, auf brachliegendem Land, wo sie den Großteil der Bevölkerung beherbergen. Im Zuge der Urbanisierung und des rapiden Wachstums der städtischen Bevölkerung steigt die Nachfrage nach Wohnraum, der durch die staatlichen Investitionen in den Wohnungsbau nicht nachgekommen werden kann. Squatter entstehen dann, wenn die städtebauliche Planung nicht mit dem Ansiedlungsbedarf Schritt halten kann und nur ein unzureichendes Angebot an adäquatem und besonders erschwinglichem Wohnraum für eine große Zahl einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen besteht. Bewohner der Mittelschicht leben durch die Unterversorgung mit Wohnraum allerdings auch häufig in diesen Räumen. Die illegale Ansiedlung und das Leben im squatter stellt oftmals die einzige Möglichkeit für Individuen dar, ihre Grundbedürfnisse wie z. B. ein Dach über dem Kopf zu haben zu verwirklichen. Die squatter kommen ursprünglich zumeist aus den ländlichen Regionen und sind auf der Suche nach Arbeit und in der Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen in die Stadt gekommen. kersting (1996:39) stellt heraus, dass squatter keine Neuankömmlinge in den Städten seien, sondern einige Jahre Stadterfahrung hätten und sich erst nach mehreren Wohnungswechseln im squatter ansiedelten. Als Gründe für den Umzug nennt er die unzureichende Wohnsituation, Unannehmlichkeiten durch eine hohe Dichte und Kosten in Mietwohnungen anderer städtischer Viertel und den Wunsch nach Eigenheim und sozialem Aufstieg. Squatter sind weder ausschließlich Migranten noch Arbeitlose, viele sind Arbeiter in der städtischen Industrie, Dienstkräfte und Handwerker (fickert & wetter 1981:195).

Entgegen vieler Annahmen entstehen die Siedlungen nicht unkontrolliert und ungeplant, der Baubeginn erfolgt geplant, meist über Nacht, um die Behörden vor vollendete Tatsachen stellen zu können. Das Siedlungsgelände wird so gewählt, dass es in der Nähe zu Arbeitsplätzen liegt und grundlegende Baustoffe direkt vorzufinden sind. Das Land ist zumeist von niedriger Qualität und hat geringen kommerziellen Wert, was squatter hoffen lässt, eine konsequente Räumung umgehen zu können (hardoy & satterthwaite 1989:70). Die Siedlungen bestehen zunächst aus Hütten und improvisierten Behausungen aus einfachsten und kostengünstigen Materialien. Ein Haus ist meistens für die Nutzung jeweils einer Familie ausgelegt und die Hausherren sehen sich als Alleineigentümer, wenn auch ohne legale Eigentums- und Nutzungsrechte am Boden. Da die squatter nicht die Genehmigung der Behörden zur Ansieldung haben, sind sie aber immer der Gefahr der Vertreibung bzw. des Abrisses der Siedlung ausgesetzt. „Houses in the squatter settlements are primitive forms of shelter that in most countries are officially outlawed due to their nonconformity to national and urban construction standards.” (obudho & mhlanga 1988a:9). Aufgrund der ungesicherten Nutzungsrechte und der mangelnden finanziellen Mittel halten sich die Investitionen der Siedler in ihren Wohnraum und die Siedlung in Grenzen. Dennoch versuchen sie so schnell wie möglich die provisorischen Behausungen zu verbessern bzw. auszubauen. Ist ein relativ gesichertes Einkommen vorhanden, so wird versucht, mithilfe von Ziegeln, Zement und Steinen dauerhaftere Behausungen zu schaffen (dahman 1999:18). Mit zunehmendem Wachstum und der Festigung der Siedlung wird das Sicherheitsgefühl der Bewohner und somit die Aufwertungen und Ausbauten der Häuser verstärkt. Durch den Ausbau wird zudem Raum zur Untervermietung geschaffen, wodurch ein zusätzliches Einkommen erlangt werden kann.

Der squatter -Begriff ist räumlich und in Bezug auf die Legalität zum Slum -Begriff abzugrenzen, den bähr & mertins (2000:19) als „baulich und infrastrukturell degradierte, hochverdichtete ehemalige Wohnviertel der Ober- und oberen Mittelschicht, z. T. auch der Mittelschicht im Innenstadtbereich.“ definieren. Dennoch werden squatter oftmals unter dem Slum -Begriff subsumiert, wie z. B. in der Literatur der UN. Squatter werden hier der Kategorie Slums of hope zugeordnet, die „’progressing’ settlements, which are characterized by new, normally self-built structures, usually illegal (eg squatters) that are in, or have recently been through, a process of development, consolidation and improvement (…)” (un-habitat 2003:9) umfasst. Hinsichtlich der Lebensbedingungen in den squattern und vergleichbaren Mängelzuständen in den Slums ist diese Zuordnung sicherlich ebenso vertretbar.

