Rentabilität institutioneller Kleinkindbetreuung (0-3 Jahre) in Deutschland


Diplomarbeit, 2008

96 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Einleitung

1. Begriffliche Grundlagen

2. Historischer Rückblick über die Entstehung von Kinderkrippen in Deutschland
2.1. Entstehung der Krippe im 19. Jahrhundert
2.2. Die Krippe Anfang des 20. Jahrhunderts bis zur zur Teilung Deutschlands
2.3. Die unterschiedliche Entwicklung der Krippen im geteilten Deutschland 12
2.3.1. Krippen in der ehemaligen DDR
2.3.2. Krippen in der alten BRD
2.4. Die Krippe im vereinten Deutschland

3. Bestandsaufnahme der institutionellen Kleinkindbetreuung
3.1. Im Spiegel der amtlichen Statistik
3.2. Träger von Kindertageseinrichtungen
3.3. Ausgaben und Einnahmen der öffentlichen Jugendhilfe für Kindertageseinrichtungen

4. Finanzierung der institutionellen Kinderbetreuung
4.1. Das Finanzierungsmodell in NRW
4.2. Das Finanzierungsmodell in Berlin
4.3. Differenzierte Bewertung der Finanzierungsmodelle

5. Diskussion um die Notwendigkeit und Rentabilität
5.1. Vereinbarkeit von Beruf und Familie
5.1.1. Die Auswirkungen von Kindertagesbetreuung auf die beruflichen Chancen der Frau
5.1.2. Die Zunahme der Frauen-/ Müttererwerbstätigkeit
5.1.3. Betrachtung der Kinderbetreuung, Müttererwerbstätigkeit und Fertilität aktuell
5.1.4. Befunde zum Zusammenhang von Fertilität, Müttererwerbstätigkeit und Kinderbetreuung
5.1.5. Überlegungen zur Neustrukturierung der Kinderbetreuung
5.2. Frühkindlicher Entwicklungsprozess in Krippen
5.2.1. Beurteilung des Entwicklungsprozesses
5.3. Gefahren einer institutionellen Kleinkindbetreuung
5.3.1. Der Muttermythos
5.3.2. Situation von Kindern heute
5.3.3. Befunde der Krippenforschung
5.3.4. Zusammenführung der Ergebnisse
5.4. Institution Familie
5.4.1. Situation der Familie
5.4.2. Familie im sozialen Wandel

6. Finanzierbarkeit als Umsetzungsproblem
6.1. Überblick über die finanzielle Ausgangslage
6.2. Kosten-Nutzen-Analyse
6.3. Finanzierungsplan der Regierung
6.4. Einführung einer Familienkasse als Lösungsansatz

7. Fazit

Literaturverzeichnis

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Tabelle 1: Geburtenentwicklung in der ehemaligen DDR von 1955-1990

Tabelle 2: Geburtenentwicklung in der alten BRD von 1955-1990

Tabelle 3: Besuchsquoten von unter Dreijährigen in

Tageseinrichtungen für Kinder im Jahr 2006

Tabelle 4: Einrichtungen in öffentlicher und freier Trägerschaft 2002 (in %)

Schaubbild 1: Plätze für Krippenkinder nach Art der Einrichtung 2002

Schaubbild 2: Erwerbsbeteiligung (2000) von Frauen ohne Kinder (in %) und deren Veränderung, wenn Frauen ein Kind, bzw. zwei und mehr Kinder haben (in %-Punkten)

Einleitung

Die institutionelle Kinderbetreuung für Kinder unter drei Jahren bot schon seit der Entstehung der ersten Krippe eine spannende Thematik für Politik, Wirtschaft und Soziales, doch durch die aktuell angeführte Debatte von der Bundesfamilien- ministerin (CDU) hat sie ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht.

