Philipp Langmann (1862 - 1931). Ein vergessener österreichischer Dichter


Fachbuch, 2021

464 Seiten


Leseprobe


Inhalt:

Vorbemerkung

Kapitel 1 Philipp Langmann - eine kurze Darstellung von Leben und Werk
1.1. Biografische Eckdaten
1.2. Langmanns Nichtexistenz in der Literaturwissenschaft
1.3. Erste Werke - Kurzprosa
1.4. ,Bartel Turaser‘
1.5. Die Last des erfolgreichen Erstlings
1.6. ,Leben und Musik‘ (1904)
1.7. Dichten für die Ablage
1.8. Anhang zu Kapitel
Erschienene Werke
Aus dem Nachlass Philipp Langmann
Literatur über Philipp Langmann
Übergreifende Werke und Aufsätze
Aufführungsstatistiken

Kapitel 2 Dokumentarischer Teil - Rezensionen zum Werk - Zeitungsmeldungen zum Leben des Dichters
2.1. Frühe Prosa (bis 1914)
2.1.1. Arbeiterleben
2.1.2. Realistische Erzählungen
2.1.3. Ein junger Mann von 1895
2.1.4. Verflogene Rufe
2.1.5. Leben und Musik
2.1.6. Die Wirkung der Frau
2.1.7. Erlebnisse eines Wanderers
2.2. Bartel Turaser - zwei Uraufführungen 11.12.1897
2.2.1. ,Deutsches Volkstheater‘ Wien
2.2.1.1. Uraufführung
2.2.1.2. ,Arbeiter-Vorstellung‘ 8.8.1898
2.2.2. ,Lessing-Theater‘ Berlin
2.3. Bartel Turaser - Aufführungen und Aufsätze 1897/98 -
2.3.1. Aufführungen der Spielzeiten 1897/88 bis 1913/14 Österreich / Böhmen / Mähren
2.3.2. Aufführungen 1897/98 bis 1913/14 Deutsches Reich, Schweiz.
2.3.3. Aufführungen in Nordamerika
2.3.4. H. Ströbel: Proletarier in der modernen Dichtung in: Die neue Zeit (1899)
2.3.5. Aufführungen und Aufsätze 1919 - 1932
2.4. Die vier Gewinner
2.5. Unser Tedaldo
2.6. Gertrud Antleß
2.7. Korporal Stöhr
2.8. Die Herzmarke
2.9. Gerwins Liebestod
2.10. Anna von Ridell
2.11. Die Prinzessin von Trapezunt
2.12. Der Statthalter von Seeland
2.13. Prosa nach 1914 - Ein fremder Mensch (1924) - Der Akt Gerenus (1924)
2.14. Nachrichten über Philipp Langmann nach
2.14.1. Personenbezogene Nachrichten vor 1910
2.14.2. Personenbezogene Nachricht nach 1910
2.15. Meldungen, Nachrufe, Würdigungen zum Tode Philipp Langmanns
2.16. Spätere Texte über Philipp Langmann

Vorbemerkung:

Als ich vor mittlerweile zwei Jahren auf der Suche nach statistisch verwertbaren Zahlen zu Theateraufführungen zwischen 1890 bis 1900 eher zufällig auf Philipp Langmann stieß, ging ich davon aus, den Autor - wie andere nur mit wenigen Stücken zur Aufführung gekommene Autoren auch - in einer Fußnote abhandeln zu können. Bis ich feststellte, dass diese Fußnote - wie auch bei anderen ,unbekannten‘ Autor*en/innen - immer umfangreicher zu werden drohte, je mehr ich über den Autor Philipp Langmann recherchierte: Je mehr ich vergebens nach biografischen, literarischen und literaturwissenschaftlichen Daten für eine prägnante Darstellung in einer Fußnote suchte, desto klarer wurde mir, dass es zu diesem Dramatiker und Erzähler so gut wie kein verwertbares Material gibt; keine Monografie, keine Erwähnung in den gängigen literaturwissenschaftlichen Abhandlungen über das Theater und über die Dramatik zwischen 1890 und 1910; und vor allem: keine Ausgaben seiner Werke außer den Erstausgaben; - und diese liegen zum größten Teil noch nicht einmal mehr antiquarisch vor. In einer nicht geringen Anzahl Universitätsbibliotheken führt die Suche nach ,Philipp Langmann‘ zur Trefferanzahl: 0 / ,Keine Treffer zu den angegebenen Kriterien‘; und wenn die Trefferanzahl > 0 ist, dann ist sie bis auf wenige Ausnahmen nicht größer als 5.

Da lag plötzlich ein komplett vergessener naturalistischer Dramatiker vor mir.

Und wie das so ist, wenn man unvorsichtig einen Vorhang öffnet: Ich traf auf immer mehr ,vergessene‘ Naturalisten: U.a. auf habsburgisch-österreichische bzw. mährische und böhmische Dicht*er/innen wie Franz Adamus (alias Ferdinand Bronner), Eugenie Marie delle Grazie, bayerische wie Josef Ruederer, den Mecklenburger Max Dreyer, um nur wenige zu nennen.

Das alles führte dazu, die geplante Fußnote ,Langmann‘ aus dem noch unfertigen Werk über das Theater zwischen 1890 und 1910 herauszunehmen und zu einem selbständigen Werk auszuweiten, das erstens eine (kurze) Darstellung Philipp Langmanns und zweitens die Rezensionen der Werke - sowohl der erschienenen Novellensammlungen als auch der aufgeführten und nicht aufgeführten Theaterstücke - in der Tagespresse enthalten sollte.

Während der zweiten Punkt vor allem anhand des ANNO-Projektes der Österreichischen Nationalbibliothek (die Online-Stellung eines großen Teils der der österreichisch­habsburgischen und österreichischen Zeitungen) mit überschaubarem Aufwand gelungen ist - die bundesdeutsche Version eines Zeitschrifteninformationssystems der Staatsbibliothek Berlin (ZEFYS) fällt demgegenüber (höflich formuliert) deutlich ab -, lässt sich der erste Teil aktuell nicht realisieren: Die zeitliche aufwendige Recherche im Nachlass des Dichters fiel der Corona-Pandemie zum Opfer und wird sich auch erst in einigen Monaten nachholen lassen.

Insofern bleibt erstens der dokumentarische Teil - der eigentliche Schwerpunkt dieses Buches - eine eher zufällige Auswahl aus deutschsprachigen mährischen, böhmischen, österreichisch-habsburgischen, österreichischen Zeitungen und Zeitschriften, betreffs der reichsdeutschen vor allem Berliner Hamburger und Münchener Zeitungen und Zeitschriften und aus den online verfügbaren zeitgenössischen deutschsprachigen Literatur- Zeitschriften. Auch hier gilt, dass die Recherche in lediglich auf Mikrofiche oder Mikrofilm vorliegenden Druckerzeugnissen weitgehend den Pandemie-Einschränkungen zum Opfer fiel, das gilt ebenso wie die Möglichkeit, lediglich in Papierform vorliegende Zeitungen / Zeitschriften einzusehen und zu scannen.

Insofern ist zweitens das vorliegende Buch mit einer (notgedrungen) viel zu kurzen und vorläufigen Darstellung Philipp Langmanns, die auf dem wenigen vorhandenen und recherchierbaren Lebensdaten beruht, ein ,Provisorium‘, eine erste Auflage, der zu gegebener Zeit eine mit der Auswertung des Nachlasses erweiterte zweite Auflage folgen wird.

Swisttal, November 2020

Kapitel 1 Philipp Langmann - eine kurze Darstellung von Leben und Werk

Philipp Langmann gehört zu den , vergessenen Naturalisten‘, doppelt vergessen, weil er dem mährisch-österreichischen Naturalismus angehört und damit nicht im Blick der immer noch einseitigen Konzentration der bundesdeutschen Literaturwissenschaft auf den Berliner Naturalismus steht. Diese Einseitigkeit des Blickes überrascht umso mehr, als das mährische Brünn u.a. der Ersterscheinungsort der Zeitschrift ,Moderne Dichtung‘, ein bedeutender Aufführungsort naturalistischer Dramen und nicht unwichtiger Verlagsort naturalistischer Werke war.

1. Biografische Eckdaten.

Die biografischen Eckdaten sind schnell erwähnt:

Geboren am 5.2.1862 in Brünn (heute: Brno, CZ), gestorben am 22.5.1931 Wien.

Nach der Realschulmatura Studium an der TH Brünn (1880 - 1885).

Über die religiöse Ausrichtung seines Elternhauses ist nichts bekannt; allerdings führt ihn das in Wien erscheinende Jüdische Wochenblatt‘ am 7.3.1902 in einem ,Beitrag zur jüdischen Kunst‘ von M. Scherlag unwidersprochen (neben Schnitzler, Hirschfeld, Fulda) als Autor jüdischen Glaubens.[1]

Nach der zweiten, abschließenden Prüfung betätigt sich Langmann im Oktober und November 1885 als Stipendiat an der Lehrkanzel für chemische Technologie. Danach tritt er in der Bandwirkfabrik von S. Blach & Sohn in Lettowitz (heute: Letovice), nördlich von Brünn, einen Posten als Chemiker ohne Praxis an. Später wird er Fabrikleiter bei der Firma

J. Czajanek & Co. in Friedeck an der Ostrawitz (Ostravice, Grenzfluss zwischen dem historischen Schlesien und Mähren), im heutigen Frydek-Mistek (CZ). Diesen Posten behält er bis zum Ende des Jahres 1890.1 2

Von 1891 bis 1898 arbeitet er als Beamter bei der Arbeiterunfall-Versicherungsgesellschaft in Brünn.

Über den Beginn der literarischen Tätigkeit lässt sich wenig sagen, denn außer einem im Nachlass als ,Tagebuchnotizen vom November 1893 bis Dezember 1894‘ geführten Konvolut von 56 Einzelblättern3 liegen dazu keine biografischen Details vor. Diese Notizen beinhalten neben wenigen eher unwichtigen biografischen Details vor allem Arbeitsnotizen, die mit „Stoff“ gekennzeichnet sind, sowie einige Textstudien, die belegen können, dass Langmann mit dem Holz-/Schlaf‘schen Sekundenstil experimentierte, folglich das schmale Bändchen ,Arbeiterleben‘ schon das Ergebnis eines längeres Studiums der aktuellen Literatur und Literaturtheorie ist, nicht aber das epigonenhafte Nacheifern eines vorgefundenen Stils.

Erst 1901 gibt Langmann seine Beamtenlaufbahn in Brünn auf und übersiedelt nach Wien, wo er - ungeachtet kurzzeitiger anderer Tätigkeiten, etwa als Lektor am Hamburger ,Neuen Theater‘ (1900) - als freier‘ Schriftsteller bis zu seinem Tod 1931 lebt.

Langmanns Monatseinkommen als Versicherungsbeamter beträgt zunächst 60, später 80 Gulden4 (mehrere Presse-Meldungen; u.a. ,Neue Freie Presse v. 18.12.1897, ,Znaimer Tagblatt‘ v. 10.2.1898, ,Prager Abendblatt‘ v. 17.2.1898), liegt also, da er auch seine im Mutter unterstützen muss, im Bereich der Armutsgrenze; zum Vergleich: die in ,Bartel Turaser‘ vorgestellten Färber verdienen etwa 30 Gulden im Monat. Das mag auch erklären, warum - um das vorwegzunehmen - Turaser mit 200 Gulden bestechlich ist und ein Lotteriegewinn von je 100 Gulden für die ,vier Gewinner‘ ein kaum vorstellbar hoher Geldbetrag ist. Die Devisen-Umrechnung Gulden zu Reichsmark ist zu dieser Zeit etwa mit 1:1 anzusetzen, ebenso mit landes- und regionaltypischen Abweichungen nach oben und unten das Preisniveau für Lebensmittel, Kleidung etc.; d.h. im Klartext, Langmann verdient zwar erheblich mehr als die Mehrzahl der in den böhmisch-mährisch-schlesischen Industriegebieten beschäftigten unqualifizierten oder gering qualifizierten Arbeiter und Arbeiterinnen, aber kaum mehr als ein Fabrikarbeiter im Breslauer Bereich, in etwa so viel wie ein im oberschlesischen Bergbau Untertagebeschäftigter bei vergleichbaren Lebenshaltungskosten und wenig mehr als eine in Wien beschäftigte Fabrikarbeiterin.5 Woraus sich auch die Frage ableiten lässt: Was geschieht mit Langmann angesichts des plötzlich exorbitant hohen Einkommens aus Tantiemen? Immerhin soll (lt. Salzburger ,Fremdenblatt‘ v. 18.12.1897) die Uraufführung des ,Bartel Turaser‘ im Wiener ,Deutschen Volkstheater‘ ihm rd. 4000 Gulden Einkommen verschafft und die Direktion des Berliner ,Lessing-Theaters‘ ihm das Einkommen aus 70 ausverkauften Vorstellungen garantiert haben.

Auch wenn von Langmanns ,Haus-Verlag‘ Cotta, zu dem er nach dem Erfolg des ,Bartel Turaser‘ wechselt, keine durchgehenden Tantiemenabrechnungen vorliegen, so weisen die wenigen vorliegenden Monatsabrechnungen in den Jahren 1900 und 1901 immerhin Beträge von jeweils deutlich über 100 Reichsmark aus.6

Über die Kontakte zur literarischen Szene Brünns oder Wiens ist wenig bekannt; hier wird erst eine Auswertung der Korrespondenz wirklich Aufklärung geben.

Wohl darf man davon ausgehen, dass Langmann seine schriftstellerischen Fertigkeiten zum größten Teil autodidaktisch erworben hat; auch hier gilt, dass für einen Überblick auf die verarbeitete wissenschaftliche Literatur und literarischen Werke die Sichtung des Nachlasses unerlässlich ist.

Gleichwohl wird man hier zwei Dinge festhalten müssen - erst recht in Zusammenhang mit der Bewertung des dramatischen Erstlings ,Bartel Turaser‘, denn nur allzu leicht wird Gerhart Hauptmanns Stück ,Die Weber‘ als oberstes Bewertungskriterium herangezogen: Erstens - was mit der Bewertung des ,Turaser‘ nur bedingt zu tun hat, - sind die Lebensumstände Gerhart Hauptmanns und Philipp Langmann in keiner Hinsicht vergleichbar; ersterer hatte aufgrund des Vermögens seiner Gattin mehrere Jahre Zeit, um ausgiebig zu experimentieren und ungestört materieller Sorgen in der Berliner modernen literarischen Szene zu agieren, ein Vorteil, den der mäßig verdienende Angestellte Langmann nicht hatte; auch war die literarische Szene Brünns mit der literarischen Szene in keiner Hinsicht vergleichbar; dazu hatte Hauptmann aufgrund des Vermögens seiner Gattin schon früh genügend Zeit, sich einen umfangreichen Freundes und Fördererkreis aufzubauen, den zu erhalten und zu pflegen er sich mit zunehmendem Einkommen über die Jahre immer große Mühe gab, selbstverständlich mit sich im Mittelpunkt. Dagegen war der ohnehin eher eigenbrötlerisch veranlagte Langmann in frühen Jahren darauf angewiesen, seine Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt zu verkaufen, sprich: einem Broterwerb nachzugehen. Unterschiedlicher können Ausgangsvoraussetzungen für eine Karriere als Dramatiker und Dichter nicht sein.

Zweitens - was vor allem mit der Bewertung der Folgedramen Philipp Langmanns zu tun hat - hatte Hauptmann nach der spektakulären Aufführung von ,Vor Sonnenaufgang‘ in Otto Brahm einen (sehr gewinnorientierten) Förderer, der im verein mit einer literarischen und journalistischen Szene bereit war, Hauptmann bereit zum Mega-Star hochzupuschen. Dagegen existierte in Wien weder eine moderne literarische Szene noch ein Theaterdirektor, der bereit war, auf Philipp Langmann zu setzen und sein Theater dauerhaft der Moderne zu öffnen. „Das Repertoire des Volkstheaters stellte Bukovics weitgehend auf Stücke der Entspannung und Erheiterung, sowie auf Sensationsstücke mit reißerischen Effekten und blendenden Glanzrollen.“7 Der Direktor des /Wiener ,Deutschen Volkstheaters‘, Emmerich Bukovics von Kiss (bis 1905) (ebenso wie bis 1916 sein Nachfolger Weise) war nicht willens, auch nicht mutig genug sich gegen die Wiener Tagespresse durchzusetzen, und von den das Theater tragenden Vereinsmitgliedern nicht befugt, auf Langmann als ,Hausautor‘ zu setzen. (Auch hier muss und darf der Hinweis nicht fehlen, erst eine ausgiebige Sichtung der Korrespondenz Langmanns vor allem mit Bukovicz und dem Bühnenstar des /Volkstheaters‘ Tyrolt8 endgültige Aussagen ermöglicht!)9

Aber auch das Stammpublikum des Volkstheaters lehnte moderne sozialkritische Stoffe ab: Neben Langmann finden in den Spielzeiten 1894/95 bis 1898/99 nur noch Ibsens ,Nora‘ (1894/95 nur 8-mal), Hirschfelds ,Die Mütter‘ (1896/97 17-mal), Hauptmanns ,Biberpelz‘ (1896/97 bis 1898/99 immerhin 21-mal) und Halbes ,Mutter Erde‘ (1898/99 5-mal);10 11 der Rest ist neben einigen Klassiker-Aufführungen bzw. Anzengruber- und Grillparzer­Aufführungen zum allergrößten Teil mehr oder weniger gute Unterhaltungsware.[11] So richtig sicherlich der Umzug aus der Brünner Provinz in die Wiener Metropole war, so wenig erlöste dieser Umzug Langmann aus der autodidaktischen Enge.

Dem Autor Langmann bleiben tatsächlich nach dem Erfolg des ,Bartel Turaser‘ nur knapp ein Dutzend Jahre Zeit, um in finanzieller Unabhängigkeit autodidaktisch (mehrere Notizbücher belegen das) nachzuholen, was eine Berliner Epoche in zwanzig Jahren kollektiver Diskussion hervorgebracht hatte.

Bis 1901 ist Langmanns Schriftstellerei ,Nebentätigkeit‘.

Während dieser Zeit entstehen drei Bände mit naturalistischen bzw. ,modernen‘ Erzählungen/Novellen, die allesamt zeigen, dass Langmann mit der modernen Gegenwartsliteratur und ihren stilistischen Mitteln und ihren Stoffen bekannt war; dementsprechend positiv werden die drei Bände auch - soweit sich das aus den vorliegenden Besprechungen ermitteln und aus den Verkaufszahlen belegen lässt - aufgenommen:

,Arbeiterleben‘, veröffentlicht 1893;

,Realistische Erzählungen‘, veröffentlicht 1895;

,Ein junger Mann von 1895‘, veröffentlicht 1895.

Die Aufnahme einer Erzählung in den vom sozialdemokratischen /Verlag der ersten Wiener Volksbuchhandlung‘ herausgegebenen ,Österreichischen Arbeiterkalender 1897‘ adelt schon früh den Autor als ,sozialen‘ Dichter.

Daneben sind bis Ende des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrhunderts immer wieder Abdrucke einzelner kurzer Novellen / Erzählungen in nicht nur sozialdemokratischen (!) deutschsprachigen habsburgischen Tageszeitungen, Wochenzeitungen, Kalendern (z.B. beinhaltet der österreichische Arbeiterkalender‘ über mehrere Jahre immer eine Kurzgeschichte von Langmann) nachweisbar, ebenso wie - vor allem - sozialdemokratischen reichsdeutschen Tageszeitungen / Zeitschriften.12

Danach verschwinden Abdrucke unerklärbar fast von sofort auf gleich.13

In ,Arbeiterleben‘ zeigt Langmann, dass er naturalistische Stilmittel beherrscht, am deutlichsten vielleicht in den Kurzgeschichten ,Samstag Abend‘ und in ,Ein Unfall‘, in der er mit dem Holz‘schen Sekundenstil experimentiert. Riedl (S. 13) interpretiert - auch über die folgenden Novellenbände - eher pessimistisch: „Über allen Erzählungen schwebt ein Grundton von Hoffnungslosigkeit; jedes Ankämpfen gegen das Schicksal bleibt ohne Ergebnis.“

1902 urteilt F. Stampfers in ,Die neue Zeit‘ (Nov. 1902, Jg. 21, 1902/03, Bd. 1, Heft 7) über die Sammlung „Realistische Erzählungen‘:

„Von den sieben Erzählungen spielen nur vier eigentlich im Gesellschaftskreis des vierten Standes; drei davon, ,Die vier Gewinner‘, ,Die Schlacht bei Sempach‘ und ,Ein Streber‘, sind wahre Perlen der Erzählungskunst; man muss sich wundern, dass man ihnen so wenig im Feuilleton der Arbeiterblätter begegnet ist.“

Und Stampfer fügt hinzu:

„Auch ein folgender Novellenband, ,Ein junger Mann vom Jahre 1895‘, brachte zwei klassische Arbeiternovellen: ,Inla und der Heimatlose‘ und ,Die Brücke‘. Später, nach seinem Aufstieg, hat Langmann abermals einen Novellenband [d.i.: Verflogene Rufe‘, 1899] veröffentlicht, aus dem sich zwei Geschichten, ,Der Hafen‘ und ,Auf der Flucht‘, der Reihe dieser eigentlichen Arbeitergeschichten würdig anschließen.“

Aber in ,Ein junger Mann von 1895‘ ist in der Titelgeschichte auch unvermittelt eine ziemlich offene Sehnsucht nach einem nicht-entfremdeten Dasein zu lesen (S. 63):

„Der Tagelöhner, der über den Tag soviel verbrauchen darf, wie seiner Hände Arbeit ihm einbringt, der Dienstmann, der Lohnfuhrwerker, der (...) Kaufmann, mehr noch der Bauer, welcher vertrauend seine Arbeit dem Boden übergibt, alle diese leben das Leben stärker, sie leben mehr und intensiver, ihr Dasein entbehrt nicht der Großartigkeit. Ich, dessen Einkommen knapp hinreicht, ohne Arbeit zu leben, ich beneide sie um die Stärke, welche dieser Kampf erfordert und um seine verhängnisvollen Wechselfälle." -

Nach 1895 entstehen kurz hintereinander mehrere (in Buchform veröffentlichte) Dramen:

,Bartel Turaser‘, Uraufführung jeweils am 11.12.1897 am ,Lessing-Theater‘ Berlin und am ,Deutschen Volks-Theater‘ Wien; die Uraufführung wird in der österreichischen Tagespresse bereits im Mai 1897 gemeldet, sowohl als ,zur Uraufführung angenommen‘ als auch ,wird uraufgeführt werden‘. (Auch die kleine Zeitungsposse über die Frage, welches Wiener Theater denn nun wann zuerst die Aufführungsqualitäten des ,Bartel Turaser‘ entdeckt habe, wird dokumentiert.)

Das Drama behauptet sich zwei Spielzeiten lang auf den deutschsprachigen Bühnen. Da die Inszenierung der ,Deutschen Volksbühne‘ eng an die Person des Starschauspielers Tyrolt geknüpft ist, wird das Stück nach dessen Weggang aus dem Repertoire genommen und erst in der Saison 1900/01 mit veränderter Besetzung noch einmal wiederaufgenommen.

Bisher nur ungenügend zu ermitteln ist, wann und wo das Drama im nichtdeutschen Sprachraum bzw. im Ausland aufgeführt wurde.

Lt. ,Neue Freie Presse‘ (Wien) (20.12.1897) soll das Stück in der Saison 1897/98 auf dem Mailänder ,Manzoni-Theater‘ in einer italienischen Übersetzung des Schauspielers Ermeto Zacconi gespielt werden.

Die ,Neue Freie Presse‘ (6.2.1898) schreibt von einem „großen Erfolg“ (ebenfalls ,Neues Wiener Tageblatt‘, 6.2.1898); das ,Grazer Tagblatt‘ (9.2.1898) schreibt von einem „großen ehrlichen Erfolg“; das ,Mährische Tagblatt‘ (9.2.1898) schreibt von einem „bedeutenden Erfolg“ der Aufführungen in Mailand. Lediglich die ,Wiener Zeitung‘ (9.2.1898) schränkt das etwas ein:

„Anfangs verhielt sich ein Teil des Publikums, der prinzipiell alles Elend von der Bühne verbannen möchte, ablehnend kühl, der effektvolle zweite Akt und die dramatische macht des dritten verhalfen jedoch dem Stücke zu einem Sieg.“

Über die Aufführung im Triester ,Teatro Fenice‘ schreibt die ,Neue Freie Presse‘ am 14.5.1898 lediglich, dass die Triester Zensurbehörde das Stück freigegeben und die Aufführung einen „durchschlagenden Erfolg“ gehabt habe.

Eine weitere Aufführung Zacconis in Rom scheint (lt. Wiener ,Neue Freie Presse‘ v. 13.9.1898) ein Misserfolg gewesen zu sein: „Der Künstler hatte seinen schlechten Tag.“14 Für den 15.3.1899 ist ebenfalls eine neue Inszenierung im Römischen ,Teatro Quirino‘ gemeldet (,Arbeiter-Zeitung (Wien), 19.3.1899); die dort ebenfalls gemeldete Aufführung in Turin konnte nicht nachgewiesen werden.

Im Budapester /Volkstheater‘ wird am 14.1.1899 das Stück (insgesamt wohl dreimal) in ungarischer Sprache gegeben (,Pester Lloyd‘, 15.1.1899; „stürmische Hervorrufe nach dem zweiten Akt“).

Am 20.8.1900 wird das Stück in tschechischer Sprache im ,Böhmischen Landestheater‘ in Prag inszeniert (,Prager Abendblatt‘, 21.8.1900).

Zumindest drei Inszenierungen in polnischer Sprache lassen sich über ANNO nachweisen (Quelle jeweils ,Kurjer Lwowski‘ / ,Lemberger Kurier‘): Eine Inszenierung am Theater in Lwow (zwei Vorstellungen) am 16.11.1900 (mit ausführlicher Besprechung) und jeweils Laientheater-Aufführungen am 25.10.1906 in Pzemysl und am 5.11.1906 in Lwow.

Lt. ,Neu Hamburger Zeitung‘ (14.3.1898) hat es Mark Twain („erwirbt sich um Export der Wiener Literatur große Verdienste“) übernommen, ,Bartel Turaser‘ „für die englische Bühne vorzubereiten“; ein Brief Mark Twains (Nachlass, University of Virginia Library) vom 6.3.1899 scheint allerdings darauf hinzuweisen, dass es nicht gelungen sei, das Stück an einem nordamerikanischen Theater unterzubringen.

Für Nordamerika darf angenommen werden, dass die deutschsprachigen Communities Langmanns Stück wohl aufführten, da ein - belegbares15 - hohes Interesse am modernen deutschsprachigen Theater bestand. Für ,Bartel Turaser‘ haben wir aufgrund der verfügbaren Quellen lediglich eine Inszenierung in Chicago (Jan. 1919, siehe Anhang) gefunden.

,Die Vier Gewinner‘, Uraufführung und wahrscheinlich einzige (zeitnahe) Inszenierung am 12.11.1898 im ,Deutschen Volks-Theater‘ Wien; für 1914 ist in Berlin eine weitere Inszenierung mit einer Aufführung nachgewiesen.

Inwieweit der ablehnenden Antwort (zu hohe Kosten) des Cotta-Verlages (8.7.1898) auf eine Schreiben Langmanns, in welchem er einen Copyright-Schutz gegen ungenehmigte Drucke und Aufführungen in den Vereinigten Staaten von Amerika einfordert, tatsächlich Aufführungen der ,Vier Gewinner‘ zugrunde liegen, kann hier nicht verfolgt werden; sicher darf sein, dass es Aufführungen und Druckauflagen des ,Bartel Turaser‘ gab.16

Aber ein anderes interessantes Detail aus dem Briefwechsel zwischen Cotta und Langmann spricht dafür, dass die in den Aufführungskritiken immer wieder bestrittene Qualität der ,Vier Gewinner‘ wiederum bestreitbar ist: denn trotz aller vertraglichen Querelen zwischen Cotta und Friese einerseits und Cotta und Langmann über die Kosten der Übernahme der oben genannten drei Novellenbände vom Leipziger Verlag ,Friese & Friedrich‘ ist Cotta bereit, das neue Stück nach Rücksprache mit dem literarischen Beirat des Verlages zu verlegen.

,Unser Tedaldo‘, 1899, keine Aufführung nachweisbar.

,Gertrud Antleß‘, Uraufführung am 14.11.1899 im ,Deutschen Volks-Theater‘ Wien.

,Korporal Stöhr‘ (1900), Uraufführung am 26.9.1901 im ,Raimund-Theater‘ Wien.

Gleichzeitig mit diesen drei Stücken veröffentlicht Langmann einen weiteren Band mit Erzählungen/Novellen:

,Verflogene Rufe‘ (1899).

1901 übersiedelt Philipp Langmann als freier Schriftsteller‘ und Journalist nach Wien, wo er bis zu seinem Tod lebt.

Der ,Kunstwart‘ meldet 1902 (Heft 24, Sept. 1902) Langmann als Mitglied des ,Dürerbundes‘.

1901 scheint der Autor schwer krank zu sein; mehrere reichsdeutsche und österreichisch­habsburgische Tageszeitungen melden Anfang April 1901, dass Langmann schwer erkrankt sei; das ,Prager Tagblatt‘ berichtet am 22.4.1901 von einer bevorstehenden Operation.

Bereits im August 1899 hatte sich Langmann mehrere Tage u.a. in Bad Ischl und an der Adria (Abbazia) aufgehalten.

Ob der in Karlsbad für den 21.7.1914 in der ,Curliste Karlsbad‘ dokumentierte Aufenthalt („Herr Philipp Langmann, Schriftsteller und Redakteur, Wien“) mit dieser Erkrankung zusammenhängt, ist nicht ermittelbar.

Trotz der Aufführungstantiemen des ,Bartel Turaser‘, diverser Honorare für Lesungen oder den Abdruck seiner Novellen in Tagezeitungen, Zeitschriften, Kalender und gelegentlicher Ehrengaben verschiedener Stiftungen (Schon im Januar 1898 erhält er von der österreichischen ,Bauernfeld-Stiftung‘ - Bauernfeld-Preisträger sind 1899 Arthur Schnitzler, 1901 Marie Eugenie delle Grazie, 1904 u.a. Herrmann Hesse) eine „Ehrengabe von 1000 Gulden“ (Neue Hamburger Zeitung, 28.1.1898; weitere Preisgelder anderer Kulturstiftungen folgen in den kommenden Jahren.) und infolge mangelnden dauerhaften literarischen Erfolgs bleibt eine gesicherte finanzielle ,Dichter-Existenz‘ jedoch aus.

Das letzte Theaterstück, für das eine Inszenierung zu ermitteln ist, ist das Mittelstück eines ursprünglich als Dreiteiler ausgeführten Dramenzyklus, das aber lediglich als Zweiteiler unter Auslassung des ersten Teiles ( ,Die Leute von Landeck‘, quasi die Vorgeschichte zu den beiden folgenden Dramenteilen ,Die Herzmarke‘ und ,Die Hütte‘ ) unter dem Titel ,Die Herzmarke‘ veröffentlicht wurde. Der Mittelteil, ,Die Herzmarke‘, wurde am ^Königlichen Schauspielhaus‘ Berlin am 29.12.1904 uraufgeführt. Diese (aufgrund der äußerst heftigen ablehnenden Kritik einmalige) Aufführung ist auch die einzige nachweisbare Aufführung des Zyklus.

Bereits im Februar 1901 hatte Langmann das erste Drama des Zyklus‘, ,Die Leute von Landeck‘, dem ,Deutschen Theater‘ in Berlin zur Aufführung angeboten. Otto Brahms Ablehnung beruft sich vor allem darauf, dass der Vertreter der „rücksichtslosen Selbstsucht, verkörpert durch den gewissenlosen Fabrikanten“ nur ein „gemeiner Bösewicht“ sei, und der Vertreter „der aufopfernden Selbstlosigkeit“, der von dem Fabrikanten ins Unglück gestoßene Onkel, nur ein „weichherziger Schwächling“; beiden sei kein „genügendes Maß der Berechtigung“ zuzusprechen und beide könnten „unsere innerste Teilnahme nicht festhalten“.17

Für die (veröffentlichten) Stü>,Gerwins Liebestod‘, 1904;

,Anna von Ridell‘, 1905;

,Die Prinzessin von Trapezunt‘, 1909;

,Der Statthalter von Seeland‘, 1911

sind keine Aufführungen zu ermitteln.

Danach produziert Langmann Schauspiele nur noch für die private Ablage.

,Anna von Ridell‘ markiert den Beginn des Bruch Langmanns mit dem Cotta-Verlag. Der Verlag macht eine Buchveröffentlichung abhängig von einer Bühnenaufführung, worauf Langmann kurzerhand das Werk dem Fischer-Verlag anbietet.

Den endgültigen Bruch des Cotta-Verlags mit Langmann führt die Auseinandersetzung um die Veröffentlichung der ,Prinzessin von Trapezunt‘ herbei. Der Cotta-Verlag lehnt aus kaufmännischen sowie aus literarischen Erwägungen die Veröffentlichung den Druck der ,Prinzessin von Trapezunt‘ ab, ist aber wohl auch des Autors überdrüssig, da die Verkaufserlöse der gedruckten Werke - selbst des Dauerbrenners ,Bartel Turaser‘, der mindestens vier nachweisbare Auflagen (jeweils 1100 Exemplare) erlebt - mehr und mehr zurückgegangen sind. Ausschlaggebend für die defacto-Auflösung des Vertrages ist wohl ein Schreiben Langmanns, in dem er einem Dritten gegenüber, der /Union Deutsche Verlagsanstalt‘, klagt, der Cotta-Verlag wolle ihn aus nichtliterarischen politischen‘ Gründen nicht mehr veröffentlichen (Brief Langmanns v. 15.12.1906), so dass der Cotta­Verlag seinem Autor Langmann offen und deutlich ankündigt, seine Werke mangels geringer Absatzchancen nicht mehr veröffentlichen zu wollen, und ihm freistellt, seine Bücher anderen Verlagen zur Veröffentlichung anzubieten (Brief Cotta an Langmann v. 18.12.1906).

Schon die Antwort Otto Brahms auf die Zusendung der ,Leute von Landeck‘ hatte angedeutet, dass Langmann für den Direktor nur ein weiterer Autor mit einer Novität ist. Die im Grunde unpersönliche Ablehnung von ,Gerwins Liebestod‘ und ,Die Prinzessin von Trapezunt‘ machen das noch einmal deutlich:

In ,Gerwins Liebestod‘ führt Brahm (Brief vom 29.12.1902)18 als Ablehnungsgrund an, dass Gerwin Maurer nicht /Übermensch‘ genug ist, weil er sich nicht aus freien Stücken seiner Braut (mit deren Mutter er ein Verhältnis hatte, aus dem der Bruder der Braut hervorgegangen ist) offenbart, sondern erst durch Zwang einer früheren missgünstigen Geliebten:

„Wir haben Grund zu bezweifeln, dass unser Publikum geneigt sein würde, den

Radikalismus solcher Anschauungen“ [d.i. die Berechtigung Gerwins mit Stella die Ehe einzugehen] „zu folgen.“

Auch der Versuch ,Die Prinzessin von Trapezunt‘ bei Otto Brahm am Lessing-Theater in Berlin zur Aufführung unterzubringen, scheitert; im Antwortbrief Brahms vom 1.5.190719 wird zwar das „interessante Motiv“ gelobt, am Ende nach der Auflistung der einzelnen Motive und der verschiedenen Intrigen aber steht die knallharte Ablehnung:

„... das ist eine Fülle von Situationen, die im Einzelnen zu mancher guten Lügenwirkung führen. Leider fehlt aber der Gesamtentwicklung sowohl des äußeren als auch des inneren Vorgangs die schlüssig nach dem Ziel (zuführende) große Linie. Das Grundproblem ist eingewickelt in eine Folge komischer Abenteuer und ausgeführter Palais-Intrigen, die zu verwickelt sind, um die tiefere Teilnahme der Zuschauer festzuhalten. Zu unserem lebhaften Bedauern vermögen wir deshalb nicht, von der Aufführung des Dramas an unserer Bühne einen wirklichen Erfolg zu erhoffen, ..

Von Interesse ist hier die Anmerkung Langmanns hinter ,Bedauern‘: „sind wir urteilslos genug uns Durchfall auf Durchfall zu holen, hartnäckig, launenhaft und ohne Gefühl für Kunst so dass wir .“; - Langmanns sicherlich nicht erstmaliges Selbsteingeständnis, als Bühnen-Autor gescheitert zu sein, weil immer wieder außerästhetische Gründe gegen eine Aufführung sprechen.

Sowohl ,Die Prinzessin von Trapezunt‘ als auch ,Der Statthalter von Seeland‘ erscheinen im belletristisch orientierten (und genaugenommen nur zwischen 1911 und 1918 existenten) Wiener ,Deutsch-Österreichischen Verlag‘.

Qualitätsmerkmale alleine scheinen nicht das Hauptkriterium dafür zu sein, dass Langmanns Stücke nicht mehr aufgeführt worden sind; die ermittelbaren Auflagenzahlen der veröffentlichten Dramen sprechen eher dafür, dass es durchaus ein Publikum gegeben haben muss. Wahrscheinlich muss man Brahms Aussage, Langmanns „Radikalismus der Anschauung“ würde beim Publikum nicht ankommen, ernst nehmen.

Renate Riedl formuliert das mit Bezug auf die Titelgeschichte der Novellensammlung ,Ein fremder Mensch‘:

„Wie so oft, setzte sich Langmann in vielen, genau begründeten Überlegungen, über Sitte und Anstand hinweg. Das Urteil der Gesellschaft war ihm nie maßgebend, sondern nur das individuelle Glück der Beteiligten. Er ließ die Konvention nicht gelten und schrieb ein nur äußerliches, nicht innerlich gefordertes Beharren an sittlichen Grundsätzen der Weltlüge zu. Die Furcht vor der gesellschaftlichen Achtung hält die Menschen zurück, ihrem Herzen zu folgen; sie werden dadurch vor sich selber und anderen schuldig.“20 Langmann und Brahm reden damit sozusagen aneinander vorbei.

Noch am 7.3.1913 legt sich die ,Neue Freie Presse‘ anlässlich der Besprechung der Sammlung ,Erlebnisse eines Wanderers‘ ins Zeug:

„Wer solch ein Schicksal [d.i. ,Bartel Turaser‘] zu formen vermochte, hat ein Recht, auch mit späteren, weniger konzisen Werken auf unseren Bühnen vernommen zu werden. Niemand wird dies leugnen wollen, außer manchen Bühnenleitern, die unsere Schaubühne zu einem Neuigkeits- und Sensationszirkus degradierten.“

Die Verkaufszahlen der Buchauflagen der Dramen halten sich dennoch in immer engeren Grenzen; das gilt auch für ,Die Herzmarke‘ und für /Unser Tedaldo‘.

Auf der anderen Seite ist Langmann auch nicht klug genug, der Aufnahme seiner bisherigen Novellenbücher in Cottas neue „Handbibliothek‘ (auch ,Tornister‘-Bibliothek genannt, eine Vorform moderner Taschenbücher) zuzustimmen, obwohl Cotta eine garantierte Erstauflage von 10.000 Exemplare anbietet und eine 5-prozentige Tantieme auf den anvisierten Verkaufspreis von 60 Pfg., eine Gutschrift von 300.- M auf die erste Auflage und für jedes weitere Tausend 30.- M (Schreiben v. 2.4.1903); Langmann will nur „Realistische Erzählungen‘ bei einem höheren Honorar aufgenommen wissen (Schreiben v. 8.4.1903). Da kein weiterer Briefverkehr zu diesem Projekt vorliegt, ist zu vermuten, dass Cotta von dem Plan unkommentiert Abstand genommen hat.

Der - durchaus in stilistisch wie in inhaltlicher Hinsicht als ,modern‘ zu bezeichnende - Roman ,Leben und Musik‘ (1904) wird zwar in deutschsprachigen Zeitungen rezensiert (u.a. ,Hamburger Zeitung‘ und ,Allgemeine Zeitung München‘), aber selbst in Universitätsbibliotheken scheint aktuell kein Exemplar mehr vorhanden zu sein, obwohl am Jahresende 1904 von den 1100 gedruckten Exemplaren der Erstauflage lt. Verlagsabrechnung 275 Exemplare verkauft waren; für das folgende Jahr weist die Verlagsabrechnung noch einmal weitere 76 verkaufte Exemplare aus (weitere Abrechnungen liegen uns zur Zeit nicht vor). Es ist aber anzunehmen, dass auch in folgenden Jahren die Anzahl der verkauften Exemplare in diesem Bereich gelegen haben kann, da der Roman (einschließlich der Folgeauflagen) mindestens bis 1922 von Cotta angeboten wird und Cotta seinen Autor - wie bei anderen Erscheinungen auch - über die genauen Tantiemen- und Rabattkalkulationen während der Inflationszeit 1922 fortlaufend unterrichtet.21

Insgesamt lässt sich schon 1905 anhand der Abrechnungen des Cotta-Verlages feststellen, dass Philipp Langmann von der Erlösen des Buchverkaufes zu keiner Zeit (sieht man, anzunehmen, von den Jahren 1898 und 1899 ab) leben konnte (vgl. Anhang 1).

Für die Jahre 1900, 1899 und 1898 liegen keine zusammenfassenden Jahres-Abrechnungen vor; aus dem Briefverkehr - ebenso wie aus der Lebensführung Langmanns mit mehreren Reisen - lässt sich jedoch schließen, dass sich - neben ,Bartel Turaser‘ - ,Die vier Gewinner‘ und ,Gertrud Antleß‘, sogar /Unser Tedaldo‘, ebenso wie /Verflogene Rufe‘ gut verkauft haben, die beiden erstgenannten wahrscheinlich sogar über die erste Auflage von 1100 Exemplaren hinaus. Über die Novellenbände ,Arbeiterleben‘, ,Realistische Erzählungen‘, ,Ein junger Mann von 1895‘ liegen leider keine Zahlen vor. Weitere Cotta-Abrechnungen (ab 1906) und Abrechnungen der anderen Verlage liegen im Nachlass leider nicht vor.

Für die schon außerhalb Cottas erscheinenden Novellensammlungen ,Wirkung der Frau‘ (1908, Verlag Georg Müller, Leipzig und München) und ,Erlebnisse eines Wanderers‘ (1911, Deutsch-Österreichischer Verlag Wien) sind noch einige kurze Rezensionen nachweisbar. Das Einkommen des Dichters aus den Verkaufserlösen dieser beiden Prosawerke kann nur gering gewesen sein.

Dabei zeigen vor allem die Texte in ,Erlebnisse eines Wanderers‘, dass Langmann über die naturalistisch geprägten Skizzen und Studien hinaus sich zu einem ,Erzähler‘ weiterentwickelt hat, selbst wenn der Erzählfluss immer wieder von reflektierenden und kommentierenden Sequenzen unterbrochen wird. Unter den Novellen-Sammlungen Langmanns diese Sammlung vielleicht diejenige, in der Langmann am besten seinen Ideenreichtum präsentiert. Lediglich die eher schwerfälligen essayistischen /Unferdutz‘- Fragmente, von denen zwei bereits in /Verflogene Rufe‘ veröffentlicht worden sind, sind hier fehl am Platz. Allerdings ist eines überdeutlich: In der modernen Großstadt Wien ist der Brünner Langmann, trotzdem er schon zehn Jahre dort wohnt, noch nicht angekommen; keine der Erzählungen erweckt den Eindruck, dass er die Probleme des großstädtischen Zusammenlebens versucht hätte literarisch zu bewältigen, eher das Gegenteil lässt sich feststellen: alle Texte, deren Mehrzahl als ,Balladen‘ besser bezeichnet wäre, verweisen auf eine Welt jenseits von Industrie und Großstadt.