Neben den baulich-infrastrukturellen Mängeln, wie z. B. Einfachstunterkünfte, fehlende oder mangelhafte Ver- und Entsorgungsdienste und damit einhergehende gesundheitliche Probleme, keine ausgebauten Straßen, kaum Einrichtungen im Bildungs- und Gesundheitswesen sind die oftmals großen Anteile der im informellen Sektor Tätigen und in vielen Gebieten eine hohe Kriminalitätsrate auszumachen. Problematisch ist die hohe Wohndichte und Überbevölkerung aufgrund von Verdichtungsprozessen durch Zuwanderung und natürliches Wachstum sowie die Ausgrenzung der Bewohner vom offiziellen städtischen Bereich und von städtischen Diensten.

Positiv hervorzuheben ist das unerwartet hohe Niveau an gesellschaftlicher Organisation innerhalb eines squatters. obudho & mhlanga (1988a:11) stellen heraus, dass eine klare Organisation und ein Gemeinschaftssinn in diesen Gebieten auszumachen sei. Sie betonen zwei wesentliche Vorteile: die Unabhängigkeit von legalen und sozialen Kontrollen, die zu geringen Mieten bzw. geringen Wohnkosten führt und die Sicherheit durch traditionelle Strukturen, wie z. B. das Leben in Großfamilien oder ethnischen Gruppen. Ebenso bringe das Leben im squatter Möglichkeiten für Einsparungen und Vermögensbildung, da der Mietmarkt für Wohnraum in squattern groß sei.

Insgesamt wurde die Entwicklung von squattern zunächst nur als eine Phase im Prozess der Urbanisierung und Industrialisierung von sich entwickelnden Ländern und als eine „(…) temporary solution to difficult problems in housing, politics, physical planning, landlessness, and employment in urban areas.“ (obudho & mhlanga 1988a:11) angesehen, was sich allerdings aus heutiger Sicht nicht bestätigen lässt.

In den Städten des subsaharischen Afrikas sind squatter vornehmlich auf Staatsland zu finden und nehmen oft riesige Areale ein, die die Mehrheit der jeweiligen Stadtbevölkerung beherbergen. Das starke Wachstum der Siedlungen, die sich viel schneller vergrößern als formelle Wohngebiete, ist das sichtbarste Zeichen der rapiden Urbanisierung in Afrika. Dies gilt auch für die Entwicklung Lusakas in Sambia. „(...) the initial settlements may have been the result of the authorities turning a blind eye, particularly during the immediate post-independence inflow of migrants to the cities of Asia and Africa (...)“ (un-habitat 2003:82). Als Ergebnis einer unbeschränkten Land-Stadt-Migration und der Unfähigkeit der Regierung, angemessenen Wohnraum entsprechend der Nachfrage bereitzustellen, erhöhte sich die Anzahl und das Wachstum der squatter besonders nach Ende der Kolonialzeit, als die kolonialzeitlichen Zuzugskontrollen in den 1970er Jahren aufgehoben wurden. Der Mangel an Wohnraum wurde durch Behausungen in den squattern aufgefangen. „Forms of illegal squatting occurred on lands held vacant by the British Crown for later use.” (tait 1997:183).

Im folgenden Kapitel wird die Entstehung Lusakas und die Entwicklung der squatter während der Kolonialzeit sowie ihre enorme Zunahme in den Jahren nach der Unabhängigkeit bis Anfang der 1980er Jahre vorgestellt.

3.0 Entwicklung von Lusaka und Entstehung der squatter unter Einbezug der wohnungspolitischen Maßnahmen

Der Staat Sambia im südlichen Afrika war während der Kolonialzeit britische Kolonie und wurde Nordrhodesien genannt. Den Namen erhielt die Kolonie in Anlehnung an Cecil Rhodes, dem Premierminister der Kapkolonie, der den Osten des Gebietes 1891 für die britische Krone in Besitz nahm. Die Kolonie wurde 1911 britisches Protektorat und 1923 zusammen mit Südrhodesien (heutiges Simbabwe) zur Kronkolonie. Das Interesse der Kolonialherren galt ab den 1920er Jahren den großen Kupfervorkommen im Norden des Gebietes (copperbelt -Region genannt), deren Abbau sowie der Verschiffung der Rohstoffe nach Europa. Der Kupferbergbau bestimmte fortan die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Nordrhodesiens, und der Kupferabbau und die -verhüttung wurden nach der Weltwirtschaftskrise in großem Maße betrieben (mutale 2004:34).