Das Bundesfamilienministerium plant den Ausbau der Kleinkindbetreuung im erheblichen Maße. Das heißt im Detail, dass eine Verdreifachung der Krippenplätze auf 750.000 Plätze geplant ist. Bis zum Jahr 2013 soll für jedes dritte Kind unter drei Jahren ein Betreuungsplatz bereitgehalten werden, so einigten sich Bund, Länder und Kommunen im April diesen Jahres.[1] Für die (neuen) Bundesländer, die bereits eine Versorgungsquote von den geplanten 35 % vorweisen können, werden Bundeshilfen für die Sanierung und Renovierung ihrer Krippen zur Verfügung stehen.[2]

Mit dem Ausbau der Möglichkeiten zur Kleinkinderbetreuung, besonders in den alten Bundesländern, soll die Wahlmöglichkeit für berufstätige Mütter gestärkt werden, gleichzeitig impliziert man damit eine Geburtenzunahme, welche auf Grund des demographischen Wandels in Deutschland eine dringende Notwendigkeit darstellt.[3] Des Weiteren spielt die Erwerbstätigkeit beider Eltern für die finanzielle Situation der Familie eine immer bedeutsamere Rolle. Die Lebenserhaltungskosten steigen, die Inflationsrate nimmt zu und senkt somit das Realeinkommen. Zudem fallen Zuschüsse und übertarifliche Zulagen immer häufiger weg. All dies sind Gründe für die Zunahme der Erwerbsarbeit beider Elternteile.[4]

In der Diskussion um den Krippenplatzausbau haben sich zwei maßgeblich unterschiedliche Positionen gebildet. Während beispielsweise der Augsburger Bischof Mixa und Christa Müller (familienpolitische Sprecherin der Linkspartei Saarland) die Pläne der Bundesfamilienministerin kritisieren und behaupten, dass diese Familienpolitik „schädlich für Kinder und Familien sei und einseitig auf eine Förderung der Erwerbstätigkeit von Müttern mit Kleinkindern fixiert ist“[5], stärken eigene Parteimitglieder und der Koalitionspartner SPD der Bundes- familienministerin den Rücken.

Die beiden Spitzenparteien sind sich einig, dass es einen Ausbau der institutionellen Kinderbetreuung für die unter Dreijährigen geben muss. Auseinander gingen die Meinungen dennoch enorm bei der Umsetzung und dabei vor allem bei der Finanzierung. Während die SPD über mögliche Um- schichtungen aus Einsparungen in anderen familienpolitischen Bereichen als Finanzierungsgrundlage für den geplanten Ausbau spekulierte, lehnte die Bundesfamilienministerin dies ab und sprach sich für eine generell höhere Bezuschussung durch den Bund aus.[6]

Die Betrachtungen dieser Arbeit beginnen mit einem historischen Rückblick, anhand dessen man sich ein Bild über die Entstehung und den Betrieb von Krippen in vergangener Zeit verschaffen kann. Es soll zu erkennen sein, mit welchen Problemen Krippeneinrichtungen in den vergangenen Jahrhunderten konfrontiert waren, welche Lösungsansätze es für diese gab und wie sich ihr Auftrag mit der Zeit von einer reinen „Kleinkindbewahranstalt“ hin zu einer Bildungseinrichtung gewandelt hat.

Für eine kritische Analyse ist es zudem notwendig, sich einen Überblick über die aktuelle Situation der Betreuungseinrichtungen für Kinder unter drei Jahren zu verschaffen. Hierzu dient eine Sammlung aktueller Daten und Fakten über die Einrichtungsformen, die Versorgungs- bzw. Besuchsquoten, die Trägerstrukturen, sowie der Ausgaben und Einnahmen der Tageseinrichtungen für Kinder.

Da die Finanzierung eine wichtige Grundlage von Tageseinrichtungen für Kinder bildet, wird diese in einem weiterem Kapitel unter bestimmten Gesichtspunkten näher betrachtet. Es gibt für die Finanzierung zwar einen bundeseinheitlichen Rahmen, jedoch ist die nähere Ausgestaltung Sache der einzelnen Länder. Dies wird anhand von unterschiedlichen Finanzierungssystemen zweier Bundesländer beispielhaft herausgestellt.

Die Kernfrage der Arbeit behandelt die Notwendigkeit und Rentabilität der Kleinkindbetreuung (0 bis 3 Jahre) in Deutschland. Hierzu gibt es zwei wesentliche Positionen. Befürworter des Ausbaus der Kleinkindbetreuung sehen diese als rentabel an, weil durch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie und dem frühen Einsatz von Bildung der unter Dreijährigen langfristig Kosten gespart werden könnten. Gegner des Ausbaus gehen dagegen von einer Mittelverschwendung aus, da Kinder im Alter bis zu drei Jahren durch institu- tionelle Fremdbetreuung entwicklungspsychologische und gesundheitliche Schäden davon tragen könnten. Des Weiteren würde die Familie als Kern der Gesellschaft gefährdet werden.