1916 bietet Langmann dem Cotta-Verlag noch einmal drei „Novellenbücher“ an (Brief v. 17.3.1916); der Verlag lehnt aber (20.3.1916) definitiv ab.

Belegen lässt sich auch ein Versuch, 1916 das Drama ,Tini Taferner‘, sowie den Einakter ,Der Führer‘ dem Wiener Burgtheater anzubieten; die ablehnenden Antwortschreiben des damaligen Direktors Hugo Thimig (1912 - 1917)22 sind im Langmann-Nachlass vorhanden. Der kurze Briefwechsel verdient es hier ausführlicher dargestellt zu werden.

Er setzt an mit einem Schreiben Langmanns an Thimig am 28.3.1916, in dem er Vorwürfe gegen Thimigs Vorgänger am Hofburgtheater (Max Burckhard, Paul Schlenther und Alfred Freiherr von Berger) erhebt:

„Ihre drei Vorgänger haben sie [d.i. frühere Stücke Langmanns] unter nichtigen Vorwänden, aus mir unbekannten Gründen abgelehnt.“23

Zwar erwidert Thimig auf Langmanns Vorwürfe höflich:

„Ich spreche aber meine Freude aus, dass Sie, wie ich wohl auch vorauszusetzen berechtigt bin, ohne jede Voreingenommenheit gegen meine Person dem Burgtheater nunmehr ihre Werke wieder einreichen wollen. Sie dürfen überzeugt sein, dass ich Ihre mir hoffentlich bald zugehenden neuen Bühnenwerke mit vollstem Interesse und mit der Ihrer literarischen Persönlichkeit gebührenden Hochschätzung gewissenhaft auf die Eignung für die Burgtheaterbühne prüfen werde.“24

Langmann erkennt die in diesen Formulierungen versteckte Hintersinnigkeit, die jedem modernen Personalchef Ehre machen würde, sehr wohl, weshalb seine umgehende Antwort an Thimig hier in voller Länge zitiert werden muss, offenbart sie doch neben Langmanns Verzweiflung über seine finanzielle Situation auch seine Verärgerung darüber von den Bühnen ignoriert zu werden:

„Sehr geehrter Herr!

Nicht ohne einige beachtenswerte Elegance setzen Sie in dem schätzbaren Schreiben von gestern über eine Tatsache hinweg, die mehr oder minder mein dramatisches Lebenswerk bedeutet und fordern Neues. Nach Ihrer Vergangenheit als Künstler und Ihren bisherigen Taten als Direktor glaube ich zuversichtlich, dass Sie ein guter, das ist ein mutiger Direktor sein werden. Wollen Sie daher, ich bitte, das was ich frage nicht persönlich nehmen und mich und mich verstehen, wenn ich mit etlicher Bitterkeit bemerke, diese formal zu kennen. Neues verlangten auch Ihre, wie Sie schreiben, charaktervollen drei Vorgänger immer wieder, damit hielten sie mich zwanzig Jahre hinweg hin, während alles was der Klüngel ausschwitzte mit Pomp und Prunk gebracht wurde, was dem Dilettantismus dilettierte, hoffnungsfroh gefeiert wurde, indessen ich - zwanzig Jahre! - in Not vor Tod lebte, mein dramatisches Erbgut in Novellen ausgab. Führen Sie gefälligst meine neuen zwölf Dramen auf, geben Sie mir hierüber einen Vertrag in die Hand, der mich vor der Wut und dem Neide des Klüngel schützt und dann will ich weitersehen. Vorläufig habe ich außer meinem Drama Tini Taferner nichts fertig, aber ich vermag einige fertig zu machen, wenn Sie Ernst machen. Diesen so höchst nötigen Ernst vermag ich aus Ihrem Schreiben nicht zu lesen, denn mit Gefälligkeit und mit der Formel ist einem, der zwanzig Jahre fleht, nicht geholfen. Also bitte, ein vertrag der mich durch seine Garantie für den verlorenen Lebensinhalt entschädigt, Aufführungen, die mir zum Schreiben Lust machen und dann werden Sie schon Neues bekommen.

Hochachtungsvoll grüßt Sie Langmann.“25

Thimig antwortet am 4.4.1916, ohne weiter auf Langmanns Brief einzugehen: „... bitte Sie höflichst mir ein Buch dieses Bühnenwerkes gefälligst zu senden“26, und lehnt am 25.4.1916 die Aufführung des Stückes ebenso geschäftsmäßig ab. Die Ablehnung ,Tini Taferners‘ aufzuführen, ist - trotz der wahrscheinlich offensichtlichen Verärgerung über den anmaßenden Brief Langmanns - in einer Großstadt mit zahlreichen Bordellen, die die männliche Oberschicht, das Zielpublikum des Hofburgtheaters, gerne und oft besucht, an Lächerlichkeit und Heuchelei kaum zu überbieten:

„. aber die Bordellinhaberin, die auf offener Szene in klaren Worten ihre Pensionärin reklamiert und die Rechnung aufstellt, wieviel ,abverdient‘ wurde und wieviel sie noch zu fordern hat, kann ich im Burgtheater nicht zu Worte kommen lassen.“27

Die (nur wenig spätere) Ablehnung des angereichten Einakters ,Der Führer‘ ist jedenfalls nahe an einer billigen Ausrede, bringt doch auch das Hofburgtheater als ,Repertoirebühne‘ in der Saison bis zu 80 Inszenierungen zur Aufführung:

„Das Burgtheater hat unlängst erst Molieres ,Don Juan‘ in den Spielplan aufgenommen, es kann daher leider nicht wieder die Typen desselben Werkes, wenn auch in ganz freier Behandlung, in einem anderen Bühnenwerke vorführen.“28.

Dabei scheint mir gerade ,Tini Taferner‘ (in der Handschrift noch als „Volksstück in vier Szenen“, in der späteren (nur an wenigen kleinen Stellen geänderten) maschinenschriftlichen Fassung dann als „Volksstück in vier Akten“ bezeichnet), dessen Handlung einen Zeitraum von über zwei Jahren umfasst, als gelungener Versuch, sich dem Wiener Vorstadtleben realistisch zu nähern:

Tini Taferner ist eine selbstbewusste junge Frau, die sich der Probleme ihrer Nachbarn annimmt

(Tini: „Wenn die Leut nicht so unbehilflich wären! Aus lauter Dummheit rennen die meisten in ihr Unglück. Man soll sie nicht hineinrennen lassen, wenn man es besser versteht und ihnen helfen kann“.

Die alte Groch: „Kannst du dir denn selber helfen?“

Tini: „Das geht für sich. Aber wenn ich auch mir nicht helfen kann, soll ich deswegen den anderen nicht raten?“ - 1. Szene),

ihren spielsüchtigen Freund als Gegenleistung zur Heirat zu einer Ausbildung als Monteur zwingen kann, die später dazu führt, dass ihr Karl als bei einem großen Brückenbau in Brasilien eingesetzt wird. Währenddessen zieht Tini mit ihrem Kind und ihrer Freundin Lena, eben diejenige, die sie aus einem Wiener Bordell rettet, in einen kleinen Ort abseits der Großstadt, wo beide in einer Weberei arbeiten, und Tini weiterhin versucht, die aus dem 1. Akt schon bekannten Probleme zu lösen, an ihren eigenen Problemen aber fast scheitert. Der vierte Akt schließlich endet mit der Rückkehr ihres mittlerweile zum Ingenieur beförderten Mannes aus dem Ausland; dessen Lohn und der Nachlass eines Verehrers, der den Freitod wählt, um Tini nicht in Schande zu bringen, ermöglichen den Taferners ebenso wie Leni und ihrem Freund, der eine Gefängnisstrafe wegen eines Einbruchs verbüßen musste, zu einem von finanziellen Nöten freien Leben. Das Stück, das keine zentrale dramatische Konfliktkonstellation aufweist, erscheint eher als eine für die Bühne aufbereitete Erzählung, ist aber insgesamt näher an der sozialen Wirklichkeit, als die vorhergehenden ,Historienstücke‘, trotzdem sein Optimismus - die Menschen, die sich selbst helfen oder die Hilfe anderer annehmen, können ,etwas werden‘ - rückwirkend betrachtet, eher befremdlich wirkt.

Für andere Dramen, etwa ,Betti Macker‘ (1920), ,Lamberts Heini‘, ,Akton und Alta‘ (1920), fehlen bisher Belege - u.a. maschinenschriftliche Abfassungen oder entsprechende Briefe - für Versuche, sie zur Aufführung zu bringen.

Über Langmann wird, da er nach 1901 - mit wenigen Ausnahmen - nicht mehr auf den deutschsprachigen Bühnen erscheint, auch in der österreichischen Presse immer weniger berichtet.

Anders als etwa Gerhart Hauptmann oder Max Dreyer scheint Langmann kein Mensch zu sein, der den öffentlichen Auftritt sucht; jedenfalls ist das das (vorläufige) Ergebnis der Tageszeitungsrecherche.

Aus den wenigen ermittelbaren Daten darf man zwar annehmen, dass Langmann auch öffentlich aktiv ist, insgesamt aber ist der Eindruck nicht von der Hand zu weisen, dass er sich mehr und mehr zurückgezogen hat; Näheres wird sich möglicherweise aus dem (was die Anzahl der Personen betrifft, mit denen er schriftlich kommunizierte, nicht umfangreichen) Briefverkehr ermitteln lassen. Es ist nicht bekannt, dass Langmann eine Lebensgefährtin (oder einen Lebensgefährten) hatte. Zudem befindet sich im Nachlass keine dauerhaft geführten Notizkalender oder Tagebücher, so dass über die Jahre vor allem nach 1910 vorerst nicht mehr zu vermerken ist als das, was aus Zeitungsnachrichten bekannt ist.

Am 8.5.1903 berichtet das illustrierte Wiener Extrablatt‘ (gleichlautend wie an den folgenden Tagen mehrere andere Tageszeitungen), dass Langmanns Stück ,Korporal Stöhr‘ neben Schrottenbachs Volksstück ,Der Herr Gemeinderat‘, Werkmanns Volksstück ,Kreuzwegstürmer‘, Engels ,Der g‘rade Michl‘ und Skurawys ,Neues Leben‘ für den mit 1400 Kronen dotierten Raimund-Preis nominiert worden sei. Am 18.5. jedoch vermeldet die ,Neue Freie Presse‘, dass für das Jahr 1903 wegen „Nichtübereinstimmung der Ansichten“ innerhalb der Jury der Preis nicht vergeben werden soll; Langmanns „Korporal Stöhr‘ ist da schon aus dem engeren Kreis der Nominierten ausgeschieden. Der zwischen 1896 und 1918 in zwei- bis dreijährigem Turnus vergebene Preis wird 1904 Rudolf Havels für seine (harmlose und unbedeutende) Komödie ,Die Politiker‘ zugesprochen.

Am 24.6.1905 wird in mehreren Wiener Tageszeitungen (am 28.6.1905 auch die Münchener ,Allgemeine Zeitung‘) gemeldet, dass die „Käthi-Fröhlich-Stiftung“ die „fällig gewordenen Stiftungspreise“ - nicht identisch mit dem ‘Grillparzer-Preis‘; den erhielt 1905 Gerhart Hauptmann für ,Der arme Heinrich‘! - (wahrscheinlich jeweils in Höhe von 1000.- Kronen) an Philipp Langmann, J. J. David und Rudolf Holzer vergeben hat.

Am 11.2.1906 meldet die Münchener ,Allgemeine Zeitung‘, dass der in Wien verstorbene Industrielle Isidor Kuhn „dem befreundeten Dichter Philipp Langmann . 50.000 Kronen“ vermacht habe.29

1907 gehört Langmann zu den Mitbegründern der /Union der dramatischen Autoren‘ - vgl. die Berichte über die konstituierende Versammlung des Interessenverbandes im /Wiener Tagblatt‘ und ,Die Zeit‘ (jeweils am 8.11.1907) und der Arbeiterzeitung‘ (9.11.1907). Interessant ist weniger die Tatsache, dass Langmann Mitglied dieses Interessenverbandes wird, sondern eher der Essay von Rudolf Lothar in der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung‘ am 31.10.1907 über eine vorbereitende öffentliche Versammlung (Abdruck auch im „Hamburger Correspondent‘ am 3.11.1907), in dem der Autor über Langmann schreibt:

„... da stand Philipp Langmann, der Dichter des ,Bartel Turaser‘, auf und sagte, die Tantieme sei unmoralisch, der Dichter dürfe nicht vom Publikum abhängen, es wäre Pflicht des Staates, die Dichter zu erhalten und ihnen je nach ihrem Werte Gehälter auszuzahlen.“

Das erinnert eher an die ein Vierteljahrhundert früher - 1882 - von den Brüdern Heinrich und Julius Hart geforderte Alimentierung in ihrem ,Offenen Brief an den Fürsten Bismarck‘ im 2. Heft der „Kritischen Waffengänge‘, einer der frühen programmatischen Zeitschriften des Naturalismus, als an eine moderne tradeunionistische Position als freier Schriftsteller‘. Implizit darf man es aber als Eingeständnis Langmanns werten, bereits 1907 vom Einkommen aus seiner schriftstellerischen Tätigkeit nicht leben zu können.

Das „Prager Tageblatt‘ meldet am 3.8.1900, dass Langmann vom ,Neuen Theater‘ in Hamburg als Lektor engagiert worden sei.

Seit 1905 soll Langmann als Mitarbeiter bei mehreren Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen tätig gewesen sein; lt. „Prager Tagblatt‘ vom 15.3.1909 ist Langmann ab dem 15.3.05 für einen nicht weiter zu ermittelnden Zeitraum (wahrscheinlich bis 1919) als Feuilleton-Redakteur des Wiener ,Fremden-Blatts‘ eingestellt.

Inwieweit das Angebot Langmanns an den Cotta-Verlag, mit dem er immer noch de jure verbunden ist, in seiner Position dessen Druckerzeugnissen „besondere Aufmerksamkeit“ (Brief v. 16.3.1909) zu widmen tatsächlich ausgiebig wahrgenommen worden ist, muss eine noch erfolgende Sichtung des ,Fremden-Blattes‘ ergeben.30

Für Renate Riedls generalisierende Aussage: „Wohl arbeitete er bis 1914 als Journalist an verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften mit“31 fehlt es indes an Belegen. In anderen österreichischen Zeitungen konnte kein ,Langmann‘ zugeordneter Artikel recherchiert werden32. Generell ist über Langmanns journalistische Tätigkeit, die noch vor der Buchausgabe des ,Bartel Turaser‘ begonnen hat und wahrscheinlich bis ins Jahr 1919 reicht, so gut wie nichts bekannt.

Andere Bewerbungen um eine Anstellung, so z. B. als Bibliothekar an der TH Brünn, bleiben erfolglos.

Schon in den frühen 1910-er Jahren ergeht es ihm wie anderen Schriftstellern, die als Naturalisten begonnen haben: weder Dramen noch Prosa finden Verleger und/oder Leser. Langmann ,verstummt‘ (wie andere auch, z. B. Max Kretzer), wie das so banal in der Literaturwissenschaft beschrieben wird.

Während Gerhart Hauptmann 1912 zum 50. Geburtstag reichsweit gefeiert wird, erfährt Philipp Langmann in diesem Jahr lediglich Erwähnung als Autor eines abgelehnten Dramas ,Der Statthalter von Seeland‘.

Es sind wirklich nur noch gelegentliche Erwähnungen, die Langmann erfährt:

So berichtet das ,Pilsner Tagblatt‘ am 3.1.1911 (die ,Wiener Zeitung‘ am 1.1.1911, das Znaimer Wochenblatt‘ am 4.1.1911), dass Langmann einen kurzen Beitrag zur Festnummer zum 60-jährigen Jubiläum des Brünner ,Tagesboten‘ geliefert hat.

Eine der kürzeren Erzählungen (,Samstag Abend‘ aus: ,Ein junger Mann von 1895‘) erscheint im sozialdemokratischen ,Lichtstrahlenkalender‘ für 1912 der Grazer Volksbuchhandlung. 1912 taucht Langmann noch einmal als einer von vielen anderen Literaten auf, die zu einer Anthologie ,Die Träume der Dichter‘ (hrsg. v. dem Psychologen und Nervenarzt Dr. Wilhelm Stekel, Wiesbaden 1912) einen Beitrag geliefert haben. (Einzige Erwähnung in ,Bukowinaer Post‘, 10.11.1912)

Eher aus dem Kuriositätenkabinett stammt die folgende Notiz aus der in Wien erscheinenden ,Hausfrauen-Zeitung‘ (Nr. 42/1913): Der Gewinner eines Worträtsels erhält ein Exemplar des ,Statthalter von Seeland‘; was immer das bedeuten mag: entweder der Druck liegt dem Verlag unverkäuflich im Regal oder das Stück ist doch nicht so schlecht, dass man es gar nicht in die Öffentlichkeit kommen lassen dürfte.

Am 16. März 1913 denunziert die antisemitische ,Kärtner Zeitung‘ Langmann als Teil der weltweiten Jüdischen Presse-Verschwörung‘, der quasi die Hälfte aller reichsdeutschen und gut Dreiviertel aller österreichisch-habsburgischen Tageszeitungen angehören, sowie ein großer Teil der reichsdeutschen wie habsburgisch-österreichischen Dichter und Journalisten. Langmann ist dabei in prominenter Gesellschaft: neben Ludwig Fulda, Eugen Wolff, Fritz Mauthner, Leo Berg, Max Nordau, Stefan George und mehreren Dutzend weiterer bekannter Künstler, Journalisten und Dramaturgen.

Am 9.8.1914 meldet die ,Klagenfurter Zeitung‘, dass Philipp Langmann in der /Wiener Allgemeinen Zeitung‘ in einem offenen Brief dazu aufgerufen habe, sich hinter einen Aufruf des Deutschen Kaisers (,Durch Not und Tod‘) an die im Deutschen Reichstag vertretenen Parteien zu stellen, also, wie viele andere deutschsprachige Dichter auch: Kriegsbegeisterung zu zeigen.

Inwieweit der Wahl-Wiener und gebürtige Mährer, bzw. Brünner Philipp Langmann nach dem Krieg als ,Österreicher‘ sich in der neuen Republik politisch zurechtgefunden hat, wird ohne Kenntnis von Briefen und privaten/persönlichen Notizen nicht zu ermitteln sein.

Immerhin ist das ,Österreichertum‘ nun auf die kleine Republik Österreich reduziert: Die bis 1870 - bevor Bismarck das ,kleindeutsche‘ Deutsche Kaiserreich durchsetzte - immer als angestammter Teil eines ,Großdeutschland‘ (bzw. ,Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation‘) geltenden deutschsprachigen habsburgischen Gebiete südlich der Alpen (Tirol, Friaul, Slowenien, Slawonien) ebenso wie Böhmen und Mähren sind nun - trotz fortbestehender kultureller Tradition - Teilgebiete anderer selbständiger Staaten. Sicher wird man davon ausgehen dürfen, dass die Abtrennung der östlichen Gebiete Galizien, Bukowina und der zur ungarischen Teilmonarchie gehörenden Balkangebiete den Brünner Langmann weniger interessierte, nichtsdestoweniger wird man erwarten dürfen, dass diese ,Zeitenwende‘, die Auflösung der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, sich auch literarisch niederschlägt; - was offensichtlich nicht der Fall zu sein scheint.33

Nach dem Ersten Weltkrieg wird Philipp Langmann in der Öffentlichkeit einschließlich der literarischen Öffentlichkeit‘ weitgehend ignoriert, bzw. nicht mehr erwähnt.

Wobei allerdings eine Rezension in der ,Wiener Morgenzeitung‘ vom 7.6.1923 zur Aufführung von Ernst Tollers ,Die Maschinenstürmer‘ im Wiener ,Komödienhaus‘ dieser pauschalen Aussage zu widersprechen scheint: „Das Werk [Tollers] selbst . besteht auch ohne die Sympathie, die man für den edlen, duldenden Autor hegt. Hauptmanns ,Weber‘ mag sinnfälliger sein, Langmanns ,Bartel Turaser‘ straffer komponiert, Pinskis ,Eisik Scheftel‘ dichterisch wertvoller, Heyermanns ,Hoffnung auf Segen‘ erschütternder. Aber keines dieser bekannten Proletarierstücke ist so glühend, keines von so fiebernder, angstvoller Liebe für die geknechtete menschliche Kreatur durchweht, .“

Und eine weitere Bemerkung in der ,Reichspost‘ v. 4.10.1927 scheint diese überall anzutreffende und aus der Nachrichtenlage der Tageszeitungen nur allzuleicht zu bestätigende Aussage (mit aller Vorsicht) zu relativieren: „Philipp Langmann und sein Drama ,Bartel Turaser‘, sie zwei sind seit dem Literaturunterricht des Gymnasiums in der Erinnerung fest aneinander geschmiedet.“

In den Jahren 1922 - 1924 hat sich Langmann nachweislich der Einträge im ,Notizbuch mit literarischen und tagebuchmäßigen Notizen, begonnen am 1. August 1922‘34 bei mehreren Verlagen35 - vergeblich - bemüht, Werke unterzubringen, darunter offenbar auch noch einmal das Drama ,Tini Taferner‘, außerdem einen ,Roman‘ (wahrscheinlich ,Unferdutz‘ (?), siehe weiter unten).

Lediglich die beiden Erzählbände ,Der Akt Gerenus‘ (der neben ,Der Akt Gerenus‘ und ,Cella‘ 9 weitere schon früher veröffentlichte Novellen enthält) und ,Ein fremder Mensch‘ (von dessen 11 Novellen nur die Titelgeschichte bisher unveröffentlicht waren) kann er 1923 im Rikola-Verlag (Wien) noch veröffentlichen. Ein geplanter dritter Novellenband beim Rikola-Verlag erscheint nicht.36

Auf die Veröffentlichungen wird in den Tageszeitungen zwar noch hingewiesen, bzw. die Verlagsannoncen (z.B.‘ Österreichische Buchhändler-Correspondenz‘ Nr. 21/1924, 23.5.1924: ,Der Akt Gerenus‘ und ,Ein fremder Mensch‘) werden in den entsprechenden Zeitungsrubrik abgedruckt, aber trotz einiger guter Kritiken bleibt beiden Werken der finanzielle Erfolg versagt. Das liegt sicherlich auch daran, dass sich Langmann erzählerisch nicht weiterentwickelt hat, er ist immer noch dem frühen ,naturalistischen‘ Stil verbunden, moderne ,realistische‘ Schreibweisen scheint er nicht zu beherrschen, ebensowenig wie die Verarbeitung von Gegenwartstoffen in komplexen Handlungen. Insofern offenbart sich in den beiden Bänden tatsächlich ein Autor von gestern.

„In den hier angezeigten Novellensammlungen hat er mit beiden, weitausgreifenden Händen in sein bisheriges Lebenswerk hineingefasst und die Ausbeute ziemlich wahllos zusammengeworfen.“ (Julian Sternberg in: Moderne Welt (Wien), Heft 19, 1924, S. 19)

Die sehr kurze Phase der Aufmerksamkeit nach dem Erscheinen der beiden genannten Novellenbände bleibt eine Ausnahme. Der Absatz der beiden Prosabände bleibt gering.

In dem genannten ,Notizheft‘ von 1922 notiert Langmann: „Absatz Rikola bis Ende 1925. Gerenus 464, Fremder M. 486“ (S. 71).

Gelegentlich wird in den Tageszeitungen eine Lesung mit Philipp Langmann angekündigt, so wie z.B. am 13.1.1926 in Wiener Bezirk Ottakring:

„Heute (Koflerpark 7): Fachgruppe für Literatur [der Volkshochschule]. Schriftsteller Philipp Langmann: Vorlesung aus eigenen Dichtungen (8 Uhr). Eintritt frei.“ (Vgl. Arbeiter­Zeitung‘, „Illustrierte Kronen-Zeitung‘, jeweils 13.1.1926).

Einzelne Inszenierungen des ,Bartel Turaser‘ (vgl. dort) werden zwar noch gemeldet; - die Neuinszenierung des ,Bartel Turaser‘ im Rahmen eines ,Volksstück-Zyklus‘ am Wiener ,Raimund-Theaters‘ im Herbst 1927 sorgt für einige Tage sogar noch einmal für Aufmerksamkeit in den Wiener Tageszeitungen, - aber als zeitgenössischer und vor allem ,öffentlicher‘ Autor wird Langmann nicht mehr gehandelt.

Ansonsten beherrschen Kleinigkeiten die wenigen Meldungen, die zumindest belegen, dass Langmann ,noch existent‘ ist:

Im Juni 1924 wird Langmann im Rahmen einer Theater- und Musik-Ausstellung im Rathaus Wien zum „volkstümlichen Theater der letzten 150 Jahre“ als „Nachfolger Anzengrubers im Volksstück“ und der „ersten Anfänge des Arbeiterdramas“ (Arbeiterzeitung‘ (Wien), 25.6.1924, dito ,Wiener Zeitung‘, 25.6.1924; ,Neues Wiener Journal‘, 1.7.1924; u.a.) erwähnt. Langmann hat für die Ausstellung mehrere Manuskripte (vgl. Anlage 2) zur Verfügung gestellt.

Das ,Neue Wiener Journal‘ führt in der Ausgabe vom 19.9.1926 Philipp Langmann als einen der Gratulanten des Journal-Redakteurs Stefan Skrein an, dem zum 70. Geburtstag das ,Große Silberne Ehrenzeichen der Republik Österreich‘ verliehen wird (vgl. ,Neues Wiener Journal‘, v. 19.9.1926).

Mehrere Tageszeitungen erwähnen, dass Langmann zu den Unterzeichnern eines Aufrufes zu einem deutschsprachigen „großen Vaterland“ ist anlässlich des großen Sängerfestes im Juli 1928 in Wien (vgl. z.B. Allgemeiner Tiroler Anzeiger‘ v. 20.7.1928) gehört.

Recht unvermittelt trifft man in der Ausgabe vom 22.8.1929 des „Hamburger Anzeiger‘ auf einen Artikel, der sich mit dem Dichter-Jahrgang 1862 beschäftigt, zu dem neben Langmann u.a. auch Gerhart Hauptmann, Max Dreyer, Johannes Schlaf zu zählen sind.

Nur wenige Zeitgenossen haben versucht mit Langmann Kontakt zu halten, darunter der österreichische Dramatiker und Journalist Oskar Bendiener, dessen kurze Schrift - veröffentlicht in der Wiener Tageszeitung ,Der Tag‘ am 5.11.1924, rückwirkend gesehen ein vorzeitiger Nachruf - ihn noch einmal der Öffentlichkeit ins Gedächtnis zurückrufen will:

„Dieser rastlos und unbeirrbar Bemühte, dieser Schöpfer zahlloser Eigenwerke, so stark gewollt als gelungen, dieser herrliche, vollwertige, ja beispielgebende Mensch verkriecht sich seit langem scheu, verbittert, ich fürchte: nackter Not nicht nur benachbart, freudlos, reiblos, illusionslos in seinem unfrohen Währinger Exil, das sich nur schwer beharrlichen Andrängen selbst des Wohlmeinenden öffnet. Philipp Langmann hegt keinen Glauben und keine Hoffnung mehr. Den Gedanken an späte Anerkennung, Genugtuung für schuldlos erlittene Pein hat er anscheinend bereits aufgegeben. Hinter Hass und Hohn verbirgt er sie blutenden Wunden seines Inneren. Im Bewusstsein seiner (bleibenden) Bedeutung findet er Trost und Zuflucht, stolz, spöttisch, verächtlich trägt er - jeder Zoll ein ungebrochener Kämpfer und Mann - die ihm unverdient auferlegte Bürde. Dass er bei alledem ein wenig grilliger Sonderling wurde (meinetwegen: lange schon war) muss man ihm fügsam zugutehalten. Wem wäre es an seiner Stelle anders ergangen? Nichtsdestoweniger - der Mann nähert sich langsam den Sechzig! Wär es da nicht doch an der Zeit, den Bühnendichter Philipp Langmann ungewollter Vergessenheit zu entreißen?“

Wie problematisch es um Langmanns finanzielle Lebensgrundlage steht, macht ein erneuter, nicht anders denn als ,Bettelbrief‘ zu bezeichnendes Schreiben am 3. Dezember 1922 an den Cotta-Verlag deutlich, in dem er um einen Vorschuss auf noch zu verfassende Werke bittet. Natürlich lehnt der Verlag ab.

Zwischen 1924 und 1931 erhält der wegen nur gelegentlicher Tantiemen vor allem aus ,Turaser‘-Aufführungen und nur geringer Einkommen aus dem Buch-Verkauf oder aus journalistischer Tätigkeit völlig verarmte Phillip Langmann eine ,Ehrenpension‘ der Stadt Wien - ab 1924 in Höhe von 500.000.- Kronen monatlich (nach der Währungsreform 1925 = 50 Schilling) (,Amtsblatt der Stadt Wien‘, Nr. 81/1924, 8.10.1924); vgl. dazu auch die entsprechenden Meldungen in den Tageszeitungen 1924 und 1925 (dokumentiert im Anhang nur eine Auswahl, da die Meldungen mehr oder weniger gleichlautend sind). Belegt ist auch ein Preis der Julius-Reich-Dichterstiftung‘ für 1925 in Höhe von 1.000.- Schilling (vgl. u.a. ,Neues Wiener Journal‘, ,Wiener Zeitung‘, ,Neue Freie Presse‘, jeweils v. 3.12.1925; ,Innsbrucker Nachrichten‘ v. 4.12.1925; ,Der Tag‘ v. 8.12.1925; ,Grazer Tagblatt‘ v. 18.12.1925, ,Hamburger Nachrichten‘ v. 19.12.1925).

1927 wird die Ehrenpension auf 100.- Schilling monatlich erhöht (gemessen an den Ehrenpensionen von Politikern und Akademikern, bzw. deren Hinterbliebenen tatsächlich nur ein Almosen). Auch das wird pflichtgemäß in einigen Tagezeitungen erwähnt, am ausführlichsten in der /Wiener Morgenzeitung‘, aber auch in der ,Kleinen Volks-Zeitung‘, am knappsten im ,Neuen Wiener Journal‘, jeweils am 2.8.1927 oder im ,Bezirksboten für den politischen Bezirk Bruck‘ am 7.8.1927.

Am 12.7.1930 veröffentlicht das ,Neue Wiener Journal‘ anlässlich des Todes von Julius Hart einen Brandbrief, in dem eine ausreichende finanzielle Unterstützung für notleidende österreichische Autoren aufruft, explizit genannt wird auch Philipp Langmann.

Im März 1931 wird selbst dieser geringe Ehrenpensions-Betrag “mit Rücksicht auf die Aufnahme des Genannten in die geschlossene Armenpflege der Gemeinde Wien mit Wirksamkeit vom 31. April 1931 eingestellt“ (,Amtsblatt der Stadt Wien‘, Nr. 22/1931,

18.3.1931) ; allerdings wird dieser Beschluss auf einer ,vertraulichen‘ Sitzung vom 21.4.1931 wieder (ohne Angabe von Gründen) revidiert (,Amtsblatt der Stadt Wien‘, Nr. 33/1931,

25.4.1931) .

Die Aufnahme ins „Versorgungshaus“ (,Kleine Volkszeitung‘, 19.3.1931) wird nur in wenigen Tageszeitungen berichtet. Der Tageszeitung ,Die Stunde‘ ist diese Nachricht immerhin noch einen längeren Artikel wert (20.3.1931), der allerdings Langmann auch eher als Dichter einer vergangenen Zeit sieht: „Der ,Bartel Turaser‘ muss schon ein kräftiges Stück gewesen sein.“

Am 22.5.1931 verstirbt der „isoliert“, „verbittert“, „vergessen“ (div. Literatur-Lexika) lebende Philipp Langmann in Wien.

Üblicherweise wird geschrieben, er sei im Armenhaus gestorben, jedoch ist auch eine andere Version der letzten Lebensmonate zu erfahren:

„Im Jahre 1930 meldete er sich im Versorgungshaus in Lainz an und am 15.12.1930 trat er dort ein. Er verließ es am 8.2.1931 ohne Abmeldung und kehrte in seine Wohnung in Wien zurück. Am 23.5.1931 starb Philipp Langmann nach kurzer Krankheit im Rudolfinerhaus.“37

Philipp Langmann erhält ein Ehrengrab „in bevorzugter Lage im Wiener Zentralfriedhof, und zwar das „Gruppe 15a, Reihe 3, Nr. 24, auf die Dauer des Friedhofbestandes“ (,Amtsblatt der Stadt Wien‘, Nr. 60/1931, 29.7.1931, S. 765).

Eine Anzahl österreichischer Zeitungen widmen dem verstorbenen Autor z.T. ausgiebige Nachrufe; von seinen Werken wurden jedoch vielfach nur ,Bartel Turaser‘ genannt; alle anderen dramatischen sowie novellistischen Werke bleiben bis auf wenige Ausnahmen unerwähnt. In deutschen Zeitungen kann lediglich eine Meldung der ,Vossischen Zeitung‘ und des „Hamburger Correspondent‘ nachgewiesen werden. Allerdings wurden andere Tageszeitungen mangels Online-Zugänglichkeit nicht geprüft; es ist aber davon auszugehen, dass auch in anderen deutschen Tageszeitungen der Tod des Dichters gemeldet wurde. Über die Qualität der Nachrufe soll hier nicht gerichtet werden; nur so viel sei gesagt: Zahlreiche Nachrufe enthalten (m.E. unentschuldbare) sachliche Fehler und zahlreiche Nachrufe zeichnen sich durch eine gewisse pressetypische Heuchelei aus, als seien die Feuilletons der Tageszeitungen völlig unbeteiligt an der öffentlichen Nichtbeachtung des Autors und seiner Verarmung.

In der Nr. 72/1932 (7.9.1932) des ,Amtsblattes der Stadt Wien‘ wird der Beschluss veröffentlicht, dass der testamentarisch der Stadt Wien vermachte Nachlass an die Sammlungen der Stadt Wien übergeht.

Der in der Wienbibliothek im Rathaus vorliegende Nachlass ist immerhin katalogisiert, jedoch nicht digitalisiert, so dass eine wissenschaftliche Aufarbeitung ohne eine wochenlange persönliche Anwesenheit in der Wienbibliothek nicht möglich ist. Der Nachlass, 470 betitelte und kurz beschriebene Katalognummern, lässt neben einer Handvoll weiterer, vollendeter oder weitgehend vollendeter Theaterstücke eine große Anzahl Dramenfragmente bzw. nur halbwegs fertige Dramen sowie zahlreiche Prosamanuskripte erkennen; daneben eine größere Anzahl an ihn gerichteter Briefe bzw. eigene Briefe und Brieffragmente, aber außer Arbeits-Zeugnissen nur wenige private resp. persönliche Texte, darunter immerhin ein als ,Tagebuchnotizen vom November 1893 bis Dezember 1894‘ bezeichnetes Konvolut aus 56 Blatt. Wesentliches wird also eher aus den zahlreichen Briefen zu entnehmen sein, sofern die Adressaten diese Briefe aufbewahrt haben, bzw. diese Briefe zugänglich sind.

Laut Riedl fasste Langmann

„seine Werke in einer Liste zusammen und zählte

18 (fertige) Dramen, davon 10 veröffentlicht,

80 Novellen, davon 48 veröffentlicht,

2 Romane, davon 1 veröffentlicht,

von 2 Weltanschauungsbüchern sowie 200 Gedichten erschien überhaupt keines am Büchermarkt.

Von Langmanns Fleiß zeugt sein Nachlass. Unzählige Fragmente von Damen und Novellen, historische und zeitgenössische Stücke, problematische Stücke liegen in engbeschriebenen Blättern vergessen in der Rathausbibliothek in Wien“ (Riedl, S. 8); -­zum Zeitpunkt der Erstellung der Dissertation noch nicht katalogisiert.

Unklar ist, worauf sich Riedl bezieht, denn die Inventarnummer 58291 (siehe Anhang 2), eine datumsgemäß nicht zuzuordnende einseitige Notiz, gibt diese Information nicht her. Diese Notiz ist wahrscheinlich nach der Fertigstellung der beiden Novellenbände ,Ein fremder Mensch‘ und ,Der Akt Generus‘ (beide 1923 erschienen) entstanden, da keine der dort veröffentlichten Novellen als ,ungedruckt‘ notiert ist; gleichzeitig ist das ,Weltanschauungsbuch‘ ,Unferdutz‘ als fertiggestellt‘ und sind ,Bartel Turaser‘ und ,Mensch und Leben‘, die Ende 1922 noch im Angebot des Cotta-Verlages enthalten waren, als ,vergriffen‘ aufgeführt.

Briefe an den Cotta-Verlag liegen im Marbacher-Literaturarchiv; der sog. ,Rotulus‘ umfasst 208 Eintragungen, endend mit zwei Einträgen - einem Schreiben Langmanns per 3.12.1922 („Er: Bittet um einen Vorschuss auf Honorar, das er für Werke, die er uns noch anbieten will, zu erhalten hofft.“) und der Antwort Cottas per 06.12.1922 („Wir: Lehnen es ab, ihm Vorschuss zu geben.“)38.

Inwieweit der weitere Briefverkehr, vor allem mit Theaterdirektoren und Regisseuren, vorhanden und auswertbar ist, muss hier unbeantwortet bleiben.

Die explizite Erwähnung Langmanns in einer Würdigung (,Die Stunde, 16.1.1934) des verstorbenen Herausgebers der ,Brünner Sonntagszeitung‘ Siegmund Rubinstein als Förderer der ,modernen Dichtung‘ scheint wohl eher als Einzelmeinung gelten zu müssen, kann aber hier auch nur vorläufig bewertet werden; diese Erwähnung zeigt aber zumindest, dass zu diesem Zeitpunkt (1934) Langmann noch Teil einer (wenn auch nicht mehr als Allgemeinwissen vorhandenen) österreichischen Literaturtradition war.

In der Ausgabe Nr. 43/1956 (30. 5.1956) des ,Amtsblattes der Stadt Wien‘ steht noch eine kurze (eher belanglose) Gedenknotiz:

„Philipp Langmann zum Gedenken.

Auf den 22. Mai fiel der 25. Todestag des Dramatikers Philipp Langmann. Am 5. Februar 1862 in Brünn geboten, übersiedelte er, nachdem Erfolg seines Erstlingswerkes, des naturalistischen Proletarierstücks ,Bartel Turaser‘ nach Wien, wo er als freier Schriftsteller lebte. In der Folge musste er aber schwer kämpfen und geriet in große Not. Die Gemeinde Wien setzte ihm zuletzt eine Ehrenpension aus. Philipp Langmann verfasste neben dramatischen Arbeiten auch Romane, Erzählungen und Essays.“

Gelegentliche Namensnennungen nach 1945 wie in einem in der österreichischen Tageszeitung ,Neue Zeit‘ (ehemals ,Arbeiterwille‘) am 12.8.1945 erschienenen Essay ,100 Jahre sozialistische Kulturbewegung‘

(„Nachdem sich erste Anzeichen sozialistischer Tendenzen in den Dramen Anzengrubers, Bahrs, Schnitzlers, Saltens und Schönherrs zeigen, bringen die ersten Arbeiterdramen in Österreich Philipp Langmann, Franz Adamus, Marie Eugenie delle Grazie und Oskar Bendiener um die Jahrhundertwende auf die Wiener Bühne.“)

ändern nichts daran, dass gerade die Genannten (Langmann, Adamus/Bronner, delle Grazie, Bendiener, aber auch ein Ferdinand Hanusch oder Joseph Trübswasser) bestenfalls in Lexika genannt werden.

Andererseits erwähnt der Rezensent eines opulenten Bildbandes über die ,Österreichisch- Ungarische Monarchie‘ in den Betrachtungen zur Industriestadt Brünn explizit Philipp Langmann als einen (neben Stefan Zweig und anderen) der bedeutendsten Brünner Künstler (,Wiener Zeitung‘, 24.7.1949); d.h. ,ganz‘ in Vergessenheit war Langmann zumindest zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Aktuell ist ihm ein bescheidener etwa zwölfzeiliger biografischer Eintrag und die Nennung der bekanntesten veröffentlichten Werke in ,Wikipedia‘ vergönnt.

2. Langmanns Nichtexistenz in der Literaturwissenschaft

Eine im ,Brenner-Archiv‘ veröffentlichte Rezension zu dem 2016 erschienenen Buch „Sonderweg in Schwarzgelb? Auf der Suche nach einem österreichischen Naturalismus in der Literatur‘ (Hrsg.: Roland Innerhofer, Daniela Strigl. Innsbruck: StudienVerlag) stellt lapidar fest:

„Von den Autorinnen und Autoren, die man gewöhnlich dem Naturalismus in Österreich zuordnet, sind nur David und delle Grazie Beiträge gewidmet; . (der frühe) Salten und Philipp Langmann kommen überhaupt nicht vor, ebenso wenig die Industriestadt Brünn als Ausgangsort eines österreichischen Naturalismus“.

(Mitteilungen aus dem Brenner-Archiv, Nr. 35/2016, S. 228).

Betrachten wir dies näher, so sollen die folgenden Ausführungen einen knappen Überblick über die Darstellung Philipp Langmanns in der Literaturgeschichtsschreibung geben: Die ersten ausführlicheren Darstellungen (außerhalb tagesaktueller Rezensionen) zu Philipp Langmanns erscheinen in der sozialdemokratischen Zeitschrift ,Die neue Zeit‘ 1899 und 1902.

In ,Die neue Zeit‘ (Jg. 18, 1899-1900, Bd.1, Heft 10) lobt H. Ströbel (,Proletarier in der modernen Dichtung‘) Langmann als den einzigen

„deutschen, wenn auch nicht reichsdeutschen Poeten ., dessen Behandlung proletarischer Stoffe die schönsten Hoffnungen zu erwecken geeignet ist, .dessen novellistische Leistungen mir noch bedeutender erscheinen als das talentvolle Drama“ [d.i. ,Bartel Turaser‘].

„Aus ihm könnte noch einmal ein wirklicher Poet des Proletariats werden.“ (S. 301).

In dem Novellenband ,Arbeiterleben‘ (erschienen 1893) habe Langmann

„wirklich lebensvolle Ausschnitte aus dem Proletarischen gegeben, die allerdings wohl kaum unter dem Gesichtswinkel der sozialistischen Weltanschauung ausgewählt sein mögen“ (S.304).

Adolf Bartels charakterisiert Langmann in ,Die deutsche Dichtung der Gegenwart‘ (5. und verbesserte Auflage Leipzig 1903) eher nebenbei einmal als „anderen naturalistischen Dramatiker“ (S. 272) und ein anderes Mal als „Vertreter der Heimatkunst“ (S. 301ff.).