Vor dem Eindringen der Kolonialmacht Großbritannien waren in Sambia keine städtischen Lebensräume bekannt; ländliche, weit gestreute Siedlungen und landwirtschaftliche Produktionsweisen zur Selbstversorgung bestimmten zuvor das Bild. Erst durch die kolonialen Wirtschaftsvorhaben wurde die städtische Entwicklung eingeleitet und durch die britische Kolonialpolitik eine segregierte Entwicklung des Landes entlang zweier Zonen eingeleitet. Zum einen entstanden Städte entlang der Transportschiene der Eisenbahn von Livingstone im Süden nach Ndola im Norden, die von der British South Africa Company (BSAC) zum Abtransport der Rohstoffe erbaut und 1909 fertiggestellt wurde. Zum anderen erfolgte die Ansiedlung, aufgrund der formellen Arbeitsplätze, in der copperbelt -Region (vgl. Abbildung 1, Seite 70). Die 1905 von der Kolonialregierung eingeführte monetäre Kopfsteuer zwang afrikanische Landwirte zum Verlassen ihrer ländlichen Heimat und zur Aufnahme der Lohnarbeit in den Minen oder auf europäisch geführten Farmen, die hauptsächlich entlang der Eisenbahnlinie zu finden waren. Durch die Konzentration von Einwohnern und formellen Arbeitsplätzen in den sich entwickelnden städtischen Gebieten wurde der Ausbau technischer und sozialer Infrastruktur sowie eine kommerzialisierte Landwirtschaft dort vorangetrieben. Das Hinterland leerte sich hingegen zusehends, und der Wohnraum der afrikanischen Bevölkerung wurde dort verdrängt, wo er der kolonialen Entwicklung im Wege stand (siamwiza 1986:36).

Lusaka im Zentrum des Landes entwickelte sich von einer Eisenbahnhaltestelle über ein kleines Versorgungszentrum zum Verwaltungssitz der Kolonialregierung (1905). 1935 wurde die Stadt zur Hauptstadt der Kolonie und mit der Unabhängigkeit zur Hauptstadt Sambias erklärt.

In einer ersten Verstädterungsphase siedelten sich Arbeiter, die am Eisenbahnbau beteiligt waren, und europäische Landwirte um den Eisenbahnhaltepunkt an. Es zogen immer mehr Menschen in die sich entwickelnde Stadt und Lusaka wuchs weiter an. In den Kalkbrennereien, Steinbrüchen und auf den Farmen wurden afrikanische Arbeitskräfte in so großer Zahl benötigt, dass es zu dem Zeitpunkt schon zu enormen Problemen hinsichtlich ihrer Unterkunft kam. Die damalige Verwaltung der Stadt beschloss daraufhin 1912 einen Wohnbezirk für Afrikaner, native compound genannt, zu errichten, der allerdings schnell überfüllt war. Weitere compounds auf Privatgelände in räumlicher Nähe zu den Arbeitsplätzen entstanden. Somit wurde seit Entstehung der Stadt eine für afrikanische Kolonialstädte typische Segregationspolitik angewandt, bei der europäische Arbeitgeber separate Wohnbereiche für ihre afrikanischen Arbeitskräfte bereitstellten. Nur Hausangestellte durften in den für die europäische Bevölkerung ausgewiesenen Bereichen der Stadt leben, ebenso Arbeiter bei der Eisenbahn und bei der Polizei, die gemeinschaftliche Unterkünfte bewohnten. Die Behörden in Lusaka benutzten für diese Gebiete statt des Begriffs compound eher squatter. Dies ist im Hinblick auf den fehlenden Rechtstitel und die Bebauung entgegen der Bauvorschriften richtig, da die Privatbesitzer jedoch in den Bau einwilligten, ist nach der eingangs aufgestellten Definition der Begriff nicht angemessen. Genauso verhält es sich mit dem von einigen Geschäftsleuten und Landwirten an ihre afrikanischen Arbeitskräfte vermieteten Land von geringem Nutzen. Die entstandenen Siedlungen wurden ebenso als squatter bezeichnet (schlyter & schlyter 1979:18). Afrikanische Arbeitskräfte siedelten sich zudem selbstständig in Gebieten an, die für die Nutzung durch Europäer ausgelegt waren sowie in Gebieten, die von der BSAC und später durch den Staat kontrolliert wurden. Diese waren „(…) true squatter settlements in the technical sense that they were areas where people took residence without holding legal rights of tenure.” (hansen 1982:119). Die Verwaltung missbilligte die Entwicklung der squatter natürlich, konnte sie allerdings nicht unterbinden. 1928 wurde die afrikanische Bevölkerung auf 1.600, die europäische auf 282 Einwohner geschätzt (nebel 1995:26).