Die Finanzierung stellt eine der größten Herausforderungen für die Realisierung des Ausbaus von Krippenplätzen dar. In Anbetracht dessen ist es besonders wichtig, die Kosten dem Nutzen von Kindertageseinrichtungen gegenüber zu stellen. Bei der Frage, wie der Ausbau finanziert werden könnte, soll die Einführung einer Familienkasse als mögliche solide Finanzierungsbasis diskutiert werden.

Die Resultate dieser Arbeit werden in einem abschließenden Fazit zusammen- gefasst.

1. Begriffliche Grundlagen

Um im weiterführenden Text Missverständnisse in Hinblick auf die Verwendung unterschiedlicher Fachtermini zu vermeiden, ist es zuvor notwendig diese von einander abzugrenzen.

So meint der Begriff „institutionelle Kinderbetreuung“ die betreuende, erziehe-rische und bildende Tätigkeit Erwachsener (Fachkräfte) gegenüber Kindern in dafür vorgesehenen Einrichtungen. Demgegenüber stellen Angebote der soge- nannten Kindertagespflege Betreuungsarrangements in der Regel im Haushalt der Tagespflegepersonen oder der Personensorgeberechtigten dar.[7] Die Kindertages- pflege findet daher in der vorliegenden Arbeit keine weitere Beachtung.

Die institutionelle familienergänzende Kindertagesbetreuung erfolgt in sogenannten Tageseinrichtungen für Kinder. Gemäß § 22 Abs. 1 SGB VIII werden hierunter Einrichtungen verstanden, „in denen sich Kinder für einen Teil des Tages oder ganztägig aufhalten und in Gruppen gefördert werden“. Tageseinrichtungen werden auch als Kindertagesstätten (kurz: Kita) bezeichnet. In Ihnen werden Kinder bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres (Krippe) sowie Kinder im Kindergartenalter vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt (Kindergarten) gefördert.

Die Förderung schulpflichtiger Kinder vor Schulbeginn sowie nach Schulende (Hort) kann sowohl an Schulen erfolgen, als auch in Kindertagesstätten angegliedert sein.[8]

Zumeist umfassen Kindertagesstätten bzw. Tageseinrichtungen für Kinder sowohl einen Krippenbereich als auch einen Kindergarten- (Elementar-) und ggf. einen Hortbereich. Die Betreuung der Kinder erfolgt sowohl in altershomogenen Gruppen (Kinder eines Jahrgangs oder Kinder eines Bereichs) als auch in altersgemischten Gruppen (bereichsübergreifende Betreuung).[9]

Tageseinrichtungen werden von Trägern der öffentlichen als auch der freien Jugendhilfe betrieben. Unter Trägern der öffentlichen Jugendhilfe werden Kreise und kreisfrei Städte, ggf. kreisangehörige Gemeinden und Gemeindeverbände ( in Berlin bis 2006 die Berliner Bezirke, danach Eigenbetreibe von Berlin) subsummiert. Träger der freien Jugendhilfe sind insbesondere die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege sowie viele weitere nach den Regelungen des § 75 SGB VIII anerkannte Träger. Hervorzuheben sind Elterninitiativen, die die Förderung ihrer Kinder selbst organisieren und gemäß § 25 SGB VIII zu unterstützen sind.

2. Historischer Rückblick über die Entstehung von Kinderkrippen in

Deutschland

„Wer in der Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern.“[10]

André Malraux (1901-1976) – französischer Schriftsteller und Politiker

2.1. Entstehung der Krippe im 19. Jahrhundert

Die Krippe ist nicht nur zu unserer Zeit eine umstrittene Einrichtung, sondern ist es schon seit ihrem Bestehen. Verschiedene Arten der Kinderbetreuung gibt es bereits seit Jahrhunderten. Als Kinderkrippen bezeichneten Einrichtungen, früher z.B. auch Bewahranstalten für Kinder genannt, gibt es allerdings erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts. In dieser Zeit herrschte im deutschen Reich Massenarmut, so dass die Frauen immer häufiger gezwungen waren einer außerhäuslichen Erwerbsarbeit nachzugehen, um das Einkommen der Familien notdürftig zu sichern.[11]