In der ,Zeitschrift des Deutschen Vereins für die Geschichte Mährens und Schlesiens‘ (Hrsg. Dr. Karl Schober. Brünn 1906, 10. Jg., Heft 1-4) ordnet Eugen Schick explizit als Ergänzung zu Hermann Bahr ,Die Moderne‘ Philipp Langmann als Teil einer „mährischen Moderne“ (S. 145ff) ein, zusammen mit Jakob Julius David, Richard Schaukal, Karl Hans Strobl, Hans Müller, Helene Hirsch u.a..

Zur gleichen Zeit erscheint: ,Die Politik und die Dichtung‘ v. Dr. phil. Hans Pototzky (= Band 46 der ,Berner Studien zur Philosophie und ihrer Geschichte‘): Im Kapitel ,Die soziale Frage im modernen deutschen Drama‘ (S. 36ff, das polemisch und undifferenziert gegen ,Tendenzdrama‘ und die Darstellung der ,sozialen Frage‘ auf der Bühne polemisiert) wird über Langmann geurteilt:

„1901 [!!] versuchte Langmann den Naturalismus insofern zu modernisieren, als er im ,Bartel Turaser‘ die ethischen Momente in den Vordergrund stellt ..." Hauptmanns ,Fuhrmann Henschel‘ ist lt. Bamberger das Ergebnis dieses „modifizierten Naturalismus“. (S. 60/61).

Prof. Robert Arnold (Universität Wien) in ,Das Moderne Drama‘ (Zwölf Vorlesungen zum modernen deutschen Drama) (Straßburg 1908) beschreibt Philipp Langmann als Entdecker des „modernen österreichischen Fabrikarbeiterdramas“ (vgl. S. 241ff).

In Friedrich Kummers ,Deutsche Literaturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts‘ (Dresden 1922) findet Langmann nur noch eine fehlerhafte Erwähnung als Teil einer „Schar Jungwiener“, die Hermann Bahr nach 1893 (!!!) um sich scharrte (S. 443).

Die Erwähnung Philipp Langmanns mit dem Drama ,Bartel Turaser‘ (neben Marie Eugenie delle Grazie mit ,Schlagende Wetter‘ und Franz Adamus mit ,Familie Wawroch‘) in Carter Knifflers Dissertation (Phil. Fak. der Univ. Frankfurt/Main 1929) ‘Die ‘sozialen Dramen‘ der achtziger und neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts und der Sozialismus‘ (insb. Kapitel 7 ,Proletarische Gesinnung‘) dürfte viele Jahre lang der einzige Hinweis auf Langmann gewesen sein.

Auch die Reclam-Anthologie von 1973 (Reclam 9471) ,Prosa des Naturalismus‘ weiß zur Aufnahme der Erzählung ,Der Unfall‘ nicht mehr zu erwähnen, als dass Langmann „vorübergehende Berühmtheit erlangte durch sein naturalistisches Drama ,Bartel Turaser‘“ (S. 269); als Quelle der Erzählung wird eine Ausgabe der ,Moderne Rundschau‘ von 1891 genannt, nicht jedoch der Novellenband ,Ein Arbeiterleben‘.

Die ebenfalls bei Reclam (1981) erschienene ambitionierte Anthologie ,Die Wiener Moderne - Literatur, Kunst und Musik zwischen 1890 und 1910‘, herausgegeben von Gotthard Wunberg und Johannes J. Braakenburg, erwähnt Philipp Langmann weder in der 70-seitigen Einleitung, noch wird auf den 260 Seiten, die explizit der „Literatur‘ gewidmet sind (von insgesamt rd. 600 Seiten, ohne Einleitung) ein Text von Philipp Langmann abgedruckt.

Auch das umfangreiche Werk ,100 Jahre Volkstheater. Theater. Zeit. Geschichte‘ (Hrsg. im Auftrag des Volkstheaters von Evelyn Schreiner - Beiträge u.a. H.H. Hahnl -, Wien München 1989) behandelt zwar ausführlich die Gründungsgeschichte und Regiejahre Emrich von Bukovics, kann sich aber in der langen Liste der bis 1918 aufgeführten Autoren und Stücke (S. 21/22) nicht zur Mitnennung von Philipp Langmann durchringen, verweist aber in der Aufführungschronik 1964 - 1988/89 immerhin für die Spielzeiten 1889 - 1944 auf die Dissertation ,Das Deutsche Volkstheater und sein Publikum‘ von Alexander Teichgräber (phil. Diss. Wien 1964).

Hans Heinz Hahnl: ,Hofräte - Revoluzzer - Hungerleider. Vierzig verschollene österreichische Literaten‘ (Edition Atelier, 1990 im Wiener Journal-Zeitschriften-Verlag GmbH erschienen39 ) entreißt Philipp Langmann zwar wieder dem Vergessen, bietet aber kaum mehr als einen oberflächlichen Überblick über die Reaktionen auf ,Bartel Turaser‘ und auf die bekannten Informationen zu den letzten Lebensjahren des Dichters.

In: Alan Marshall: ,The German Naturalists and Gerhart Hauptmann: Reception and Influence‘ (Frankfurt/Main 1982) erhält Philipp Langmann im Kapitel ,Productive Reception‘ eine 8-seitige Wertung als Autor des ,Bartel Turaser‘ mit der Schlussfolgerung :

„Indeed the work was a success when first performed, but he failed to apply Naturalist technics convincingly, hence ,Bartel Turaser‘ can hardly be regarded as an outstanding example of Naturalism; it is rather an inadequate as similation of Hauptmann‘ influence.“ (S. 259)

Andere Autoren, die in diesem Kapitel behandelt werden, sind: Georg Hirschfeld, Ernst Rosmer, Max Dreyer, Emil Rosenow, Franz Adamus, Carl Hauptmann. Allerdings leiden alle Wertungen unter der Prämisse, Hauptmanns frühe naturalistische Dramen und vor allem ,Die Weber‘ als absolut und als Richtmaß zu setzen und daran die genannten Autoren zu messen, die dann natürlich als unvollkommene Nachahmer erscheinen:

„Parallels are most often found in their early work when they were in closer contact with Hauptmann and with Naturalism, and when the young dramatics were still trying to develop an individuel style.“ (S.189).

Vor allem die Festlegung der Genannten als „young dramatists“ irritiert, denn Carl Hauptmann (Jg. 1858) ist der um vier Jahre ältere Bruder Gerhart Hauptmanns, Langmann und Dreyer sind ebenso wie Gerhart Hauptmann Jahrgang 1862, Rosmer (alias Bernstein / Porges) ist um vier Jahre, Adamus (alias Bronner) ist um fünf Jahre jünger; selbst Hirschfeld (Jg. 1873) und Rosenow (Jg. 1871) sind nicht wirklich als eine Generation ,jünger‘ anzusehen. Marshall scheint nicht akzeptieren zu wollen, dass Autoren selbstverständlich - aufnehmend oder ablehnend - die vorhandenen ästhetischen Maßstäbe kennen und verarbeiten. Noch irritierender ist die Schlussfolgerung, dass die Genannten und weitere Autoren „lesser dramatists“ seien (S. 188), die, wie Langmann oder Adamus, „exhausted their limited dramatic talents in a single work“ (S.299), ohne allerdings näher darauf einzugehen, inwieweit die ,Ökonomie‘ der Theater und die sich wandelnde Bedeutung des Theaters nach 1900 den Erfolg der Genannten beeinflusste.

Legt man etwa die Einkommen der Top-Bühnenschauspieler als Maßstab (so soll die berühmte Agnes Sorma des Berliner ,Deutschen Theaters‘ für eine achtmonatige Saison bis zu 40.000.- Mark bezogen haben, ihre Nachsaison-Tingelei durch die Provinz dürften die Provinztheater ebenfalls gut honoriert haben; für andere Stars wie Josef Kainz oder Georg Engel stehen Beträge von 80.000.- Mark oder mehr im Raum; Direktoren wie Paul Schlenther haben sicherlich am Wiener Burgtheater einen sechsstelligen Betrag verdient) und die Gewinnvorstellungen der Theaterbesitzer zugrunde, so wird deutlich, dass Autoren wie Philipp Langmann unabhängig von der Qualität ihrer Stücke ohne eine sie umgebende Entourage (wie zum Beispiel Gerhart Hauptmann oder Hermann Sudermann) enorme Probleme haben mussten, ihre Stücke auf die Bühnen zu bringen, bzw. bei entsprechend geringerer Publikum-Auslastung auf dem Spielplan zu bleiben.

Marshall folgt mit seiner Wertung ,lesser dramatists‘ einer Wertung, die bereits Sigfrid Hoefert in: ,Das Drama des Naturalismus‘ (Stuttgart 1968 = Sammlung Metzler 75) vorgenommen hatte: Hoefert deklariert in einem zweiundzwanzigseitigen Kapitel (Kap. 2.4.) u.a. Langmann, Viebig, Dreyer, Hartleben, Otto Ernst, Ludwig Fulda, Rosenow, aber immerhin mit delle Grazie und Adamus/Bronner zwei weitere österreichische Dramatiker (wenn auch nur mit jeweils einem Werk - Adamus: ,Familie Wawroch‘, delle Grazie: ,Schlagende Wetter‘ - erwähnt) zu „Naturalisten niederen Ranges“, nachdem er neben dem unbestrittenen Gerhart Hauptmann als „naturalistische Phalanx“ (Kap. 2.3.) noch Holz, Schlaf, Sudermann, Hirschfeld, Halbe aufgeführt hat40. Philipp Langmanns Drama ,Bartel Turaser‘ wird auch hier unreflektiert an G. Hauptmanns ,Die Weber‘ gemessen.

Eine erste ausführlichere (und zugängliche) aktuelle Darstellung Philipp Langmanns findet sich in:

Jörg Krappmann: Allerhand Übergänge. Interkulturelle Analysen der regionalen Literatur in Böhmen und Mähren sowie der deutschen Literatur in Prag (1890 - 1918). Bielefeld 2013. „Langmann als Dramatiker und als österreichischer Naturalist ist gemessen an der deutschen Literaturgeschichte eine verspätete Erscheinung. Dadurch ist er in der Lage, aber auch unter dem Zwang, auf die Ereignisse in Deutschland zu reagieren. Das Stück (,Bartel Turaser‘) zeugt dann auch von der Auseinandersetzung mit der Kritik aus unterschiedlichen politischen Lagern, von sozialistisch bis konservativ, bezieht auch die Weiterentwicklung der naturalistischen Literatur mit ein, und passt so das Drama an die Verhältnisse in Österreich an.“ (S. 191)

Krappman erwähnt auch die bisher einzigen zwei wissenschaftlichen Monografien:

Renate Riedl: Philipp Langmann. Leben und Werk. Diss. phil. Wien 1947 („nach wie vor die einzige Monografie“ (Krappmann: S. 174); allerdings sei Riedls Dissertation auch in Bezug auf Langmanns ,Leben‘ wenig ergiebig, was sicher zum Teil dem noch unerschlossenen Nachlass geschuldet sei; die Darstellung von Langmanns ,Werk‘ bestehe doch eher aus mehr oder weniger ausführlichen Inhaltsangaben), sowie die nicht in deutscher Übersetzung vorliegende Diplomarbeit von Pavla Pavisova: Das novellistische Spätwerk Philipp Langmanns. Diplomarbeit (tsch.) Prag 2002 („mit umfangreichem Material aus dem überquellenden Nachlass“, ebda.).

Ingo Stöckmann erwähnt in seinem ,Lehrbuch Germanistik: Naturalismus‘ (Metzler Stuttgart/Weimar 2011) Langmann lediglich in einem knapp vierseitigen Unterkapitel ,Naturalistische Novellistik‘ zusammen mit Gerhart Hauptmann, Paul Ernst und Johannes Schlaf.

Zuletzt sei auf zwei akademische Arbeiten der Germanistischen Fakultät der Universität Olomouc hingewiesen:

Daniel Vajbar: ,Deutschmährische Autoren in deutschen Literaturgeschichten von 1880 - 1920‘, Diplomarbeit 2009. Vajbars Arbeit beinhaltet im Wesentlichen (z.T. zitierte) Verweise auf mährische Autoren in den behandelnden Literaturgeschichten. (Text der Diplomarbeit in deutscher Sprache, Zusammenfassungen in deutscher und tschechischer Sprache.)

Friedrich Goedeking: ,Die Provinz als Kulturlandschaft. - Deutschsprachige Autoren im mährischen Kuhländchen von 1530 bis 1939‘. Dissertation 2011. Der Schwerpunkt der Dissertation liegt auf Ferdinand Hanusch (*1866 in Österreichisch-Schlesien, +1923 in Wien). Das ,Kuhländchen‘ bzw. ,Kravarsko‘ mit dem Hauptort Novy Jicm ist ein Gebiet unmittelbar an das ehem Österr.-Schles. grenzend mit bis 1945 vorwiegend deutschsprachiger Bevölkerung. Einen zentralen Teil der Dissertation bildet der Vergleich von Hanuschs Erzählung ,Weberseff‘ (1905) mit Gerhart Hauptmanns ,Die Weber‘ und Philipp Langmanns ,Bartel Turaser‘.

3. Erste Werke - Kurzprosa

Erste Aufmerksamkeit erlangt hat Philipp Langmann mit Erzählungen/Novellen.

Wer jedoch davon ausgeht, dass sich diese Aufmerksamkeit mit einer großen Anzahl Tageszeitungs-Rezensionen untermauern lässt, der wird angesichts der wenigen im Anhang dokumentiertem Rechercheergebnisse verwundert sein; die in den Theaterkritiken zur Uraufführung des ,Bartel Turaser‘ immer wieder zu findende Aussage, Langmann sei durch zwei bedeutende Novellen-Bände bekannt oder gar berühmt, lässt sich durch die Anzahl der Rezensionen nur schwer belegen.

Auch wenn der erste Novellenband ,Arbeiterleben‘ (1893) eine Sensation gewesen zu sein scheint: keine verklärte Industriewelt, sondern knappe und prägnante Einblicke in eine unbekannte Welt; - so wird er in den Feuilletons der Tageszeitungen nicht erwähnt.

Wobei es bei allen Prosa-Werken Langmanns angetan ist, den Umfang nicht zu überschätzen41 : Die eher als ,Miniaturen‘ oder ,Skizzen‘ zu bezeichnenden Texte in ,Arbeiterleben‘ umfassen nach heutigen Schrifttyp- und Layout-Kriterien insgesamt vielleicht 30 Seiten; /Verflogene Rufe‘ wird kaum wenig mehr als 60 Seiten umfassen; wobei auch hier für fast alle Texte eher der moderne Begriff „Kurzgeschichten‘ angebracht ist. Auch der ebenfalls komplett in Frakturschrift gehaltene Roman ,Leben und Musik‘ (im Originaldruck 320 Seiten) ist nach heutigen modernen Layout-Kriterien ein vielleicht 120­seitiger, also eher schmaler Roman; lediglich die umfangreichste Novellensammlung ,Erlebnisse eines Wanderers‘ (1911) dürfte nach modernen Layoutkriterien auf rund 140 Seiten zu berechnen sein.

Auch eine zweite Überschätzung muss relativiert werden:

Sowohl für ,Arbeiterleben‘ als auch für die beiden folgenden Novellenbände ,Realistische Erzählungen‘ (1895) und ,Ein junger Mann von 1895‘ (1895) sind nur wenige - und noch weniger ablehnende oder abwertende - Rezensionen zu ermitteln; die Bücher mögen wohl literarisch Interessierten und berufsbedingten Rezensenten bekannt gewesen sein; aber einer größeren Öffentlichkeit (d.h. in einer Tageszeitung besprochen) werden sie erst nach der Aufführung des ,Bartel Turaser‘ bekannt.

Dabei sollte eigentlich erwartet werden, dass die Einleitung zu „Realistische Erzählungen‘ eine erstaunte Reaktion der Feuilletonredakteure hervorgerufen haben dürfte (nicht nur ein „Ich habe da ein paar merkwürdige Bücher vor mir liegen.“ - ,Karlsruher Zeitung‘, 22.2.1896), verkündet Langmann doch dort nicht nur ein Realistisches‘ Programm, sondern ein Fortführung der naturalistischen Theorie gut ein Jahrzehnt nach dem Erscheinen der programmatischen Vorworte (Hermann Conradi, Karl Henckell) der Lyrik-Sammlung ,Moderne Dichtercharaktere‘ erneut auch ein ,soziales‘ Literaturprogramm; die mehrseitige /Widmung‘ ist eine Kampfansage, die deutlich auf den realistischen und den ,sozialen‘ Inhalt des Naturalismus verweist:

„Lieber unbeholfenes Naturschnitzwerk als diese Drechslerware, lieber törichte Jungfrauen als diese verlogenen Puppen und du, unklares Herz im schmierigen Arbeiterkittel, sollst uns willkommen sein, diese pomadisierten Schwerenöter, diese in Bier schwelgende und an Weinliedern sich begeisternde, chauvinistische Gesellschaft zum Teufel zu jagen. Zum Dank wollen wir dich in die Fabrik begleiten, im finstersten Winkel Gesellschaft dir leisten, dir bei deiner Arbeit helfen, mit dir schreien, wenn du schreien willst, lachen, wenn du lachst, wir wollen dich nach Hause begleiten und alle deine großen Sorgen und kleinen Mühsale musst du uns berichten. Zu guter Letzt malen wir dir dein Konterfei auf mit Farben allerhand, wie du wachst und schläfst, was du essest und wie du dich betrinkst, deine Kinder erziehst und Politik machst. Das zeichnen wir alles auf, haarklein. Wir wollen dein Misstrauen besiegen, und wenn du uns anfangs mit großer Geringschätzung beim Malen zusiehst, wie wir Strich um Strich ansetzen, allmählich wirst du aufmerksam, es macht dir Spaß. Wir wollen dir Spaß machen! Du sollst über uns lachen und über dein Bild, du sollst an dir selber eine Freude haben! Wir wollen, dass du wieder Freude am Leben hast, eine wahre, echte, tiefe Herzensfreude. Und die Anderen - du weißt schon - die kommen langsam heran und sehen sich die Bilder auch an. Mögen sie auch anfangs vor deinen schwarzen Fäusten erschrecken, sie fühlen es bald, dass du ein harmloser Mensch bist." (Vorwort zu ,Realistische Erzählungen‘)

So steht in den sieben versammelten ,Novellen‘ die Detailschilderung im Vordergrund, lebensechte Ausschnitte aus dem Arbeiterleben, naturgetreue Wiedergabe von Milieu. Lediglich in der Novelle ,Dreiaug und der Tod‘ positioniert sich Langmann deutlich zu seinem sozialen Anliegen:

„Die Mittagsstunde ist der Friede. Nicht der Morgen, noch der Abend, nicht die stille Nacht. Erschöpfung zwingt auszuharren, der Schlaf drückt den stärksten Widertand nieder. Aber wenn die Sättigung die Menschen milder stimmt, der Magen sein Geschäft verrichtet, das Blut neue Kraft aufnimmt, die unschuldigen Freuden des einfachen Tisches unsere Leidenschaften besänftigen, hört die Streitlust, die Arbeitswütigkeit, auf, der ohnmächtige Zorn des Schwachen wird gedämpft, der Übermut des Starken gemäßigt, der Kleinste fühlt sich beim Brechen der eigenen Brotkrume ein Herr und der Höchste wie der Allerunterste essen sich satt. Mehr kann niemand. Wie einfach, das goldene Zeitalter herbeizuführen, den ewigen Streit zu schlichten, neue Kämpfe im Entstehen zu ersticken, die Kriege zu beseitigen, man gebe jedem nach Herzenslust satt zu essen! Nicht heute, oder diesen Monat, immer, sein Leben lang. Iss, was du willst, wann du willst, wie viel du willst, du bist mein Bruder, mein Tisch der deinige, das Wasser, das ich trinke, gehört dir wie mit, die Luft, die ich atme, ist dein Eigentum wie das meine, die Sonne, die uns allen gehört, hat diesen Wein für dich ausgereift wie für mich, die Äpfel auf diesem Baume reifen, ohne dass eine höhere Macht meinen Namen auf ihre Wangen gedrückt hätte, darum iss, er wächst für dich wie für mich und der diesen Baum pfropfte, ihm sei tausendfacher Dank und so er noch lebt, er eile herbei in unseren Freundeskreis, wo jeder Speise darreicht und Speise von anderen empfängt, er nehme unseren Bruderkuss! - Keine gefurchten Stirnen, keine scheuen, niedergeschlagenen Blicke, keine zuckenden Lippen. Was bedrückt dein Herz? - Was Schlimmes kann dir widerfahren sein, wenn alle deine Lieben, vor Mangel, vor Entbehrung geschützt sind, ihr Leben lang? - Nicht vermögen wir Trost in den Herz zu

gießen, wenn der Liebe Qual es bedrückt, doch - trinke von diesem süßen Wein, erfreu dich am Erfreulichen, es vergisst sich besser! Und ihr, meine lieben, armen Kleinen, kommt herbei, schreit, lacht, tollt und jubelt, die große Essenszeit ist gekommen, wo ewig Äpfel im Schranke sind, täglich weiches Fleisch, immer frisch Bier auf dem Tisch, und Hirsebrei mit Zucker bestreut, hoch! - So hoch! Kommt und esset! - Nicht mehr sollen eure blassen Wängelein, eure tiefen, dunkel fragenden Augen, die herzen eurer Mütter zum Brechen niederdrücken, eure schwachen Ärmchen sollen stark werden, Krankheit und Tod zu trotzen, eure Herzen frei von Neid, eure Hände frei vom fremden Gut, ein freies Volk!“

Das ist ohne Zweifel ein ,soziales‘, wenn nicht gar ein ,sozialistisches‘ Programm, das sich Langmann auferlegt.

Beispielhaft für die Wahrnehmung der frühen Prosabände Langmanns sind die Ausführungen der ,Allgemeinen Zeitung‘ (München‘) (,Beilage‘ der Ausgabe vom 29.5.1897) als Einleitung zur Rezension der Buchveröffentlichung des ,Bartel Turaser‘:

„Wer ist Philipp Langmann? Der Name des jungen in Brünn lebenden Dichters ist derzeit nur den engeren literarischen Kreisen bekannt. Er hat bisher drei Bändchen Erzählungen veröffentlicht, von denen ich nur zwei gelesen habe: ,Realistische Erzählungen‘ und ,Ein junger Mann von 1895 und andere Novellen‘ (beide im gleichen Verlag). Es sind keine Werke von durchschlagender Kraft und Originalität. Der Autor ringt noch mit der Form, er erzählt nicht plan und durchsichtig genug. Allein man merkt doch: ein tiefes Gemüt, ein ursprüngliches poetisches Gefühl, ein nachdenklicher, empfindsamer Geist spricht da zu uns, ein selbständiger Mensch, der ehrlich schaffen, nicht etwa der Mode nachgehen will, um äußerliche Erfolge zu erringen. Er steht freilich im Banne seiner Zeit. Auch er ist von der Neigung zur sogenannten Armeleutemalerei ergriffen; er fühlt sich auch von der modernen Sentimentalität, dem überempfindsamen, zum Tun, zum Angriff unfähigen Wesen ergriffen.“

Ähnlich ist das in der Besprechung der Uraufführung des ,Bartel Turaser‘ im Berliner Lessing-Theater (12.12.1897) in der Vossischen Zeitung‘ am 13.12.1897 zu lesen:

„Mir ist von ihm nur eine Novellensammlung aus dem Jahre 1895 ,Realistische Erzählungen‘ bekannt, die neben manchem Sonderlichen, neben manchem unsteten Hin- und Herfackeln eine scharfe Gabe der Beobachtung, einen in allerlei Spielarten schillernden Humor enthält und vor allem die Fähigkeit aufweist, einen frisch angepackten Stoffe mit Folgerichtigkeit durchzubringen, ohne Bedenken zu einem bedeutsamen und natürlichen Ende zu führen. Seinen Menschen versteht er auch in kleinen Zügen eine große Fülle beiläufigen Lebens zu geben, sie stehen alle in einer Art Reichtum von Dichters Gnaden da; er ist gemütsvoll, schöpft viel und unverfälscht aus dem österreichischen Volksleben; . Ein paar Jahre früher noch ist ein Buch ,Arbeiterleben‘ erschienen, dem treffende Beobachtung und Kraft und Ehrlichkeit der Empfindung nachgerühmt werden.“

Und noch am 19.11.1898 weist die Wiener ,Arbeiter-Zeitung‘ anlässlich der Kritik der Uraufführung des Stückes ,Die vier Gewinner‘ erneut darauf hin:

„Bevor Philipp Langmann im vergangenen Theaterjahr mit seinem ,Bartel Turaser‘ den bekannten großen Erfolg errang, war er nur einem verhältnismäßig kleinen Kreise bekannt geworden. Er hatte eine Reihe kleinerer Schriften veröffentlicht, die einige Aufmerksamkeit erregten. Sie zeigten den Verfasser als einen genauen Kenner des Lebens und Treibens des Volkes, insbesondere der proletarischen Schichten.“

Alle drei genannten Ausgaben (,Arbeiterleben‘, ,Realistische Erzählungen‘, ,Ein junger Mann von 1895‘) werden - auch wenn die tatsächliche Anzahl der Besprechungen nicht sehr hoch ist - wohlwollend besprochen, einzelne Erzählungen werden jeweils besonders hervorgehoben, aber in nahezu immer wird auch kritisiert, dass die Erzählungen ,im Banne der Zeit‘ ,naturalistisch‘ seien oder zu viel und zu deutlich „in den geschilderten Schichten hauptsächlich das Elend zu betonen“ (Vossische Zeitung, 12.12.1897).

Den Novellenband ,Ein junger Mann von 1895‘ nimmt fast zur Hälfte die Titelgeschichte ein, eine Art - im Grunde autobiografisch zu wertender - Briefroman, in dem der unbenannte Autor einem unbekannt bleibenden Freund die Geschichte seiner ersten und nur kurzen Frühjahrsliebe beschreibt, die damit endet, dass die Geliebte schließlich eine Vernunftheirat mit einem vermögenden Brauereibesitzer einer galizischen Kleinstadt der Verbindung mit dem nur mit geringem Einkommen ausgestatteten Briefeschreiber vorzieht. Die längeren Briefe sind eher von gesellschaftspolitischen Überlegungen geprägt, die jedoch über moralische und phänomenologische Beschreibungen anstelle von politischen und analytischen Darlegungen selten hinausgehen.

Im Novellenband ,Verflogene Rufe‘ veröffentlicht Langmann 1899 neben kleinen Erzählungen und Skizzen aus dem Alltag der unteren Schichten auch einige märchenhafte Stimmungsbilder.

In der Titelgeschichte schildert Langmann ein außerordentliches Erlebnis im Leben einer (vermenschlichten) Linde, in deren Wurzelwerk ein verirrtes Kind Schutz sucht; die ansonsten dem Geschehen um sie herum eher wenig und desinteressiert gegenüberstehende Linde bittet den als Gewittersturm heranbrausenden Westwind vorerst die verflogenen ,Mama‘-Rufe des Kindes zu finden und ihrer Mutter zuzuwehen. Auch die anderen kurzen Geschichten handeln nicht zwingend vom ,Arbeitermilieu‘, zeichnen aber wie ,Der Hafen‘ (Der vom Militärdienst zurückkehrende, sich nach der Sicherheit seines Heimatdorfes sehnende Lukas findet seine Verlobte mit einem anderen verheiratet vor, - das Gerüst des späteren Drama ,Korporal Stöhr‘) oder ,Auf der Flucht‘ (Der attraktiven Barbara Vogel bleibt, nachdem ihre Dienstherren ihr immer wieder nachgestellt haben, schließlich nur der Rückzug in ihr Heimatdorf.) sehr genau und realistisch geschilderte kleine menschliche Schicksale.

Im Nachhinein betrachtet scheint es so, als deute der Titel schon an, dass Langmann sich nicht mehr verstanden fühle als Aufklärer und Mahner.

So wie die ,Bukowinaer Rundschau‘ am 3.7.1896 über ,realistische Erzählungen‘ schrieb: „Wir werden dieses gute Buch aus der Hand legen mit dem Bewusstsein, unsere Menschenkenntnis um ein bedeutendes erweitert zu haben, und dem Vorsatze zugleich, es allen aufs Wärmste zu empfehlen.“

So urteilt jetzt die ,Wiener Zeitung‘ (20.1.1900):

„unterscheidet sich so sehr von der Marktware der modebeherrschenden Schöngeister. . Was immer man jedoch daran ausstellen mag, es ist von einem künstlerischen und sittlichen Ernste erfüllt wie nur wenige seiner Gattung. Ein wirklicher Poet redet aus jeder Fabel und aus jedem Lebensstücke“.

Es gibt eigentlich keinen Grund, warum Langmanns Erzählungen nicht erfolgreich sein sollten.

Die Novellenbände ,Wirkung der Frau‘ (1908) und ,Erlebnisse eines Wanderers‘ (1911) sind noch dieser ,zweiten‘ Schaffensperiode zuzurechnen - die ich nach dem Misserfolg der ,Herzmarke‘ 1904 und dem Beginn des 1. Weltkrieges und dem Bruch mit dem Cotta-Verlag aufgrund dessen Weigerung ,Anna von Ridell‘ zu veröffentlichen, bestimmen möchte -, zusammen mit den Dramen ,Anna von Ridell‘, ,Die Prinzessin von Trapezunt‘ und dem schließlich das „umdüsterte“ (Riedl, S. 77) von Pessimismus geprägten Drama ,Der Statthalter von Seeland‘ (1911), in der Langmann - dem Handschriftenarchiv nach - noch immer sehr produktiv ist, aber keinen Verlag mehr findet, der dauerhaft mit ihm zusammenarbeiten möchte.

4. Bartel Turaser

Das „Drama in drei Akten“ ,Bartel Turaser‘ macht Philipp Langmann nach dem Vorabdruck in ,Die Gesellschaft‘ im November- und Dezemberheft 1896 mit einem Paukenschlag berühmt, bildet genaugenommen aber nur den Abschluss einer Entwicklung, der die beiden Novellensammlungen ,Arbeiterleben‘ und ,Realistische Erzählungen‘ vorausgingen. (Und wie Gerhart Hauptmann der Autor der ,Weber‘, so bleibt Langmann sein Leben lang der Autor des ,Bartel Turaser‘.)

Auf eine ausführlichere Wiedergabe des Inhaltes und eine ausführliche Diskussion seiner Schwächen und Stärken soll hier jedoch verzichtet werden, auch darauf, inwieweit das Drama ,naturalistisch‘ oder ein ,soziales Tendenzstück‘ ist; es sei lediglich darauf hingewiesen, dass gerade diese Auseinandersetzung den Hauptinhalt - explizit wie implizit - der Aufführungsrezensionen ausmacht, und die Erwartungshaltungen an Langmanns weitere Stücke bestimmt.

Krappmann weist (in ,Allerhand Übergänge‘) darauf hin, dass Langmann sich „durch seine Studien als Naturalist erwiesen“ habe (S. 185), „die Abgründe der Realität nicht mehr dargestellt werden [müssen], da sie als vor-dramatische Exposition bekannt sind“, u.a. auch aus den Erzählungen ,Ein Unfall‘ und ,Schimml‘ in ,Arbeiterleben‘. „Es genügt ihre Erwähnung als Auslöser des individuellen Konfliktes, in dem Turaser sich befindet.“ Langmann könne „nun zu einer Weiterentwicklung der Arbeiterproblematik voranschreiten“, indem er „den Arbeiter als ehrbaren Mann (konstruiert), der sich nur durch seine schlechte Bezahlung, nicht aber in seinen Moralbegriffen von den normalen Bürgern“ unterscheide. (ebda.)

Lediglich auf einen Punkt soll hier hingewiesen werden:

Nahezu allen Kritiken42 gemeinsam ist beim genaueren Hinsehen bzw. Lesen die Ignoranz der von Langmann gezeichneten Arbeitsbedingungen; die Streikversammlung des zweiten Aktes wird zwar erwähnt, denn sie ist Teil der dramatischen Handlung, aber die Arbeitsbedingungen werden gezielt oder unbewusst ausgeblendet oder zugunsten des ,tragischen Konflikts‘ Turasers (Arbeitskollege Adolf, als Turaser ihm gesteht, vom im Streik bekämpften Meister Kleppl zu einer Falschaussage bestochen worden zu sein: „Es ist schwer, ehrlich zu sein, wenn man nichts zu essen hat.“ Und später Turaser zu seiner Frau, nachdem er sich entschlossen hat, sich vor Gericht der Falschaussage zu stellen: „Wir sind nicht dazu geschaffen, unrechtes Geld und Gut zu haben! Zum Schuft muss man geboren sein!“ - 3. Akt) in den Hintergrund gedrängt, bestenfalls als ,Tendenz‘ klassifiziert. Am deutlichsten vielleicht nachlesbar in der - insgesamt eher klerikal-katholisch schwülstigen - Aufführungsbesprechung in der ,Bukowinaer Post‘ (15.2.1898) zur Inszenierung des Czernowitzer ,Stadttheaters‘:

„Dass aber dieser Turaser ein streikender Arbeiter ist, dessen Unglück aus der Armut und dessen Armut aus der Gesellschaftsklasse, der er angehört, erfolgt, das bringt seinen Meineid wohl in einen äußeren, gewissermaßen lokalen Zusammenhang mit der Gesellschafts- und Wirtschaftsorganisation der Gegenwart, kann aber einen inneren Zusammenhang mit derselben nicht schaffen: die Elemente des Seelenlebens, zu denen auch Selbstsucht, Willensschwäche und Unglück gehören, umfassen alles Dasein der Menschen ohne Unterschied der Form ihres Zusammenlebens und daher selbstverständlich auch der Menschen in der heutigen [wirtschaftlichen und sozialen] Organisation, .“

Anderswo bleibt man höflicher (Freie Stimmen (Klagenfurt), 28.1.1899):

„Nur will es uns scheinen, dass die allzu derben, der trivialen Wirklichkeit entnommenen Ausdrücke, die ein gebildetes Ohr beleidigen müssen, ohne Schaden für das Ganze wegbleiben könnten.“

Und wiederum anderswo wird die soziale Wirklichkeit, die das Stück zeigt, eher mit ästhetischen Argumenten abgewehrt; anlässlich einer Benefiz-Vorstellung in Salzburg am 29.12.1897 (lediglich eine einzige weitere Vorstellung in Salzburg ist überhaupt nachweisbar: eine vom Bildungsausschuss der SPÖ organisierte sog. ,Arbeitervorstellung‘ am 10.12.1911) schlägt die ,Salzburger Chronik‘ (5.1.1898) zu:

„Der ist noch kein ganzer Künstler, der das alltägliche Leben nur in seiner absoluten Nacktheit vorzuführen versteht, sondern erst jener, welcher eine solche Naturstudie mit seiner Genialität durchgeistigt, die Ecken und Kanten abrundet und so das Wahre mit dem Schönen verbindet. Langmanns Drama lässt sich am besten vergleichen mit der Vorführung von photographischen Momentaufnahmen des Arbeiterlebens mittelst des Kinematographen, verbunden mit dem Hörrohr des Phonographen. Jede Szene ist mit so unheimlich erschreckender Naturtreue wiedergegeben, dass der Zuschauer schließlich froh ist, dieser traurigen Wahrheit los zu sein, um sich wieder einer sonnigen, poesievollen Phantasie hingeben zu können.“

Dabei hat Langmann doch ganz bewusst - im Gegensatz zu seinen vorherigen Novellen­Sammlungen - alle Gewalt- und Sexszenen, Alkohol, Prostitution, Dialekt, also die naturalismustypischen Merkmale eliminiert. Ob Langmann das so bewusst tut in Verlängerung der sozialdemokratischen Auseinandersetzung auf deren Gothaer Parteitag 1896 (Krappman, S. 185ff) - „ ... in Langmanns abgespeckter Version ist kein Platz mehr für Gewalt- und Sexszenen, die Standardthemen des Naturalismus, Alkohol und Prostitution fehlen, der Dialekt beschränkt sich auf wenige“; deswegen werde auch Turaser selbst „im Bemühen um die moralische Integrität des Arbeiters . über seinen Stand“ erhoben -, ist m. E. überinterpretiert, da keine eigenen Aussagen Langmanns zu seinem Kompositionswillen vorliegen.

Das überschwängliche Lob des Stückes ist vielfach ,vergiftet‘, wenn auch nicht immer so deutlich wie in der Besprechung der Aufführung am Breslauer ,Lobetheater‘:

„Er hat in seinem ,Bartel Turaser‘ ein volkstümliches herrliches Problem im lebendigen Rahmen eines Volksstückes gelöst. . Die schwache Seite des Dramas ist die übermäßig ausgedehnte Länge seiner Akte und das Hinzuziehen von Elementen, die einen so geräumigen Platz in dem Stück nicht beanspruchen dürfen, wie die . Vorführung einer Streikversammlung im zweiten Akte.“ (Schlesische Volkszeitung, 10.1.1898)

Kurz: Man will das soziale Elend der Arbeiter nicht sehen.

Man neigt eher dazu, Bartels Entscheidung ins Übergesellschaftliche, Menschlich­Allgemeine zu verlagern, weil das das ,Arbeiterstück‘, das soziale Elend, das Elend der Arbeiterklasse für einen großen Teil des bürgerlichen Publikums erst rezipierbar macht, wie z.B. im ,Grazer Tageblatt‘ (28.2.1898):

„Die Geschichte des armen Turaser kann sich überall und zu jeder Zeit ereignen, ja sie spielt sich in den tausend Varianten des Kampfes, den die edlen Gefühle im Menschen mit dem Elende führen, täglich, stündlich ab.“

Eine Nuance deutlicher noch die „Hamburger Nachrichten‘ (25.1.1898), die im gleichen Atemzug die Menschenfreundlichkeit der hanseatischen Kaufleute besonders hervorhebt:

„Aber Langmann setzt dem Arbeiter nicht die Märtyrerkrone aufs Haupt und verdammt den Fabriksherren, - bei Weitem nicht; er lässt vielmehr die Handlung ihren Fortgang nehmen, wie sie sich notgedrungen entwickeln muss. Nichts von einer Glorifizierung des Einen oder des Anderen. Auf beiden Seiten ist Licht und Schatten, auf beiden Seiten Schuld und Sühne. Zum Sieg gelangen und triumphieren soll nur das Recht. Es ist kein soziales Stück speziell unserer Tage, es ist ein Thema aller Zeiten und aller Menschen. Das, was zwischen Wünschen und Hoffen, zwischen Wollen und Können der Menschen liegt, ist, was die Handlung des Stückes entstehen lässt, glühende Vaterliebe hüben, Niedertracht und Erbärmlichkeit drüben bilden die treibende Kraft, nur dass es sich hier um die niederen Volksschichten handelt, deren Brust nicht minder als die der Wohlsituierten von Leidenschaften bewegt wird. So sehen wir ein Stück wahres Leben sich abspielen, wie es immer war und immer sein wird, und darum ist ,Bartel Turaser‘ nicht ein Drama von heute und morgen, sondern ein Werk von dauerhaftem Wert, das zu jeder Zeit eine tiefgehende Wirkung ausüben wird. Die Färbereiarbeiter einer Baumwollfabrik sind im Strike. Der Direktor ist ein wohlwollender Herr, der jedem das Seine gönnt, aber da ist der Meister Kleppl, der zwischen ihm und den Leuten steht, und der ist ein Schurke.43

Diese Verallgemeinerung wird auch in einer anderen, scheinbar nebensächlichen Wortwahl der meisten Rezensenten deutlich: Kleppl ist die ,Versuchung‘, die sich Turaser nähert; ein religiös belegter Begriff wird auf den Bestechungsversuch eines Fabrikmeisters angewandt, nicht aber der normale Aufsteiger (oder Bürger), der sich seine Moral je nach Sitation selbt auslegt; Kleppl, der „,Satan“, der „verruchte Mensch“ versucht Turaser, der in seiner Not das „Sündengeld“, den „Judaslohn“44 annimmt; nicht aber ein Fabrikmeister setzt Turaser unter Druck: Geld oder Elend; weil: ein anständiger Fabrikmeister oder Unternehmer tut das nicht.

Noch ein weitere Zurechtstellung des Stückes verdient hier genannt zu werden, die der Klagenfurter Zeitung ,Freie Stimmen‘ (25.1.1899), nennt sie doch im gleichen Atemzug die Forderungen an zukünftige Werke Langmanns:

„Mit einer Gestaltungskraft, die an Gerhart Hauptmann erinnert, greift der Verfasser ein Arbeiterschicksal aus dem lebendigen Strome der Gegenwart heraus und lässt uns einen Blick tun in das Seelenleben eines schlichten und braven Mannes, den die Not zum Verräter an seinen Genossen und zum Verbrecher macht. Es ist also ein modernes Proletarierdrama, ... das, frei von jeder aufdringlichen Tendenz, nur poetische Zwecke verfolgt und darum als ein wertvoller Wechsel auf die Zukunft betrachtet werden muss, den der junge Dichter . hoffentlich bald einlösen wird.“

Die ausdauernde Bezeichnung des Dramas auch auf Aufführungszetteln oder in den Programm-Annoncierungen der Tageszeitungen als ,Volksstück‘45 weist ebenfalls darauf hin, dass ,Bartel Turaser‘ als modernes soziales ,Gegenwartsstück‘ nicht angenommen werden soll.

Viele Rezensenten legen sich darauf fest, dass der Streik der Färber des Färbermeisters Kleppl wegen geführt werde, nicht aber um besserer Arbeitsbedingungen und Lohnerhöhungen wegen; was in der Tat auch im Drama eher verwischt einherkommt, die gewerkschaftliche Forderung bleibt mit der Forderung nach Entfernung des Färbermeisters als Verursacher von Arbeitsdruck und Niedriglohn vermengt und wird vom Autor auch durch die Hervorhebung der ,sittlichen‘ Verfehlung des Färbermeisters in den Hintergrund gedrängt. Diese Vermengung aber wird nicht diskutiert, weil man ,gewerkschaftliche‘ Fragen weder auf der Bühne wahrnehmen noch in einer Aufführungsbesprechung diskutieren will; sondern aus dem Färbermeister Kleppl wird der ,Versucher‘, der Turasers Notlage ausnutzt, um sich selbst zu retten; und das, obwohl Kleppl seine Position schon im ersten Gespräch mit Turaser offenlegt:

„Wenn sie noch vier Monate lang nicht färben gehen, so gehe ich doch nicht zu Grund; eher werdet ihr alle vor Hunger sterben, alle zwanzig. Ich? Ich such mir einen anderen Posten, ich bin ja nicht verloren in der Welt. Färbereien gibt‘s genug, und einen Meister wie mich kann man überall brauchen.“

Auch der Sinneswandel Turasers, die Bestechung durch den Färbermeister Kleppl und die darauf beruhende Falschaussage vor Gericht anzuzeigen, wird fast durchweg nicht näher betrachtet:

Man zeigt sich eher verwundert, dass diese „dumpfen“ Arbeiter, diese „moralisch Verkümmerten“46, dieser Bartel Turaser im Besonderen, überhaupt so etwas wie ,seelische Konflikte‘ (immer wieder: „eine schöne, lebenswahre Figur“) haben können, ebenso, dass im dritten Akt der „Arbeiter Turaser in seinen philosophischen Erwägungen einen unwahrscheinlichen Bildungsgrad“47 verrate, der ihm offenbar, wie seiner sozialen Klasse insgesamt, nicht zustehe.