Um den Migrationsprozess in die sich entwickelnden Städte kontrollieren zu können, wurden scharfe Restriktionen nach dem Leitbild der britischen Kolonialmacht „Die Städte den Europäern - den Afrikanern das Land“ (nebel 1995:13), zum Aufenthalt der Afrikaner in Städten aufgestellt. Diese wurden zwar als Arbeitskräfte in großer Zahl benötigt, wurden aber lange von den Kolonialherren nicht als städtische Bewohner angesehen, obgleich sie einen erheblichen Teil der Bevölkerung ausmachten. Sie bildeten die wirtschaftlich, sozial und politisch benachteiligte Unterschicht. 1929 wurde eine Employment of Native Ordinance erlassen, die vorsah, dass die privaten Unternehmer ihren Arbeitnehmern kostenlos eine Unterkunft zur Verfügung stellen mussten. Somit hatten nur diejenigen ein Recht auf Wohnraum, die auch einen Arbeitsplatz hatten. Mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses durften die Angestellten den Wohnraum nicht länger nutzen. Es sollte dadurch verhindert werden, dass eine dauerhafte afrikanische, städtische Gesellschaft entstand. Viele Arbeiter blieben allerdings trotzdem in den Städten, was wiederum zum Anwachsen der squatter führte (siamwiza 1986:37).

„They [die Arbeiter] were, therefore, only granted short-term employment contracts and urban residence permits, as they were expected to return to their rural homes at the end of their short employment contracts. African women and children were not allowed to accompany their husbands and fathers to urban centres.” (mulenga 2003:3).

Ende der 1920er Jahre wurde der Verwaltungssitz der Kolonialregierung von Livingstone in das zentraler gelegene Lusaka verlagert. 1935 wurde die Stadt Hauptstadt der Kronkolonie. Beeinflusst von modernen Stadtplanungsideen entwarf Professor S.D. Adshead, Stadtplaner an der London University, die neue Hauptstadt als Gartenstadt. Da die koloniale Stadtplanung selten die Gesellschaftsordnung hinterfragte, war es nicht überraschend, dass Adsheads neuer Plan für Lusaka das Design der auf den Wohnsitz bezogenen Segregation von Afrikanern und Europäern nicht infrage stellte. Der neue Bebauungsplan behandelte vornehmlich Lage und Gestaltung der Regierungsgebäude und sah Behausungen für 8000 Europäer und 5000 Afrikaner vor (nebel 1995:28). Aufgrund des zu kostenintensiven Plans und des unerwartet starken Anstiegs der afrikanischen Bevölkerungszahlen, wurde Adsheads Plan nie vollends umgesetzt. Der Ausbau der Stadt wurde nach einem revidierten Plan von Bowling fortgesetzt, in dem die generelle Struktur der Gartenstadt beibehalten und weitere Funktionen ergänzt wurden. Es wurden drei europäische Wohnbezirke für verschiedene Einkommensgruppen errichtet, Afrikaner im Südwesten der Stadt untergebracht und Wohngebiete für persönliche Bedienstete und sonstige Arbeitnehmer geschaffen. Die räumliche Beschränkung der afrikanischen Bevölkerung auf einen Bereich der Stadt wurde jedoch schnell als nicht umsetzbar anerkannt (hansen 1982:120).

Obwohl die Stadt zu der Zeit schon die ansteigende Zahl von Afrikanern nicht mehr beherbergen konnte, wurden erst in der Nachkriegszeit neue politische Grundsätze zur Unterbringung der afrikanischen Bevölkerung implementiert. Nach 1945/1950 wurde in Lusaka zum ersten Mal staatlicher Wohnungsbau für Afrikaner propagiert, der zuvor nie als eine öffentliche Aufgabe betrachtet worden war.