Die erste Kinderkrippe entstand durch die Initiative von Firmin Marbeau (franz. Philanthrop) 1844 in der Hauptstadt Frankreichs. 1849 zog das deutsche Reich nach und gründete in Wien[12] die erste Krippe, den Anstoß dazu gab der Arzt Dr. Carl Helm. Die Verbreitung der neuen Betreuungsmöglichkeit erfolgte sehr zügig, dennoch erreichte die damalige Krippe nicht annährend das Ausmaß einer flächendeckenden Versorgung[13].[14] Oft scheiterte der Ausbau an der finanziellen Grundlage, sowie den ständigen Konfrontationen mit den Widersachern von Krippen. Die Krippenveranstalter konnten außer den prophylaktischen Kinderschutz und die pflegerischen Aspekten keine weiteren Effekte von Krippenbetreuung (wie bspw. elementarpädagogische Bedeutung) herausstellen, die politisches Interesse hätten wecken können.[15]

Gängige Argumente für eine Schließung von bestehenden Einrichtungen waren bzw. sind es zum Teil heute noch, dass: 1) die Familie für die Primärsozialisation des Kindes verantwortlich sei, 2) die Mutter-Kind-Beziehung darunter leiden würde und 3) die arme Bevölkerung dazu verleitet werden würde, mehr Kinder in die Welt zu setzen.[16] Letzteres geht auf die folgende Theorie von Thomas Robert Malthus (1766-1834) zurück. Aufgrund des Bevölkerungswachstums sei es gefährlich, zu viel Fürsorge für die armen Bevölkerungsschichten aufzuwenden, da diese zu „Vielkinderei“ ermuntere und dies zu einer Verstärkung der Armut führen würde. Zu seiner Zeit wurde der Bevölkerungsanstieg für die Massenarmut verantwortlich gemacht.[17]

Über das ganze 19. Jahrhundert hinweg, galten Anstalten der institutionellen Kinderfürsorge als „unnatürlich und künstlich“ und standen in dem Ruf eine „mindere Erziehungsqualität“ aufzuweisen. Bei den Kindergärten relativierte sich diese Ansicht, die Vorurteile gegenüber den Krippen blieben allerdings bestehen.

Begleitet wurde deren Entstehung in der Gesellschaft durch die hohe Morbiditäts- und Mortalitätsrate während des 19. Jahrhunderts. Die Kinderkrippen mussten ständig darum bemüht sein eine niedrigere Säuglingssterblichkeitsrate vorzu- weisen, als allgemein die Kommune bzw. die Stadt. Die Einrichtungen, in denen die Morbiditäts- und Mortalitätsrate höher war, wurden von den Krippengegnern als Bestätigung für ihre Zweifel gegenüber den Einrichtungen angeführt.[18]

Die Argumente der Krippenbefürworter bauten auf dem sozialpädagogischen Doppelmotiv auf. Dr. Carl Helm definiert es wie folgt: „ Die Krippe hat einen doppelten Zweck, sie soll: 1. die arme Mutter unterstützen, indem sie es ihr möglich macht, dem täglichen Erwerbe nachzugehen; 2. die armen, verlassenen Kleinen, welche bis jetzt alles Schutze der Gesellschaft entbehrten, vor Entbehrungen, Leiden, Krankheiten, deren Folge nicht selten der Tod war, durch Beaufsichtigung und Pflege bewahren “.[19] An dieser Aussage wird deutlich, dass bis dahin kein Interesse darin bestand die Kinder zu erziehen bzw. zu bilden, sondern dass Krippen einzig und allein zur Bewahrung der Kinder existierten.