Es ist eben nicht, wie in einem ,Tendenz‘- oder synonym einem ,sozialdemokratischen Agitations‘-Stück zu erwarten, der eindeutige Wortbruch des Färbermeisters - bei einer Aussage Turasers, er habe die inkriminierte Äußerung nicht so genau gehört, dass er sie beschwören könne, dafür einzutreten, dass alle Streikenden wieder eingestellt werden -, der den Sinneswandel Turasers verursacht, auch nicht die ihm entgegengebrachte Verachtung der ehemaligen Kollegen, sondern der Tod der Kinder mitsamt einer - in der Tat wenig glaubhaften - ,theatralischen‘ Geist-Erscheinung seines Sohnes; - also alles andere als eine ,klassenkämpferische‘ oder ,solidarische‘ Position, die der Dichter seinem Turaser unterlegt, sondern eine schon in der Anfangsszene (Turaser spielt in seiner ärmlichen Wohnung mit seinem kränkelnden Sohn, als der Meister ihm eine hohe Geldsumme für eine entlastende Aussage vor Gericht verspricht) moralische Position, die das Streikgeschehen in den Hintergrund treten lässt, und mit der Selbstanzeige lediglich den Turaser entlastet; - und das auch unabhängig davon, ob und wie sich nach Kleppls nachträglich abzusehender Verurteilung die Arbeits- und Lohnsituation der Entlassenen und Wiedereingestellten unter seinen Kollegen verbessert. Die Erörterung sozialdemokratischer Politik während der Streikversammlung verdeutlicht das soziale Problem, bestimmt aber nicht Turasers Handeln. Turaser wird von Langmann nicht als ,politischer‘, sondern als ,moralischer‘ Charakter gezeichnet, was die soziale Anklage des Stückes nicht entwertet, sondern eher noch verstärkt; Bartel Turaser wird zum Typus des in seiner elenden sozialen Lage nach moralisch unanfechtbaren, ehrlichen und aufrichtigen Kriterien leben wollenden, aber eben an diesen verelendenden Bedingungen scheiternden Arbeiters; - da ist und bleibt nichts von übergesellschaftlichen und allgemeinmenschlichen Problemen. An dieser Einschätzung, dass Turasers Selbstanzeige vorwiegend ,moralisch‘ motiviert ist, ändert auch nichts, dass Langmann im zweiten Akt deutlich Stellung für den Gewerkschafter und Sozialdemokraten Meixner nimmt und nicht für den alten, desillusionierten Adolf. Auf der anderen ‘moralischen‘ Seite ist allerdings auch Turasers Konflikt, die 200 Gulden anzunehmen oder das Gehörte vor Gericht zu beschwören, alles andere als ,politisch‘: Nicht weil Turaser das Geld nimmt um die Not seiner Kinder zu mildern, sondern weil die Verurteilung des Kleppl den Streik zugunsten der Färber beendet und ihnen, und damit auch Turaser, wieder Lohn verschafft hätte; die Alternative ,Geld oder Not‘ ist nur einer moralischen Auffassung des Geschehens geschuldet, nicht einer politischen‘ Auffassung. Allerdings verdient auch ein anderer Aspekt, deutlicher in den Vordergrund gerückt zu werden, denn Turaser selbst führt den Tod seiner Kinder eben nicht auf /Uberessen‘ zurück, er weist diesen Gedanken strikt von sich:

„Hat man schon einmal gehört, dass sich ein Bub übergessen hätt! .

Das hat ja einen Magen -, von wenig krank werden, aber von viel? .

Dass er sich mit ein paar Sachen sollt zu Grund gerichtet haben - er hat ja nicht einmal viel gegessen. .“

Für ihn ist vielmehr klar:

„Als wär er an mir irr geworden. . Und ich hab es doch nur für ihn getan, sein junges Leben zu fristen, ihm alles zu geben, was er braucht zur Stärkung, dass er wieder zu sich kommt, dass er sich nicht braucht abzuhärmen und abzusehnen, mein lieber Jung. Und er ist an seinem Vater, an seinem geliebten Vater - irre geworden. .

Ist es denn ums Essen und Trinken allein?! - Die Reinheit braucht‘s! - Das Wenige, was er gehabt hat, Vater und Mutter, das ist ihm getrübt worden; auf was er hätt stolz sein können .“

So ist denn auch der Schluss des Stückes entscheidend für die Bewertung, denn Turasers „Wir sind arme Leute“ begleitet von einem deutlichen - und von dem bürgerlichen Publikum auch deutlich wahrgenommenen - Unterton begleitet: Aber wir sind ehrsame und ehrliche Leute, das kann man uns nicht nehmen.

Ebenso wie der Wortbruch Kleppls eindeutig ist, ist die Frage, ob Turaser, wie in der Mehrzahl Besprechungen behauptet, einen ,Meineid‘ geleistet habe, in der Tat, wie einige wenige Rezensionen bemerken, eindeutig zu beantworten: Marie Zelber sagt vor der Versammlung der Streikenden im zweiten Akt lediglich:

„Der Turaser steht auf und stottert etwas hin und her und schließlich kommt es heraus, er hat nichts gehört, oder er hat es nicht deutlich genug gehört, und am Ende hat es geheißen, es ist nichts bewiesen.“

Turaser hätte beeiden müssen, dass er genau gehört hat, was Marie Zelber sagt; Turasers Aussage ist jedoch, er könne genau das nicht beeiden. Turaser selbst bezichtigt sich gegenüber dem Rechtsanwalt am Ende des dritten Aktes denn zunächst auch nur der „Falschaussage“.48

Warum jedoch die überwiegende Mehrzahl der Rezensenten behauptet, Turaser habe einen Meineid geleistet, ist entweder politisch motiviert oder aber geschuldet einer tiefen Ablehnung gegenüber den ungebildeten arbeitenden Menschen, denen moralisch und ethisch motiviertes Handeln abgesprochen wird. Es scheint so, als habe lediglich Moritz Recker in seiner Buch-Besprechung in der Münchener ,Allgemeine Zeitung‘ (29.5.1897) dies bemerkt und keiner der späteren Aufführungs-Kritiker bemerken wollen, dass von einem ,Meineid‘ nicht die Rede sein kann.

Insofern ist auch die Frage, inwieweit ,Bartel Turaser‘ dem Hautpmann‘schen ,Die Weber‘ gleichzustellen ist, nicht eindeutig zu beantworten:

Betrachtet man die reinen Aufführungszahlen, so scheint Langmanns Stück zunächst gleichwertig zu sein; für die Spielzeiten bis 1904/05 ist die Anzahl zwar - lässt man das ,Deutsche Theater‘ in Berlin außer Betracht, - vergleichbar; allerdings verschwindet bald nach Abklingen des exotischen Kitzels, den das gutbetuchte bürgerliche Theaterpublikum einige Wochen lang gerne genoss49, und dem der Autor mit seinem Folgestück ,Die vier Gewinner‘ lediglich mit einem recht ,unlustigen‘ Drama nachkommt; und erst recht nach 1904/05 ,Bartel Turaser‘ aus dem Repertoire; ohne allerdings in Vergessenheit zu geraten, wie die von uns für spätere Jahre recherchierten - und wahrscheinlich noch zahlreicheren - Bühnen-Inszenierungen, bzw. -Aufführungen für ein Arbeiterpublikum und die zahlreichen Aufführungen von Laien-Theatern belegen. Immerhin wird 1935 noch einmal eine Hörspielfassung von ,Radio Wien‘ gesendet.

Tatsächlich verschwindet erst im Zuge des ,Anschlusses‘ 1938 Philipp Langmann und ,Bartel Turaser‘ aus dem öffentlichen Bewusstsein, und nach 1945 bleibt der verfemte Langmann unbekannt.

Hauptmanns ,Die Weber‘ darf bis 1913 durchaus als ,Dauerbrenner‘50 gelten. Aber das wäre ein zu einfacher Vergleich. Man wird zumindest zwei Punkte diskutieren müssen: Unter formal-ästhetischem Aspekten scheint Hauptmanns Stück eindeutig das bessere Stück zu sein; allerdings ist der epische Aufbau des Hauptmann‘schen ,Schauspiels aus den vierziger Jahren‘ kaum vergleichbar dem strengen Aufbau des sich über drei Akte steigernden Langmann‘schen ,Dramas in drei Akten‘ mit seinem klaren Spannungsbogen.

Vergleicht man die beiden Stücke inhaltlich, so wird man diskutieren müssen, ob die Tatsache, dass Langmanns zeitgenössische Färber keine „solche Gestalten“ (G. Hauptmann: ,Vor Sonnenaufgang‘, 1. Akt, Helene zu Loth), auch generell keine naturalistischen Elendsgestalten und auch keine schlesischen Maschinenstürmer, sondern klassenkämpferisch positionierte und individualisierte moderne Lohnarbeiter - in Hauptmanns ,Weber‘ kommt lediglich Moritz Jäger dafür in Betracht - sind, ein qualifizierendes, entscheidendes Kriterium darstellen kann. Turaser ist ein Individuum, kein Teil einer Arbeiter-,Masse‘, wenn auch kein ,Klassenkämpfer‘, keine Führungspersönlichkeit, sondern eher ein ,Geschobener‘; als ,Sozialdemokrat‘ ist ein Mitstreitender explizit benannt. Dabei wird man auch darüber diskutieren müssen, inwieweit sich Langmanns ,moralischer‘ Ansatz von dem ebenfalls moralischen Ansatz Hauptmanns unterscheidet. Freilich ist genau das auch ein Problem der sozialdemokratischen Aufnahme des Stückes: In der fehlenden politischen Zuspitzung die klassenkämpferische Tendenz nicht sehen zu wollen; etwa wie in der Grazer Tageszeitung ,Arbeiterwille‘ anlässlich der ersten Grazer Aufführung des Stückes vor einem reinen Arbeiterpublikum am 8.1.1899 zu lesen:

„Freilich kommt in diesem Schauspiel nicht d a s moderne proletarische Problem schlechtweg zum Austrag, sondern nur e i n proletarisches Problem. Wäre das erste der Fall, dann müssten wir auf der Bühne den Kampf zwischen Kapital und Arbeit - aufgelöst in eine Reihe dramatischer Vorgänge - erblicken, wie etwa in Hauptmanns ,Weber‘.“51

Schon die Uraufführungskritik des Berliner ,Vorwärts‘ (14.12.1897) hat ihr Problem damit, dass der Autor die im realen Brünner Leben nur schwach organisierte gewerkschaftliche wie sozialdemokratische Arbeiterbewegung logischerweise auch in dem Drama nicht hervorgehoben hat:

„Nicht vom Kampf, von der Duldsamkeit im ethischen Sinne ist das Drama erfüllt. Ich habe gestern mit einem Reichstagsabgeordneten über das Schauspiel gesprochen. Der meinte: ,Endlich ein Drama, das den Hörer aufwärts leite.‘ Vielleicht, im Sinne der alten dramatischen Gerechtigkeit, die dem Sünder wider die Gemeinschaft Buße vor der verletzten Gemeinschaft auferlegt; also das Gerechtigkeitsbedürfnis des Hörers befriedigt. Allein der Grundton ist doch elegisch und pessimistisch, kein Aufwärtsdrängen, kein Himmelstürmen. Wir tragen die Erdenpein und werden sie immer tragen.“

Es wird leichtfertig die soziale Anklage Langmanns, mag sie auch moralisch daherkommen, vernachlässigt, und die von den - in der Tat - ,bürgerlichen‘ Theaterkritikern vorgegebene Interpretation eines allgemeinmenschlichen Gewissenskonfliktes übernommen.

Eine andere Frage ist, warum man überhaupt diesen Vergleich - das eine Stück ist besser als das andere - machen will; m. E. dient dieser von zahlreichen Rezensenten angestellte Vergleich entweder dazu, Hauptmanns ,Weber‘ als sakrosankt zu positionieren, oder - vor allem in der österreichischen und deutschsprachigen böhmisch-mährischen Presse - Philipp Langmann zum Gerhart Hauptmann gleichwertigen oder gar überlegenen österreichischen ,Modernen‘ zu erheben; noch am 13.1.1905 schreibt die ,Linzer Tagespost‘:

„Das Streikstück von Philipp Langmann hat vor etwa 6 Jahren großes Aufsehen erregt, es war das erste österreichische Arbeiterstück.“

Der sozialdemokratische ,Vorwärts‘ (20.1.1907) zieht anlässlich einer Aufführung der ,Freien Volksbühne‘ in Berlin einen anderen, für die Einordnung des ,Bartel Turaser‘ aber ungleich prägnanteren, aber im Fazit ablehnenden Vergleich: die herausragende Qualität der ,Weber‘ ist unbestritten, aber es

„. sind erschütternde Proletarierdramen vom Schlage der ,Weber‘, die recht eigentlich eine furchtbare Zeit gedichtet hat, doch allzu spärlich geblieben, oder aber, es fehlt noch, trotz Hauptmann, der große Dramatiker, der die Kraft besäße, sie zu gestalten. Einstweilen müssen wir uns mit guten Abschlagszahlungen begnügen. Und Langmanns ,Bartel Turaser‘ gehört in diese Kategorie.“

Darüber hinaus bleibt die Frage offen, ob Langmann überhaupt das Hauptmannsche Drama ,Die Weber‘ zum Zeitpunkt des Verfassens des ,Bartel Turaser‘ auf der Bühne gesehen haben kann; in Brünn wurde Hauptmanns Drama erst am 20.5.1905 aufgeführt. Insofern setzt der immer wieder geäußerte Plagiatsvorwurf voraus, dass Langmann ,Die Weber‘ als gedrucktes Buch zur Verfügung gestanden haben muss; das allerdings ist sicher nicht abzutun; vor allem aber, dass Langmann nichts anders wollte, als eines Erfolges wegen Hauptmann zu plagiatieren. Einige Szenen deuten auf einen Bezug zu den ,Webern‘ hin. Andererseits scheint es aber auch so zu sein, dass ähnliche soziale und ethische Problemstellungen auch zu ähnlichen literarischen Lösungen führen: zeitlich frühere dramatische Darstellung dieser Probleme finden immer in der einen oder anderen Weise Eingang in zeitlich spätere Umsetzungen; zudem ist die Darstellung des sozialen Elends mit all seinen Verwerfungen auf der Bühne schon geschehen; auch Langmann selbst hat diese Verwerfungen in seinen Kurzgeschichten - „Studien zur Lage der Proletarier“ (Krappmann,

S. 185) - dargestellt. Langmann kann sich so gesehen auf die Darstellung der Menschen und ihres Handelns als gesellschaftliche Individuen beschränken.

Nach der Uraufführung am 11.12.1897 gleichzeitig in Wien (Deutsches Volks-Theater, insgesamt 11 Aufführungen in der Saison 1897/98, weitere 5 Aufführungen in der Folgesaison und Berlin (Lessing-Theater, insgesamt 12 Aufführungen in der Saison 1987/98) wird das Stück in dieser Saison 1897/98 in 27 Theatern inszeniert mit insgesamt mehr als 124 Aufführungen. Nebenbei bemerkt: zur Wiener Uraufführung strich die Zensur lt. ,Neues Wiener Journal‘ v. 12.12.1897 „ganz gegen die Befürchtung des Autors nur drei Worte ,aufreizender Tendenz‘; das Stadttheater Brünn hatte (lt. ,Neue Freie Presse‘ v. 14.12.1897) eine Uraufführung mit der Begründung zurückgewiesen, „die Tendenz (könnte) in einer Fabrikstadt leicht zu Zwischenfällen führen“.

In der Folgesaison 1898/99 sind (vorerst) weitere 86 Aufführungen nachweisbar, darunter Inszenierungen an 32 weiteren Theatern (insgesamt 80 Aufführungen); - für einige Theater ist zwar die Tatsache der Aufführung oder Inszenierung festzustellen, jedoch ist keine Anzahl der Aufführungen zu ermitteln.

Bis 1904/05 wird das Stück an weiteren 15 Theatern inszeniert mit 32 Aufführungen, insgesamt bis 1904/05 37 nachweisbare Aufführungen. Insgesamt lassen sich bis 1912/13 mindestens 78 Bühnen mit zusammen mindestens 288 Aufführungen52 nachweisen (vgl. Statistischer Anhang).

Die letzte (ermittelte) Aufführung ist die Funkfassung in ,Radio Wien‘ am 18.9.1932; eine zunächst geplante Sendung am Vorabend des 1. Mai (am 30.4.1931) musste kurzfristig zurückgezogen werden, weil Langmann noch am Tag der Sendung seine Einwilligung zurückzog mit der (angesichts der finanziellen Nöte nur bedingt verständlichen) Begründung, er stelle das Stück für eine einmalige Aufführung nicht zur Verfügung (vgl.: ,Kleine Volks-Zeitung‘, 30.4.193153; auch: ,Arbeiter-Zeitung‘ (Wien), 26.9.1932).

Im Briefnachlass findet sich auch ein Akquirierungsschreiben des Verlages ,Ahn & Simrock‘ (v. 5.2.1929), zu dem Langmanns Antwort lediglich als Briefentwurf (datiert 22.2.1929)54 vorliegt; Langmann beabsichtigt demnach mitzuteilen, dass er die Verfilmungsrechte aller seiner Werke an Felix-Bloch-Erben‘ übergeben habe, und dass aufgrund von „außerhalb liegenden Widerständen“ sein Drama ,Bartel Turaser‘ noch nicht verfilmt worden sei. Ob Langmann einen Verfilmungsvorschlag gänzlich ablehnte oder der Verlag angesichts der Rechte-Situation davon absah, lässt sich nicht ermitteln, da im Archiv des Verlages keine Korrespondenz zu Langmann vorliegt55.

Auch die sog. ,Arbeiter-Vorstellungen‘56, verdienen eine explizite Erwähnung:

Die ,Innsbrucker Nachrichten‘ (9.4.1925) charakterisieren ‘Bartel Turaser‘ als ein „Drama der Gewissensnot aus vergangenen proletarischen Elendszeiten“ anlässlich einer von den Gewerkschaften initiierten Inszenierung im Innsbrucker Stadttheater. Die Tatsache, dass das Stück auch in den 1920-er noch immer vor einem Arbeiterpublikum aufgeführt wird, deutet darauf hin, dass das Stück sehr wohl noch Teil der sozialdemokratischen Kulturtradition ist (was es wiederum mit den ,Webern‘ vergleichbar macht).

Das Stück erfährt schon nach 1900 Aufführungen von Arbeiter-(Laien-)Bühnen; lediglich einige dieser Aufführungen konnten wir ermitteln.

Die sog. ,Arbeiter-Vorstellungen‘ sind in der Regel Sonntagnachmittags-Aufführungen der Theater, deren Kartenkontingent komplett über die jeweilige sozialdemokratische Parteiorganisation oder eine Gewerkschaftsorganisation zu Sonderpreisen verkauft werden. ,Arbeiter-Vorstellungen‘ von ,Bartel Turaser‘ scheinen - der Nachrichtenlage nach - der Beginn einer offensiven Kulturpolitik der österreichischen sozialdemokratischen Partei darzustellen. Nachgewiesen sind diese Vorstellungen vor allem über Nachrichten in der Arbeiterpresse, u.a. in Graz (,Arbeiterwille‘) und in Wien (,Arbeiter-Zeitung‘), auch Magdeburg (‘Volksstimme‘); in Graz und Wien ist auch eine ausführliche Diskussion in den genannten Zeitungen und in anderen Tageszeitungen der jeweiligen Aufführungsorte nachweisbar.

Allerdings können wir auch hier keine - dringend erforderliche - Gesamtdarstellung geben, sondern lediglich einzelne, zufällig entdeckte Beispiele dokumentieren; darunter z.B. auch eine vom Magdeburger Gewerkschaftskartell am 12.2.1911 gemeinschaftliche organisierte Aufführung der ,Freien Volksbühne‘ Magdeburgs und des ,Deutschen Volkstheaters‘ aus Berlin. Ob und inwieweit die Berliner ,Deutsche Volksbühne‘ den ,Bartel Turaser‘ im Dauerrepertoire hatte, konnten wir leider nicht ermitteln. Wichtig ist an dieser Stelle vor allem, dass das Langmann‘sche Drama offenbar über viele Jahre, ebenso wie Hauptmanns ,Die Weber‘, Teil der gewerkschaftlichen und sozialdemokratischen Kulturtradition war.

Die ermittelten Theaterkritiken (aufgrund der Recherchemöglichkeiten der online-Plattform ANNO mehrheitlich österreichische und böhmisch-mährische Zeitungen und Zeitschriften, rund fünf Dutzend ausführlichere Rezensionen in der Uraufführungssaison) sind (soweit die das Stück überhaupt aufführungswert erachten) zwiespältig: einerseits Lob für Stück und Autor, andererseits deutliche Hervorhebung „unvermeidbarer“ Fehler eines Erstlingswerkes. Ohnehin müssen die Wiener Kritik und die Berliner Kritik gesondert betrachtet werden: Für das Berliner Publikum, das von fast zwanzig Theatern versorgt wird, ist Langmanns Stück nur eine weitere aufregende ,Novität‘, ein weiteres Stück mit ,sozialer Tendenz‘; für das Wiener Publikum und die Wiener Theaterkritik, die ,soziale Stücke‘ nur aus dem reichsdeutschen Ausland kennt, diese auf der Bühne aber auch nicht goutiert, ist Langmanns ,Bartel Turaser‘ eher das langerwartete einheimische, österreichische‘ moderne Drama und der Autor der langerwartete Anschluss an die reichsdeutsche naturalistische Moderne: nur so - und nicht weil endlich die sozialen Mißstände und die Arbeiter­Wirklichkeit auf die Bühne kommen, denn auf deren Darstellung will man gerne verzichten - ist der ,Hype‘ um den Autor zu erklären.

Die Berliner Kritiker sind zur Uraufführung dem Dichter durchaus wohlgesonnen: ,Berliner Börsen-Zeitung, 12.12.1987:

„. eine Erstlingsarbeit, die, wenn auch in Einzelheiten, namentlich in technischer Hinsicht, noch unfertig und mangelhaft, doch ihren Verfasser als einen feinen Beobachter und Seelenschilderer kennzeichnet“.

,Norddeutsche Allgemeine Zeitung‘, 13.12.1897:

„Neben Gerhart Hauptmann wird unter Vertretern des proletarischen Dramas künftig der Österreicher Philipp Langmann genannt werden, . übertrifft seinen Vorgänger durch Einheitlichkeit und Harmonie des dramatischen Aufbaus und durch ein Hineinleben in den Stoff, ... ein Drama des Proletariats“, keine „Milieu-Dichtung der Armut und Niedrigkeit“.).

,Berliner Tageblatt‘, 13.12.1897:

“. hat sich Philipp Langmann bei uns als ein noch unreifes, aber sehr energisches und erfreuliches Talent gut eingeführt“.

Lediglich die ,Vossische Zeitung‘ (12.12.1897) möchte in dieses Lob nicht einstimmen: „Davon, dass das Stück wie gelegentlich laut geworden ist, den ,Webern‘ würdig an die Seite zu stellen‘ sei, kann keine Rede sein. Aber das ,Drama‘ enthält alle Elemente, die es zu einem tüchtigen Volksstück zu machen im Stande wären.“

Euphorischer als die Berliner Presse reagiert die Wiener Kritik. ‘Neue Freie Presse‘, 14.12.1897:

„Philipp Langmann ist der Name, den ein voller und echter Bühnenerfolg aus dem Dunkel der Verborgenheit in die laute Öffentlichkeit zog.“ Der Vergleich mit Gerhart Hauptmanns ,Die Weber‘ wird herangezogen: Langmann zeige „die dürre, endlose Wüste des Menschenelend, das Gespenst der Sorge und des Hungers“, aber er „vermeide die Eintönigkeit der Grundstimmung“; der „Mensch an sich . ist nicht böse, er wird es erst durch die Widerwärtigkeiten und Einwirkungen des Lebens, die ihn vergiften und in die Tiefe zerren“.

,Das Vaterland‘, 12.12.1897:

„Philipp Langmann . darf aus zwei Gründen Aufmerksamkeit verlangen. Erstens ist er bei all seinen Mängeln kein Macher, sondern ein Dichter, der ins Herz der Menschen schaut; zweitens ist sein Stück nichts weniger als ein Plädoyer für die Sozialdemokratie.“ ,Neues Wiener Journal‘, 12.12.1897:

„Man witterte [im ersten Akt] scharfe, sozialistische Tendenz, . Bald aber offenbarte sich aber die Absicht des Dramas, und als man erkannte, dass da kein Parteiredner, sondern ein Dichter von der Bühne hinabspreche, gab es keinen Unterschied der Ränge mehr und Alle vereinigten sich zu einer Lebhaftigkeit spontaner, äußerer Anerkennung.“

Aber auch diverse Einschränkungen dieses Lobes sind deutlich zu vernehmen: etwa in der ,Salzburger Chronik‘ (5.1.1898):

„. hat dieses überschwängliche Lob vorläufig noch nicht verdient“. “Jede Szene ist mit . unheimlich erschreckender Naturtreue wiedergegeben“, aber „der ist noch kein ganzer Künstler, der das alltägliche Leben nur in seiner absoluten Nacktheit vorzuführen versteht“.

Ablehnung dagegen erfährt das Stück eher in der österreichischen Provinz, am deutlichsten vielleicht formuliert im ,Linzer Volksblatt‘ (23.2.1898) anlässlich einer Aufführung im dortigen ,Landschaftlichen Theater‘:

„Ausdrücke [und] Szenen . aus der Gosse“.

Der Tenor der Besprechungen in den böhmischen und mährischen Zeitungen mag mit einem Zitat aus dem ,Prager Tagblatt‘ vom 8.2.1898 anlässlich der Erstaufführung im Prager Deutschen Volkstheater wiedergegeben werden:

„Und endlich . wir freuen uns, dass wieder eine starke Begabung in unserer Heimat aufgetreten ist.“

Ähnlich in der ,Bukowinaer Zeitung‘ (15.2.1898) und im ,Znaimer Tageblatt‘ (10.21.1898).

Insgesamt ist aber genau diese Erwartungshaltung ein Problem, in Philipp Langmann nicht nur einen österreichischen Dichter zu sehen, der den Anschluss der deutschsprachigen Habsburger Literatur an die ,moderne Literatur‘ des Deutschen Reiches herstellt, sondern von ihm zu erwarten, dass er auch in der Folge nur Dramen schreibt, die nach einem undefinierten Qualitätskriterium ,hochwertig‘ sein sollen und gleichzeitig dem vorhandenen großstädtischen Publikum, insbesondere dem Wiener Publikum zwischen elitärem Burghoftheater und den Bühnen des bürgerlichen Lachtheaters‘57 gefallen sollen.

Es ist eine Mischung aus Euphorie und Kalkül, die die Presse beherrscht:

„Wir heißen denn auch sein erstes Drama willkommen als Talentprobe ...“ und gleichzeitig: „Er ist von diesem Abend an nicht nur eine Hoffnung des heimischen Schauspiels; er wird auch bei den Kassagewaltigen im Ansehen steigen.“ (Allgemeine Zeitung (München), ,Theaterbrief aus Wien‘, 14.12.1897).

„Herr Langmann ist ein großes dramatisches Talent, auf den die deutsche Bühne die besten Hoffnungen setzen darf“ (Allgemeine Sportzeitung (Wien), 19.1.1897).

„. von dem die deutsche Dichtung noch Großes erwarten darf“ (Österreichische Kunst- und Theaterzeitung, Heft 9, 1897/98, 1.1.1989).

„. lässt eine kräftige Entwicklung in naher Zukunft erwarten“ (Bukowinaer Post, 15.2.1898).

Über die Anzahl der Zeitungsrezensionen zur Aufführung des ,Bartel Turaser‘ im Deutschen Reich lässt sich an dieser Stelle keine abschließende Aussage machen, da uns neben Besprechungen in überregionalen Literatur-, resp. Kultur-Zeitschriften vor allem die Rezensionen der Berliner Tageszeitungen sowie der ,Hamburger Zeitung‘ und der Münchener ,Allgemeine Tageszeitung‘ vorliegen. Die Anzahl der Aufführungen in anderen Städten z.B. Frankfurt/Main (13) oder Breslau (10) usw. sollte aber darauf hindeuten, dass das Publikum und die Theaterkritik das Stück positiv aufgenommen haben und sich das entsprechend in den Tageszeitungen niedergeschlagen hat. Nachrichten über Aufführungen etwa von privaten sog. ,Dramatischen Gesellschaften‘ oder von ,Arbeitervereinen‘ sind nur in Ausnahmen in Tageszeitungen gemeldet. Die im Anhang dokumentierten Theaterkritiken der österreichischen, böhmischen und mährischen Zeitungen machen deutlich, dass Langmann als österreichischer Dichter‘, gleichberechtigt und gleichgestellt mit ,reichsdeutschen‘ Größen wie Gerhart Hauptmann, wahrgenommen wird. Überhaupt ist auch in den Folgejahren die Wahrnehmung Philipp Langmanns in Österreich und Mähren weitaus größer als im Deutschen Reich58; und selbst in dieser Beziehung wird man - so unsere vorläufige Behauptung - wahrscheinlich noch deutlich unterscheiden müssen: Langmann bleibt bei den sozialdemokratische und gewerkschaftlich organisierten lohnabhängig Arbeitenden deutlich bekannter als in den bürgerlichen Schichten.

Auf die Aktualität des ,Turaser‘ weist auch der Brünner Textilarbeiterstreik im Mai 1899 hin; Langmanns Schilderungen der Arbeits- und der Lebensbedingungen der Textilarbeiter sind unmittelbar als tagespolitische Ereignisse erfahrbar59.

Eine vollständige Einordnung des ,Bartel Turaser‘ ist wahrscheinlich nicht möglich ohne die Berücksichtigung der folgenden (sozialen) Stücke Langmanns sowie anderer Wiener resp. mährisch-böhmischer ,sozialer Stücke‘ wie z.B. ,Familie Wawroch‘ von Franz Adamus (Ferdinand Bronner), Uraufführung 21.4.1900 im Wiener ,Deutschen Volkstheater‘60, oder ,Schlagende Wetter‘ von Marie Eugenie delle Grazie, Uraufführung 27.10.1900 ebenfalls im Wiener ,Deutschen Volkstheater‘61 : Dramatik einer kurzen Periode, in der ein sozial- und gerechtigkeitsorientierter und nicht ,milieudeterminierter‘ österreichischer Naturalismus vergeblich gegen die reichsdeutsche Theater-Vorherrschaft Gerhart Hauptmanns oder das Habsburgisch-Wiener in der Mehrzahl mehr oder weniger seichte Vergnügungstheater der Hauptstadt und Residenzstadt Wien ankämpfte.62

Nach dem Ersten Weltkrieg sind - außer der schon erwähnten Hörfunk-Fassung - nur noch einzelne Inszenierung nachweisbar, etwa die „volkstümliche Vorstellung der Arbeiterkammer“ (,Innsbrucker Nachrichten‘ v. 3.4.1925) im Stadttheater Innsbruck am 6.4.1925, eine offenbar erfolgreiche („durch reichlich gespendeten Beifall“) Inszenierung in Schwechat am 17.9.1925 (,Der Bezirksbote für den politischen Bezirk Bruck an der Leitha‘, 27.9.1925), eine weitere anlässlich der Maifeierlichkeiten in Deutsch-Altenburg (bei Bruck) (,Volkspost‘ (Sozialdemokratisches Wochenblatt für Hainburg, Schwechat, Bruck/Leitha), v. 8.5.1926).

In Innsbruck wird anlässlich des 25-jährigen Bestehens der ,Exl-Bühne‘ das Stück am 24.9.1927 inszeniert (insgesamt 3 Vorstellungen) (vgl. ,Innsbrucker Nachrichten‘ v. 17.9.1927 und an den folgenden Tagen). Am Raimund-Theater Wien erlebt das Stück unter der Regie eben jener ,Exl-Leute‘ (,Wiener Neueste Nachrichten‘, 10.10.1927) im Oktober 1927 im Rahmen eines ,Volksschauspielzyklus‘ (und als Saison-Eröffnungs-Vorstellung am 1.10.) als ,Volksschauspiel‘ bzw. als ,Proletarierstück‘ eine kurze Renaissance mit (wahrscheinlich) 7 Aufführungen.

5. Die Last des erfolgreichen Erstlings

Die nachfolgenden Dramen Langmanns wurden jedoch nur selten gespielt; sie galten der Kritik - mit einer Ausnahme - alle als schwächer als das Erstlingsdrama. In einem kurzen Aufsatz in ,Der Tag‘ am 5.11.1924 wird zusammengefasst:

„Man führte Langmann einfach nicht mehr auf, weiß der Himmel warum. Es ist leicht zu verstehen, dass der so schmählich Übergangene an die Existenz einer regelrechten Verschwörung gegen ihn zu glauben begann, irre ich nicht, heute noch glaubt.“

Zumindest einen Grund, warum man den ,Bartel Turaser‘ spielte und ,Die vier Gewinner‘ nicht mehr degoutierte, lässt sich aus der Rezensionskritik von Rudolf Steiner im ,Magazin für Literatur‘, Nr. 51 von 1897 (S. 245ff) herauslesen:

„Das Publikum lehnt es durchaus nicht ab, über die Missstände unserer Gesellschaftsordnung unterrichtet zu werden. Die Sache darf nur nicht zu weit gehen. Die Aufregung über vorhandenes Unheil darf nicht das gute Abendbrot, das man nach dem Theater verzehren will, verderben. . Langmann hält sich . in der Mitte zwischen der vollen Wahrheit und dem Troste des praktischen Christen, dass der liebe Gott und das gute Gewissen schon alles machen werden. Muss man denn durchaus den Leuten den Appetit dadurch verderben, dass man ihnen sagt, die armen Leute essen Hunde, um den Hunger zu vertreiben?“

Wir haben allerdings nur in wenigen Tageszeitungen das so deutlich formuliert gefunden wie in der (österreichischen) ,Badener Zeitung‘ vom 26.1.1898 zur Erstaufführung des ,Bartel Turaser‘ im Badener Stadttheater:

„Nach dem gespendeten Beifall zu schließen, hat die Darbietung nicht dem Geschmack aller entsprochen. Es ist ein Stück aus dem Proletarierleben, das uns da vorgeführt wird, und es gibt Viele, denen es unangenehm ist, in ihrem behaglichen, genussreichen und keine Sorgen getrübten Leben daran gemahnt zu werden, dass mitten unter ihnen eine nach Hunderttausenden zählende Klasse von Menschen vegetiert, unter der sich tatsächlich Ereignisse von so tief erschütternder Tragik abspielen wie jenes, welches der Verfasser uns vor Augen führt.“

In der ,Badener Zeitung‘ ist am 30.7.1898 anlässlich der Besprechung der Sommertheater­Aufführung auch einer der wenigen Hinweise zu lesen, dass das Stück aufgrund von Druck durch örtliche Honoratioren abgesetzt wurde, weil diese sozialdemokratische‘ Tendenzen nicht auf der Bühne sehen wollten; man darf sicher annehmen, dass zahlreiche vorzeitige Absetzungen bzw. Nichtaufführungen des Stückes in Provinzstädten auf Ähnliches zurückzuführen sind.

Für die Rezeption des ,Bartel Turaser‘ hatten viele Rezensenten die Richtung vorgegeben; beispielhaft sei aus der Uraufführungskritik des ,Neues Wiener Volksblatt‘ v. 12.12.1897 zitiert:

„Im ersten Akte drohte dem Drama noch eine andere Gefahr. Man witterte scharfe, sozialistische Tendenz, und als Stehparterre und Galerien bei einigen Bemerkungen demonstrativ klatschten, meinte das Parkett, welches meistens streng kapitalistisch empfindet, sich beleidigt fühlen zu müssen, und wehrte durch Zischen ab. Bald offenbarte sich aber die Absicht des Dramas, und als man erkannte, dass da kein Parteiredner, sondern ein Dichter von der Bühne hinabspreche, gab es keinen Unterschied der Ränge mehr, und Alle vereinigten sich zu einer Lebhaftigkeit spontaner, äußerer Anerkennung, für die wir aus der letzten Zeit kein Gegenstück herbeiholen könnten. ,Bartel Turaser‘ ist vor der Aufführung vielfach als ein sogenanntes ,Arbeiterstück‘ diagnostiziert worden. Die Sphäre, in der es spielt, erscheint aber nur insofern keiner zufälligen Wahl zuzuschreiben, als sie jene ist, aus der jetzt die größte Zahl treibender, aktiver Elemente geboren werden; darum wird der moderne Dramatiker, der den Hauch seiner Zeit verspürt, auf diesem Konfliktboden mit Vorliebe seine Schürfungen vornehmen, denn er ist sein ergiebigstes Klondike - wenn er nur eben das richtige Handwerkszeug mitbringt. Und das ist bei Philipp Langmann in so hohem Grade der Fall, dass wir diese neue kraftvolle, literarische Erscheinung mit herzlicher Freude und großen Zufallshoffnungen begrüßen. Das merkwürdige Stück ist trübe. Kaum ein Sonnenschimmer huscht flüchtig durch das Grau. Aber das, was da an uns vorüberzieht, fröstelt unser Herz nicht an, denn die milde Menschenliebe, ein liebreiches Mitleid mit dem durch die Not Niedergeworfenen und Zertretenen erhebt und befreit von allen Qualen. In diesem Sinne ist Langmann ein Schüler Gerhart Hauptmanns, der an Stelle der ichsüchtigen Weltschmerzelei das tatkräftige, zielweisende Erbarmen gesetzt hat.“

,Mitleid‘ mit den elenden Lebensbedingungen des ,vierten Standes‘: Ja! Aber politische und wirtschaftliche Veränderungen: Nein!

So trifft das Folgestück ,Die vier Gewinner. Ein Trauerspiel aus dem vierten Stande.‘63 (Dramatisierung der gleichnamigen Novelle aus dem Novellenband ,Realistische Erzählungen‘) nach der Uraufführung (12.11.1898, Deutsches Volkstheater Wien) trotz der offenbar gelungenen Aufführung schon die geballte Ablehnung der naturalismus- und sozialkritikfeindlichen Rezensenten:

„Geschmacklosigkeit“ (,Das Vaterland‘, 13.11.1898); „wenig interessante Gesichte von vier Dummköpfen“ (,Prager Tagblatt, 13.11.1898); sogar der Sozialdemokratie nahestehende Zeitungen glauben sich dem anschließen zu müssen: „tüchtige Arbeit eines starken Talents“, aber „belanglose Zustandsschilderung“, „nicht glaubbar“, „uninteressant und unwahr“ ^Arbeiterzeitung‘ (Wien) am 19.11.1898); „gut war die photographische Arbeit“, „Anhäufung von Schandtaten und Zufälligkeiten“ (,Die Arbeit‘, 17.11.1898). Andere Tageszeitungen formulieren die Ablehnung eher heuchelnd: „wenig geeignet, lebhaft zu interessieren. . Wenn man heute die Arbeiterfrage auf das Tapet des Theaters bringt, dürfen die großen Interessen nicht unberücksichtigt bleiben, welche die Gesellschaft beschäftigen.“ (,Wiener Zeitung‘, 13.11.1898).

Kurz: das Wiener Theaterpublikum vermisste die Harmlosigkeit des Nestroy‘schen „Lumpazivagabundus‘ und beklagt die illusionslose (,humorlose‘) Darstellung der Realität. Allerdings versucht auch nur ein einziger Rezensent, nämlich der der Münchener ,Allgemeine Zeitung‘, einen inhaltlichen Vergleich an zwischen der Nestroy‘schen Komödie von 1833, die in Wien immer noch die Theatersäle füllt, und dem Schauspiel Langmanns von 1898! Während sich das Publikum beim Bartel Turaser immerhin noch darauf zurückziehen konnte, dass der ansonsten ignorierte und kulturlose /Vierte Stand‘ in Ausnahmesituationen doch so etwas wie individuelles ,tragisches Verhalten‘ zustandebrachte, so sind die vier Gewinner nur noch ungebildete Arbeiter aus der Provinz, denen in der Stadt übel mitgespielt wird, ohne dass beim Publikum ein ‘erhebendes‘ Gefühl zurückbleibt. Die vier Gewinner sind auch keine Brüder der Frau Wolff, die gutbetuchte Rentiers beklaut, sondern ungebildete Arbeiter, die von Lumpen straflos geprellt werden.

Einige Kritiker betonen die handwerklichen Fähigkeiten Langmanns („künstlerisch vertiefte Beobachtung des Arbeiterelends“ - ,Fremdenzeitung‘, 19.11.1898). - „Aber auch hier ist es wieder das scharfe Auge und das tüchtige Können, das unsere Anerkennung hervorruft.“ - Arbeiterzeitung‘ am 13.11.189864 ) ebenso wie fast alle Kritiker nicht verschweigen (können), dass das Stück „lauten Beifall“ (/Wiener Zeitung‘) gefunden habe, wenn auch nicht bei allen Zuschauern.

Dabei hat Langmann doch nur vier (mährisch-) ländlich-kleinstädtische, von bescheidenem Wohlstand träumende, und weit hinter dem Klassenbewusstsein der bereits in ,Bartel Turaser‘ gezeigten Färber zurückgebliebene, ungebildete Fabrikarbeiter, noch passiver und noch mehr hin- und her Geschobene und orientierungsloser als Bartel Turaser, gezeichnet, denen ein unverhoffter Lottogewinn innerhalb eines Nachmittags in der Großstadt von Kleinkriminellen und Bauernfängern65 abgezockt wird, so dass sie am Ende genauso arm sind wie vorher, lediglich durch die - in ihrer Konzentriertheit konstruierten - Ereignisse geläutert, dass sie sich in ihrer Armut bescheiden müssen. Langmanns Vorwurf, dass Ungebildetheit behoben werden muss, wird von der Kritik unterschlagen.66

In der Tat muss man konstatieren, dass das Stück, trotz der vorgeführten Tölpelhaftigkeit der Protagonisten beim Umgang mit dem plötzlichen Reichtum, kein „Lustspiel‘ ist, auch wenn das die erste Genrebezeichnung war; als „Lustspiel‘ könnte es nur denunziatorisch sein. Genaugenommen zerfällt es in einen ersten und zweiten Akt, die jeder für sich genommen jeweils vorzüglich gestaltetet sind, die aber in dem dritten Akt nur formal zusammengeführt werden können: die Schurkereien des in einer Vorstadtspelunke spielenden zweiten Aktes bleiben ungesühnt stehen; das Publikum belacht die dummen verlierenden Gewinner, findet aber keinen Anlass über die Vorstadtkriminellen zu lachen; auch deswegen nicht, weil das Vergnügen, das sich drei der vier Gewinner gönnen, nämlich mit dem Lottogewinn einmal ,so richtig auf den Putz zu hauen‘ oder auch auf neudeutsch einmal ,die Sau rauszulassen‘, die Herren im Parkett doch zu sehr an ihre eigenen Freizeitvergnügen erinnert, nämlich mit leichten Mädchen, Schampus und Kartenspiel Geld zu verzocken und mit protzigen Uhren Reichtum vorzuspielen; denn nichts anderes tun drei der Gewinner im Nachahmen ihrer gutbürgerlichen Vorbilder. Der vierten der ,Gewinner‘, Rosa, wird der Gewinn durch einen scheinbar seriösen ,Geldanlegehelfer‘ betrügerisch abgenommen. Der Wirt der Vorstadtspelunke denkt gar nicht daran, die vier Naiven und Unglücklichen vom Land vor der drohenden Gefahr zu warnen. Das Parkett ist, auch wenn es das nicht lauthals kundtut, ob dieses unlustigen Handlungsvorganges pikiert.