„(...) local authorities simply ignored conditions in the African housing and settlement areas. It was not until 1946 that legal and infrastructural provisions were resolved to create a ‘stabilized urban society’ to include the African population of Northern Rhodesia.” (tait 1997:177).

Im 1948 erlassenen Wohnungsbaugesetz African Housing Ordinance wurde festgelegt, dass Arbeitgeber weiterhin verpflichtet waren, für den Wohnraum ihrer Arbeitnehmer zu sorgen, neben der Unterbringung auf eigene Kosten aber auch Wohnungen von der local authority mieten konnten, die zum ersten Mal zur Ausweisung von Zonen für den Bau afrikanischer Wohngebiete veranlasst war. Infolge der ersten offiziellen landesweit eingeführten Wohnungsbauprogramme entstanden in Lusaka bis 1957 4.500 neue Wohneinheiten. Die Dauer des Arbeitsverhältnisses für Afrikaner in Städten wurde durch das Gesetz auf über zwei Jahre angehoben und auch Frauen durften fortan mit ihren Männern in diesem Zeitraum in den Städten leben (nebel 1995:31).

Da allerdings nicht jeder im formellen Sektor beschäftigt war (um 1945 77 % der Bevölkerung Lusakas), sondern Teile der afrikanischen Bevölkerung z. B. auch im informellen Sektor tätig waren, fielen 23 % der Afrikaner aus dem System von Arbeit und Unterkunft heraus (nebel 1995:30). Die squatter -Bevölkerung wuchs daher weiter an: 1957 lebten mehr als 15.000 squatter in der Stadt, 22 % der gesamten Bevölkerung. Das städtische Leben der Afrikaner war in den 1950er Jahren so sehr durch koloniale Verordnungen überreguliert, dass die afrikanischen Stadtbewohner als Reaktion auf die Diskriminierungspraktiken Boykotte und Streiks unter dem Motto „We are Zambians and can build anywhere we like.” (Hansen 1982:126) begannen.

Am 24. Oktober 1964 wurde Nordrhodesien als Staat Sambia unabhängig und Lusaka blieb die Hauptstadt des neuen Staates. Im Zuge der Unabhängigkeit wurde vom damaligen Präsidenten Kenneth David Kaunda die politische Philosophie des Humanismus eingeführt, die den Interessen und Werten sowie der Freiheit der Individuen oberste Bedeutung zuschrieb, was sich auch in der Wohnungspolitik niederschlug. Im Zuge dessen wurde eine neue Verfassung erlassen, die allen Bewohnern Sambias Bewegungsfreiheit innerhalb des ganzen Landes und das Recht auf freie Wahl des Wohnortes gewährte. Somit hat sich die afrikanische Bevölkerung Sambias erst mit der politischen Unabhängigkeit die Verstädterungsräume als für sie legitime Aufenthaltsorte aneignen können. Durch den Wegfall der kolonialen Zuzugs- und Aufenthaltsbeschränkungen, die bessere infrastrukturelle Ausstattung und erweiterten Arbeitsmöglichkeiten in den Städten wurde die Landflucht und dadurch das städtische Wachstum weiter verstärkt, was sich wiederum auch direkt auf das Wachstum der squatter auswirkte (hansen 1982:125).

Speziell in Lusaka entwickelte sich die Arbeitsmarktlage in den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit sehr günstig. Hohe Kupferpreise auf dem Weltmarkt brachten einen wirtschaftlichen Aufschwung. Der Bau von neuen Verwaltungsgebäuden, einer Universität und einem internationalen Flughafen führte zu einem Boom im Baugewerbe und schaffte so Arbeitsplätze (hansen 1982:125). Die Migration nach Lusaka trug weit mehr zum Anstieg der Bevölkerungszahlen bei, als das natürliche Bevölkerungswachstum. fickert & wetter (1981:195) stellen zudem heraus, dass die squatter zum Wachstum der Stadtbevölkerung ungefähr viermal soviel beitrugen wie die restliche Stadt, da sie pro Jahr um ca. 12 % anwuchsen. Während 1950 in der Hauptstadt 50.000 Menschen lebten (siamwiza 1986:38), stieg die Einwohnerzahl bis 1963 auf 123.146 und verdoppelte sich bis 1969 auf 262.425. Die städtische Wachstumsrate in Lusaka stieg in den Jahren 1963 bis 1969 somit von 4,2 % auf 13,4 %, womit sie zu einer der höchsten im subsaharischen Afrika gehörte (mulenga 2003:3f.). Die Zahl der offiziell errichteten Wohnungen konnte durch das noch nie da gewesene Wachstum der städtischen Bevölkerung dem Zuwachs Wohnungssuchender, vor allem mit geringem Einkommen, nicht nachkommen. Die meisten städtischen Unterkünfte wurden an Verwaltungsbeamte vermietet, für deren Wohnraum das Doppelte ausgegeben wurde als für Wohnraum für einkommensschwache Haushalte. Die einzige Alternative für diese Gruppen war es, als squatter unter schlechten Lebensbedingungen an der Peripherie Lusakas zu leben.