Auch unter den Frauen gab es verschiedene Auffassungen über das Struktur- problem, dass Mütter zum Einen für die unentgeltliche Reproduktionsarbeit einschließlich Kinderbetreuung und -erziehung zuständig sind und auf anderen Seite der außerhäuslichen Erwerbsarbeit nachgehen müssen, um die Familie miternähren zu können. Während die bürgerliche Frau ein „Recht der Frauen auf Erwerb“ postulierte, forderte die proletarische Frau eine Entlastung von Erwerbsarbeit und die Möglichkeit, die Kleinkinder unterbringen zu können.[20]

Für den weiteren Verlauf der Arbeit wird hier schon deutlich, dass der „familiäre Idealtypus“, der Mann ist der Ernährer der Familie und die Frau ist für die häuslichen Arbeiten zuständig, erst eine Erscheinung seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist. Bis nach der Wende zum 20. Jahrhundert musste in den meisten Familien die Frau mitverdienen, um die Familie zu unterhalten. Zwar wurde der „familiäre Idealtypus“ angestrebt, welcher allerdings durch die hohe Massenarmut nur schwer umsetzbar war. Kleiner und Reyer meinen sogar, dass „öffentliche Betreuungseinrichtungen zur Regelung des Problems der Vereinbarkeit von Beruf und Familie immer nur restriktiv bereitgestellt wurden, um die weibliche Geschlechterrollennorm aufrechtzuerhalten“.[21] Um dies durch eine empirische Analyse zu bestätigen oder zu widerlegen, fehlen zeitgenössische Statistiken oder sind unzureichend.[22]

Die Krippe war nicht nur für Kinder und Mütter von Bedeutung, auch andere profitierten von deren Existenz, beispielsweise trug sie zur Entlastung der Armenkasse der Gemeindeverwaltung bei. Für Arbeitgeber sorgte die Krippe für zuverlässigere Arbeitskräfte und bürgerliche Frauen fanden in den Krippen ein soziales Betätigungsfeld. Andererseits barg sie wiederum Kosten für die Gemeinde, da die Finanzierung aus privaten Haushalten (Spenden, Pflegebeiträge der Eltern) nicht ausreichten, um die Einrichtung aufrechtzuerhalten. Von den Eltern der Krippenkinder konnten keine all zu hohen Beiträge abverlangt werden, da die Familie nicht in der Lage gewesen wäre diese zu entrichten.[23]

Dies zeigt sich auch an den Aufnahmekriterien. Eltern, die einen Krippenplatz für ihr Kind erhalten wollten, mussten „arm“, „brav“ und „außer dem Haus arbeiten“[24]. Kinder, bei denen die Mutter nicht gezwungen war aus finanzieller Not außer Haus zu arbeiten, wurden nicht aufgenommen, da die Primärsozialisation durch die Familie gefördert werden sollte.[25]

2.2. Die Krippe Anfang des 20. Jahrhunderts bis zur Teilung Deutschlands

Mit Beginn des 1. Weltkrieges benötigte der Staat vermehrt Arbeitskräfte für die Kriegsindustrie, somit auch Frauen. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Erwerbsarbeit von Frauen als nationale Pflichterfüllung beschönigt. Deshalb wurde der quantitative Krippenausbau gefordert und die Unterstützung des Staates zugesichert.[26] Lag die Erwerbsquote der Frauen im erwerbsfähigen Alter (15-60 Jahre) 1895 noch bei rund 37%, stieg sie bis 1925 auf rund 49% an.[27] Trotz der steigenden Erwerbstätigkeit der Frauen und der zunehmenden Bedeutung von Krippen, nahm der insgesamte Betreuungsanteil durch Krippen nicht zu. Die im Krieg entstandenen Krippen waren eher „Notkrippen“ und erfüllten bei weitem nicht die zu dieser Zeit gegebenen Standards (bspw. hygienische Standards), so dass sie schließen mussten, sobald sie nicht mehr benötigt wurden.[28]

Die großen wirtschaftlichen Probleme in der Weimarer Zeit führten zu weiteren zahlreichen Schließungen von Krippen. Infolge der Armut wurden gesetzliche Regelungen zur Kinder- und Jugendfürsorge als erachtenswert angesehen und durch das im Jahr 1924 in Kraft getretene „Reichsjugendwohlfahrtsgesetz“ (RWJG) ratifiziert. Die bis zu dieser Zeit bestehenden Krippen sollten den neu gegründeten Jugendämtern unterstellt sein, die dafür Sorge zu tragen hatten, dass „unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips Einrichtungen anzuregen, zu fördern und gegebenenfalls zu schaffen“ sind. Dennoch kam es zu keinem Ausbau von Krippeneinrichtungen. Sondern vielmehr wurden jene geschlossen, welche unter anderem aufgrund der Inflation und Wirtschaftkrise in finanzielle Nöte gerieten.[29]