Im dritten Akt fügen sich die doppelt Ausgenommenen wieder ihrem kleinstädtischen Proletarierschicksal, ohne dass eine Änderung ihrer sozialen Lage sichtbar ist: die Tölpel bleiben von ihrem sozialen Umfeld geprägte Tölpel. Dementsprechend schwach, wenn auch den Personen entsprechend, kommt Langmanns Schlusswort, der Seraphine in den Mund gelegt, daher:

„Niemand weiß, ob nicht der Verlierer der Gewinner ist und ob nicht der am meisten gewinnt, der alles verloren hat.“

Gegen die abwertenden Kritiken stehen allerdings auch positive Bewertungen wie etwa die der österreichischen ,Musik- und Theater-Zeitung‘ (1.12.1898):

„Die vier Gewinner‘ besitzen als Stück nicht die dramatische Spannkraft und soziale Tendenz des ,Bartel Turaser‘, aber sie sind einheitlicher in der Fassung, klarer in der Durchführung, die Tendenz ist, wenn auch mehr verborgen, eine eminent soziale, und der Aufbau des ganzen Stückes wie die Schilderung der Arbeitercharaktere und der Milieus ist eine geradezu geniale. . Gespielt wurde ausgezeichnet, das Volkstheater kann den Abend zu seinen besten rechnen.“

Nimmt man aber die Bezeichnung /Trauerspiel‘ ernst, dann muss man Langmann unterstellen, diese Einordnung ironisch gemeint zu haben; allerdings scheint Langmann Ironie und Humor ähnlich wenig zu besitzen wie sein Berliner Pendant Gerhart Hauptmann.

Nach nur 3 Vorstellungen wird das Stück wegen der heftigen Kritik der führenden Wiener Tages-Zeitungen wieder abgesetzt und verschwindet defacto von der Bühne.

Lediglich eine weitere Aufführung konnte recherchiert werden: Jedoch scheitert die Inszenierung der Berliner /Volksbühne‘ am 1.12.1914 (!) sowohl an schauspielerischen Mängeln als auch daran, dass die Langmannsche (mährische Kleinstadt-) Komödie nicht mit der Berliner Realität des Kriegswinters 1914 kompatibel ist. Nichtsdestoweniger urteilt der Berliner /Vorwärts‘ (1.12.1914) eher freundlich:

„Diesmal . wird eine besondere Schicht vorgeführt, in deren Köpfen noch kein Lichtstrahl sozialer oder wirtschaftlicher Aufklärung Platz ergriffen hat. . Es ist wahrlich ein bisschen zuviel da, obgleich liebevoll beobachteter Zustandsschilderung, . Schließlich aber nimmt man‘s als Beweis eines auf künstlerische Vertiefung menschlicher Vorgänge gerichteten Strebens des Verfassers.“

,Unser Tedaldo‘ (1899) wird nicht einmal aufgeführt; lediglich zum Erscheinen der Buchausgabe erscheint im ,Prager Tagblatt‘ am 15.12.1898 eine dem Autor wohlwollende, dem Stück gegenüber aber deutlich negative Besprechung.

Das Stück hat zwar alle Zutaten, die es zu einem erfolgreichen Salonstück machen könnten - ein noch jugendlicher Hauslehrer (Norbert), der die Mutter seiner Schülerin liebt, die von ihrem Mann für eine jüngeren Frau verlassene Enddreißigerin Anna Wolfjäger, zwei Mitbewohner in der Pension, von denen sich einer dem Mitbewohner gegenüber als Vater des als Waise bei den Großeltern aufgewachsenen Norbert ausgibt, Norbert selbst, der das von den Großeltern unter Mühen finanzierte Lehrerstudium abbrechen und Postbeamter werden will um Geld zu verdienen, ein Hausmädchen, Cilly, das den Hauslehrer liebt und gegen die verlassene Gattin, ihre Arbeitgeberin, intrigiert, und schließlich der nach seinem langmonatigen amourösen Ausflug aufgrund Cillys Briefe zurückkehrende Gatte, der Norbert aus der Pension wirft, die Gattin, die den schon formulierten Scheidungsantrag zurückzieht und um der finanziellen Absicherung willen ihren chronisch untreuen Gatten wieder aufnimmt, und schließlich der Selbstmordversuch des verzweifelten, wenn als ,naturalistischer Werther‘ auch nicht glaubhaften Nobert; - aber es fehlt ihm die Leichtigkeit eines erfolgreichen Salonstückes also: flotte, leicht daherkommende Dialoge mit raschen Ab- und Auftritten und natürlich ein angemessenes versöhnliches Ende: der Sohn versöhnt sich wieder mit seinen Großeltern, der Vater gibt sich seinem Sohn zu erkennen, Cilly bekommt vielleicht, nachdem sie ihre Intrigen bereut hat, ihren das Lehramtsstudium wieder fortführenden Norbert, Anna Wolfjäger setzt entweder ihren zurückkehrenden Ehemann mit einer geharnischten Scheidungsklage vor die Tür und sucht sich einen neuen wohlhabenden Liebhaber oder eine geläuterte Anna Wolfjäger liiert sich mit einem ihrer beiden gleichaltrigen Pensionsgäste, am besten Norberts Vater. So jedenfalls würden Blumenthal, Schönthan, Kadelburg und Co. das Stück enden lassen. Spielbar ist der Plot des Boccaccio-Tedaldo allemal, wenn man es denn auf die Bühne bringen und entsprechend bühnenwirksam bearbeiten will.

Leider aber kommen Sprache und Handlung eher schwerfällig daher, Anna Wolfjäger bleibt eher eine eigensüchtige, nur am materiellen Wohlstand orientierte (und daher wenig lustspielkompatible) Frau, die Episode mit Norberts Vater wird nicht über das Gespräch mit dem Mitbewohner hinaus ausgeführt, Anna Cillys Part endet mit der Intrige gegen ihre Arbeitsgeberin, wo aber weibliches Bemühen um Norbert verlangt worden wäre, und Norberts Selbstmordversuch bleibt trotz allem unmotiviert, lediglich die unmoralische Offenbarung Anna Wolfjägers, das Geld ihres Gatten dem jugendlichen, aber unvermögenden Liebhaber vorzuziehen, begründet Norberts Tod einigermaßen. Zudem leidet das Stück an zwei handwerklichen Fehlern: Das Dienstmädchen Cilly empfängt ihre Gesprächspartner im Salon der gnädigen Frau ohne deren Anwesenheit und ebenso dringen die handelnden Personen in das Wohnzimmer der Pflegeeltern Norberts ein, ohne dass diese oder Norbert zugegen sind.

Langmann mag in den Wiener Salons etwas herumgeschnuppert haben, aber für ein erfolgreiches Theaterstück ist das angesichts der riesigen Konkurrenz routinierter Lustspiel­Autoren zu wenig. Zumindest der erste Versuch Langmanns, auch ein Schauspiel außerhalb des ,sozialen Milieus‘ zu schreiben, ist misslungen; - womit Langmanns Dramatik gewisse Parallelen zu dem in der Presse und der Theaterwirtschaft wohlgelitteneren Gerhart Hauptmann aufweist.67

Es wird deshalb auf dieses Stück etwas nähereingegangen, weil das Motiv der weiblichen ,Vernunftheirat‘ sich durch mehrere Prosa- und Dramenwerke hindurchzieht, nachdem es schon in der allerersten Novellensammlung ,Arbeiterleben‘ (1893) in der Novelle ,Wie sie untergeht‘ thematisiert und ausgiebig in ,Ein junger Mann von 1895‘ ausgebreitet wurde. Auch in ,Die vier Gewinner‘ wird dieses Motiv aufgegriffen: der erste Akt endet damit, dass Rosa nach dem Lottogewinn ihren Verlobten Zwillinger, der lediglich ein noch geringer entlohnter ,Gehilfe‘ ist, brüsk abweist:

„Rosa: Du? Mein lieber Gott, es gibt ja genug Mädeln in der Welt, muss grad ich es sein, die du beglücken willst?

Zwillinger: So!

Rosa: Die Verhältnisse haben sich halt geändert.“

In ,Tedaldo‘ ist es Cilli, die am Ende des dritten Aktes, als Anna um ihr Gewissen zu entlasten, ins Hause des Großvaters, in dem der fast tote Norbert gepflegt wird, gehen will, die Moral der Anna preisgibt:

„Niemals ist es Ihnen um Ihren Mann gegangen, oder um Ihr Kind. Ihnen ist es immer nur ums Geld gegangen. Ums Geld war es Ihnen leid, das haben Sie nicht verschmerzen können, dass Ihr Mann das Geld verhaut und Sie nichts davon haben. Der Norbert hat geglaubt, Sie haben ein Herz, eine Neigung zu erwidern, der Arme! Ja, wenn er Ihre Schneiderrechnungen hätte bezahlen können, wenn er reich gewesen wäre, dann vielleicht! So aber ist es beim Herrn Wolfjäger doch noch besser gewesen!“

Auch das späte Hauptwerk, das Drama ,Die Herzmarke‘, thematisiert dies wiederum, dort weist Henriette den jungen Neffen ihres Vaters, der nur Produktionsleiter der väterlichen Fabrik werden kann, zugunsten des wohlhabenden adligen Neffen ihrer Mutter zurück, zum Teil mit wortgleichen Formulierungen.

Im Roman ,Leben und Musik‘ (1904) wird dieses Thema ausführlich, als eine der Hauptlinien der Motivierung der Handlung und damit auch möglicherweise abschließend, dargestellt; die von der Hauptfigur Ludwig Stanger angehimmelte Larina weist diesen mehrmals darauf hin, dass sie ihn, den kleinen unbedeutenden und besitzlosen Beamten, niemals, sondern nur einen Bankier oder einen Grafen erhören werde. Ludwig Stanger kann sich nur als Künstler von dieser Abweisung befreien, an seiner Seite die tatkräftige Wilhelma.

Selbst der 1908 veröffentlichte Novellenband ,Die Wirkung der Frau‘ variiert dieses Thema der Beziehung zwischen Mann und Frau noch einmal in insgesamt 8 kurzen Erzählungen, die eher als Diskussionsbeiträge daherkommen, von denen die Titelgeschichte /Wirkung der Frau‘ noch am deutlichsten das Thema variiert: Der aus ärmlichen Bergdorf-Verhältnissen stammende und als Goldschmied in Mailand reüssierende Gaetano heiratet Fidelia, die Tochter eines alteingesessenen Kaufmannsfamilie, ist aber unfähig, diese Beziehung zu erhalten, als sich Fidelia in einen französischen Adligen verliebt.

„Er hatte immer erwartet und gefürchtet, von ihr getrennt zu werden, noch vor der Vereinigung. Schon beim Eindruck in das fremde Haus hatte er den Abstand zwischen sich und jener erbersessenen Vornehmheit gefühlt, und es hatte ihm geschienen, als ob viel tausend Augen von dem reich gewordenen armen Jungen sich scheu abgewendet hätten. Was ihm auch das Geschlecht an Aufmerksamkeit schenkte, nahm er immer nur als geliehen an, hielt sich als einen Eindringling, der nicht auf dem Platz saß, der ihm gebührte, sondern viel zu weit vorn, wo die Hochedlen zu sitzen hatten. Graf Bonnivar nahm daher nur das, was sich Gaetano gegen das eigene Gewissen angeeignet hatte; er wies den Knecht mit leichter Gebärde auf die rechte Stelle; er nahm, was ihm gebührte.“ Wahrscheinlich werden auch die Dramen ,Gerwins Liebestod‘, ,Anna von Ridell‘ (Riedl meint hier (S. 65), deutliche Parallelen zu Langmanns frühen Liebeserfahrungen zu sehen: das Scheitern einer Liebesbeziehung an unterschiedlicher gesellschaftlicher Herkunft.) und ,Die Prinzessin von Trapezunt‘ in dieser Hinsicht genauer zu untersuchen sein.

In ,Gerwins Liebestod‘ ist es die Zofe Fanni, die ihr junges Fräulein Stella Heldenwein mahnt:

„Fanni: . Ein Mann muss Geld haben.

Stella: Ist er deswegen ein besserer Mann?

Fanni: Mein liebes Fräulein, das ist leicht gesagt, aber ich glaube, und ich habe manches in der Welt gesehen, ein Mann ohne Geld, der ist zu gar nichts.“

Der Mann, um den es geht, ist Gerwin Maurer, ein angesehener und wohlhabender, vierzigjähriger Ingenieur, der um Stellas Hand angehalten hat. Maurer hatte bis vor kurzem ein Verhältnis mit der Gattin eines Freundes des Hauses, die aber die Scheidung rigoros abgelehnt hat, als Maurer ihr sagte, dass er angeblich sein gesamtes Vermögen bei Börsenspekulationen verloren habe.

Es mag überinterpretiert sein, aber autobiografische Züge dieses sich wiederholenden Motivs sind nicht so einfach abzulehnen.

Was Langmanns Frauenbild insgesamt angeht, so ist noch in der 1926 veröffentlichten Erzählung ,Cella‘ über die „Unerforschlichkeit der Weibersachen“68 zu lesen, und viel darüber, dass Langmann rückwärtsgerichtetes Frauenbild die Frau nur als einen Anhang des Mannes kennt.

Dieses rückwärtsgerichtete Frauenbild wird Langmann nie los; noch in dem letzten zur Veröffentlichung vorgesehenen Roman ,Unferdutz‘ (1928) kommt Langmann nicht umhin, die ,Frau‘ wie folgt zu charakterisieren:

„Sie erschien ihm wie ein Wesen aus einer anderen Natur, vielmehr wie ein Wesen aus der unmittelbaren Natur, von der ihn etwas trennte.“69

,Gertrud Antleß‘ (1899) wird im Wiener ,Deutschen Volkstheater‘ (UA 14.11.1899) zweimal aufgeführt, im Berliner ,Lessing-Theater‘ erfährt das Stück (EA 26.11.1899) lediglich 3 Aufführungen.

Beispielhaft für die Berliner Kritik sei aus der ,Vossischen Zeitung‘ v. 27.11.1899 zitiert: „Das Stück hat wie ,Bartel Turaser, mit dem sich Langmann vor zwei Jahren einführte, mancherlei Volksstückmäßige, . Der Verfasser hat mir ruhiger Hand einen an sich erschütternden Vorgang rein szenisch häufig wirksam dargestellt. Aber er hat ihn ,gemacht‘ komponiert; er steckt mit gar keinem liebenden Gefühle in seinen Personen darin. Es geht an kaum einem Punkte die dichterische Wärme von den Gestalten aus, die ein volles schöpfungsfrisches Herz ihnen zu verleihen nicht umhin kam und die so durchaus verschieden von jeder Sentimentalität ist. Die Ereignisse begegnen ihnen nur, sie passieren ihnen; sie erleben sie nicht.“

Man kann diese Kritik auch kurz fassen: man wollte ein lustiges Bauerntheater nach Art des Anzengruber oder Ganghofer, aber keine hässlichen Familiengeschichten und erst recht keinen allzu realistischen und keine dem Publikum allzu gegenwärtigen Geld- und Erbstreitereien auf der Bühne, keine auf den Altenteil abgeschobene Bäuerin, die von ihren Kindern und Enkels so traktiert wird, dass sie zum Schluss den Hof anzündet. Das Stück ist kein Schlierseer-Bauerntheater, das nach allerlei Bühnengepolter zum Ende doch wieder eine wie auch immer geartete, weil das ,Bauernmilieu‘ erhaltende Harmonie herstellt, sondern am Ende erweist sich Geld zäher als Blut und die alte Antleß greift zum letzten Mittel, das ihr bleibt, um sich dagegen zu wehren: sie zündet den Hof an. Langmanns Versuch, „das König-Lear-Thema in ländlich-modernes Milieu zu übertragen“ (/Wiener Bilder‘, 19.11.1899, ähnlich in anderen Tageszeitungen) wird als misslungen gewertet, vielleicht mit Ausnahme der Besprechung der Münchener ,Allgemeinen Zeitung‘ (16.11.1899), die im Vergleich mit Turgenjews ,Der König Lear der Steppe‘ das Stück als „Vorstudie“ charakterisiert:

„Das scheidende Jahrhundert hat den deutschen keine Erneuerung des Lear-Motives gebracht, die sich künstlerisch auch nur mit Balzacs kleinbürgerlichem Lear, dem père Goriot, vergleichen ließe. Auch Philipp Langmanns ehrlich gedachtes und gemachtes Schauspiel bleibt nur eine Vorstudie. So vortrefflich die Nachbildungen (nicht: Nachahmungen) . sich im Wams und Unterrock mährischer Bauernleute ausnehmen, so wenig überzeugend wirkte gestern die Hauptgestalt, die Mahm Gertrud Antleß.“

Vor allem Langmanns Vorgabe, auf eine moralische oder ethische Wertung des Handeln seiner Personen zu verzichten, keinen bauerndramagemäßen versöhnlichen Abschluss zu bringen, missfällt: Das Geschehen ,passiert‘, es ist eher auf die Bühne gestellte (naturalistische, resp. realistische) Erzählung als ,Drama‘. Da wird dann von den Kritikern schon mal an das ,rein Künstlerische‘ erinnert, das bei der Begutachtung der seichten Unterhaltungsware der Blumenthals, Katelburgs, v. Schönthans, Skovronneks, Bahrs und anderer kaum eine Rolle spielt.

So lässt auch das ,Berliner Tageblatt‘ an dem Stück nichts Gutes (27.11.1899):

„Das Stück . kann in der Tat für einen Theaterabend lebhaft fesseln und anspannen. Man könnte es als Typus derjenigen Dramatik ansprechen, die aus der Vermählung der modernen naturalistischen Theorie mit der Praxis der überlieferten Bühnenwirkung hervorgegangen ist. . Alles fehlt, was man das rein Künstlerische nennt. Kein tiefes Gefühl wird ausgelöst, keine Seele, in der zu lesen es sich lohnt, wird uns aufgetan keine hohe Gesinnung offenbart, kein großes Ziel der Empfindung oder des Gedankens lässt sich erkennen.“

Und in der ,Norddeutschen Allgemeinen Zeitung‘ (28.11.1899) wird hinzugefügt:

„. bis ins Kleinste hinein der Eindruck von Echtheit: im künstlerischen Sinne gestaltet sind Charaktere und Milieu nur im allergeringsten Teile“.

Auch in Wien fällt das Stück bei der Uraufführung vor dem vergnügungssüchtigen Operettenpublikum durch:

„Man glaubte, von Langmann mehr verlangen zu können und war deshalb bitter enttäuscht.“

(,Wiener Montagsblatt‘, 20.11.1899)

Wobei allerdings in Wien die schlechte Qualität der Inszenierung der Hauptgrund des Durchfalls gewesen zu sein scheint:

„Das Publikum ließ es entgelten, was die Darstellung verbrochen, die Kritik, durch den teilweisen Misserfolg beeinflusst, wagte, mit einigen Ausnahmen, nicht, den Zuschauern zu widersprechen. Kurz, man ließ Gertrud Antleß zahlen, was Katharina Frank [die Darstellerin der Hauptfigur] verspielte.“

So der Wiener Korrespondent der ,Hamburger Nachrichten‘ am 26.11.1899.

Für die Wiener Kritik seien beispielhaft zwei Zeitungen zitiert:

Das ,Deutsche Volksblatt‘ vom 15.11.1899:

„Das ganze Stück, vor allem aber die Hauptgestalt desselben, ist so gründlich verzeichnet, so ganz Unnatur und Unwahrheit, dass es nicht erst des unverzeihlichen Fehlers der Regie bedurfte, diese Rolle dem Frl. Frank zu übertragen, um die Novität noch ungenießbarer zu machen, als sie es an und für sich schon ist.“

Und das ,Wiener Neuigkeits-Welt-Blatt‘ vom 17.11.1899:

„Frl. Frank verfügt über ein viel zu schweres Pathos, um einer alten müden Ausgedingerin mittlere und gemäßigte Töne leihen zu können. Frl. Glöckner konnte aus der unsympathischen Rolle ihrer undankbaren und hinterlistigen Enkelin nichts machen. Herr Meth, das ehemalige Mitglied der Schlierseer Gesellschaft, spielt seine kleine Rolle einwandfrei. ... Die Behandlung des Dialekts rief ein allgemeines Erstaunen hervor. Jeder Schauspieler und jede Schauspielerin sprach einen anderen Dialekt, der außerhalb der Bühne nirgends zu finden ist, am allerwenigsten im südlichen Mähren, wo das Stück nach Angabe des Zettels spielt.“

Nicht nur das ,Deutsche Volksblatt‘ (15.11.1899) wertet das Stück als eine „Mischung aus König Lear und Austragstübel“ ab; mehr oder weniger folgen alle Wiener Zeitungen dieser Bewertung.

Lediglich die ,Wiener Zeitung‘ (15.11.1899) versucht, dem Autor gerecht zu werden:

„Langmann besitzt reiche Gabe und kann etwas, kann viel, wenn auch noch lange nicht genug. Vor Allem: er ist für das Theater geboren. Streitbar arbeitet er auf einen Konflikt hin, stellt ihn fest, hält ihn mit starker Faust, bläst ihm, wie in eine Glut, Atem zu, der selbst heiß ist, brennend manchmal. Wenn der Brand Mensch und Haus verzehrt hat, steht Langmann aufrecht und betrachtet sein Werk, erst nachsinnende, wie er grübelnd vorbedacht, denn er ist einer der Autoren, die nie fertig werden, weil sie sich nie Genüge tun. Klug der Kopf, heiß der Atem, das gibt den Dramatiker, und Langmann ist einer der Wenigen, die den starken Brand fürs Theater mitbringen. Leidenschaft heißt es mit einem Worte, sie besitzen, sie mitteilen.“

Offen muss an dieser Stelle bleiben, warum Langmann sein ursprünglich vieraktiges Drama als ,Drama in drei Akten‘ veröffentlicht hat; auch hier muss wieder auf den Nachlass verwiesen werden, in dem sowohl das Manuskript eines vieraktigen Dramas als auch gesondertes Manuskript eines vierten Aktes existiert.

Zwei Jahre später urteilt in der Wiener Zeitung (20.1.1900) anlässlich des Erscheinens des Novellenbandes /Verflogene Rufe‘ über die Kritik an Langmanns Stücken nach ,Bartel Turaser‘:

„Unbefangenen Zeugen dürfte die Schärfe damals befremdlich erschienen sein. Das albernste und einfältigste Zeug erfährt, sofern es nur dem Heiterkeitsbedürfnisse Genüge leistet, gewöhnlich ein entschuldigendes Wort. Erörtert aber ein ernster Mensch, nicht etwa mit dem betriebsamen Eifer der Lustigkeits-Verschleißer, sondern aus redlichem künstlerischen Drange ernst Dinge und hält sein Versuch nicht, was sich die Spannung von ihm versprach, so wird der gute Wille grausam bestraft. Nachsicht und Härte haben da offenbar ihre Rechte und Pflichten vertauscht. Der Schalkslaune, die zu Markte zieht, mag, je nachdem ihr Schellengeläute das Ohr erfreut, der Münz- und Ehrensold zuerkannt oder verweigert werden. Bei den Schicksalsdeutern der Menschen aber, die aus innerem Berufe weissagen und das Erschaute gestalten, kommt es nicht darauf an, ob sie gehegte Erwartungen, sondern wie sie ihre übernommene Aufgabe erfüllen. Ihnen gegenüber gilt lediglich das eigene Maß. Fertige Urteile richten überhaupt nicht, sie verdammen und lähmen nur. darum muss eine Kritik, die nützen und wirken will, sich ihnen widersetzen. Sie darf sich durch den Misserfolg eines Begabten nicht zum Abfall an ihm verleiten lassen. Vielmehr erheischt es ihr Amt, dass sie die falsche Meinung richtigstelle, an das Vollbrachte und Erreichbare des in seiner Zukunft Verzweifelten erinnere und ihm bei seinen Bestreitern die ausharrende Geduld erwirke, mit deren Hilfe er zuletzt an seine Ziel gelangen kann.“

Erst mit ,Korporal Stöhr‘ wird in der Saison 1901/02 wieder ein Stück Langmanns aufgeführt; die Uraufführung des ,Korporal Stöhr‘ findet am 26.9.1901 im Wiener ,Raimund- Theater‘ statt.

Die Kritik ist sehr gespalten:

Auf der einen Seite erhält das Stück eher begeisterte Zustimmung (,Neue Freie Presse‘, 27.9.1901):

. unter stürmischem Beifalle ..."

„Es geht ein pessimistischer Zug durch dieses Stück. ,Vom Schuftenvolk hat es mehr als vom anständigen Volk, und leicht sollte man glauben, es wird die Braven umbringen‘, heißt es einmal in dem Drama. ,Über das G‘radbiegen sind schon Manche alt worden und haben es nicht zuweg gebracht, aber die Welt hat sie in zwei Stunden so ausgerenkt, dass sie‘s fürs Leben gespürt han.‘ Diese Sätze kennzeichnen die Auffassung des Autors." „eines der literarisch wertvollsten und auch wirksamsten, die man in letzter Zeit auf der Bühne sah. Sein gedankentiefer Dialog, seine lebendige Charakteristik, der echt dramatische Zug einzelner Szenen und der Einschlag poetischer Stimmungen sichern ihm volle Teilnahme."

Auf der anderen Seite verstört das Stück die von seichten Operetten beherrschten Wiener Theaterszene, was zu eindeutiger Ablehnung führt:

„Das Stück ist . ein Anachronismus, eine Spekulation auf die dramatische Mode von gestern. Wir sind es heute bereits herzlich satt, die Not und Verkommenheit der ärmsten Proletarier immer von neuem mit größter Breitspurigkeit dargestellt zu sehen" (,Deutsches Tagblatt - Ostdeutsche Rundschau‘ (Wien) 27.09.1901)

„Diese mit Schrecken, Greueln und Schandtaten saturierten Stücke . haben heute . niemand mehr etwas zu sagen. . Herrn Langmanns Helden und deren Kreise interessieren das Publikum nicht allzu sehr. . Mit Theaterstücken in der Residenz ist den Arbeitern nicht gedient." (,Wiener Zeitung‘, 27.9.1901)

Als ob die /Wiener Zeitung‘ jemals darauf gedrungen hätte, ,soziale Dramen‘ vor einem Arbeiterpublikum zu spielen.

Sicher trifft die Kritik nicht nur ästhetisch-formale Mängel, sondern hauptsächlich, wenn auch nirgendwo ausgesprochen, die sozialreformerische /Tendenz‘ des Stückes: Stöhr erscheint als Weiterentwicklung des Moritz Jäger aus G. Hauptmanns /Weber‘, nur dass er nicht zum Aufruhr aufrufen und ,bekämpfen‘ will, sondern ,verändern‘ will. Stöhr trifft auf Zustände, die Langmann in den /Vier Gewinnern‘ schon gezeigt hat: neben depravierten Arbeitern steht hier zusätzlich die nach dem Tod des patriarchalisch ordnenden Vaters in Auflösung befindliche Familie Stöhrs und die von der alles beherrschenden Glashütte aufgelöste dörfliche Sozialstruktur insgesamt auf der Bühne. Man mag im Einzelnen darüber diskutieren können, inwieweit in diesem Stück Langmanns Familien- und insbesondere Frauenbild tatsächlich zukunftsweisend sind, nichtsdestoweniger ist die Auffassung modern, dass die von Profitdenken dominierte Industrie die sozialen Bindungen der Menschen zerstört, und nicht zuletzt ist das der Grund, warum Stöhr sein Heimatdorf wieder verlässt, nachdem er die Familienangelegenheiten geregelt hat. Langmann, so die Zusammenfassung eines weiter nicht zu ermittelnden Autors Johann Saloschnigg (Abdruck eines Vortrages in der ,Grazer Lesehalle‘ am 22.2.1903 im ,Grazer Volksblatt‘ am 3.3. und 4.3.1903)

„zeigt das Unvermögen der Arbeiter, sich selbst zu helfen. Korporal Stöhr trifft, wie der Jäger in den /Webern‘, heimgekehrt vom Militär, die trostlosesten Zustände. Er schafft in seiner Familie Ordnung und entwickelt den Arbeitern genossenschaftliche Pläne, doch damit bringt er nur Unglück, denn die Leute wollen von innerer Nötigung zur Pflicht nichts wissen. Stöhr verlässt mit einer treuen Lebensgefährtin, die er gefunden, die Heimat.“

Langmann bietet seine bürgerliche Trilogie‘ - ,Die Leute von Landeck‘, ,Die Herzmarke‘, ,Die Hütte‘ - lt. ,Mährisches Tageblatt, 7.8.1901, aber auch ,Neue Hamburger Zeitung‘, 6.7.1901 (an anderen Stellen findet sich auch die Schreibweise ,Landegg‘) - im Juli 1901 dem Wiener Burgtheater (Intendant: Paul Schlenther) zur Aufführung an, allerdings erfolglos. Die einzig bekannte Inszenierung scheint die Uraufführung des (ohne den dritten Teil nur bedingt selbständigen) Mittelteils der Trilogie ,Die Herzmarke‘ zu sein: am Berliner Königlichen Schauspielhaus am 29.12.1904. Die vernichtende Kritik Fritz Mauthners, die sich sowohl auf die Aufführung als auch auf den für die Aufführung zusammengekürzten Inhalt der ,Herzmarke‘ bezieht (,Berliner Tageblatt‘ 30.12.1904), wird immer wieder herangezogen zur Begründung, warum das Stück keine weitere Aufführung weder im Deutschen Reich noch in Österreich-Ungarn erfährt. Dabei wird jedoch ignoriert, dass die Kritik der ,Vossischen Zeitung‘ (ebenfalls 30.12.1904) erheblich differenzierter ist, neben den vorhandenen - und von einer angemessenen Regie zu glättenden - Mängeln des Dramas vor allem die schlechte Inszenierung für den Misserfolg verantwortlich macht:

„Eine vollständige Aufführung hätte manches, was bei der gestrigen Darbietung unverständlich war, in ein besseres Licht gerückt, eine bessere Aufführung hätte manches gerettet, was gestern unterging. es war . so doch ein gut Teil des Misserfolges . den Gestirnen des Kgl. Schauspiels zuzuschreiben. Zunächst ist kaum zu verantworten, dass man ein Konversationsstück mit mancherlei intimen Wirkungen in einem Theatersaal aufführt, in dem die Töne stumpf, die Stühle laut und die Zuschauer durch die elende Akustik wie durch eine Kluft von der Bühne getrennt sind. Zum zweiten - und das ist noch viel wesentlicher - sind die Mitglieder des Kgl. Schauspiels völlig entwöhnt, für ein modernes Stück mit ernsterer Führung, das innerhalb des Konversationstons die feinsten Nuancen fordert, den rechten Ausdruck zu finden. Sie übertreiben nach unten oder nach oben, werden überlaut oder tonlos. . Ins Vordertreffen waren Kräfte gestellt, die ihren Aufgaben nicht gewachsen waren. . Manches vom Übrigen sank unter das Mittelmaß.“ Das ist genaugenommen ein Verriss der Inszenierung; das ist genaugenommen auch der hinter der Einzelkritik der Schauspieler versteckte Tenor der ,Berliner Börsen-Zeitung‘.

Noch 1924 beklagt Oskar Bendiener (,Der Tag‘, 5.11.1924), dass

„Langmanns machtvollste Schöpfung ., das ungemein interessante, großangelegte und im Thema heute noch überaus aktuelle soziale Drama ,Die Herzmarke‘, . überhaupt . nicht mehr auf eine Wiener Bühne (gelangte), die in diesem Fall nur das Burgtheater sein konnte, . sein musste.“

Dabei weist das Stück, das in Bezug auf Langmanns sozialreformerische Ansichten auch als konsequente Weiterentwicklung des ,Korporal Stöhr‘ zu verstehen ist, in dem zwar von ,Zufall‘, /Vorherbestimmung‘, ,Schicksal‘

(„Dem Zufall ist in dem Doppelwerke der breiteste Spielraum gewährt, . sieht fast so aus, als wolle Herr Langmann ein modernes Schicksalsdrama schreiben. Es wird auch ungemein viel über die Frage im Stück gesprochen, ob es eine Vorbestimmung gebe, ob Gott die Erlebnisse der Menschen lenkt oder ob wir Naturprodukt und zwecklos dem Dasein überantwortet sind. Auch hier indessen kommt Langmann zu keinem versöhnenden Schlusswort.“ Berliner Börsen-Zeitung, 30.12.1904),

- worin auch immer eine /Versöhnung‘ bestehen soll -, aber noch mehr von Profit und Märkten die Rede ist, eigentlich alle Zutaten eines gängigen Erfolgsstückes auf:

Der Webereibesitzer Dieterlin (dessen Vorgeschichte im ersten Teil des Zyklus ,Die Leute von Landeck‘ dargestellt wird, die hier in den Dialogen z. T. noch einmal vorgestellt wird) hat, nachdem ihn seine Jugendliebe zurückgewiesen hat, eine reiche Adlige heiratet; beider Sohn Asmus wird schon frühzeitig in ein Internat abgeschoben, als Künstler resp. Bildhauer zurückkehrend, möchte Asmus die Tochter Felicie des im Hause bediensteten Kupetz ehelichen, was die adlige Gattin hintertreibt. Die von der Mutter zu Verschwendungs- und Geltungssucht erzogene Tochter soll den notleidenden adligen Neffen der Gattin heiraten; den sie begehrenden und vom Vater bevorzugten Produktionsleiter der väterlichen Fabrik, Klar, Neffe des Dieterlin, weist Henriette zurück („Nein, ich sehe den Weg, der vor mir liegt ganz genau: Kostüme, Reisen, Rennen und Langeweile. Nähme ich dich: Langeweile und Verdrießlichkeiten.“ 1. Akt). Im dritten Zyklus-Teil erscheint zudem ein unehelicher Sohn Dieterlins (allerdings weder von Dieterlin selbst noch von einer anderen Person als unehelicher Sohn bestätigt), der seinen Erbanteil verlangt. Das alles gäbe ein ergötzliches Blumenthal-Schönthan-Kadelburg-Stück ab, wären da nicht das Berliner Schauspielhaus­Publikum äußerst befremdende Dinge bereits im Vorfeld der Spielhandlung geschehen: Der skrupellos auf Profi und Gewinn orientierte Emporkömmling Dieterlin hat, um die Mehrheit an der erfolgreichen Nähgarnfabrik ,Herzmarke‘ zu erlangen, bereits den Selbstmord des Gatten seiner Jugendliebe und den Bankerott der von diesem geleiteten Versicherung zu verantworten. Mit Beginn der Spielhandlung zielt Dieterlin auf das Alleineigentum an der ,Herzmarke‘ ab; um die notwenigen finanziellen Mittel dafür zu erzielen, benötigt er die Aktienanteile an seiner eigenen Weberei; dazu erpresst er zunächst den Bürgermeister um dessen Anteile, weil der die Spielschulden seines Sohnes nicht begleichen kann; andere Anteilseigner werden mit Drohungen der Minderung der jährlichen Dividende verkaufswillig gemacht. Um bei den Banken einen genügend großen Kredit zu erhalten für den Kauf der ,Herzmarke‘-Aktien plündert Dieterlin schließlich noch das Altersvermögen seiner Mutter, die daraufhin einen Herzinfarkt erleidet. Schließlich verlässt ihn auch noch die ungeliebte Gattin nebst Tochter; sein Neffe und kaum ersetzbarer Produktionsleiter nimmt ein Angebot einer englischen Spinnerei an; am Tag der Spinnerei- Übernahme erleidet sein Sohn, mit dem er sich endlich ausgesprochen hat und dessen Hochzeit mit Felicie nach dem Auszug der Gattin beschlossene Sache ist, bei einer Fabrikbesichtigung einen tödlichen Unfall.

Zuviel der ,Zufälle‘ hinsichtlich der Handlungsseite, die wie auch bei den vorhergehenden Stücken eher darauf verweisen, dass Langmann die ordnende Hand eine Regisseurs fehlt, der die Stücke auf Bühnenwirksamkeit prüft und dem Autor zur Seite steht; Schwächen allerdings auch in der Charakterisierung des Dieterlin und der Familienbeziehungen (der Vergleich mit Ibsens ,Borkmann‘ ist durchaus angebracht). Vor allem aber zu viel des kapitalistischen Realismus, zu viel Profit-, Spekulations-, Kartell- und Monopol-Realität, zu wenig Entspannung für das klassiker- und operngestählte, lustspiel- und operettenverwöhnte Schauspielhaus-Publikum; - als ob man einem großbürgerlichen, kleinadligen und kapitalbesitzenden Publikum ein sozialpolitisches Drama zumuten könne. Da ist das Gemaule des Herrn Mauthner in der ,Vossischen Zeitung‘ um schlechte Dialoge und unmotivierten Handlungsverlauf nur vorgeschoben.

Noch immer - oder eher mehr in den preußischen kolonialmachtbesoffenen Mittelschichten - gilt nach 1900, was Curt Heinrich 1894 in der ,Gesellschaft‘ in einem Aufsatz ,Der Naturalismus und das deutsche Publikum‘ (Die Gesellschaft, Jg. 10. 1894, Heft 3-4) ausführte:

„Dass der gebildete Mann während seiner Lehr- und Universitätszeit sich den Kuckuck was um die deutsche Literatur geschert hat, und alle die modernen Fragen ihn niemals mehr als recht oberflächlich bewegt haben, oder gar für ihn keine Fragen waren, dass meist die vielgerühmten humanistischen Studien seitdem Abiturientenexamen links liegen geblieben und dem engsten Fachstudium gewichen sind, - weiß er wohl recht gut, aber das traurig-komische Produkt dieser Bildungsfaktoren zu erkennen und durch Zufügung neuer Werte zu verbessern, wird ihm nicht einfallen. Später in Amt und Würden gelangt, wird dann allmählich auch die Erinnerung an die unreife Jugend zum Erlöschen gebracht. Man hat doch (selten, aber doch einigemal) zu sündigen den Mut gehabt, man hat wohl gerade die Bücher eifrig gelesen, welche man heute bitter verdammt. Zwar ist solche Erinnerung an ferne Studien nicht ohne eine gewisse süße Wehmut, und vor den Augen des gestrengen Herrn Gerichtsrates steigt schattenhaft in rosig schimmernden Wolken ein holder Mädchenleib auf, aber wo blieben die Moral, Sitte, Gesellschaft und last not least die Religion."

Nicht umsonst ist einem Autor wie Gerhart Hauptmann am Ende seines mäßigen, weil in zwei unzusammenhängende Handlungsteile zerfallende ,Weber 2.0‘, nämlich ,Hanneles Himmelfahrt‘, nur ein satirisches „Eiapopeia" eingefallen, ein Kompromiss, zu dem ein Philipp Langmann nicht fähig ist.

Die Aufführung des zweiten Teils der ,Herzmarke‘, lediglich als Zweiteiler (,Die Herzmarke‘ und ,Die Hütte‘) gedruckt, wurde erst gar nicht geplant; schließlich geht es dort vor allem um das Schicksal der ,Herzmarke‘, die Dieterlin aus Reue den Arbeitern zur Selbstverwaltung übergeben hat, die aber im Konkurrenzkampf mit den englischen und us- amerikanischen Garnen nicht bestehen kann. Und ausgerechnet der Neffe Klar erscheint als Vertreter eines Kartells (nicht irgendeines Schicksals, sondern weil er die Situation vor Ort kennt), um die Firma aufzukaufen und zu schließen. Da die Arbeitervertretung das finanzielle Angebot des Kartells (eine ansehnliche Abfindung) ablehnt, geht die ,Herzmarke‘ in wenigen Monaten aufgrund der Dumping-Preise des Kartells Pleite; die Arbeiter und Arbeiterinnen werden jetzt abfindungslos entlassen, den jüngeren und bindungslosen Fachkräften wird eine Anstellung in einer nordamerikanischen oder englischen Filiale des Kartells vertraglich zugesichert. Dieterlins Gattin und seine Tochter versterben nach mehrjähriger Krankheit, die Tochter im Hause des Vaters, der sich mit seiner Jugendliebe versöhnt hat, die Gattin stirbt in der Fremde. Ohnehin schon körperlich und geistig am Ende, erleidet Dieterling einen Herzinfarkt und verstirbt, als schließlich am Tage der endgültigen Abwicklung der ,Herzmarke‘ und der gleichzeitigen Hochzeit von Neffe Klar und Felicie ein von seinem unehelichen Sohn aufgehetzter und angeführter Teil der ausreisewilligen / ausreisefähigen ehemaligen ,Herzmarke‘-Beschäftigten ihn des Betrugs bezichtigt, er habe das Geld des Kartells einbehalten, sein Heim stürmen will und die (ohnehin zum Abriss bestimmte) Fabrik anzündet.

Bereits mit der Bucherscheinung des Stückes hatte die ,Neue Freie Presse‘ (21.12.1902) geunkt:

„So wird der Starke vom Stärkeren vertilgt auf dem Wege zur neuen Ordnung . Da steht ein Dichter, der fähig, mutig und lustig ist, solche Kämpfe in Gestalten lebend zu machen; und sein Stück wird nicht aufgeführt. .

. Der Klassiker, für den er sich in tröstender Selbstüberhebung hält, ist Philipp Langmann freilich doch nicht. Aber was er kann, was er geleistet hat, gibt ihm ein Recht auf andere Behandlung. An seinen erfolgreichen Zeitgenossen gemessen, ist er groß. Unter denen, die in den letzten Jahren als Dramatiker zu Ruf gelangt sind, ist Keiner, der ihm auch mir bis an die Achsel reicht.“

Wie der Rezensent allerdings - wie in einem späteren Aufsatz in der ,Neuen Zeit‘ (siehe Anhang) unkritisch wiederholt - auf die Idee gekommen ist, das mit christlichem Gerede überladene „Glaubensdrama“ und „Pastorendrama“ (Rolf Franz: Kritiken und Gedanken über das Drama. München 1915. S. 96) ,Über unsere Kraft‘ (1883) von Björnsterne Björnson mit der ,Herzmarke‘ zu vergleichen, entbehrt eigentlich jeglicher Erklärung70; mehr als nur oberflächliche Vergleiche des zweiten Teiles des Björnsonschen Dramas mit seinem christlich verbrämten Ende „Der Himmel sei hier! In unserem eigenen Innern! Da sei der Himmel!“ mit dem expliziten sozialpolitischen Anspruch der ,Herzmarke‘ lassen sich beim besten Willen nicht herstellen; unabhängig davon, ob Langmann Björnsons Stück gelesen oder im Theater gesehen hat.

Warum der erste Teil des als Trilogie angelegten Dramas, ,Die Leute von Landegg‘, die nur als Erzählung im Nachlass vorliegt, nicht erschienen, bzw. vom Autor ausgeschieden bzw. nach einer Überarbeitung nicht veröffentlicht worden ist, lässt sich vermutlich erst nach einer Lektüre der im Nachlass vorhandenen Texte und eventueller Hinweise in der Brief­Korrespondenz ermitteln.