Es ist festzuhalten, dass squatter in Lusaka in ihrer Größe und Zahl am stärksten nach der Unabhängigkeit angewachsen sind. Für das schnelle und starke Anwachsen der squatter in dieser Zeit lassen sich folgende Faktoren zusammenfassen:

- Durch die Aufhebung der kolonialen Zuzugsbeschränkungen kam es zu einem enormen Bevölkerungszuwachs in Lusaka, was zur Folge hatte, dass die Nachfrage nach Wohnraum das Angebot an von offizieller Seite errichteten Wohnungen stark übertraf. Zudem waren diese für die Mehrheit der Bevölkerung nicht erschwinglich.
- Die Ansiedlung im squatter wurde dadurch verstärkt, dass mit der Unabhängigkeit viele Europäer Sambia verließen, die die legalen Besitzer des Bodens waren. Dies führte dazu, dass der Grundbesitz unkontrolliert war, was die illegale Ansiedlung einfacher und attraktiver machte.
- Nach der Unabhängigkeit nahm die Siedlungskontrolle durch private Landbesitzer ab und die Regierung erhielt mit der Umwandlung des crown land in state land und der privaten Landbesitze in Pachtverhältnisse die Kontrolle unter kommunaler Verwaltung. Die Kontrolle des Staates konnte allerdings bei dem starken Bevölkerungszuwachs nicht ganz gelingen. Erschwerend kam der Kampf um Wählerstimmen der damaligen Koalitionsparteien, der United National Independence Party (UNIP) und der African National Congress (ANC), hinzu, die die squatter in ihrem Recht auf Wohnraum in den offiziell als illegal betrachteten Gebieten unterstützten.
- Die günstige wirtschaftliche Situation und die optimistische Stimmung nach der Unabhängigkeit führte zum starken Wachstum der Bevölkerung (vgl. nebel 1995:32f.)

Da die neue Regierung die Haltung der Kolonialregierung hinsichtlich der squatter zunächst beibehielt, wurden nicht direkt politische Maßnahmen ergriffen. Es wurde angenommen, dass die informellen Siedlungen von temporärer Dauer seien und ihre Zahl zurückgehen würde, sobald die Regierung einmal die Ausgaben für public housing erhöht hätte. Die Aufwertung der squatter durch die Einrichtung von öffentlichen Diensten wurde nicht vorgenommen, da die authorities die Siedlungen als Problemfälle ansahen und sie als Verstecke für Kriminelle wahrnahmen. Es gab keine Institution, die sich für die Bereitstellung von Diensten in den Gebieten zuständig fühlte. Erschwerend kam hinzu, dass die squatter keine Steuern an die Stadt bzw. die städtischen Autoritäten zahlten (mulenga 2003:11). Dem illegalen Wohnungsbau versuchte man mit Abriss und der Umsiedlung der Bewohner entgegenzuwirken, was natürlich verstärkt zum Widerstand von Seiten der Bewohner führte und daher innenpolitisch nicht lange umzusetzen war.

Mit Einführung des First National Development Plan (FNDP, 1966-1970) versuchte die sambische Regierung für die schnell wachsende Bevölkerung mit geringem Einkommen durch Sites and Services -Projekte (im weiteren Verlauf nur noch S & S -Projekte bzw. -Programme genannt) einfache und kostengünstige Wohnmöglichkeiten bereitzustellen, um den Wohnraummangel zu bewältigen. Innerhalb dieser Projekte wurden vom Staat vermessene und infrastrukturell erschlossene, längerfristig abzuzahlende Kleinparzellen zur Verfügung gestellt sowie für Bewohner einkommensschwacher Gruppen, die mindestens drei Jahre in der Stadt gelebt hatten, Darlehen vergeben. Infrastruktureinrichtungen, für die geringe Abgaben gezahlt werden mussten, wurden von der Stadtverwaltung bereitgestellt und der Hausbau sowie spätere Verbesserungen und Erweiterungen entsprechend vorentworfener Pläne wurden in Selbst- oder Nachbarschaftshilfe von den Bewohnern vorgenommen (mertins 1986:34). Für die Mehrheit der wohnungssuchenden Familien konnten diese Programme allerdings keine Abhilfe schaffen, da nur Beschäftigten im formellen Sektor Grundstücke zugeteilt wurden und Kapital für Baumaterialien benötigt wurde. 1967 waren zudem nur 20 % der vorgesehenen Wohneinheiten realisiert. Das Wohnraumproblem konnte durch diese Programme auch nicht behoben werden. Dennoch wurde bis Mitte der 1970er Jahre an den S & S -Programmen festgehalten (nebel 1995:33) (vgl. Tabelle 1, Seite 74).

Als die Phase des FNDP vorüber war und die Einwohnerzahl Lusakas 1970 bei 300.000 lag, wovon 130.000 squatter waren (oestereich 1987:30), musste die Regierung ein enormes Wohnungsdefizit feststellen und anerkennen, dass ihre Wohnungspolitik den Wohnungsmangel nicht beheben könne. Erschwerend kam der rapide Verfall des Kupferpreises auf dem Weltmarkt Mitte der 1970er Jahre hinzu, wodurch sich Sambias wirtschaftliche Situation zunehmend verschlechterte. Die Regierung realisierte erstmals, dass das Leben im squatter die einzig praktikable Möglichkeit des Wohnens für eine Mehrheit der Bevölkerung darstelle. 1974 zählte Lusaka 401.000 Bewohner (dankelmann & davidson 1988:101); siamwiza (1986:38) stellt für Mitte der 1970er Jahre heraus, dass 55 % der Bevölkerung in squattern lebte.

Im Second National Development Plan (SNDP, 1972-1976) wurde daher herausgestellt, dass „(…) although squatters’ areas are unplanned, they nevertheless represent assets both in social and financial terms. The areas require planning and services, and that the wholesale demolition of good and bad houses alike is not a practical solution.” (mutale 2004:60). Die Bedürfnisse der Bewohner wurden von der 1970 gegründeten Entwicklungsorganisation Social Action in Lusaka (SAIL) vorgebracht. Ihr Ziel war es, „(...) to identify and solve some urban social problems in Lusaka.“ (schlyter & schlyter 1979:59) und eine Änderung der Politik zu Gunsten der squatter zu erreichen (rakodi 1981:58). hansen (1982:117) stellt klar heraus, dass squatter in Lusaka weit mehr waren als „(...) puppets whose strings the government could pull at will.“.

Vom Abriss der Siedlungen und der Umsiedlung der Bewohner wurde in der Folge abgesehen und nach alternativen Problemlösungen gesucht. 1974 wurde das Gesetz zur Bodenreform, Land Act sowie 1975 das Housing (Statutory and Improvements Areas) Act erlassen. Der Minister of Local Government and Housing war infolge dessen befugt, jedes schlecht bzw. minderwertig entwickelte Gebiet wie die squatter zur improvement area zu ernennen. Das Housing Act legte zudem fest, dass den ansässigen Hausbesitzern eine Wohnlizenz für 30 Jahre und Kleinkredite ausgestellt wurden. Die Lizenz bestand aus einem Rechtstitel für das Grundstück, auf dem das Haus stand; das umliegende Land gehörte dem Gemeinderat (schlyter 1981:10). Somit war die Grundlage zur Anerkennung und Legalisierung der squatter gegeben. Mit sogenannten upgrading -Programmen sollten diese zusätzlich erhalten und aufgewertet werden. „The process of gradual improvement of housing in previously unauthorised areas is called upgrading.” (mulenga 2003:11). Das Konzept sah zudem vor, in den squattern Basis­infrastruktureinrichtungen zur Verbesserung der Lebensbedingungen bereitzustellen. Die Mitwirkung der Bewohner bei der Aufbesserung der Häuser und der Siedlungsstrukturen zur Stärkung der Selbsthilfefähigkeit wurde hervorgehoben.

In Lusaka begann auf diese Weise, zehn Jahre nach der Unabhängigkeit, noch einmal eine neue Phase der Siedlungsentwicklung. Während der Einführungsphase und der graduellen Integration der Gebiete in den verwalteten Stadtbereich wuchs die Stadt als Ganzes und besonders die kleinen und jüngeren squatter weiter an.

Im folgenden Kapitel werden die Inhalte und Ziele des Projektes vorgestellt, um im darauffolgenden Kapitel anhand des squatters George die direkten Auswirkungen zu untersuchen.