Auch ein - notwendiger - Vergleich von Langmanns bürgerlicher Trilogie‘ mit Franz Adamus‘ dreiteiligem Dramenzyklus Jahrhundertwende‘ wird ohne diesen ersten Teil nicht sinnvoll sein.

Eine genauere Betrachtung des Werkes wird auch nicht umhinkommen, es mit Gerhart Hauptmanns ,Weber‘ zu vergleichen und dabei festzustellen, dass es als ,soziales Drama‘ erheblich besser ist: In der ,Herzmarke‘ treten wie in schon in den vorherigen Stücken ,Bartel Turaser‘, ,Die vier Gewinner‘, ,Korporal Stöhr‘ reale zeitgenössische Arbeiter in zeitgenössischen, wenn auch individualisierten Konflikten auf; sie verlaufen sich nicht wie in Hauptmanns ,Vor Sonnenaufgang‘ noch zehn Jahre vorher als „dunkle Gestalten“ (Helene zu Loth) im Bühnenhintergrund, und sie sind auch nicht die depravierten und maschinenstürmerischen Weber aus den 1840-ern, die Lumpenproletarier in ,Hanneles Himmelfahrt‘, sondern Weber und Fabrikarbeiter aus den 1890-ern, die, noch weitab sozialdemokratischer und gewerkschaftlicher Organisiertheit, um bessere Arbeitsbedingungen, bessere Löhne, bessere Behandlung durch ihre Vorgesetzten und um ein besseres Leben, um ein kleines Stück mehr Überlebensmöglichkeit in der realen, von Kapitalinteressen und Kapitalkonkurrenz beherrschten Welt kämpfen. Insofern wird auch die Frage gestellt werden dürfen, warum sozialdemokratische Volks- und Arbeiterbühnen das Stück - nach Lage der ermittelbaren Nachrichten - nicht aufgeführt haben. Selbst die Frage, warum das Stück in aktuellen ,Sozialdrama‘-Anthologien, einschließlich derer aus der früheren DDR, nicht auftaucht, muss gestellt werden.

6. Leben und Musik (1904)

Der Roman ,Leben und Musik‘ (1904) wird gerade einmal in einem (1) Literaturlexikon erwähnt. Über den Roman haben wir nur drei Besprechung gefunden: In der ,Neue Hamburger Zeitung‘ (19.11.1904), in der Münchener ,Allgemeine Zeitung‘ (19.12.1904 in der Essay-,Beilage‘) und im „Hamburgischen Correspondent‘ (4.2.1905 in einer Besprechung über den Roman und ,Anna von Ridell‘). Den Roman selbst haben wir in einer einzigen (1) deutschen Universitätsbibliothek ermitteln können.

Erstaunlich ist das auch deswegen, weil 1922 der Cotta-Verlag den Roman immer noch in seinem Katalog hatte.

Der im Aufbau und in der Mischung aus Erzählung und essayistischen Passagen durchaus modern anmutende Roman, erzählt mit unbezweifelbar autobiografischem Hintergrund die Wandlung des Ludwig Stanger vom unbedeutenden Rechnungsbeamten zum Künstler; die Auffassung Renate Riedls (S. 5) dazu ist sicher nicht von der Hand zu weisen:

„Über seine Kindheit und Jugend ist nichts bekannt, es sei denn, dass er selbst in dem Roman „Leben und Musik‘ in der Schilderung der Jugendjahre des Helden Ludwig Stanger aus seinem eigenen Leben schilderte. Zu dieser Annahme berechtigt ein Brief vom 1. Februar 1911 an einen Unbekannten, in dem er schreibt: ,Gebeichtet habe ich bloß in „Leben und Musik‘‘.“

Entsprechende ,Beicht‘-Passage finden sich im Roman an mehreren Stellen:

„. Gehorchen, nicht aufmucken, aushalten, auch im Unrecht, . Autorität achten, Übermut und Demut gleichermaßen geringschätzen, unter allen Umständen korrekt sein und seine Pflicht tun, . von niemandem zu verlangen, nichts zu gewähren, wegzuschenken, zu leihen, sein bißchen behalten und niemanden verpflichtet zu sein; ." (S. 8)

„Er lernt viel, gründlich, mit Begabung, doch ohne Eifer, . Als er in die Oberrealschule kam, zeigte sich dies als Charakterzug: das Studium ohne Eifer und mit Begabung. Er lernt gleichmäßig alle Gegenstände, blieb in keinem zurück, trat in keinem hervor. . er war der gute Durchschnittsschüler, . ein mittelmäßiger Kamerad ." (S. 10/11).

Als mittlerweile Dreissigjähriger gerät Stanger aufgrund einer Intrige im Amt und einer fatalen Schwärmerei zu einer skrupellosen jungen Frau, Larina, die zunächst mit ihm spielt, später ihm aber deutlich zu verstehen gibt, dass sie ihn, dem kleinen mittelosen Beamten niemals lieben, niemals heiraten könne, in eine Lebenskrise, aus der ihn Larinas Schwester Wilhelma und nicht zuletzt die im Kindesalter gepflegte Leidenschaft zum Klavier- und Orgelspiel retten. Langmann mag den Übergang vom kleinen (Brünner) Beamten zum im deutschsprachigen Raum bekannten (Wiener) Literaten zwar noch nicht richtig formulieren zu können - anders als bei Gerhart Hauptmann gibt es kein ,Abenteuer meiner Jugend‘ hochzustilisieren -, dafür aber scheint es, als habe sich Langmann mit diesem Roman von einer Last freigeschrieben: das Thema einer Frau, die ihn des nicht vorhandenen Reichtums wegen zurückweist, ist hier - vorformuliert schon in der (Brief-)Erzählung ,Eine junger Mann von 1895‘ - wohl abschließend formuliert, als Teil der Entwicklung seines Künstlertums.

Eingebettet - und gelegentlich den Fortgang der Handlung störend - sind immer wieder essayistische Passagen und ausufernde Beschreibungen und Reflexionen, darunter zwei deutlich satirische Passagen, die die Vorbereitungen zur Ehrung des Amtsdirektors betreffen.

Die „Neue Hamburger Zeitung" (19.11.1904) urteilt:

„Der Roman ist von starker Ungleichheit, das Zwiefache, das Lebensphilosophische und die eigentliche Erzählung gehen oft ganz unverbunden nebenher. Auf zwei Seiten völlig losgelöste Betrachtungen, folgen zwei Seiten Erzählung, und dann geht‘s wieder zu jenen zurück. Unausgeglichenheit, Sprunghaftigkeit sind, künstlerisch gewertet, des Buches am weitesten sichtbare Züge."

Auch der Rezensent der Münchener „Allgemeinen Zeitung" (19.12.1904) sieht das nicht anders:

„In gedrungener Kraftfülle schreitet Langmanns Darstellung daher. Kostbar belohnt und beschenkt findet sich, wer sich dem reizvollen Zauber gefangen gibt, der von des Dichters bewundernswert reicher Gedankenwelt ausgeht. Geistvoll sind die zahlreichen Reflexionen, gesättigt von Temperament der lebendigen Dialoge; der Stil entbehrt nicht der Anmut. Nicht ohne Wehmut mag der Familienblatt-Lieferant einer gewissen Gattung sehen, wie hier ein fürstlicher Verschwendender in einem schmalen Bande eine Reichtumsfülle dahingibt, groß genug, um jenen ein halbes Leben hindurch für ungezählte Romanspalten zu nähren."

Unverständlich bleibt bei all dem, warum dieser Roman, der den Tantiemen-Abrechnungen des Cotta-Verlages zufolge, gut verkauft wurde, gegenwärtig komplett unbekannt ist.

7. Dichten für die Ablage

,Gerwins Liebestod‘ (1902) erhält zwar drei (völlig unterschiedliche) Besprechungen, jedoch kann keine Aufführung nachgewiesen werden.

In der ,Neuen Hamburger Zeitung‘ (11.10.1902) ist zwar eine Kurznotiz zu lesen, dass er das Stück bei „einer Wiener Bühne“ zur Aufführung eingereicht habe. Das im Langmann­Nachlass befindliche Antwortschreiben Paul Schlenthers vom 14.12.1902 (Nachlass Langmann, Inventar-Nr. 58371) weist darauf hin, dass Langmann sein Stück dem Burgtheater zur Aufführung angeboten haben könnte. In den zur Verfügung stehenden habsburgisch-österreichischen Zeitungen ist jedoch keine derartige Meldung zu ermitteln.

Ebenso scheint eine Anfrage der Münchener „Versuchsbühne Thespis“ (Brief an den Cotta­Verlag v. 13.9.1904) nicht zu einer Aufführung geführt zu haben; d.i.: in der Münchener ,Allgemeinen Zeitung‘ lässt sich kein Nachweis für eine Aufführung ermitteln.

Die Handlung des - trotz des eine klassische Tragödie assoziierenden Titels - bürgerlichen Schauspiels ist durchaus bühnentauglich: Die Hauptperson, Gerwin Maurer, ein angesehener und wohlhabender, vierzigjähriger Ingenieur verliebt sich in die junge Stella Heldenwein, um die sich ebenfalls der junge angehende Anwalt Ferdinand Schlüter verliebt, ein Freund des Schwagers der verwitweten Ottilie Schallander; diese wiederum plant ihre Hochzeit mit dem Arzt Dr. von Heckel, dem Freund des verwitweten Vaters der Stella. Gegen die Verbindung Maurers mit Stella intrigiert Ida, die Gattin von Ottilies Bruder; Ida will Gerwin, mit dem sie bis vor kurzem ein Verhältnis hatte, nicht freigeben und droht damit, das frühere Verhältnis Gerwin Maurers mit Stellas Mutter ihrem Vater bekannt zu machen, eine Drohung, die dadurch besonderes Gewicht erhält, dass aus diesem Verhältnis Stellas junger Bruder Karl hervorging. Diese Geheimnis ist bisher lediglich Ida und Dr. Heckel bekannt; als Ottilie davon erfährt, versucht sie, vergebens, ihrem zukünftigen Gatten, der die Verbindung Stellas mit Gerwin eingefädelt hat, davon zu überzeugen, Gerwin von der Verbindung abzuraten. Gerwin, sich der Gefahr bewusst, wenn er Ida nicht zu Willen ist, überschreibt sein gesamtes Vermögen Stellas Vater, und als Stella schließlich die Wahrheit erfährt, dass ihr Bruder Karl der Sohn ihres zukünftigen Gatten ist, verübt sie Selbstmord, Gerwin folgt ihr.

Dass das Stück nirgendwo angenommen wird, liegt zu einen daran, dass Langmann den Sehgewohnheiten des Publikums nicht gerecht wird, das Gerwins und Idas Verdammung, Dr. Heckels Abstrafung für die vorangetriebene Kuppelei und Stellas Zuwendung zu Ferdinand als angemessene Konfliktlösung anerkannt hätte, und daraus folgend zum anderen daran, dass Langmann seine Hauptfigur nicht verdammt, sondern darauf pocht, dass es nicht um ,tragische‘ oder ,sittliche‘ Notwendigkeiten geht, sondern schlichtweg um gesellschaftliche Konventionen, die sowohl Stella noch Gerwin, in einem konventionellen Frauenbild verfangen, abstreifen können, noch Gerwins Umgebung bereit ist zu hinterfragen; deutlich mehrmals formuliert von Dr. Heckel, etwa im 3. Akt gegenüber Stella:

„. Nur Gesetze und Sitten lassen uns natürliche Dinge unheimlich erscheinen. . Es ist töricht, die Vergangenheit zur Herrin über sich selbst zu machen, Versündigung am Leben. .“.

Auf der anderen Seite bleibt Dr. Heckel aber auch derjenige, der seinem Freund Gerwin rät, gegenüber Stella alles abzustreiten:

„. Jetzt muss gelogen werden, um sie unsicher zu machen, sie soll in ihren Entschlüssen wankend werden. . Hier aber geht es nicht um unsere Verschweigungen, sondern hier stehen sich Mann und Weib gegenüber in dem was man moralisch nennt; wie haben eine andere Moral als sie. .

Dein echtes, unbeeinflusstes Mannesleben weiß nichts von alledem! Du denkst dich in Stellas Empfindungen ein, die sind aber nicht deine, sondern moralische Kunstprodukte, die Natur, das bist du, weiß von ihnen nichts! Die Frauen empfinden anders als wir. Verstehe doch, dass darin der Zwiespalt liegt und in nichts anderem. Uns ist Tugend, Wahrheit, Liebe etwas anderes!" (4. Akt)

Wer erwartet hätte, dass Gerwin Maurer gegen Heckels Auffassung protestiert, wird enttäuscht, denn auch Maurer transportiert an dieser Stelle nur ein vom Autor nicht hinterfragtes Frauenbild weiter:

„Sie gehorchen der Gattung." (Ebda.)

Oder, wie das ,Neue Wiener Tageblatt‘ (28.6.1903) in seiner - insgesamt eher wohlwollenden - Rezension bemäkelt:

„Langmann wird sich allerdings darauf berufen, dass er doch seinen Helden sich selbst richten und damit der Sitte ihren Tribut zahlen lässt, aber Gerwins Selbstmord erscheint nach dem ganzen Tenor der Dichtung als ein von der gesellschaftlichen Heuchelei gefordertes Opfer, nicht aber als ein sittliche Notwendigkeit, und wirkt darum nicht rein­tragisch. Er ist sicher, dass das Publikum mit der kaum zu rechtfertigenden Parteinahme für das Recht der Leidenschaft nicht einverstanden sein wird, und es wäre daher ratsam, wenn Langmann für die Bühnendarstellung von ,Gerwins Liebestod‘ einige Veränderungen im Texte vornähme."

Das Bekritteln der Sprache, der Dialogführung, der angeblich mangelhaften Lebendigkeit der Handlung sind eher vorgeschoben.

Auf der anderen Seite steht eine eindeutig ablehnende Kritik71 :

„Dieses Stück ist denn auch leider herzlich schwach. Der Konflikt nicht eben tief und nicht originell. Ein Mann liebt die Tochter eben jener Frau, die einstmals ihm angehört hat. Seine jetzige Geliebte will ihn nicht lassen und klärt die Tochter auf. Der Schluss; ein Doppelselbstmord. Dazu sind alle Gestalten blass, sehr blass, Zimmerfarbe, und sie reden ein Papier-Deutsch, Sätze, die auf dem Schreibtisch hergestellt wurden. Ist man mit der Lektüre zu Ende, dann legt man das Buch ohne Ergriffenheit beiseite. Der Dichter hat uns nichts gesagt und nichts gezeigt." (,Die Zeit‘ (Wien), 10.5.1903)

Ebenso erhält zwar ,Anna von Ridell‘ (1904) anlässlich der Buchausgabe ausführliche positive Besprechungen, etwa in ,Neue Freie Presse‘ am 8.1.1905:

„So bedeutet ,Anna v. Ridell‘ einen Schritt vorwärts in Langmanns künstlerischer Entwicklung; ihre Gebrechen dem Dichter zu zeigen, wäre Aufgabe und Pflicht unserer Bühne, die sich mit einer solchen Tat nur selbst ehren würde."

Auch ,Die Zeit‘ (23.4.1905) lobt das Stück und der Rezensent schließt seine Besprechung mit: „Es ist allerdings auch viel /Theater‘ im äußeren Wortsinne bei diesem Schauspiel, zum Beispiel das Hereinbringen des Sarges und die Gerichtsszene. Aber da die wichtigsten Effekte von innen heraus, aus den Charakteren der Handlung wachsen, so muss man sagen: es ist gutes Theater. Und man darf den Wunsch äußern, dass die Bühnen dieses Stück nicht unbeachtet liegen lassen.“

Eine Aufführung kann aber nicht nachgewiesen werden. Dass in beiden nachgewiesenen Rezensionen ausgerechnet das „sehr überschätzte Effektstück“ (Robert F, Arnold: Das moderne Drama. Straßburg 1908. S. 131), besser noch: das dröge Salonstück (und Wiener Erfolgsstück) Maeterlincks ,Monna Vanna‘ als Vergleich herangezogen wird, zeigt eher die Orientierung der Wiener Theaterdirektoren und die Hilflosigkeit der Rezensenten im Umgang mit Langmann. Immerhin hindert das die Rezensenten daran, beim späteren Stück ,Die Prinzessin von Trapezunt‘ diesen Vergleich noch einmal zu ziehen; hier wäre er nämlich berechtigter und einsichtiger; aber zu diesem Zeitpunkt - fünf Jahre später - war Maeterlincks Stück nur noch gelegentlich auf der Bühne zu sehen.

Spätere Stücke (,Die Prinzessin von Trapezunt. Drama in drei Akten.‘ (1909)72, ,Der Statthalter von Seeland. Drama in drei Akten‘ (1911) sind zwar als Titel in Literaturlexika erwähnt, öffentlich werden sie nicht wirklich wahrgenommen; für die ^Prinzessin‘ kann nur eine Rezension, für den ,Statthalter‘ können zwei Rezensionen nachgewiesen werden. Textausgaben der Stücke sind nur in wenigen Universitätsbibliotheken nachweisbar. Die Stücke sind zwar nicht schlechter oder besser als die übliche Theatermassenware, aber sie entstammen nicht der Feder eines Erfolgsautors, und der Autor hat für seine nachdenklichen statt lustigen Dramen auf den Bühnen und in der maßgeblichen Wiener Feuilletons keine Fürsprecher.

,Die Zeit‘ urteilt am 28.2.1909 eher positiv über ,Die Prinzessin von Trapezunt‘:

„Langmuts neues Werk ist eine Dichtung voll Stolz und Kühnheit, eine Dichtung voll männlicher Kraft, voll sicheren Schwungs. Ihr Gang ist fest und bestimmt. Ohne Pathos; sie steht außerhalb des Bannes der Worte und hat die Geschlossenheit eines Kosmos‘ für sich.“

Die ,Wiener Zeitung‘ am 17.4.1912 urteilt eher negativ über den ,Statthalter von Seeland‘: „So viel Gutes über das neue Novellenbuch dieses Autors kürzlich gesagt werden konnte, so wenig wird man zum Ruhme seines neuen Dramas jagen können. Die Handlung desselben spielt im 15. Jahrhundert in den Niederlanden, und der äußere Charakter mag gut getroffen jein, das Milieu ist nicht ohne Reiz. Das Drama selbst gehört zur Gattung jener Intrigenstücke, in denen die Figuren an weithin sichtbaren Drähten zappeln und ganz nah Wunsch des Autors dirigiert werden. . Unter den Charakterköpfen der zahlreichen Personen finden sich einige gut gelungene Typen, aber die Schablone herrscht vor und die weiblichen Gestalten erscheinen sämtlich misslungen.“

Aus der Besprechung des ,Salzburger Volksblatt‘ (15.4.1912) ist dem formal zwar stringenten, aber inhaltlich nicht handlungsstarken Drama hinzuzufügen: „. historisches Kostüm, ein würdige, wenn auch etwas schwerfällig Diktion .“.

Aus dem Ablauf des Geschehens des ,Seeland‘-Dramas wird in der Tat nicht ganz klar, was eigentlich im Mittelpunkt stehen soll: Bestimmt wird die Handlung von der Intrige des Emporkömmlings Nipho gegen den Statthalter Graf Rheinsal und der Aufklärung der Intrige, weil der nunmehrige Statthalter Nipho anstelle seiner Mitverschwörerin Sibyl die reiche und in Middelburg angesehene Kauffrau Margot de Rootkerke heiraten will, weshalb die Sybil alles offenbart, oder die Liebesgeschichte des Grafen Rheinsal mit Gondra, deren Gatten der Graf wegen der von Sybil im Auftrag Niphos gefälschten Briefe an den französischen General ohne weitere Prüfung als Spion hinrichten lässt. Vor allem die Kerkerszene des zweiten Aktes lässt das bühnenwirksame Intrigenspiel in den Hintergrund treten: Lang und breit bitten der Graf und die Gondra gegenseitig um Verzeihung, der erstere, weil er sich anklagt, Gondras Gatten aus Eifersucht aufs Schafott gebracht zu haben, und Gondra, weil sie nicht stärker um ihren Mann gekämpft habe. Dass sich schließlich im dritten Akt durch eine Art ,Gottesurteil‘ (der Graf wurde dazu begnadigt, beim Angriff auf die französische Festung in der ersten Reihe kämpfen zu müssen) und durch die Aussagen der von Nipho abservierten Sybil alles zu einem glücklichen Schlussvorhang führt (So man den durch den Strang zu Tode gekommenen Gatten der Gondra außer Betracht lässt und sich damit bescheidet, dass Gondra sich ebenso schnell wie ihr Ex-Schwiegervater mit dem Grafen als Folgegatten abfindet.), bestärkt dann in der Tat den Eindruck, dass im Mittelpunkt der nicht ungeschickt konstruierten Handlung nicht die politische Intrige, sondern eine Art schicksalhafte und unvermeidbare Schuld der Liebesbeziehung zwischen Mann und Frau steht. So verliert die Handlung leider an Spannung und ist daher nicht kurzweilig, sondern, unbearbeitet dargeboten, eher langweilig.

Es scheint daher (vorerst) außer Zweifel zu stehen, dass der nicht von Intendanten oder Regisseuren in strenge Bühnenzucht genommene Langmann außerhalb seines sozialen Terrains kein bühnenwirksames Drama schreiben kann.

Das gilt auch für ,Tini Taferner73. Das lt. Handschrift 1911 vollendete und in einer unvollständigen maschinenschriftlichen Fassung vorliegende Drama ist eher eine dramatisierte Romanhandlung. Dabei scheint mir gerade dieses Drama (in der Handschrift noch als „Volksstück in vier Szenen“, in der späteren (nur an wenigen kleinen Stellen geänderten) maschinenschriftlichen Fassung dann als „Volksstück in vier Akten“ bezeichnet), dessen Handlung einen Zeitraum von über zwei Jahren umfasst, als gelungener Versuch, sich - nach zwei vergeblichen Versuchen mit historischen Stoffen und zwei ebenso vergeblichen Versuchen mit bürgerlichen (Salon-)Stoffen - dem Wiener Vorstadtleben realistisch zu nähern: Tini Taferner ist eine selbstbewusste junge Frau, die sich der Probleme ihrer Nachbarn annimmt

(Tini: „Wenn die Leut nicht so unbehilflich wären! Aus lauter Dummheit rennen die meisten in ihr Unglück. Man soll sie nicht hineinrennen lassen, wenn man es besser versteht und ihnen helfen kann“. -

Die alte Groch: „Kannst du dir denn selber helfen?“ -

Tini: „Das geht für sich. Aber wenn ich auch mir nicht helfen kann, soll ich deswegen den anderen nicht raten?“ - 1. Akt)

-, ihren spielsüchtigen Freund als Gegenleistung zur Heirat zu einer Ausbildung als Monteur zwingen kann, die später dazu führt, dass ihr Karl bei einem großen Brückenbau in Brasilien eingesetzt wird. Währenddessen zieht Tini mit ihrem Kind und ihrer aus einem Wiener Bordell geretteten Freundin Lena in einen kleinen Ort am Rande der Großstadt, wo beide in einer Weberei arbeiten. Tini wird weiterhin mit den schon aus dem 1. Akt bekannten Probleme konfrontiert und scheitert aber fast an ihren eigenen Problemen, di u.a. aus einer Intrige eines früheren Verehrers herrühren. Der vierte Akt schließlich endet mit der Rückkehr ihres mittlerweile zum Ingenieur beförderten Mannes aus dem Ausland; dessen Lohn und der Nachlass eines Verehrers, der den Freitod wählt, um Tini nicht in Schande zu bringen, ermöglichen den Taferners ebenso wie Leni und ihrem Freund, der nach einer mehrmonatigen Gefängnisstrafe wegen eines dilettantischen Einbruchs trotz der polizeilichen Meldeauflagen auf Tinis und Karls Fürsprache hin ebenfalls eine Ausbildung beginnen kann, ein von finanziellen Nöten freies Leben. Das Stück ist insgesamt näher an der sozialen Wirklichkeit, als die vorhergehenden ,Historienstücke‘, trotzdem sein Optimismus - die Menschen, die sich selbst helfen oder die Hilfe anderer annehmen, können ,etwas werden‘ - rückwirkend betrachtet eher befremdlich wirkt. Auch ist nicht ersichtlich, warum Langmann das Stück 1916 (immerhin dauerte der (1. Welt-)Krieg schon zwei Jahre) ausgerechnet dem Wiener Burgtheater zur Aufführung anbietet.

Über die durchweg positiv besprochenen Novellen-Bände Langmanns - ,Arbeiterleben‘ (1893), ^Realistische Erzählungen‘ (1895), ,Ein junger Mann von 1895‘ (1895), ,Verflogene Rufe‘ (1899), /Wirkung der Frau‘ (1908), ,Erlebnisse eines Wanderers‘ (1911),,Der Akt Gerenus‘ (1923), ,Ein fremder Mensch‘ (1923) - sind außerhalb der Jahresabrechnungen des Cotta-Verlages keine verlässlichen Auflagenzahlen zu ermitteln.

Der finanzielle Erfolg Langmann mit den beiden letzten Novellen-Bänden (die vorwiegend ein Kompendium bereits früher erschienener Kurzgeschichten sind74 ) bleibt wahrscheinlich auf die schon oben genannte Größenordnung der Verkaufszahlen beschränkt; über die mit den Neuerscheinungen einhergehenden Absatzzahlen bereits erschienener Werke lässt sich nichts ermitteln.75

Die Literaturkritik nimmt die beiden Bände kaum wahr.

Positiven Kritiken (,Neues Wiener Tagblatt‘ (3.4.1924): „Die beiden Novellenbände wird jeder in seine Haus- und Handbibliothek einstellen."), stehen eher skeptische Wertungen gegenüber: „In den hier angezeigten Novellensammlungen hat er mit beiden, weitausgreifenden Händen in sein bisheriges Lebenswerk hineingefasst und die Ausbeute ziemlich wahllos zusammengeworfen", urteilt die ,Moderne Welt‘ im Heft 19/1924.

Beiden Sammlungen, die durchaus die besten Erzählungen resp. Novellen Langmanns versammeln, gemeinsam ist, dass die gesellschaftliche Gegenwart, politische und soziale Gegenwartsprobleme, die sozialen und politischen Umbrüche und Widersprüche - logischerweise - nirgends widergespiegelt werden; Langmanns Bezug zur Gegenwart ist defacto nicht vorhanden. Das ist eigentlich die schlimmste Aussage über einen Dichter, die man tätigen kann: Langmann ist aus der Zeit gefallen.

Die ersten Novellenbände weisen nachweislich der Tantiemenabrechnungen des Cotta­Verlages gute Verkaufszahlen auf; deren Tantiemen und die des ,Bartel Turaser‘ sind sicherlich die Grundlage der Entscheidung Langmanns gewesen, als freier Schriftsteller nach Wien zu ziehen; aber schon nach 1905 gehen die Absatzzahlen (sehr deutlich korrespondierend mit dem Verschwinden des Autors von der Theaterbühne) kontinuierlich zurück

Die beiden letztgenannten Novellen-Bände erscheinen im Wiener ,Rikola-Verlag‘, der zwar ein ambitioniertes Programm auflegt, aber kaufmännisch dem nicht gewachsen ist und 1929 nach diversen Besitz- und Kapitalveränderungen liquidiert wird.

Insgesamt ist über die Veröffentlichungsversuche Langmanns nach 1911 nur wenig bekannt; - auch hier ist wieder auf den unerschlossenen Briefnachlass Langmanns zu verweisen, der eventuell über die weiter oben schon genannten Veröffentlichungsversuche hinaus Auskunft geben kann.

Über einen Versuch, den Ende der 20-er / Anfang der 30-er offenbar fertiggestellten Roman ,Die Familie Hubbenet‘ (im Nachlass befindet sich ein mit Korrekturen versehenes Typoskript) in einem Verlag unterzubringen, ist nichts bekannt.

Zuletzt 1928 scheint Langmann noch vergeblich versucht zu haben, dem Cotta-Verlag einen Gedichtband und ein ,Weltanschauungsbuch‘ „Unferdutz - Ein neues Bild der Welt76 anzubieten (Ablehnung in einem Schreiben des Verlages am 10.12.1928).

In diesem lt. Inhaltsverzeichnis aus 18 „Fragmenten“ bestehenden ,Roman‘ versammelt Langmann Texte, die er z.T. schon 1899 unter dem Titel „Unferdutz, der Amoride“ (2 „Fragmente‘) in dem Novellenband /Verflogene Rufe‘ erstmals und um drei weitere „Fragmente‘ erweitert 1911 in ,Erlebnisse eines Wanderers‘ veröffentlicht hat, mit 13 weiteren Texten. Als Ratgeber Ludwig Stangers ist Unferdutz schon im dritten Kapitel des Romans „Leben und Musik‘ aktiv, allerdings noch als „Atlantide“; dort beschreibt sich Unferdutz (S. 71) unter anderem wie folgt: „Ich nenne alle Atlantiden, die einsam ringend ihres Herzens Zielen zustreben.“ Das schon genannte ‘Notizbuch 1922‘ verzeichnet (S. 35) ohne genaues Datum (wahrsch. Jahresende 1922 / Jahresbeginn 1923) einen Umfang von 584 (handschriftlichen) Seiten für 16 Kapitel. Tatsächlich umfasst das im Nachlass vorliegende Typoskript (Inventar-Nr. 58171) einschließlich des in das fertige Typoskript neu eingefügte handschriftlichen 16. Kapitels und der Titelseiten für nunmehr 18 Kapitel („Fragmente“) insgesamt 271 einseitig beschriebene Blätter.

Eine eigentliche „Handlung‘ besitzt der Roman nicht, sieht man von den wenigen Passagen ab, in denen Stöpsler, „Dozent der Chemie“ und Unferdutz, „Professor der höheren mathematischen Analysis, Differential- und Integralrechnung“ (S. 1) ihre verschiedenen Weltsichten direkt im Gespräch austauschen, und einige phantastische Episoden aus dem Leben des nach Glück und Erkenntnis suchenden unsterblichen Unferdutz wiedergegeben werden. Der umfangreichste Teil des Romans besteht aus politischen und philosophischen Abhandlungen, die häufig als Monolog des Autors bzw. als direkte Ansprache des Lesers abgefasst sind. Hauptbezugspunkt dieser philosophischen Abhandlungen ist Schopenhauer, vertreten durch Unferdutz und durch den Autor, Gegenpart ist der aus Sicht des Autors eher „materialistisch“ orientierte Stöpsler. Gänzlich aus dem Rahmen fällt das 16. Fragment „Kosmogonie“, das wohl als eigenständige Auseinandersetzung zu Kants und Laplaces Ideen über die Entstehung und Bewegung der Planeten konzipiert war und nachträglich, mit einem neuen Schluss versehen, der den Aufsatz in die Langmann‘sche Theorie des „Ultraraumes“ presst, eingefügt wurde.

Als das zentrale Kapitel darf (S. 102 - 121) das „Zehnte Fragment - Das Sinngedicht“ (paraphrasierend einen Aphorismus J. W. Goethes: „Mit dieser Welt ist‘s keiner Wege richtig; / Vergebens bist du brav, vergebens tüchtig, / Sie will uns klein, sie will sogar uns nichtig.“ In: J.W.G.: Gedichte. Ausgabe letzter Hand, 1827, Zahme Xenien 1) angesehen werden; dort formuliert Langmann eine Art Zusammenfassung seines Lebens. Anfangs beklagt er resignativ, dass es ihm nicht gelungen sei, sich in einer Welt voller „Eigennutz“ (u.a., wenn auch ungenannt, der Theaterdirektoren, Verleger und Zeitungs-Redakteure) zu behaupten; in den weiteren Ausführungen werden die Ausführungen dann zu einer spezifischen subjektiven Langmann‘schen Interpretation der Weltansicht Schopenhauers, sowohl der Welt als „Vorstellung“ als auch als „Wille“ (ohne jedoch Schopenhauers pessimistisches „Jammertal“ zu übernehmen), mit dem Ende, dass Langmann sich damit beruhigt, dass er in der Welt immer das Richtige getan habe, dass sein Gewissen unbestechlich geblieben sei, er aber an der unmoralischen Realität gescheitert sei. Explizit wird diese Rationalisierung seiner Lebenssituation noch einmal im Kapitel „Vierzehntes Fragment - Die Bewusstseinstat“ (S. 145 - 155) wiederholt und konzentriert: „Du bist gut, weil Du Deiner selber bewusst bist.“ (Beginn des Textes S. 145); und weiter hinten an anderer Stelle (S. 171 - 193, „Siebzehntes Fragment - Die Erlösung“): „Irgendetwas macht jeden Menschen für den anderen auf die Dauer unerträglich“. Die Abkehr vom „Eigennutz“ und die Hinwendung zum „Bewusstsein“ erscheinen als spezielle ureigene Stärke Langmanns, die notwendigerweise zu einem isolierten gesellschaftlichen Leben führen müssen. Langmann bescheidet sich damit, das richtige Bewusstsein zu besitzen, aber in die Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse - soweit diese überhaupt konkret ins Blickfeld des Autors geraten - nicht mehr eingreifen zu können; wobei unklar bleibt, welche Bedeutung der Autor im Schlusskapitel, „Achtzehntes Fragment - Die Eröffnung“ (S. 194ff) nach den Verkündigungen Prometheus‘, Lokis und Luzifers der doch recht aufgesetzten christlichen Erlösung77 zumisst.

Über Langmanns, bzw. Unferdutz‘ Versuche, Schopenhauers /Vorstellung‘ und ,Wille‘ mit Hilfe zeitgenössischer physikalischer, molekularphysikalischer, astrophysikalischer Erkenntnisse zu einem neuen Weltbild zusammenzufügen, darf man indessen getrost hinweglesen; der naturwissenschaftliche und erkenntnistheoretische Laie Langmann erzeugt vor allem mit seiner „Ultraraum“-Theorie schon den zeitgenössischen Wissensstand negierenden voluntaristischen philosophischen Unsinn.

Der Cotta-Verlag hatte also, soweit dem Verlag der Text überhaupt zur Verfügung stand, viele Gründe, nicht nur des religiös verbrämten Schlusses wegen, Langmanns Roman abzulehnen.

Anhang

A.

Erschienene Werke:

Arbeiterleben. Sechs Novellen. 1893. Leipzig, Wilhelm Friedrich. Ab 1898 Stuttgart Cotta‘sche Buchhandlung (*).

Realistische Erzählungen. 1895. Leipzig, Robert Friese. Ab 1898 Stuttgart, Cotta‘sche Buchhandlung (*).

Ein junger Mann von 1895 und andere Novellen. 1895. Leipzig, Robert Friese. Ab 1898 Stuttgart, Cotta‘sche Buchhandlung.

Bartel Turaser. Drama in drei Akten. 1897. Leipzig, Robert Friese. Ab 1898 Stuttgart, Cotta‘sche Buchhandlung. Zuletzt als Reprint bei Hansebooks.com erhältlich.

Die vier Gewinner. Lustspiel in drei Akten. 1898. Stuttgart, Cotta‘sche Buchhandlung.

Unser Tedaldo. Drama in drei Akten. 1899. Stuttgart, Cotta‘sche Buchhandlung.

Verflogene Rufe. Novellen. 1899. Stuttgart, Cotta‘sche Buchhandlung.

Getrud Antleß. Drama in drei Akten. 1900. Stuttgart, Cotta‘sche Buchhandlung.

Korporal Stöhr. Drama in drei Akten. 1901. Stuttgart, Cotta‘sche Buchhandlung.

Die Herzmarke. Drama in zwei Teilen. 1902. Stuttgart, Cotta‘sche Buchhandlung (*).

Gerwins Liebestod. Drama in vier Akten. 1903. Stuttgart, Cotta‘sche Buchhandlung.

Leben und Musik. Roman. 1904. Stuttgart, Cotta‘sche Buchhandlung.

Anna von Ridell. Schauspiel in drei Akten. 1905. Berlin, S. Fischer Verlag.

Wirkung der Frau und andere Novellen. 1908. München. Verlag Georg Müller (*).

Die Prinzessin von Trapezunt. Drama in drei Akten. 1909. München. Georg Müller (*).

Der Statthalter von Seeland. Drama in drei Akten. 1911. Wien, Deutsch-Österreichischer Verlag (*).

Erlebnisse eines Wanderers. Novellen. 1911. Wien, Deutsch-Österreichischer Verlag. Zuletzt (2012) Reprint Nabu-Press (USA).

Der Akt Gerenus und andere Novellen. 1923. Wien, Rikola-Verlag.

Ein fremder Mensch und andere Novellen. 1923. Wien, Rikola-Verlag.

[Mit (*) versehene Werke zuletzt als Reprint bei Pranava-Book, Mumbai, Indien.]

In Anthologien oder Kalendern erschienen Einzelwerke (Auswahl):

Der Hafen (Verflogene Rufe): Neue Freie Presse, 17.4.1897

Unverdutz der Amoride (Verflogene Rufe): Die Zeit, Heft 240, 13.5.1899

Der verflogene Rufe (Verflogene Rufe): Neue Freie Presse, 28.5.1899

Ein Unfall (Arbeiterleben): Arbeiterinnen-Zeitung (Wien), 20.8.1899

Ein Streber (Realistische Erzählungen): Die Gleichheit (Berlin), 6.5.1903

Ein Streber (Realistische Erzählungen): Arbeiterwille (Graz), 19.9.1909

Eusebius (Die Wirkung der Frau): Neue Rundschau (Berlin), 1. Jan.-Heft 1905

Die Schlacht von Sempas (Realistische Erzählungen): Vorwärts (Berlin), 7.1.1909

Die Schlacht von Sempach (Realistische Erzählungen): Arbeiterwille (Graz), 19.9.1909

Die vier Gewinner (Realistische Erzählungen): Arbeiterwille (Graz), 16.7.1910

Die Nuß (Erlebnisse eines Wanderers): Arbeiterwille (Graz), 25.3.1924

B.

Aus dem Nachlass Philipp Langmann in der Wienbibliothek im Rathaus der Stadt Wien

Volksstück in 4 Szenen: Tini Taferner

Inventarnummer 58142

238 Blatt, handschriftlich, einseitig beschrieben. Vom Autor nummeriert von 1 - 203, Titelblatt, Widmung, Personenverzeichnis unnummeriert, mehrere Doppelzählungen.)

Volksstück in 4 Akten: Tini Taferner

Inventarnummer 58157

(95 Blatt, maschinenschriftlich. Unvollständige (ohne Schlussszene) und an mehreren Stellen geänderte Abschrift des Manuskriptes, Nummerierung aktweise.)

Unverdutz - Ein neues Bild der Welt

Inventarnummer 58171

(271 Blatt, einseitig beschrieben. 2 Titelblätter, ein Inhaltsverzeichnis, maschinenschriftlicher Text durchnummeriert bis 213, mehrere Doppelzählungen; an den maschinenschriftlichen Teil folgend durchnummerierter (Seite 1 - 35) handschriftlicher Text.)

Verzeichnis von gedruckten und ungedruckten Werken

Inventarnummer 58291

(1 Blatt, handschriftlich)

[Ergänzungen/Erläuterungen in kursiv ]

„Zum Druck fertig liegen vor:

1) Tini Taferner, prolet. Drama, ungedruckt

[Volksstück in 4 Szenen, zwei Fassungen. Inventar-Nrn. 58142 (handschriftl.) und 58157 (Typoskript). - Offenbar hat Langmann das Drama an Hugo Thimig (*1854, 1912 -1917 Direktor am Burgtheater) gesandt, da von diesem ein vom 25.4.1916 datierter Antwortbrief vorliegt („habe ich mit großem artistischen Interesse gelesen“), Inventar-Nr. 58396.]

2) Betti Macker, prolet. Drama, ungedruckt

[Drama in vier Akten, fertig wahrscheinl. 1920, zwei Fassungen, Inventar-Nrn. 57916 (handschriftl.) und 58155 (Typoskript).]

3) Akton und Alta, Stildrama, ungedruckt

[Drama in vier Akten, fertig wahrscheinl. Anfang 1920, zwei Fassungen. Inventar-Nrn. 58166 (handschriftl.) und 58165 (maschinenschriftl.).]

4) Unferdutz, Weltanschauungsbuch, ungedruckt

[Neben zahlreichen Fragmenten, von denen fünf zuletzt 1911 in Erlebnisse eines Wanderers‘ abgedruckt sind, enthält der Nachlass unter der Inventar-Nr. 58171 die maschinenschriftl. Fassung des Romans ,Unferdutz - ein neues Bild der Welt‘, den Langmann Ende 1928 vergeblich dem Cotta-Verlag zum Druck angeboten hat.]

5) Gedichte, ungedruckt

[Neben zahlreichen Einzelblättern enthält der Nachlass drei Zusammenstellungen: Inventar-Nr. 58152 ,110 Gedichte für Inhaltsverzeichnis und Titelblatt‘, Inventar-Nr. 58288 ,Neue Gedichte‘, Inventar-Nr. 58424 ,Gedichte‘. Eine dieser Zusammenstellungen (,ein Bändchen Gedichte‘) hat Langmann zusammen mit ,Unferdutz‘ vergeblich dem Cotta-Verlag zum Druck angeboten.]

6) Bartel Turaser, vergriffen, gedruckt

7) Leben und Musik, vergriffen, gedruckt

8) Neuer Roman, bürgerlich, ungeschrieben.

[Im Nachlass befinden sich mehrere nur wenige Blatt umfassende und undatierte Romanfragmente, u.a. Inventar-Nr. 58420 ,Der Proletarierroman‘ (,Motive zu einem Roman‘), Inventar-Nr. 58419 ,Der glückliche Dietmar‘, Inventar-Nr. 58440 ,8. Kapitel eines unbekannten Romans‘ (,Herr Wegreich war in den letzten Wochen‘); außerdem ein ausgeführter Roman ,Die Familie Hubbenet‘ (Inventar-Nr. 58140 - Typoskript‘), bzw. ,Die Familie Hübbenet‘ (Inventar-Nr. 58170 - handschriftl.). Riedl (S.8) bezieht die Langmannsche Notiz auf ,Die Familie Hubbenet‘ („konnte er wohl vollenden, aber nicht veröffentlichen“).]

9) Zwei Bände Novellen des Inhalts:

1) Clematis bürgerl. ungedr.

2) Zaunkönig " "

3) Aufruhr

4) Gygäa

‘1

Stil

‘1

‘1

5) Ledige Mütter

bürgerl.

‘1

6) Abend

Stil

‘1

7) Kleomenes

‘1

‘1

8) Bäume

Natur

‘1

9) Uhr

bürgerl.

‘1

10) Anton von Lerda

Stil

‘1

11) Stilleben

bürgerl.

‘1

12) Unfall

prolet.

gedruckt

13) Ballade

Stil

‘1

14) Streber

prolet.

‘1

15) Arianne

bürgerl.

‘1

16) Alte Häuser

prolet.

‘1

17) Kampf m. d. Dr.

bürgerl.

‘1

18) Junger Mann

‘1

‘1

19) Improvisator

‘1

‘1

20) Ehepaar Hochn

‘1

ungedr.

21) Hafen

prolet.

gedr.

22) Brücke

‘1

‘1

23) Schneekind

Stil

‘1

24) Versorgt

prolet.

‘1

Im ganzen 12 ungedruckte, 12 gedruckte, 6 proletarische Novellen darunter.“

Notizbuch mit literarischen und tagebuchmäßigen Notizen, begonnen am 1. August 1922 Inventarnummer 58948

(112 Blatt, unpaginiert, davon beschrieben 86 Blatt vorderseitig und rückseitig, in drei ,Themenblöcken‘: bis S. 10 Haushaltsnotizen, S. 23 bis 94 literarische Notizen, nicht chronologisch datiert, ab S. 99 vorwiegend Adressen. Bis auf wenige kurze Notizen geführt mit Bleistift.)

Auf S. 28 zwei Listen mit nummerierten Titeln (erstellt zwischen dem 17.9. und dem 27.9.1922).

Von der ersten Liste, überschrieben „Vorschlag“ sind alle 18 Titel in die beiden Sammlungen ,Ein fremder Mensch‘ und ,Der Akt Gerenus‘ übernommen worden.

In der zweiten Liste, überschrieben „Rest“, mit 28 Titeln sind nur 4 in die genannten Sammlungen übernommen worden. Einige der hier nicht übernommenen Titel tauchen in der oben genannten Liste als ,ungedruckt‘ auf, andere sind schon in früheren Sammlungen gedruckt worden.

Auf S. 36 unter der Überschrift „Zerrbild“ eine nach Jahreszahlen sortierte Auflistung aller bisher erschienenen Bücher, einschl. ,Gerenus‘ und ,Fremder Mensch‘.

Auf den Seiten 40 u. 41 die Gliederung der beiden Sammlungen ,Gerenus‘ und ,Fremder Mensch‘, überschreiben mit römisch „I.“ und „II.“.

Auf der Seite 35 eine weitere mit römisch „III.“ überschriebene Liste mit 9 Titeln; allerdings ist die Schrift schon so verblichen, dass der Titel der Zusammenstellung nicht mehr lesbar ist; lediglich einige Einzeltitel können noch erkannt werden, darunter auch als ,ungedruckt‘ bezeichnete Titel aus der o.g. Liste. Ob diese Liste sich auf einen weiteren vom Rikola-Verlag herauszugebenden Sammelband bezieht, kann hier nur vermutet werden. Wenn ja, dann hat sich das mit der auf S. 78 notierten Kalkulation des Rikola-Verlages erledigt.

Auf S. 46 eine weitere Liste mit Titeln, die z.T. in der o.g. Liste als ,ungedruckt‘ aufgeführt sind.

Seite 76 (ohne Datum): „Neue Ungedruckte:

Clematis

Ledige Mütter [beide Titel im Original unterstrichen]

Bär

Ehepaar Hochn Gygäa Kleomenes Der Zaunkönig Stilleben

Aufruhr

Der Büßer

Bäume

Abend

Neid“

Auf S. 77 notiert Langmann unter dem Datum 2.4.1926 (Anlass wahrscheinlich die geplante Wiener Theater- und Musikausstellung, u.a. mit einer Theaterausstellung im Historischen Museum Wien, siehe z.B. 25.6.1924 ,Neues Wiener Journal‘):

„Städtische Sammlungen in Wien übergeben:

1) Leute von Landeck. Abschrift.

[Wahrsch. Inventar-Nr. 58147: 77 Blatt, Manuskript von fremder Hand. Daneben aber weitere Fassungen: Inventar-Nr. 58421, handschriftl. Fragment, datiert mit 2.2.1902; Inventar-Nr. 37561 als „Drama in 3 Akten, handschriftl. 150 Blatt; Inventar-Nr. 58146, ebenfalls „Drama in 3 Akten“, handschriftl. 87 Bl.; Inventar-Nr. 58238 als „neue Fassung: Drama in 3 Akten“, handschriftl. 174 Blatt, datiert auf 24.9.1900.]

2) Alexis von Korinth. Original.

[Inventar-Nr. 37558, 46 Blatt, Manuskript]

3) Einsebins. Original.

[Identisch mit „Eusebius“ in „Wirkung der Frau“. Inventar-Nr. 37559, handschriftl. 55 Blatt, datiert auf 10.9.1904.]

4) Prinzessin von Trapezunt. Abschrift.

[Im Nachlass drei handschriftl. Fassungen von Langmann.]

5) Leben und Musik. Original.

[Im Nachlass nur ein handschriftliches Original im Umfang von lediglich 126 Blatt), Inventar-Nr. 37562.]

6) Statthalter von Seeland. Original.“

[Im Nachlass Inventar-Nr. 57917 (handschriftl.), 128 Blatt; Inventar-Nr. 58159 (Typoskript, maschinenschriftl.), 71 Blatt;

Inventar-Nr. 37560 unter dem Titel „Der Statthalter von Seeland: Drama in 3 Akten und 1 Zwischenakt“ (handschriftl.), 209 Blatt, paginiert auf 186 Seiten.]

Tagebuchnotizen vom November 1893 bis Dezember 1894

Inventarnummer 58310

(56 Blatt, Einzelzettel)

Brief Otto Brahm an Philipp Langmann (21.2.1901)

Inventarnummer 58104

(2 Blatt, 3 beschriebene Seiten, handschriftlich)

Brief Otto Brahm an Philipp Langmann (29.12.1902)

Inventarnummer 58106

(2 Blatt, 3 beschriebene Seiten, handschriftlich)

Brief Otto Brahm an Philipp Langmann (8.5.1907)

Inventarnummer 58395

(2 Blatt, einseitig beschrieben, handschriftliche Anmerkung von P. Langmann.)

Briefe J. G. Cotta‘sche Buchhandlung an Philipp Langmann

Inventarnummer 58386

(57 Briefe mit insgesamt 127 Blatt. Zeitraum: 10.1.1898 bis 29.12.1906.

Enthalten darin ebenfalls die jährlichen Absatzberichte an Langmann; diese sind doppelseitig beschrieben, so dass die Inventarnummer insgesamt 154 Text-Seiten umfasst.) [Über die Korrespondenz Langmann - Cotta informiert der im Cotta-Verlag-Nachlass im Marbacher Literaturarchiv vorhandene ,Rotulus‘ des Schriftverkehrs zwischen Dezember 1897 und Dezember 1922 mit insgesamt 208 Einträgen.]

Brief J. G. Cotta‘sche Buchhandlung an Philipp Langmann (10.12.1928)

Inventarnummer 58465

(1 Blatt, maschinenschriftlich)

Inhalt: Ablehnung des Angebotes, den Roman ,Unverdutz‘ zu veröffentlichen.)

Brief des Bühnenverlages Ahn & Simrock an Philipp Langmann. (5.2.1929) Inventarnummer 58473

(1 Seite, maschinenschriftlich)

Allgemein gehaltenes Akquiseschreiben der Filmabteilung.

Entwurf einer Antwort an Ahn & Simrock (22.2.1929)

Inventarnummer 58871

(2 Blätter, einseitig beschrieben, handschriftlich)

[Langmann bedankt sich für das Angebot, sieht nur ,Bartel Turaser‘ als verfilmbar, teilt mit, dass alle Filmrecht bei Felix Bloch Erben liegen, dass bisher noch kein Angebot vorliege. Da die Gründe dafür aber offenbar außerkünstliche seien, sieht er keinen Sinn darin, die Rechte auf Ahn & Simrock zu übertragen, es stehe Ahn & Simrock jedoch frei, eine Verfilmung in die Wege zu leiten.]

C.

Aus der Korrespondenz mit Hugo Thimig:

Brief Philip Langmann an Hugo Thimig (28.3.1916)

Nachlass Hugo Thimig im Theatermuseum Wien, Archiv-Nr. HS_AM65513Th (2 Blatt, 2 Seiten, handschriftlich)

Brief Hugo Thimig an Phillip Langmann (30.3.1916)

Nachlass Langmann, Inventar-Nr. 58323 (1 Blatt, maschinenschriftlich)

Brief Philipp Langmann an Hugo Thimig (31.3.1916)

Nachlass Thimig, Archiv-Nr. HS_AM65514Th (2 Blatt, 4 Seiten, handschriftlich)

Brief Hugo Thimig an Phillip Langmann (4.4.1916)

Nachlass Langmann, Inventar-Nr. 58322 (1 Blatt, maschinenschriftlich)

Brief Hugo Thimig an Phillip Langmann (25.4.1916)

Nachlass Langmann Inventar-Nr. 58396 (1 Blatt, maschinenschriftlich)

Brief Hugo Thimig an Phillip Langmann (10.5.1916)

Nachlass Langmann, Inventar-Nr. 58324 (1 Blatt, maschinenschriftlich)

D.

Literatur über Philipp Langmann

Bendiener Oskar: Ein Österreicherschicksal. In: Der Tag (Wien), 5.11.1924.

Lemmermayer, Fritz: Philipp Langmann. In: Das Literarische Echo (Wien), 5. Jg., 1902/03, Heft 19, Juli 1903.

Pavla Pavisova: Das novellistische Spätwerk Philipp Langmanns. Diplomarbeit Universität Olomouc. Prag 2002 (liegt nur tschechisch vor).

Podotzky, Dr.phil. Hans: Die Politik und die Dichtung. Band 46 der ,Berner Studien zur Philosophie und ihrer Geschichte‘. Bern 1906.

Wiener Portraits, Folge 174: Philipp Langmann. In: Neues Wiener Journal, 22.10.1905. Riedl, Renate: Philipp Langmann. Leben und Werk. Diss. phil. Wien 1947.

Scherlag, M.: Philipp Langmann. Ein Beitrag zur jüdischen Kunst. In: Jüdisches Wochenblatt (Wien), 7.2.1902.

Schick, Eugen: Die Mährische Moderne. In: Zeitschrift des Deutschen Vereins für die Geschichte Mährens und Schlesiens‘ (Hrsg. Dr. Karl Schober). Brünn 1906.

Stampfer, Friedrich: Philipp Langmann. In: Die Neue Zeit, Jg. 21, 1902/03, Bd. 1, Heft 7

Ströbel, H.: Proletarier in der modernen Dichtung. In: Die neue Zeit, Jg. 18, 1899-1900, Bd.1, Heft 10)

Vesely, Jiri: Es gibt nur eine Kunst, und diese ist realistisch.‘ Philipp Langmann, der mährische Gerhart Hauptmann. In: Acta universitatis Caolinae. Germanistica Pragensia IX (1984).

E.

Übergreifende literaturwissenschaftliche Werke und Aufsätze:

Arnold, Prof. Robert: Das Moderne Drama. Zwölf Vorlesungen zum modernen deutschen Drama. Straßburg 1908.

Bartels, Adolf: Die deutsche Dichtung der Gegenwart. Leipzig 1903 (5. verb. Aufl.).

Deutsche Bühnen-Genossenschaft - Offizielles Organ der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger. Erscheinungsort: Berlin. 1872 (als: Allgemeiner deutscher Bühnen-Congreß, ab 1888: Dramaturgische Blätter und Bühnen-Rundschau) bis 1909. Erscheinungsweise unterschiedlich, in den 1890-er Jahren wöchentlich. Ab 1909 als ,Der neue Weg: Zeitschrift für das deutsche Theater; amtliches Organ der Genossenschaft der Deutschen Bühnenangehörigen. Eingestellt 1912.

Deutscher Bühnenspielplan, hrsg. bei: Neuer Theater-Verlag, mit Unterstützung des Deutschen Bühnenvereins. Erscheinungsort Berlin. 1896 - 1943. Anfangs jährlich im Monat September, ab 1910 monatlich mit Jahrgangszählung zum September. Seit 1954 als: Der Spielplan der deutschen Bühnen. Erscheinungsort: Kassel.

Epstein. Max: Das Theater als Geschäft. Berlin 1911. Neudruck mit einem Nachwort von Peter L.H. Schwenkow Berlin 1996 (= Berliner Texte. Neue Folge. Band 13).

Fontana, Oskar Maurus: Volkstheater Wien (Deutsches Volkstheater). Weg und Entwicklung 1889 bis 1964. Wien 1964

Franz, Rolf: Kritiken und Gedanken über das Drama. München 1915.

Glossy, Karl: Vierzig Jahre Deutsches Volkstheaters. Ein Beitrag zur deutschen Theatergeschichte. Wien 1930

Goedeking, Friedrich: Die Provinz als Kulturlandschaft. - Deutschsprachige Autoren im mährischen Kuhländchen von 1530 bis 1939. Dissertation Universität Olomouc 2011.

Gruber-Hauck, Susanne: Das Wiener Volkstheater zwischen 1889 und 1987 im gesellschaftlichen Kontext. Dipl.-Arbeit, Universität Wien 2008.

Hadamowsky, Franz (Hrsg.): Hugo Thimig erzählt von seinem Leben und dem Theater seiner Zeit. Ausgewählte Briefe und Tagebuchnotizen. Graz, Köln 1962

Hahnl, Hans Heinz: Hofräte - Revoluzzer - Hungerleider. Vierzig verschollene österreichische Literaten. Wien 1990 (Edition Atelier im Wiener Journal- Zeitschriften-Verlag).

Handbuch der deutschen Literatur Prags und der Böhmischen Länder. Hrsg.: Peter Becher, Steffen Höhne, Jörg Krappmann, Manfred Weinberg. Stuttgart 2017.

Hein, Jürgen: Das Wiener Volkstheater. Darmstadt 1997 (3.Aufl.)

Hoefert, Sigfrid: Das Drama des Naturalismus. Stuttgart 1968 (= Sammlung Metzler 75)

Innerhofer, Roland; Strigl, Daniela (Hrsg.): Sonderweg in Schwarzgelb? Auf der Suche nach einem österreichischen Naturalismus in der Literatur, Innsbruck 2016.

Klotz, Volker: Bürgerliches Lachtheater‘. Heidelberg 2007 (4. erw. Auflage).

Kniffler, Carter: Die ‘sozialen Dramen‘ der achtziger und neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts und der Sozialismus. Diss. Phil. Univ. Frankfurt/Main 1929.

Krappmann, Jörg: Allerhand Übergänge. Interkulturelle Analysen der regionalen Literatur in Böhmen und Mähren sowie der deutschen Literatur in Prag (1890 - 1918). Bielefeld 2013.

100 Jahre sozialistische Kulturbewegung. In: Neue Zeit (Wien), 8.12.1945

Kummer, Friedrich: Deutsche Literaturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Dresden 1922

Die literarische Landkarte deutschmährischer Autoren. Kollektivwerk des Teams der Arbeitsstelle für deutschmährische Literatur / des Österreich-Zentrums der Palacky-Universität in Olomouc. Olomouc 2019

Die literarische Moderne. Dokumente zum Selbstverständnis der Literatur um die Jahrhundertwende. Hrsg. Gotthart Wunberg, Frankfurt/Main 1971.

Marshall, Alan: The German Naturalists and Gerhart Hauptmann: Reception and Influence. Frankfurt/Main 1982.

Neuer Theater-Almanach - Theatergeschichtliches Jahr- und Adressenbuch. Hrsg. von der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger. Erscheinungsweise jährlich, 1890 - 1914, Erscheinungsort Berlin. Seit 1915: Deutsches Bühnenjahrbuch: das große Adressbuch für Bühne, Film, Funk u. Fernsehen. Hrsg. von d. Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger

Rezension zu: Sonderweg in Schwarzgelb? Auf der Suche nach einem österreichischen Naturalismus in der Literatur. Hrsg.: Roland Innerhofer, Daniela Strigl. Innsbruck 2016. In: Mitteilungen des Brenner-Archivs, 2016, Nr. 35

Die soziale Frage auf der Bühne. Vortrag in der Grazer Vorlesehalle. Abdruck in: Grazer Volksblatt, 3.4./4.4.1903

Spiel-Verzeichnisse der deutschen Bühnen - Beilage zur Deutschen Bühnengenossenschaft. Erscheint in Berlin 1888 - 1913. Beilage zu ,Deutsche Bühnen-Genossenschaft - Offizielles Organ der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger‘ ‘ deutsche Erstmals 1888. Erscheinungsweise in den 1890-er Jahren wöchentlich.

Steinhauser, Dr. Robert: Das Deutsche Volkstheater in Wien 1889 - 1899. Denkschrift zum zehnjährigen Bestehen. Wien 1899

Stöckmann, Ingo: Lehrbuch Germanistik: Naturalismus. Stuttgart, Weimar 2011 (Metzler­Verlag).

Teichgräber, Axel: Das Deutsche Volkstheater und sein Publikum: Wien 1889 bis 1964. Ein theaterwissenschaftlicher Beitrag zur Morphologie des Publikums anhand der Spielplananalyse eines kontinuierlich geführten Wiener Theaters. Diss. Univ. Wien 1965

Tyrolt, Rudolf: Aus dem Tagebuches eines Wiener Schauspielers 1848 - 1902. Erinnerungen und Betrachtungen. Wien, Leipzig 1904

Vajbar, Daniel: Deutschmährische Autoren in deutschen Literaturgeschichten von 1880 - 1920, Diplomarbeit Universität Olomouc 2009.

100 Jahre Volkstheater. Theater. Zeit. Geschichte. Hrsg. im Auftrag des Volkstheaters von Evelyn Schreiner. Wien München 1989

Die Wiener Moderne - Literatur, Kunst und Musik zwischen 1890 und 1910. Hrsg. Gotthard Wunberg, Johannes J. Braakenburg. Stuttgart (Reclam) 1981.

Anmerkungen zu den folgenden Tabellen:

Tabelle 1 gibt einen Überblick über die vom Cotta-Verlag jährlich übermittelten Verkaufszahlen und die daraus folgenden Tantiemen 1901 - 1905.

Tabelle 2 gibt (alphabetisch noch Orten, bzw. Theatern) einen Überblick über die Aufführungen des ,Bartel Turaser‘.

Tabelle 3 gibt einen Überblich über die Aufführungen von

,Die vier Gewinner‘, ,Gertrud Antleß‘, ,Korporal Stöhr‘, ,Die Herzmarke‘.

Der überwiegende Anteil der Aufführungsdaten ist den Zeitschriften ,Deutscher Bühnenspielplan‘1 und ,Deutsche Bühnengenossenschaft‘2 entnommen, endend jedoch mit der Saison 1912/13. Einige spätere Aufführungen wurden ebenso wie andere Aufführungen im genannten Hauptaufführungszeitraum - häufig zufällig - Tageszeitungen entnommen, darunter zahlreiche in den o.g. Periodika nicht notierte Gastspiele auf kleinstädtischen Bühnen, dann vor allem Aufführungen zahlreicher kleinerer (kleinstädtischer) Bühnen, sowie Aufführungen oder szenische Lesungen von Arbeiter- oder Laienbühnen oder literarischer Gesellschaften.

Außerdem ist bei allen Zahlen zu beachten, „dass etwa ein Drittel der deutschen Theater sowie die Wanderbühnen sich nicht an dem vom Deutschen Bühnenverein initiierten und der Statistik zugrundeliegenden Programmaustausch beteiligte“, urteilt Philipp Böttcher in seinem Werk „Gustav Freytag - Konstellationen des Realismus“.3

Die Daten geben also eher die Mindestanzahl der Inszenierungen und Aufführungen wieder.

Die Aufführungsdaten zu ,Bartel Turaser‘ geben keinen Überblick über die Anzahl der ^Inszenierungen‘; anhand der vorliegenden Daten ist in der Regel nicht zu unterscheiden, ob es sich nach einer zwei oder mehr Spielzeiten dauernden Pause an einem Theater um eine ,Neuinszenierung‘ oder nur einer /Wiederaufnahme‘ handelt.

Tabelle 4 beinhaltet nur die Aufführungen des ,Bartel Turaser‘; sie ist chronologisch nach Erstaufführungsdatum sortiert.

Tabelle 1

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 4

Kapitel 2

Rezensionen zum Werk Zeitungsmeldungen zum Leben des Dichters

Mehrere Vorbemerkungen sind vorweg zu machen:

Erstens: Rechtschreibung und Zeichensetzung der wiedergegebenen Zeitungs- und Zeitschriftentexte wurden weitgehend, aber nicht durchgehend modernisiert; unter anderem wurden auch unterschiedliche Schreibweisen wie: ‘Strike‘ - ,Streik‘, bzw. ,striken‘ - ,streiken‘ beibehalten; auch in einigen anderen Fälle wurden (nach heutigem Duden) nicht mehr gebräuchliche Schreibweisen beibehalten (z.B. statt Binnen-,k‘ statt

Binnen-,c‘, Binnen-,z‘ statt Binnen-,c‘, Einfügen des Dehnungs-,e‘ wie bei ,..iert‘ statt ,...irt‘, u.a.).

Daneben wurden offensichtliche Fehler in der Schreibung der Namen (am häufigsten die diversen Varianten zu ,Kleppl‘ im ,Bartel Turaser‘, daneben zahlreiche Fehler in den folgenden Dramen) und von Ortsbezeichnungen stillschweigend korrigiert. Inhaltliche Fehler dagegen wurden i.d.R. belassen, da ihre Korrektur das Verständnis des Textes verfälschen würde; nur in wenigen Fällen wird in einer Fußnote darauf hingewiesen.

Vor allen diese beiden letztgenannten Fehler weisen einmal auf eine oberflächliche oder desinteressierte Lektüre des jeweiligen besprochenen Werkes hin, zum anderen aber auch auf die nicht zu verleugnenden Probleme des ,nächtlichen Rezensententums‘1, möglichst noch in der Morgenausgabe eine Rezension einer Aufführung des Vorabends bringen zu wollen.

Zweitens: Die früheren österreichischen, deutschen, böhmisch-mährischen, schlesischen, preußischen und pommerschen Ortsbezeichnungen wurden durchweg beibehalten, auch nicht durch die zeitgemäßen tschechischen, polnischen, slowenischen und italienischen Bezeichnungen ergänzt, bzw. in einzelnen Fällen nur dort ergänzt, wo die alte Ortsbezeichnung nur noch Historikern oder Kartographen bekannt ist (Cilli / Celje), oder wo Verwechslungen möglich sind (Marburg / Maribor). Dass damit kein politisches Statement verbunden ist, soll und muss hier, um allen Missverständnissen aus dem Wege zu gehen, explizit formuliert werden.

Drittens: Ich habe bei der Wiedergabe der Texte weder versucht, Vollständigkeit herzustellen, noch auf repräsentative oder , wichtige‘ Texte zu reduzieren; lediglich die kleineren Kurz-Nachrichten / Meldungen wurden weitgehend weggelassen. Deshalb mag es so vorkommen, als würden sich Aufführungskritiken oder Buchbesprechungen wiederholen. Tatsächlich ist es so, dass nach jeder Erstaufführung in einer Stadt eine der regionalen Zeitungen eine mehr oder weniger ausführliche Inhaltsangabe und redaktionseigene Interpretation des Stückes bringt; eine für den Leser des 21. Jahrhundert vielleicht seltsame, für die elektronische-Medien-freien 1890-er und 1900-er Jahre allerdings eine selbstverständliche Normalität.

Wichtig schien mir, möglichst viele Besprechungen der beiden Uraufführungen des ,Bartel Turaser‘ in Wien und Berlin wiederzugeben; dazu gehören m.E. auch einige Texte, die (auf Langmann und ,Bartel Turaser‘ Bezug nehmend) das Verhältnis /Theater - Publikum - Autor‘ behandeln, bzw. sich zum ,Arbeiterdrama‘ äußern.

Ansonsten und darüber hinaus ist die Anzahl der Texte eher durch die Möglichkeit begrenzt, auf sie (digital oder körperlich) ohne großen Reiseaufwand zuzugreifen.

Viertens: Was die Online-Recherche betrifft, so bleibt einfach festzuhalten, dass die bundesdeutschen Zeitungsinformationssysteme gegenüber dem österreichischen Portal ANNO erheblich abfallen. Das gilt bisher auch noch für das im Aufbau befindliche ,Zeitungsportal NRW‘ und für die meisten universitären Portale, etwa der Universitäten Hamburg, München, Darmstadt oder Dresden. Man muss einfach konstatieren, dass die Suchfunktionen (soweit überhaupt vorhanden) in allen bundesdeutschen Zeitungs- /Zeitschriften-Online-Datenbanken (Soweit selbst in den z.T. in ganz schlechter Digitalisatqualität - wohlgemerkt: nicht die Vorlage hat eine schlechte Papierqualität, sondern das Digitalisat ist schlecht! - vorliegenden über einhundert Jahre alten Zeitungen überhaupt kostenfrei recherchiert werden darf.) sehr ausbaubedürftig sind, und je mehr Frakturschrift durchsucht werden muss (was bei alten Zeitungen und Zeitschriften der Normalfall ist), desto schlechter sind die Suchergebnisse. Als ob die österreichische Plattform ANNO nicht zeigen würde, was alles möglich ist.

Insofern ist der hier vorliegende Textumfang einerseits erstaunlich, andererseits aber immer noch lückenhaft.

Fünftens: Soweit als möglich bedanke ich mich bei allen Mitarbeiter*n/innen aller Bibliotheken, die mir beim Auffinden von Nicht-Online-Quellen geholfen haben, bzw. geduldig meine Ausleih- und Kopierwünsche bearbeitet haben, insbesondere bei den Mitarbeiter*n/innen der Wienbibliothek, die die vorgegebener Kopierobergrenzen während der pandemiebedingten Schließung der Handschriftenabteilung sehr großzügig ausgelegt haben: - in sehr erfreulichem Gegensatz zu dem bürokratischen Getue mehrerer bundesdeutscher Archive und Universitäten.

Die Anordnung der Texte erfolgt im Grunde der Chronologie des Erscheinens der Werke Philipp Langmanns.

Die Gliederung zu ,Bartel Turaser‘ folgt im Detail den Aufführungsterminen:

Zunächst Besprechungen, die vor der Uraufführung erschienen sind; dann die Rezensionen der Uraufführungen in Wien und Berlin; diesen Texten chronologisch folgend die Rezensionen der Aufführungen im habsburgischen Österreich-Ungarn und der Aufführungen im Deutschen Reich bzw. der Schweiz; Rezensionen im darüberhinausgehenden nichtdeutschen Sprachraum konnten nur in wenigen Fällen ermittelt werden, dort werden auch nur (bis auf eine Ausnahme) die deutschsprachigen Rezensionen wiedergegeben.

Lediglich bei den Prosawerken wurde versucht eine zeitliche Zusammenfassung vorzunehmen: Besprechungen der Prosawerke, die vor dem 1. Weltkrieg erschienen sind, und der Prosawerke, die nach dem 1. Weltkrieg erschienen sind.

Verschiedene Zeitungsmeldungen mit persönlichem, resp. biografischem Hintergrund wurden zu einem Kapitel zusammengefasst; ebenso sind (ausgewählte) Nachrufe in einem eigenständigen Kapitel dargestellt.

Stellte man einen tabellarischen Überblick aller die Zeitungsmeldungen, Aufführungskritiken und Buchrezensionen zusammen, so verwunderte es sicher nicht, wenn an den obersten Stelle die österreichischen, und dort vor allem die in Wien erscheinenden Zeitungen und Magazine ständen, zweitens verwunderte es auch nicht, dass nahezu alle deutschsprachigen habsburger Zeitungen der Uraufführung sowie der regionalen Aufführung des ,Bartel Turaser‘ zum Teil ausgiebige Besprechungen widmen, weshalb die Mehrzahl der hier dokumentierten Texte aus der Uraufführungssaison 1897/98 des ,Bartel Turaser‘ und der Folgesaison 1898/99 stammen, drittens verwunderte es vielleicht, dass als einzige reichsdeutsche Zeitung die in München erscheinende ,Allgemeine Zeitung‘ dem Drama mehr als nur eine Uraufführungskritik widmet, viertens schließlich fiele auf, dass im Jahr 1927 mit der Wiederaufnahme des ,Bartel Turaser‘ durch die Exl- Schauspieltruppe in Innsbruck und in Wien erneut österreichweit der ,Bartel Turaser‘ besprochen wird, und es verwunderte sicherlich sechstens auch nicht, dass die weiteren Schauspiele Philipp Langmanns vorwiegend in den deutschsprachigen habsburger Zeitungen besprochen werden - oder auch ignoriert werden.

Allein für die Spielzeiten 1897/98 und 1898/99 lassen sich 65 deutschsprachige Tages- und Wochenzeitungen bzw. Magazine feststellen, die z.T. mehrmals Artikel über den ,Bartel Turaser‘ veröffentlichen.

2.1. Frühe Prosa (bis 1914)

2.1.1 Arbeiterleben (1893)

Die Grenzboten, 1895, 54. Jg., 1. Vj.

„Neue Novellen.

... Die Sammlung , Arbeiterleben‘ von Philipp Langmann (Leipzig, Wilhelm Friedrich) verzichtet wenigstens auf die Parteiphrase und den Donner der Zeitungsrhetorik, aber das Grauen und das Elend, die schlimmsten Möglichkeiten im Arbeiterdasein, werden auch hier dargestellt. Und zwar mit der grausamen Deutlichkeit, dem Ausmalen der Begleitumstände, dem unheimlichen Nachahmen grauenvoller Laute, die diese modernsten Erzählungen zu einer Art von Gespenstergeschichtengestalten. Ein frischer Bube vom Lande, der in der Fabrik arbeitet, wird fünf Minuten, nachdem er mit lüsternem Behagen seinen letzten Sonntagsmohnkuchen verspeist hat, von der Rotationsmaschine erfasst, zermalmt, man hört die Knochen zerbrechen, den Kopf an die Decke schlagen. Eine Dirne, die ihren Liebsten zum Diebstahl angeleitet hat, stürzt sich, als man sie verhindern will, mit dem aus dem Zuchthaus Zurückgekehrten wieder anzuknüpfen, verzweifelnd ins Wasser. Ein Arbeiter, der beim nächtlichen Reinigen eines großen Dampfkessels vom Kesselstein seinen Rock im Kessel gelassen hat, schlüpft noch einmal hinein, das Kleidungsstück zu holen, der Gehilfe, der den Deckel über der Kesselöffnung schließt, ist taub, der übermüdete Wächter hat den Eindruck, als ob irgendwo außen ans Fenster geschlagen und was gerufen habe, niemand achtet darauf, der Kessel wird mit heißem Wasser gefüllt, wird angeheizt, ein paar Stunden später fliegt eine Hummel durch den Saal - eine furchtbare Ahnung des wahren Sachverhalts, „gegen zwölf brachte man den Körper ans Licht. Man hatte Mühe." In dieser Weise weiter - kein Mensch kann sagen, dass das alles nicht wahr, nicht möglich sei, nein, es ist so wirklich, als es wirklich ist, dass arme Weiber und Kinder von ihren versoffenen Männern und Vätern dem Hunger preisgegeben werden, aber in der Verwendung all dieser grauenhaften Wirklichkeiten für den bloßen literarischen Effekt, in der Aufputzung solcher Dinge mit Landschaftsstimmungen und mit Wiedergabe der umgebenden Gerüche, in der ganzen Zurechtmachung solcher Dinge für Leser auf dem Sofa liegt ein handgreiflicher Widerspruch. Nicht einmal Mitleid wecken können diese Art Bilder, in denen die Gesichter nicht hervortreten, die keinen Blick in die Seelen der Menschen verstatten, die keinen andern Zweck zu haben scheinen, als den, die sinnlose Grausamkeit des Lebens immer aufs Neue zu betonen. Denn die Maschinen und die Arbeit in ihrer gefährlichen Nähe abzuschaffen, davon hat auch die Sozialdemokratie bisher nichts verlauten lassen, und ein andres Gefühl als das der Gebrechlichkeit des Daseins und der Unzulänglichkeit aller menschlichen Einrichtungen können doch diese Art Schilderungen nicht hervorrufen. ..."

Arbeiter-Zeitung, 27.10.1895

„‘Arbeiterleben.‘ Von Philipp Langmann. Leipzig, Verlag von Wilhelm Friedrich.

Bilder aus dem Arbeiterleben. Die künstlerische Wirkung dieser Skizzen soll eine peinlich genaue Kleinmalerei verbürgen. Aber es geht doch zu weit, wenn ein Vorgang, den wir in einem Augenblick in Ohr und Auge empfangen, wie eine physikalische Erörterung uns in einer endlosen Aneinanderreihung der Details übergeben wird. Langmann ist offenbar ein sehr junger Schriftsteller, der nach seinen Vorbildern in der modernen Literatur noch nicht zurechtkommt. Das verrät auch manches geschmacklose Wort und manches komisch wirkende überflüssige Detail, wie es in den ,veristischen‘ Darstellungen allzu junger Schriftsteller zumeist beihergeht. K.L.“

2.1.2 Realistische Erzählungen (1895)

Karlsruher Zeitung, 22.2.1896

„Neues vom Büchermarkt.

E. Ich habe da ein paar merkwürdige Bücher vor mir liegen. ^Realistische Erzählungen nennt sich das eine, und sein Verfasser ein gewisser Philipp Langmann - ich gestehe ohne jegliche Beschämung, dass mit dieser ,realistische Klassiker‘ annoch eine gänzlich unbekannte Größe ist - hält sich für bemüßigt, diesen seinem neuesten Elaborat ein Geleitwort mit auf den Weg zu geben, in welchem er allerlei von seiner früheren Novellensammlung ,Arbeiterleben‘ von den gewaltigen Evolutionen der Gegenwart und ihrer flachen Literatur-Schablone phantasiert, dieses nicht mehr ganz neue Thema mit allerlei tiefsinnigen Erörterungen glossiert und am Ende sogar mit dem Resultat kommt, dass die ,realistische Kunst‘ - das ist übrigens auch eine merkwürdige Zusammenstellung, Realismus und Kunst - noch lange nicht tot, im Gegenteil recht sehr lebendig sei, und im Laufe der allernächsten Zeit aus ihrer literarischen Jugend in die politzische Mannbarkeit hineinwachsen werde, um dann kraft ihrer stürmenden und drängenden Gewalt das Unterste zu oberst zu kehren, und die Welt dem ewigen Frieden und dem Ausgleich aller Gegensätze entgegenzuführen. Nur ruhiges Blut, Herr Philipp Langmann, etwas weniger Phantasterei, etwas mehr Überlegung, etwas weniger ,Arbeit nach berühmten Mustern‘ und vor allen Dingen etwas mehr Welt- und Menschenkenntnis, und Ihr Erzählertalent, das sich heute freilich noch wie ein junges Füllen gebärdet, welches nach allen Seiten hinausschlägt, und doch froh ist, wenn man ihm ein Zuckerstückchen reicht, wird schon in die richtigen Bahnen und auf die passenden Stoffe kommen. Ich möchte die Frage, was denn ‘Realismus‘ eigentlich sei, nicht immer wieder aufwärmen, und dies vor allen Dingen nicht auf Grund von Langmanns Exposé über dieses zeitgemäße Thema tun. Denn gerade sdas, was er das realistische Kolorit seiner Erzählungen nennt, ist ein Schwelgen in unklaren Gefühlen und dämmernden Gedanken, über deren tatsächlichen Gehalt man beim Lesen seiner Skizzen nur schwer ins Reine mit sich kommt. Dazu die immer mehr um sich greifende Methode eines zerhackten und zerstückelten Stiles, und die Gewohnheit mehr mit Gedankenstrichen als mit Gedanken und Worten zu sagen - die Vorliebe für die unerquicklichsten und doch gänzlich uninteressanten Vorkommnisse im Leben - wenn das der realistischen Literatur höchster Schluss sein soll - mir soll‘s recht sein, ich sehe den künftigen Ereignissen dann mit umso größerer Seelenruhe entgegen. .“

Bukowinaer Rundschau, 3.7.1896

„‘Realistische Erzählungen‘. Von Philipp Langmann. Verlag von Robert Friese. Leipzig 1896 Es ist ein gutes Buch, das vor uns liegt. ^Realistische Erzählungen‘ - so ist es betitelt - und was uns der Autor bietet, spricht von dessen großem Talent, das Geschaute treulich wiederzugeben. Die Gestalten, die uns aus dem Rahmen seiner Erzählungen entgegentreten, sind wahr und einfach, lebenskräftig und ursprünglich - ganz so, wie wir sie im Alltagsgetriebe des Lebens zu sehen gewöhnt sind. Doch, dass wir diese Menschen, die ihr mühevolles Tagwerk teils in den verschiedensten Werkstätten der Fabrik, teils in anderen Räumen der Arbeit verrichten, nicht nur nach der Außenseite hin beurteilen dürfen, zeigt uns der Autor, indem er uns in ihre Gedankenwelt einführt, und ihr Sehen und Wünschen vor unserem Auge bloßlegt. Dann freilich flößen uns die handelnden Personen der Erzählungen großes, warmes Interesse ein und wir werden dieses gute Buch aus der Hand legen mit dem Bewusstsein, unsere Menschenkenntnis um ein bedeutendes erweitert zu haben, und dem Vorsatze zugleich, es allen aufs Wärmste zu empfehlen.“

Der Kunstwart, 10. Jg., 1896/97, Heft 10 (2. Februarheft 1897)

„Realistische Erzählungen‘ von Philipp Langmann (Leipzig, Robert Friese) ,Ein junger Mann von 1895 und andere Novellen‘ von Philipp Langmann (ebenda).

Ich hätte große Lust, mit Otto Julius Bierbaum anzubinden. Dieser hat die ^Realistischen Erzählungen‘ in der Wiener ,Zeit‘ besprochen und dabei folgendes von sich gegeben: ,Aber es bleibt bestehen: er ist wirklich ein Dichter. Ich weiß außer ihm keinen, der es in deutscher Sprache so verstünde, Proletarierleben dichterisch zu gestalten und doch (?) Innen- und Außenperspektiven zu geben. Viele, so auch Hauptmann, wirken in der Hauptdache doch durch den Stoff (!), und ihre Erfolge werden mehr durch den Zeitzug sozialen Mitleids als durch innerlich dichterische Qualitäten getragen (!). Bei Langmann geht die Wirkung vom Dichter selber aus, von dieser Art eindringlicher Erfassung des Lebens, die Persönlichkeit verrät, ohne den Tatsachen Zwang anzutun. Leider stört ein gewisser Mangel an Feingefühl für das Sprachliche. Der Künstler ist dem Dichter noch nicht ebenbürtig. Vielleicht ist der martialisch betonte Realist daran schuld, der sich scheut, mit der Sprache allzu fein umzugehen, da das ein Symptom (!) der Symbolisten ist (Aha!). Dies wäre ein Grund mehr, diesem begabten Dichter aufs herzlichste zu raten, er möge den Nun-erst-recht-Realisten in sich ausdrücklichst (!) ausrotten. Hat er dies besorgt, so dürfen wir von ihm wohl das Proletarierdrama großen Stils erhoffen, das uns gerade deshalb fehlt, weil die Leute (Hauptmann!), die derartige Stoffe behandeln, glauben, es ließe sich durch bloße Dokumentenaufreihung leisten.“ Es ist immer die alte Geschichte: taucht irgendwo ein neues Talent auf, so ist immer gleich jemand da, der es gegen andere ältere, die ihm aus irgendeinem Grunde nicht gefallen, oder die er beneidet, ausspielt, seine Bedeutung übertreibt, nur um andere Leute zu ärgern. Es ist immer wahr, dass Hauptmann nur durch den Stoff wirkt und seine Erfolge hauptsächlich dem sozialen Mitleid verdankt; er ist so gut ein Dichter und, wenn man die bisherigen Leistungen vergleicht, ein viel größerer Dichter als Langmann; das Proletarierdrama fehlt uns nicht, und es nichts weniger als bloße Dokumentenaufreihung - die Herren des Symbolismus machen sich einfach lächerlich, wenn sie glauben, die wirkliche Bedeutung Hauptmann, die längst von denen festgestellt ist, die nicht zur Clique gehören, durch kühne Behauptungen hinwegleugnen zu können. Gewiss ist nun auch der Österreicher Philipp Langmann ein echtes Talent, auf das man mit Freuden hinweist; er hat die Kinderkrankheiten des Naturalismus, in denen ihn sein erstes Werk ,Arbeiterleben‘ noch befangen zeigte, glücklich überstanden und eine Reihe novellistischer Skizzen geschaffen, die zu dem besten gehören, was wir der neuen Richtung verdanken, da sie vollständige Beherrschung des Stoffes (wie Bierbaum richtig bemerkt, auch nach der ,Innenseite‘) und weises Maßhalten vereinen. Ob aber Langmann einen Proletarierroman großen Stils, ein Proletarierdrama schaffen kann, das ist noch keineswegs ausgemacht, und daher entfällt der Vergleich mit Hauptmann ohne weiteres. Die den ^Realistischen Erzählungen‘ folgende Veröffentlichung, die Novelle ,Ein junger Mann von 1895‘ zeigt Langmann einstweilen auf den bahnen von - Goethes ,Werther‘, und das gibt mir die Hoffnung, dass er sich weiter entwickeln wird. Vielleicht aber tut er‘s in ganz anderer Richtung, als die Herren, die ihn gegen Hauptmann ausspielen, erwarten.

Adolf Bartels."

Wiener Zeitung (Abendblatt), 26.4.1897

(Sammelrezension)

„. Gar verschiedene Strömungen laufen in unserer vielbewegten Zeit nebeneinanderher und prallen wohl auch aufeinander. Das passiert auf dem Büchertisch wie im Leben. Auch Philipp Langmann behandelt in seinen „Realistischen Erzählungen" ein Thema, das zwar nicht der Neuzeit entstammt, aber erst durch den Geist, der sie durchweht, literaturfähig geworden ist. Schlicht und markig, doch ohne hervortretende Tendenz, entwirft er Bilder aus dem Leben der untersten Volksschichten, vornehmlich jenen der Fabriksarbeiter. Mit vielem Glück und Schick befolgt er die Methodik Zola‘s. Er versteht es, voll in das in gedrängter Lebendigkeit geschilderte Milieu zu versetzen, aus dem die Menschen, die er zeichnet, hervorgehen, das die Situation, in der er sie darstellt, herbeiführt. Man hört den in seiner Monotonie doppelt betäubenden Lärm der unausgesetzt schwirrenden Räder, sieht die Schwungriemen sich bewegen, die jedem, der ihnen zu nahe kommt, Verstümmlung oder den Tod drohen, und atmet hier die dicht mit Staub versetzte, dort mit Feuchtigkeit gesättigte Luft. Und mehr noch: man meint etwas von dem ungeheuren Verbrauch an Menschenkraft zu empfinden, in der Einförmigkeit des anstrengenden Tagewerks, die im Verein mit den Entbehrungen an selbst des Lebens knappster Nothdurft, das Fühlen und Denken dieser rastlos Schaffenden in den engsten Kreis bannt, auf das tiefste Niveau herabstumpft. Eben dadurch, dass der Verfasser sich alles Pathos entschlägt, mit leisem Humor trocken schildert und den einfachen inneren Mechanismus bloßlegt, der seine Gestalten bewegt, wirkt er so eindringlich. Ganz vornehmlich tritt dies in „Die vier Gewinner" und „Ein Streber" hervor. Langmann versteht es trefflich, mit wenigen Strichen zu individualisieren. Jeder seiner Menschen trägt mit dem typischen auch sein ureigenes Lebensgepräge. Ein seltener Vorzug! Wie prächtig ist der alte Hausierer gezeichnet in dem von einem ironisch angehauchten gemütston durchwehten, hochergötzlichen „Versorgt!" Der junge Autor - ein Undefinierbares in den Erzählungen und das Ungeschick der überflüssigen /Widmung‘ weist auch Jugend hin - ist aber nicht nur ein vorzüglicher matter of fact und Lebensschilderer, es wohnt ihm auch ein phantastischer Zug inne, der sehr hübsch in dem originellen „Dreiaug und der Tod" zutage tritt. Er ist offenbar ein Talent, von dem Bedeutendes zu erwarten ist. ."