4.0 Das Lusaka Squatter Upgrading and Sites and Services Project der Weltbank

4.1 Voraussetzungen für das Weltbankengagement in Lusaka

Die ersten improvement areas wurden in Lusaka im Rahmen des Lusaka Squatter Upgrading and Sites and Services Project ernannt. Das Projekt der Weltbank, dem größten multilateralen Institut zur Finanzierung und Durchführung von Entwicklungshilfe, war eines der ersten ihrer im großen Stil finanzierten Projekte. Die Teilfinanzierung resultierte aus der Erschöpfung der finanziellen Mittel Sambias, da der SNDP auf der Basis relativ hoher Kupferpreise auf dem Weltmarkt Anfang der 1970er Jahre erstellt worden war, die allerdings danach bald abnahmen. Einhergehend mit anhaltenden finanziellen Belastungen waren somit keine Finanzmittel zur Umsetzung der beabsichtigten Praktiken vorhanden und Verhandlungen mit der Weltbank zur Finanzierung des low-income housing -Projektes wurden aufgenommen. 1973 wurde ein Projektvorschlag in Absprache mit verschiedenen Gremien und der Weltbank diskutiert, 1974 willigte die Weltbank zur Unterstützung ein und 1975 wurde mit der Umsetzung des Projektes begonnen, das im Jahr 1981 enden sollte (rakodi 1981:58).

Vor dem Entschluss zur finanziellen Unterstützung sicherte sich die Weltbank ökonomisch und politisch durch diverse Untersuchungen in Sambia ab. Ein positiver Effekt für das Engagement der Weltbank war, dass diese zuvor bereits umfangreiche Kreditverträge mit Sambia abgeschlossen hatte, wodurch das Land bei der Bank zwar bereits verschuldet, allerdings kein kritischer Partner war. Des Weiteren hatte Sambia noch keine Kredite der International Development Association (IDA) erhalten, was für die Weltbank gleichzeitig hieß, dass das Land ökonomisch noch belastungsfähig und durch die reichen Kupfervorkommen eine Deckung der Kredite gesichert wäre (fickert & wetter 1981:276).

Hinzu kamen weitere Argumente, die die Weltbank zu Investitionen bewegte, welche fickert & wetter (1981:278) als „Eigenarten der squatter von Lusaka“ bezeichnen:

„- die geringe Arbeitslosenrate der Haushaltsvorstände der squatter, die teilweise sogar unter der der offiziellen Arbeitersiedlungen liegt
- der hohe Prozentsatz von Lohnabhängigen unter den Arbeitenden (75%)
- das Durchschnittseinkommen der squatter-Bewohner, das ungefähr gleich dem der low cost-Siedler ist
- der vergleichsweise gute bauliche Zustand der squatter
- die straffe Organisation der squatter-Bewohner und ihre praktizierte Selbst-hilfe.“

Die Weltbank hob ebenso das bereits vorhandene innere Kontrollsystem in den squattern hervor, das ein rücksichtsloses Verhalten nach den individuellen Interessen der Bewohner verhinderte. Negative Merkmale, die die Weltbank in den squattern ausmachte, waren hauptsächlich auf die Infrastrukturausstattung bezogen, so z. B. die unzureichende Trinkwasserqualität, unbefestigte Straßen, eine unzureichende Drainage und keine Sozialeinrichtungen. Diese Mängel sollten durch das Projekt behoben werden (fickert & wetter 1981:282).

Die erwarteten Gesamtkosten des Projektes, die sich auf 26,5 Millionen Kwacha (abgekürzt K, Währungseinheit in Sambia; zu der Zeit ca. 41,2 Millionen US-$)

[...]

Ende der Leseprobe aus 83 Seiten

Details

Titel
Squatting in Lusaka, Sambia - Zur Entwicklung informeller Siedlungsstrukturen in einer afrikanischen Großstadt
Hochschule
Universität zu Köln
Note
2,1
Autor
Jahr
2008
Seiten
83
Katalognummer
V114206
ISBN (eBook)
9783640145058
ISBN (Buch)
9783640146192
Dateigröße
5476 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Squatting, Lusaka, Sambia, Entwicklung, Siedlungsstrukturen, Großstadt
Arbeit zitieren
Magistra Artium Maren Geller (Autor:in), 2008, Squatting in Lusaka, Sambia - Zur Entwicklung informeller Siedlungsstrukturen in einer afrikanischen Großstadt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114206

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