2.1.3 Ein junger Mann von 1895 (1896)

Arbeiter-Zeitung, 7.9.1896

„‘Ein junger Mann von 1895 und andere Novellen‘ Von Philipp Langmann. Leipzig, Robert Friese.

Langmann zeigt in diesen Novellen einen entschiedenen Fortschritt seiner künstlerischen Ausbildung gegen die im vorigen Jahr von uns besprochenen Novellen, die unter dem Titel ,Arbeiterleben‘ gesammelt waren. Er verrät auch heute eine außergewöhnlich rege Beobachtungsgabe, aber er lässt sich von ihr nicht mehr wie dort zu einer Schilderung verleiten, die in lauter kleine Züge zerfällt, die schließlich in einer klaren Anschauung sich gar nicht mehr zusammenfassen lassen. Am auffälligsten hat sich sein Stil gebessert, verfeinert; der sprachliche Ausdruck ist reicher und biegsamer geworden, um auch den Erfordernissen eines handlungsarmen Seelenromas zu genügen. Aber gerade dieser ,Ein junger Mann von 1895‘ steht sehr unter fremdem Einfluss. Garborgs Gram ist hier Muster gewesen, das zu oft die Individualität des Dichters zurückgedrängt hat. Dagegen ist die erste Novelle, die gleichzeitig in unsrem ,Arbeiterkalender‘ erscheint, ,Tula und der Heimatlose‘, sehr gelungen, und in der dritten Novelle, ,Die Brücke‘ - nach unserer Meinung das beste Stück der Sammlung -, ist die Schilderung des Lebens und Treibens der Markthelfer des Brünner ,Krautmarktes‘ (Platz, wo der Grünmarkt abgehalten wird) geradezu vortrefflich, sowohl was dichterische Widergabe des tatsächlichen als auch was Hervorleitung der Handlungen der Personen aus dem geschilderten gesellschaftlichen Mittel angeht. Diese Novelle erweckt Hoffnungen auf eine schöne Zukunft des Brünner Dichters. K.L.“

Neues Wiener Tagblatt, 20.9.1896

„Ein junger Mann von 1895 und andere Novellen“ von Philipp Langmann. Verlag Robert Friese.

Ein junger talentierter Naturalist, der die Leser zu fesseln weiß und auf Beachtung Anspruch hat. Es zeigt sich in diesen Novellen ein tiefes, wirkungsvolles Eindringen in das Gemütsleben. Der Autor analysiert die feinsten Regungen der menschlichen Seele und frappiert durch tiefsinnige Erfassung der sozialen Lebensverhältnisse. Schade, dass der Stil so weit hinter dem Inhalte zurückbleibt! Ein Poet, der so beobachtet, sollte auch besser schreiben.“

2.1.4 Verflogene Rufe (1899)

Pester Lloyd, 26.11.1899

[Wortgleiche Verlagsanzeige in anderen Tageszeitungen]

„J. G. Cotta‘sche Buchhandlung Nachfolger G.m.b.H. in Stuttgart.

Soeben erschienen:

/Verflogene Rufe‘. Novellen von Philipp Langmann.

Preis geheftet 2 Mark 50 Pf. Elegant gebunden 3 M. 50 Pf.

In den Erzählungen des vorliegenden Bandes gesellt sich zu der gewissenhaften Beobachtung der Wirklichkeit und der treuen feinsinnigen Wiedergabe des geschauten - Eigenschaften des realistischen Künstlers - ein phantastischer Sinn, der allem, auch dem Leblosen, Geist und Leben verleiht, Pflanzen und Tiere mit menschlichem Empfinden und menschlicher Sprache ausstattet, und dem auch ein Flug ins Reich des Visionären nicht zu hoch und gewagt erscheint.

Zu beziehen durch die meisten Buchhandlungen.“

Allgemeine Sportzeitung (Wien), 27.12.1899

„... /Verflogene Rufe‘. Novellen von Philipp Langmann. Stuttgart 1899 (J. G. Cottas Verlag. 2,50 Mark.)

Philipp Langmann, der Autor des ,Bartel Turaser‘, tritt hier mit neun guten Novellen auf. Tiefe Wahrheit liegt in seinen Schriften. Manches ist zwar abstoßend, aber nicht minder wertvoll, so z.B. ,Auf der Flucht‘. Weiters sei noch die Tiergeschichte ,Die Relationen des Herrn Lachnit‘ genannt, in der mit wenigen und einfachen Worten Vieles gesagt wird. ..."

Neues Wiener Journal, 28.12.1899

„Wiener Literatur. .

. Wie J.J. David ein Deutschmährer - allerdings nicht in Wien lebend - ist Philipp Langmann. Wenn er heute hier Raum findet, geschieht es, weil doch sein literarischer Geburtsort, wir erinnern an ,Bartel Turaser‘, Wien ist und weil es ungerecht wäre, an seinem Buche /Verflogene Rufe‘, Novellen (Stuttgart, J.G.Cotta‘sche Buchhandlung Nachf.) vorüberzugehen, wenn der besten aus Deutsch-Österreich gedacht wird. Gewiss, eine volle Befriedigung wird der Leser nach der Lektüre dieser neun Geschichten kaum empfinden. Er wird sich aber lebhafter angeregt fühlen, als von manchem Ausgereifteren. In Philipp Langmann gärt auch ein starkes Erzählertalent, aber er trachtet noch suchend nach der Form. Ihn hemmt in der fließenden Rede die sich überall hervordrängende Reflexion und oft eine gar krause Reflexion. Daneben lässt er sich nicht an schlichten und dafür umso wirkungsvolleren Formen genügen, wie in ,Der Bauer und sein Patron‘, sondern er liebt das Groteske und versucht in einer seltsamen Manier, Tiere und leblose Natur zu beseelen. Es wäre interessant zu erfahren, ob hier nicht Redyard Kipling Gevatter gestanden hat - wir bitten, uns aber nicht misszuverstehen, Langmann ist ein so Starker, dass er sich anlehnen darf, ohne für schwach gehalten zu werden. In einer Geschichte Der verflogene Ruf‘ erzwingt Langmann mit der Belebung des Unbeseelten einen vollen Erfolg, die Geschichte ist eine Perle. ."

Wiener Zeitung, 20.1.1900

„Verflogene Rufe. Novellen von Philipp Langmann. Stuttgart J. G. Cotta‘sche Buchhandlung. Von Friedrich Beck.

Es ist kein Segen für einen Dichter, wenn er nicht allmählich in seinen Ruhm hineinwächst, sondern ihn durch eine plötzlichen Erfolg, gleichsam über Nacht, gewinnt. Er soll dann in dem Ehrenkleide, das ihm der flüchtige Augenschein zugemessen, allen Bewunderern zur Genugtuung einherschreiten. Aber das prunkende zeug sitzt ihm in der Regel schlecht zu Geiste, so dass bald der Unwille über ihn losbricht. Die Leute glauben sich getäuscht und zerren an dem schlotternden Gewande, um es dem Träger zu entreißen, den sie unwürdig wähnen, während er in Wahrheit nur das Opfer ihrer Voreile ist. Aus den überschwänglichen Lobpreisern werden erbitterte Schmäher, die ihren gestürzten Günstling noch tiefer erniedrigen, als sie ihn früher erhöhten. Und schützt er sich nicht mit stählener Kraft, so erliegt er der feindlichen Gesinnung, die ihn ihre eigene Schuld entgelten lässt. Das unbedachte Urteil, das schon so manches hoffnungsvolle Talent auf dem Gewissen hat, bedroht nun seit Kurzem einen der fähigsten Zukunftswerber unter den jüngeren Dichtern Österreichs.

Philipp Langmann hauste unbekannt und ziemlich gering in der mährischen Landeshauptstadt, bis ihn sein Drama ,Bartel Turaser‘ um die Lebensmitte nach Wien brachte. Das zum erstenmale im ,Deutschen Landestheater‘ gespielte Stück erregte geräuschvolles Aufsehen. Die Zeitungen widmeten ihm lange Berichte, aus Bürger- und Arbeiterkreisen drängte man sich zu den Aufführungen, fremdländische Künstler ließen sich das Werk, von der dankbaren Hauptrolle angelockt, in ihre Muttersprache übertragen, kurz, der Name des Verfassers flog überraschend wie eine Leuchtkugel auf. Und doch war der glückliche Wurf noch keine Meisterprobe. Mängel, deren geringstern die ungerechte Strenge den späteren Arbeiten Langmanns nicht verzieh, fanden sich in ,Bartel Turaser‘ grob und ungemildert, nur dass dort die stoffliche Wirkung und durch die der Bühneneindruck stärker und mächtiger war. In dem bewegenden Proletarierstücke, mit seinem dem Zeitkampfe entlehnten Vorwurfe, spielten die Gefühle der Zuhörer mit. Ruf und Widerhall trafen in leidenschaftlichem Einklange zusammen. Das konnte bei minder verfänglichen Vorgängen nicht geschehen. Schon aber war der Sturm als die auszeichnende Kraft des Dichters verkündigt, und jeder gelinderte Einfluss auf die Gemüter wurde ihm als Unvermögen mit tadelndem Ärger vergolten. Gleich das eigenartige Lustspiel ,Die vier Gewinner‘, das allen Fehlern zu Trotz manches beliebte und gerühmte Erzeugnis des Frohsinns übertrifft, erlitt von dem verdrossenen Missmute eine allerdings noch sanfte Ablehnung. bei dem Bauernstücke ,Gertrud Antleß‘ vergaß die Unzufriedenheit bereits den schonenden Zwang.

Unbefangenen Zeugen dürfte die Schärfe damals befremdlich erschienen sein. Das albernste und einfältigste Zeug erfährt, sofern es nur dem Heiterkeitsbedürfnisse Genüge leistet, gewöhnlich ein entschuldigendes Wort. Erörtert aber ein ernster Mensch, nicht etwa mit dem betriebsamen Eifer der Lustigkeits-Verschleißer, sondern aus redlichem künstlerischen Drange ernst Dinge und hält sein Versuch nicht, was sich die Spannung von ihm versprach, so wird der gute Wille grausam bestraft. Nachsicht und Härte haben da offenbar ihre Rechte und Pflichten vertauscht. Der Schalkslaune, die zu Markte zieht, mag, je nachdem ihr Schellengeläute das Ohr erfreut, der Münz- und Ehrensold zuerkannt oder verweigert werden. Bei den Schicksalsdeutern der Menschen aber, die aus innerem Berufe weissagen und das Erschaute gestalten, kommt es nicht darauf an, ob sie gehegte Erwartungen, sondern wie sie ihre übernommene Aufgabe erfüllen. Ihnen gegenüber gilt lediglich das eigene Maß. Fertige Urteile richten überhaupt nicht, sie verdammen und lähmen nur. darum muss eine Kritik, die nützen und wirken will, sich ihnen widersetzen. Sie darf sich durch den Misserfolg eines Begabten nicht zum Abfall an ihm verleiten lassen. Vielmehr erheischt es ihr Amt, dass sie die falsche Meinung richtigstelle, an das Vollbrachte und Erreichbare des in seiner Zukunft Verzweifelten erinnere und ihm bei seinen Bestreitern die ausharrende Geduld erwirke, mit deren Hilfe er zuletzt an seine Ziel gelangen kann. Ähnliches beabsichtigen die folgende Zeilen, in denen von Langmanns neuem Novellenbuche die Rede sein soll.

Der Name /Verflogene Rufe‘, den es nach einer hübschen, der Sammlung eingefügten Kindergeschichte führt, verrät den Kleinmut dessen, der ihn ersann. Es ist, als ob der Dichter, an dem Glück irr, der Schallweite seiner Stimme misstraut und die Achtung auf sie dem Zufalle anheimgegeben habe. Er mag beruhigt sein; sie wird vernommen werden, auch wenn kein fördernder Hauch ihren Flug beschwingt. Kräftig und laut ertönt sie zu gehör. Was sie verkündigt, ist auf den verschiedenen Gebieten des Lebens erlauscht. Dorf und Stadt, Fabrik und Gehöft, Mensch und Tier liefern dem Erzähler die Stoff. Er schildert das Mühen und Treiben des mährischen Landvolkes, in dessen Mitte er aufwuchs. Er gleitet die dralle Dirn zu den lauernden gefahren der Fremde. Er feiert mit einem träumenden Gelehrten Walpurgisnacht und folgt dem Burschen, der seiner Wehrpflicht genügte und sich der Heimkehr freut, mit Grauen in den Schmutz des arglos verlassenen Vaterhauses. Er sieht die Selbstsucht Zwietracht stiften und zum Verbrechen entarten und stellt der Unverträglichkeit ein vorbildliches Beispiel aus dem Tierreiche zur Lehre auf. Mit Vorliebe wählt er die Unscheinbaren, durch Armut, Missgestalt und Unwissenheit Verdrängten, um an ihnen den Sinn des irdischen Geschehens zu erhellen. Nur wo er seine Weltanschauung zusammenfasst, bedient er sich eines überragenden Mittlers.

[...]


1 Vgl.: Jüdisches Wochenblatt (Wien), Ausgabe v. 7.3.1902 (28. Adar I. 5662). Dort auch: „Das markanteste, interessanteste, bekannteste Werk Langmanns, ,Bartel Turaser‘, ist unstreitig auch das Jüdischste dieses Dichters.“

2 Warum Langmann, der Fabrikleiter ist, sich entschließt, als subalterner Beamter in einer Unfallversicherung zu arbeiten, kann ohne Kenntnis von (so gut wie nicht vorhandenen) frühen Briefen oder Tagebuchaufzeichnungen oder Interpretation von Werken hinsichtlich biografischer Hintergründe nicht geklärt werden; vorweg bleiben nur drei Erklärungen, zwei davon durchaus vereinbar mit der weiteren Biografie Langmanns: erstens, die Tätigkeit als Fabrikleiter überforderte ihn; zweitens, diese Tätigkeit interessierte ihn nicht ausreichend; drittens, möglicherweise, er wurde seiner Religionszugehörigkeit wegen angefeindet.

3 Nachlass Philipp Langmann in der Rathausbibliothek (Wienbibliothek) der Stadt Wien, Inventar-Nr. 58310.

4 Der ,Gulden‘ wird 1892 durch die ,Krone‘ ersetzt (1 Gulden = 2 Kronen), bleibt aber noch bis 1900 offizielles Zahlungsmittel. 1925 wird die ,Krone‘ durch den ,Schilling‘ ersetzt. 1912 wird ein offizieller Wechselkurs von 1,176 Kronen = 1 Reichsmark festgesetzt. Die Währungsreform 1925 setzte dann fest: 1 Schilling = 10.000 (Papier-)Kronen bzw. 0,21172086 Gramm Feingold. Eine (1) Reichsmark ist 1924 rd. 0,358423 Gramm Feingold.

5 Die Reform der Einkommenssteuer 1898 in Österreich offenbart für Wien z.B. folgende Einkommensabstufungen: rd. 630.000 Einkommenssteuerpflichtige verdienen im Jahr weniger als 600 Gulden (durchschnittlich 289 Gulden) und zahlen somit keine Einkommenssteuer; darüber sind in den 3 oberen Steuerklassen aufgeführt: rd. 82.000 Einkommensteuerpflichtige mit einem durchschnittlichen Jahres-Einkommen von 2097 Gulden, rd. 14.000 Einkommensteuerpflichtige mit einem durchschnittlichen Jahres-Einkommen von 10.071 Gulden und lediglich rd. 1400 Einkommensteuerpflichtige mit einem durchschnittlichen Jahres­Einkommen von 120.714 Gulden, wobei letztere gerade einmal fixe 5.560 Gulden Einkommenssteuer pro Kopf bezahlen.

6 Alle zitierten Briefe des Cotta-Verlages an Langmann sind den beiden Inventamummem 58386 (,Briefe an Philipp Langmann‘) und 58465 (enthält lediglich die Ablehnung der Übernahme des ,Unferdutz‘-Buches der 10.12.1928) des Langmann-Nachlasses in der Rathausbibliothek der Stadt Wien entnommen.

7 Oskar Maurus Fontana: /Volkstheater Wien (Deutsches Volkstheater). Weg und Entwicklung 1889 bis 1964‘, Wien 1964, S.21. Ansonsten ist das Werk eher enzyklopädisch angelegt.

8 Tyrolt selbst lobt sich in seinen Memoiren ,Aus dem Tagebuches eines Wiener Schauspielers 1848 - 1902. Erinnerungen und Betrachtungen1 (Wien, Leipzig 1904) als denjenigen, ohne den der Erfolg des ,Turaser‘ am ,Deutschen Volkstheater1 gar nicht möglich gewesen wäre (vgl. S. 309ff).

9 Für die Spielzeiten 1896/97 bis 1898/99 entnehmen wir der ,Denkschrift zum zehnjährigen Bestehen1 Dr. Robert Steinhauser: ,Das Deutsche Volkstheater in Wien 1889 - 1899‘ (Wien 1899), dass (bei rd. 350 Vorstellungen je Saison) anfangs die Stücke Anzengrubers und Grillparzers sowie die allerorts üblichen ,französischen Salonstücke‘ einen großen Teil des Repertoires ausmachten; dann aber z.B. Schönthan/Koppel-Ellfeld mit ,Die goldene Eva‘ (65 Vorstellungen), ,Comtesse Guckerl‘ (47), ,Zirkusleute‘ (39); Karlweis mit ,Das grobe Hemd‘ (65), ,Das liebe Ich‘ (23); Blumenthal/Kadelburg mit ,Hans Huckebein‘ (57), ,Im Weissn Rössl‘ (61) das Repertoire füllten; weitere Erfolgsautoren waren Fulda, Sardou, L‘Arronge, Nestroy. - In einer Gesamtübersicht für die Spielzeiten bis 1928/29 entnehmen wir dem statistischen Angang des vom Verlag des Deutschen Volkstheaters in Wien 1930 herausgegebenen Werkes ,Vierzig Jahre Deutsches Volkstheaters. Ein Beitrag zur deutschen Theatergeschichte1 von Karl Glossy, dass sich diese Aufführungspolitik fortsetzt, mit - wie auch an vergleichbaren Bühnen des Deutschen Reiches - traurigen Höhepunkten wie ,Alt-Heidelberg‘ von Meyer-Förster (EA 25.1.1902 mit 208 Aufführungen); allerdings bietet neben den Hausautoren Hermann Bahr und Alfred Capus das Theater auch ausgiebig Platz für Ibsen (ab 1890), Sudermann (ab 1891), Schnitzler (ab 1893), Gerhart Hauptmann (ab 1897), Wedekind (ab 1893), B. Shaw (ab 1904), vgl. S. 294ff, die Stücke jeweils mit EA-Datum und Anzahl der Aufführungen versehen). - Vgl. dazu auch: Axel Teichgräber: ,Das Deutsche Volkstheater und sein Publikum: Wien 1889 bis 1964. Ein theaterwissenschaftlicher Beitrag zur Morphologie des Publikums anhand der Spielplananalyse eines kontinuierlich geführten Wiener Theaters.1 Diss. Univ. Wien 1965. Dort ein nach Spielzeiten sortierter ausführlicher Anhang. - Vgl. dazu auch die Diplomarbeit Susanne Gruber-Hauck: ,Das Wiener Volkstheater zwischen 1889 und 1987 im gesellschaftlichen Kontext. 1 Universität Wien 2008.

10 Vgl. ,Denkschrift 1889 - 1899‘, Anhang I, S. 103ff.

11 Vgl. dazu auch: Epstein, Max: Das Theater als Geschäft. Berlin 1911

12 Hier sollen nur einige zufällige Beispiele angeführt werden: Neue Freie Presse, 17.4.1897ff: Der Hafen (aus: Verflogene Rufe); Die Zeit, Heft 240, 13.5.1899: Unferdutz, der Amonide (aus: Verflogene Rufe); Neue Freie Presse, 28.5.1899ff: Der verflogene Ruf (aus: Verflogene Rufe); Arbeiterinnen-Zeitung (Wien), 20.8.1899: Ein Unfall (aus: Arbeiterleben); Die Gleichheit (Berlin), 6.5.1903ff: Ein Streber (aus: Realistische Erzählungen); Neue Rundschau (Berlin), 1. Jan.-Heft 1905: Eusebius (aus: Wirkung der Frau); Vorwärts (Berlin), 7.1.1909f: Die Schlacht von Sempach (aus: Realistische Erzählungen); Arbeiterwille (Graz), 19.9.1909f: Ein Streber (aus: Realistische Erzählungen); Arbeiterwille (Graz), 16,7,1910ff: Die vier Gewinner (aus: Realistische Erzählungen).

13 Lediglich noch auf einen Abdruck sind wir zufällig gestoßen: Arbeiterwille (Graz), 25.3.1924ff: Die Nuß (aus: Erlebnisse eines Wanderers).

14 Neue Freie Presse, 16.9.1898: „Mit Rücksicht auf den von uns jüngst aus Rom zugekommenen Bericht über die Aufnahme von Langmanns ,Bartel Turaser‘ schreibt uns der Schriftsteller Herr Otto Eisenschitz, dass in Italien keine Bearbeitung dieses Dramas, sondern nur eine getreue und sorgfältige Übersetzung desselben aufgeführt werde, die von ihm in Gemeinschaft mit dem italienischen Schriftsteller Aristide Goldbacher herrühre. Das Werk sei in dieser Übersetzung in Triest, Mailand, Genua, Venedig, Bologna sowie in einigen anderen italienischen Städten aufgeführt worden und habe überall unbestrittene Erfolg erzielt.“

15 Das Spielplanverzeichnis ,Deutsche Bühnen-Genossenschaft‘ (siehe Vorbemerkung zum statistischen Angang) gibt unregelmäßig und lückenhaft in den 1890-er und 1900-er die Spielpläne einiger deutscher Bühnen in den USA wieder (vor allem New York, Milwaukee, Chicago); dort ist neben G. Hauptmann, H. Sudermann, M. Halbe nahezu die gesamte ,moderne‘ Literatur vertreten.

16 Nachweisen können wir nur das US-Copyright für den ,Statthalter von Seeland1: Nr. 43828 in der Liste ,Dramatic Compositions Copyrighted in the United States 1870 - 1916. Vol. 2: O to Z‘, hrsg. vom Copyright Office der Library of Congress. Washington (USA) 1918. Copyright-Antrag von Nov. 1912.

17 Nachlass Philipp Langmann, Inventar-Nr. 58104.

18 Nachlass Philipp Langmann, Inventar-Nr. 58106.

19 Nachlass Philipp Langmann, Inventar-Nr. 58395. - Weitere Aufführungsangebote im Moment weder für ,Gerwins Liebestod‘ als auch für ,Die Prinzessin von Trapezunt‘ ermittelbar.

20 Renate Riedl: Philipp Langmann. Leben und Werk. Diss. phil. Wien 1947, S. 104.

21 Vgl. Korrespondenzregister des Cotta-Verlages mit Langmann.

22 In dem von Franz Hadamowsky herausgegebenen Buch ,Hugo Thimig erzählt von seinem Leben und dem Theater seiner Zeit. Ausgewählte Briefe und Tagebuchnotizen‘ (Graz, Köln 1962) wird Langmann nirgends erwähnt, was wohl eher der Selektion des Herausgebers zuzuschreiben ist. Briefe Langmanns an Hugo Thimig sind im Thimig-Nachlass des Theatermuseums in Wien verwahrt; darunter auch die beiden mehrseitigen Schreiben vom 28.3.1916 und vom 31.3.1916.

23 Schreiben Langmann vom 28.3.1916, Nachlass Hugo Thimig im Theatermuseum Wien, Archiv-Nr. ÖTM HS_AM65513Th.

24 Nachlass Langmann, Inventar-Nr. 58323, Schreiben Thimig vom 30.3.1916.

25 Schreiben Langmann vom 31.3.1916, Nachlass Thimig, Archiv-Nr. ÖTM HS_AM65514Th.

26 Nachlass Langmann, Inventar-Nr. 58322.

27 Nachlass Langmann, Inventar-Nr. 58396, Schreiben Thimig vom 25.4.1016.

28 Nachlass Langmann, Inventar-Nr. 58324, Schreiben Thimig vom 10.5.1916.

29 Nachricht auch in mehreren österreichischen Tageszeitungen.

30 Eine erste oberflächliche Sichtung lässt keine Häufung von bei Cotta verlegten Büchern erkennen.

31 Riedl, S. 6.

32 Was nicht zwingend auf eine Nicht-Arbeit als Redakteur hinweist, denn Kürzel waren als Benennung eines Autors üblich.

33 Noch am 24.7.1949 registriert die /Wiener Zeitung‘ in einer Besprechung der posthum erschienenen Memoiren Richard von Schaukals (*1874 (Brünn), f 1942 (Wien)) ,Frühling eines Lebens‘ (Wien 1949), dass die meistens der in Brünn geborenen deutschsprachigen Dichter, Akademiker und Wissenschaftler Österreichs nach ihrem Umzug nach Wien sich als ,Wiener‘, nicht aber mehr als ,Brünner‘ verstanden, Philipp Langmann explizit eingeschlossen.

34 Nachlass Langmann, Inventar-Nr. 58948; Oktavheft, insgesamt 112 Seiten, unpaginiert, davon beschrieben 86 Seiten in drei ,Themenblöcken‘: bis S. 10 Haushaltsnotizen, S. 23 bis 94 literarische Notizen, ab S. 99 vorwiegend Adressen.

35,Notizbuch‘ S. 80/81. Darunter auch ein Schreiben an den Cotta-Verlag per 21.10.1922. Die Antwort des Cotta­Verlages ist per 15.11.1922 notiert. Beide Schreiben sind im Cotta-Rotulus nicht notiert; für den Zeitraum Oktober und November 1922 sind lediglich mehrere die inflationsbedingte Preis- und Honorargestaltung betreffende Scheiben notiert.

36 Der Briefverkehr ist mit nur 23 Blatt als ,Korrespondenz der Rikola Verlag A.G. mit Philipp Langmann‘ unter der Nachlass-Inventar-Nr. 58406 verwahrt.

37 Vgl. ,Die Literarische Landkarte deutschmährischer Autoren1, ein Kollektivwerk des Teams der Arbeitsstelle für deutschmährische Literatur / des Österreich-Zentrums der Palacky-Universität in Olomouc, 2019.

38 Zu diesem Zeitpunkt ist das Register möglicherweise nicht mehr regelmäßig geführt, denn sowohl ein Schreiben Langmanns vom 21.10.1922 als auch die Antwort Cottas vom 15.11.1922 sind nicht notiert. (Zu diesen beiden Schreiben vergl. weiter unten.)

39 Zu den ,verschollenen‘ Dichtern gehört auch der Dramatiker und Erzähler Jakob Julius David (*1859 in Weißkirchen/Mähren, f1906 in Wien), von dem noch 1908/09 eine siebenbändige Werkausgabe erschien.

40 Max Kretzer z.B. wird nur kurz erwähnt (S.17); Wolzogen oder Wildenbruch werden weit ausführlicher behandelt.

41 Das gilt aber für nahezu alle in Frakturschrift gehaltenen Buchausgaben im Format 5 * 7 Zoll: Der Umfang ist je nach Schriftgröße auf die Hälfte bis auf ein Drittel zu reduzieren.

42 Nur als Anmerkung soll hier erwähnt werden, dass Fehler in den Aufführungskritiken darauf hinweisen, dass einige der Autoren den Text des Dramas entweder gar nicht oder nur sehr oberflächlich gelesen oder die Aufführung nur sehr nachlässig verfolgt oder ihre Rezension oberflächlich und nachlässig zugleich erstellt haben. Daneben erfährt der Name Kleppls zahlreiche Variationen. Das betrifft auch die Frage des ,Meineides‘ - dazu weiter unten.

43 Auch hier wird wie in einigen anderen Zeitungen, die Vermutung Marie Zelbers, der Direktor habe bei Kleppl einen Kredit aufgenommen, als Tatsache kolportiert.

44 Wir verzichten hier auf einen detaillierten Nachweis; bei der Lektüre der Rezensionen im Dokumentenanhang können beliebig viele Belege dafür gefunden werden.

45 Gelegentlich auch: ,Proletarierstück‘, , Volksdrama1, ,Arbeiterstück‘, ,Streikstück‘; abschätzig auch: ,Armeleutestück‘.

46 Nahezu jede Rezension bedient sich dieser Klassifizierungen, mal deutlicher, mal weniger deutlich, aber nahezu immer in der Bestimmung: ,Die sind so, weil sie so sind.‘

47 Zahlreiche Besprechungen mit dieser (,Grazer Tageblatt1 (28.2.1898) oder ähnlichen Formulierungen.

48 Die juristische Frage, ob eine ,Bestechung‘ vorliegt, ist nicht eindeutig zu beantworten: Einerseits Kleppl beim ersten Besuch in Turasers Haus: ,Ich wette ... mit Ihnen um zweihundert Gulden, dass es nicht wahr ist.‘ Andererseits Kleppl, wenig später beim zweiten Besuch in Bartels Haus im Beisein von Turasers Frau: ,Dagegen versprechen Sie, morgen, als der einzige Zeuge, zu sagen: Ich glaube wohl gehört zu haben, ich kann es aber nicht beschwören.‘ So oder so, 200 fl. sind in der Notlage Turasers ein guter Anreiz, nicht die Wahrheit zu sagen. - Kurzes Nachrechnen: 200 fl. bei einem aktuellen Wochenlohn von 6,60 fl.: der Lohn fast eines dreiviertel Jahres.

49 „Es müsste kein Wiener Publikum sein und alle Traditionen verleugnen, wenn es nicht den leichteren Gaben der Dramatik seine ungeheuchelte Teilnahme zuwendete und dann am meisten die Cassa bestürmte, wenn es im Theater recht viel zu lachen gibt.“ In: ,Das Deutsche Volkstheater in Wien 1889 - 1899‘, S. 96.

50 Allerdings geht auch bis 1913 etwas weniger als die Hälfte der ,Weber‘-Aufführungen auf das Konto der beiden Berliner Theater ,Deutsches Theater‘ und ,Lessing-Theater‘ (über 400 von knapp über 900 Aufführungen), bzw. auf deren Gastspiele auf reichsdeutschen oder österreichischen Bühnen. Ein weiterer Teil (ca. 70 Aufführungen) ist den Altonaer, bzw. den Hamburger Bühnen zu verdanken. Es ist also nicht so, dass Theaterdirektoren mit Eigeninszenierungen der ,Weber‘ mutiger geworden seien.

51 H. Ströbel versucht eine Antwort auf die Frage nach der klassenkämpferischen Qualität des Stückes in: ,Die Neue Zeit‘, Jg. 18, 1899/1900, Band 1, Heft 10 (Dez. 1899) ,Proletarier in der modernen Dichtung‘ folgendermaßen: „Langmann hat wirklich lebensvolle Ausschnitte aus dem Proletarierleben gegeben. Ausschnitte, die allerdings wohl kaum unter dem Gesichtswinkel der sozialistischen Weltanschauung ausgewählt sein mögen. Denn dafür, dass Langmann die proletarischen Emanzipationsbestrebungen als die Vollführung einer grandiosen historischen Aufgabe der Arbeiterklasse auffasst, lässt sich aus dessen Novellen kein Beweis erbringen. Langmann steht seinem Stoffe mit der Liebe des Künstlers-, den Bestrebungen der Arbeiterklasse mit der wohlwollenden Toleranz des Philanthropen gegenüber.“

52 Wir haben die ermittelten ,szenischen Lesungen‘ hier mitgerechnet. Weitere Aufführungen lassen sich über die Suchfunktion im österreichischen Online-Zeitungarchiv (ANNO) im Zuge dessen Erweiterung möglicherweise ermitteln.

53 In einigen Tageszeitungen ist lediglich die Programmänderung nachzulesen, bei den meisten Tageszeitungen allerdings trifft die Meldung erst nach Redaktionsschluss ein. Die ,Nicht-Sendung‘ des Hörspiel wird an den Folgetagen von keiner Tageszeitung kommentiert.

54 Nachlass Langmann, Inventar-Nrn. 58473 und 58471.

55 Letztendliche E-Mail-Antwort (12.5.2021) auf eine entsprechende Anfrage nach einem ausführlichen Telefonat.

56 Als ,Arbeiter-Vorstellung‘ werden im Wiener ,Jantsch-Theater‘ im April 1899 u.a. Ibsens ,Stützen der Gesellschaft‘, Anzengrubers ,der Pfarrer von Kirchfeld‘ aufgeführt, im ,Raimund-Theater‘ u.a. Anzengrubers ,Die Kreuzelschreiber‘, ,der Meineidbauer‘ und ,Das vierte Gebot‘. Auch in den Folgespielzeiten bieten das ,Deutsche Volkstheater‘ und das ,Raimund-Theater‘ wiederholt Sonntagsnachmittags-Vorstellungen (z.T. als von der Wiener SPÖ gesponsorte) ,Arbeiter-Vorstellung‘ zu ermäßigten Eintrittspreisen an. In Graz werden die Arbeiter­Vorstellungen häufig vom Verein ,Arbeiterbühne‘ organisiert. In den Spielzeiten 1901/02 und 1902/03 werden während der Arbeiter-Vorstellung-Zyklen im Grazer ,Theater am Franzensplatz‘ u.a. Stücke von Nestroy, Anzengruber und Sudermann gespielt. Der Arbeiter-Vorstellungs-Zyklus des Salzburger ,Stadttheaters‘ bringt u.a. Sudermanns ,Heimat‘ und das erfolgreiche Volksstück ,Frau Sorge‘ von Rudolf Hawel (*1860 f1923); die ,Salzburger Wacht‘ berichtet am 14.2.1902, dass die Arbeitervorstellungen polizeilich überwacht werden. In den Folgejahren erweitern zahlreiche Theater ihre Programme mit ,Arbeitervorstellungen‘; gegeben werden fast überall Stücke aus dem ,normalen‘ Repertoire, also neben Unterhaltungsware auch klassische Stücke. - Mehrmals werden 25 Kreuzer pro Eintrittskarte genannt, meistens auch bei anschließend ausgelostem Sitzplatz, selten mit freier Platzwahl. Nimmt man das Einkommen Bartel Turasers als Maßstab, so ist sind 25 Kreuzer etwas weniger als ein Viertel eines Tageslohnes, also auch dann noch unerschwinglich; bei Facharbeitern in den städtischen Gebieten liegt dieser Eintrittspreis etwa im Bereich eines Stundenlohnes. In Wien liegen die Eintrittspreise der Vorstellungen des ,Volkstheaterzyklus‘ der SPÖ im Mai 1899 zwischen 1 Gulden (Logenplätze und Erster Rang) bis 10 Kreuzer (Galerie); diese Spanne scheint auch in anderen Städten die Regel zu sein.

57 Volker Klotz: Bürgerliches Lachtheater‘. Heidelberg 2007 (4. erw. Auflage).

58 Was allerdings Zeitungsredakteure auch nicht daran hinderte, ihre Nicht-Kenntnis des Autors zu beweisen: So lässt die Redaktion des ,Bezirksboten für den politischen Bezirk Bruck an der Leitha‘ am 27.10.1907 in einem Bericht über das ,Neue Sommertheater‘ in Schwechat durchgehen: „Philipp Landmannds Drama ,Barthel Turaser‘, .“.

59 Vgl. dazu den Bericht in der Wiener ,Arbeiter-Zeitung‘ v. 13.5.1899; in der dort aufgeführten Spendenliste für die streikenden Brünner Textilarbeiter ist auch ein Betrag aufgelistet, der auf der zu ermäßigten Eintrittspreisen für Anhänger und Mitglieder der Wiener Gewerkschaften und Sozialdemokraten am 11.5.1899 im ,Deutschen Volkstheater‘ erfolgten Aufführung des ,Bartel Turaser‘ gesammelt wurde.

60 Vgl. dazu z.B. die Rezensionen in: ,Pilsener Tagblatt‘ v. 24.4.1900, ,Die Arbeit‘ v. 29.4.1900, ,Neue Freie Presse‘ v. 22.4. u. 26.4.1900, ,Wiener Zeitung‘ v. 22.4.1900, ,Arbeiter-Zeitung‘ v. 27.4.1900 u.a..

61 Vgl. dazu z.B. die Rezensionen in: ,Deutsches Volksblatt‘, v. 28.1O19O0 ,Neue Freie Presse‘ v. 28.10. u. 31.10.1900, ,Neues Wiener Journal‘ v. 28.10.1900.

62 Eine detaillierte Auflistung ,sozialer Dramen‘ in den Wiener Theatern um 1900 kann hier nicht gemacht werden, ist aber sicher von Nöten.

63 Die Begrifflichkeit variiert: Nach der mittelalterlichen Ständeordnung (Lehrstand (Klerus), Wehrstand (Adel, Patrizier), Nährstand (Bauern, Handwerker, Kaufleute, etc.) gelten die Lohnarbeiter als /vierter Stand‘. Umgangssprachlich (Klerus, Adel, Bauern, Bürger) werden ,Arbeiter‘ auch als ,fünfter Stand‘ bestimmt.

64 Was ist geschehen in der Redaktion der ,Arbeiter-Zeitung‘ zwischen der ,Anerkennung‘ am 13.11. und dem Komplettverriss am 19.11.?

65 In einem ,Tschecherl‘, wie einige Zeitungen schreiben, darunter ,Die Arbeit‘ (Wien) (17.11.1898), aber auch die Wiener ,Deutsche Kunst- und Musik-Zeitung‘ (Jg. 25/1898, Nr. 22 v. 25.11.1898).

66 Zur Bedeutung und Wirkung der Tagespresse für den Erfolg- oder Misserfolg einer Theater-Novität erscheint im Oktober 1907 anlässlich der Gründung einer ,Union der dramatischen Autoren‘ (im August in Wien) noch in der ,Czernowitzer Allgemeine Zeitung‘ (31.10.1907) ein Feuilleton ,Theaterpublikum‘ (vgl. Anhang). Vgl. auch die Berichte über die konstituierende Versammlung des Interessensverbandes in (jeweils 8.11.1907) ,Neues Wiener Tagblatt‘, ,Die Zeit‘, ,Arbeiterzeitung‘; sowie ,Neue Freie Presse‘ (9.11.1907).

67 Dass die Kritik an Langmann gelegentlich auch mit der groben Klinge geführt wird, zeigt etwa Fritz Lemmermeyers Aufsatz im ,Literarischen Echo‘ Heft 19 / Juli 1903, sowohl bezüglich der ,Vier Gewinner‘ als auch des ,Tedaldo‘ und der ,Verflogenen Rufe‘.

68,Cella‘, in: ,Der Akt Gerenus‘, S.162.

69 Nachlass Philipp Langmann, Inventar-Nr. 58171: ,Unferdutz - Ein neues Bild der Welt‘. Typoskript, S. 90.

70 Der Vergleich hat wohl seinen Grund im II. (und bis 1900 im Deutschen Reich verbotenen und deshalb auch zu G. Hauptmanns ,Die Weber‘ in Bezug gesetzten) Teil dieses Doppeldramas, dessen Handlung in einer nicht genau bestimmbaren Bergarbeitersiedlung spielt, in der die streikenden Arbeiter den Sitz der Firmenzentrale samt der dort tagenden Aktiengesellschaft in die Luft sprengen und der überlebende und gelähmte Fabrikbesitzer Holger sich zu sozialen Reformen bekennt. Vgl. dazu ,Grazer Volkszeitung‘, 3.3. und 4.3.1903 (,Die soziale Frage auf der Bühne‘) im Anhang.

71 Die antisemitische Kritik der Ostdeutschen Rundschau1 (31.5.1903) darf, kann und soll hier außer Betracht gelassen werden. Dass sie im Anhang dokumentiert ist, sollte dennoch eine Selbstverständlichkeit sein.

72 Nicht verwechseln mit Jacques Offenbachs opéra buffe in drei Akten ,Die Prinzessin von Trapezunt‘ von 1869, die um 1910 in den deutschsprachigen Opernhäusern dauerhaften Erfolg feierte.

73 Nachlass Langmann, Inventar-Nr. 58157 (Typoskript, 95 Blätter, einseitig beschrieben), Inventar-Nr. 58142 (Manuskript, 238 Blätter, einseitig beschreiben).

74 Wahrscheinlich aus urheberrechtlichen Gründen sind die den bei Cotta erschienenen Sammlungen /Verflogene Rufe‘ und /Wirkung der Frau‘ entnommenen Texte aufgeführt, die der beim Deutsch-Österreichischen Verlag erschienenen Novellensammlung ,Erlebnisse eines Wanderers‘ entnommenen Texte jedoch nicht.

75 Beide Rikola-Ausgaben sind antiquarisch gut vertreten. Ob die Anzahl der antiquarisch angebotenen Ausgaben der Werke Langmanns insgesamt (Ausnahme ,Bartel Turaser‘, für den ein aktueller Reprint problemlos erhältlich ist) tatsächlich eine Aussage über die verkaufte Auflagenhöhe erlaubt, kann hier nur als spekulative Frage formuliert werden. Ein Teil der Erklärung für das geringe antiquarische Angebot liegt sicherlich darin, dass auch Langmann den Bücherverbrennungen der faschistischen Machthaber in Deutschland und in Österreich nicht entgangen ist.

76 Nachlass Langmann, Inventar-Nr. 58171.

77 Riedl (S. 9) ist sich sicher, dass Langmann Ende der 20-er Jahre über den Pessimismus Schopenhauers hinausging und sich zum Katholizismus bekehrte.

1,Deutscher Bühnenspielplan‘, hrsg. bei: Neuer Theater-Verlag, mit Unterstützung des Deutschen Bühnenvereins. Erscheint jährlich - erstmals 1896 - vor Beginn der Theatersaison mit der Auflistung der Spielpläne der vergangenen Saison; ab 1910 monatlich.

2,Deutsche Bühnen-Genossenschaft - Offizielles Organ der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger‘. Erstmals 1872. Erscheinungsweise unterschiedlich, in den 1890-er Jahren wöchentlich. ,Spiel-Verzeichnisse der deutschen Bühnen - Beilage zur Deutschen Bühnengenossenschaft‘. Erstmals 1888. Erscheinungsweise in den 1890-er Jahren wöchentlich.

3 Philipp Böttcher: „Gustav Freytag - Konstellationen des Realismus“.3, Berlin (de Gruyter) 2018, S. 108/109.

1 Zur Berliner Uraufführung den Sudermanns ,Johannes‘ wird dieses „Übel der ausführlichen Nachtkritik“ kurzfristig einmal thematisiert, aber die vereinbarte „Einmütigkeit“ zur „Besserung“, die die anwesenden Journalisten versprechen, (vgl. Berliner Börsen-Zeitung v. 19.6.1897) ist nach der nächsten Premiere wieder vergessen.

Ende der Leseprobe aus 464 Seiten

Details

Titel
Philipp Langmann (1862 - 1931). Ein vergessener österreichischer Dichter
Autor
Jahr
2021
Seiten
464
Katalognummer
V1142289
ISBN (eBook)
9783346519948
ISBN (Buch)
9783346519955
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Langmann, Bartel Turaser, Soziales Drama, Naturalismus
Arbeit zitieren
Hans Michel (Autor:in), 2021, Philipp Langmann (1862 - 1931). Ein vergessener österreichischer Dichter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1142289

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