Auch im Dritten Reich spielte die Krippe bis zum 2.Weltkrieg keine größere Rolle. Mütter sollten erneut in die Familie „zurückkehren“ und nicht mehr außer Haus erwerbstätig sein.[30] Erst als Frauen wieder einmal für die Kriegsindustrie gebraucht wurden, setzte erneut eine staatliche Propaganda für Betreuungseinrichtungen, wie Krippen und Kindergärten ein. Besonders Betriebskinderkrippen wurden forciert. Mit dem Mutterschaftsgesetz von 1942 wurden die Betriebe noch mehr in die Verantwortung für Kinderbetreuung gezogen (Kostenbeteiligung und Einrichtung von Stillräumen).[31]

2.3. Die unterschiedliche Entwicklung der Krippen im geteilten Deutschland

So verschieden, wie sich die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik hinsichtlich politischer, wirtschaftlicher und sozialer Ideologien entwickelt haben, so verschieden war auch der weitere Verlauf der Krippengeschichte.

Während sich in der DDR der Ausbau der Krippenplätze rasant entwickelte, stagnierte die Entwicklung in der BRD. 1990 hatten die neuen Bundesländer eine Versorgungsquote der Krippenplätze von 51% für alle Kinder unter drei Jahren, berücksichtigt man das Babyjahr, das von fast allen Müttern in Anspruch genommen wurde, verfügte die DDR über eine Versorgungsquote von rund 80% für alle Kinder im Alter von ein bis unter drei Jahre. Die BRD dagegen wies 1990 eine Versorgungsquote von rund 1% auf.[32]

Dieser gravierende Unterschied war Ausdruck einer differenzierten Familienpolitik. Die BRD war eher der Verfechter des „traditionellen Rollenbildes“, wobei sie der institutionellen Kinderbetreuung gegenüber negativ eingestellt war und diese allemal als Notlösung für erwerbstätige Frauen sah.[33] Eine konträre Ansicht vertrat die Politik der DDR, dort hatte die Erwerbstätigkeit von Müttern einen hohen sozial- und familienpolitischen Stellenwert und Krippen galten als ein gesellschaftlicher Fortschritt.[34]

2.3.1. Krippen in der ehemaligen DDR

In der Deutschen Demokratischen Republik war die Frauenerwerbsarbeit etwas Gewöhnliches und genoss einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert. Frauen im erwerbsfähigen Alter, die weder einer Erwerbstätigkeit nachgingen, noch studierten oder eine Ausbildung absolvierten, stellten eine Minderheit dar (dies waren Ende der 80er Jahre etwa 9%).[35] Die große Bedeutung, die der Frauenerwerbsarbeit zukam, basierte auf ideologischen Grundlagen. Unter anderem, wurde damit argumentiert, dass die Gleichstellung der Frauen im Erwerbsleben für Gleichberechtigung gegenüber dem Mann in Familie und Gesellschaft sorgen würde. Außerdem war sie für die Volkswirtschaft in der DDR notwendig, um die Wachstumsvorgaben der zentralen Planungsbehörde der DDR zu erfüllen, denn die Ökonomie war durch niedrige Produktivität und arbeits- intensive Produktion gekennzeichnet.[36]

Um diese Dreifachbelastung für Frauen (Erwerbsarbeit, Familienarbeit und gesellschaftliches Engagement) etwas zu minimieren, wurde ein größeres Netz an staatlichen Institutionen für Kinderbetreuung geschaffen. Dies galt nicht nur für Kindergärten, sondern ebenso für Krippen und Horte.[37] „Die Betreuung und Pflege der Säuglinge und Kleinstkinder in Krippen galt nicht mehr als prinzipiell minderwertig gegenüber der ausschließlichen Familienpflege, sondern als Chance, schon in den ersten Lebensjahren den Grundstein für die Erziehung zur ‚allseitig entwickelten Persönlichkeit’ zu legen“.[38]

Der Ausbau von Betreuungseinrichtungen wurde zusätzlich als Gelegenheit genutzt, „eine Kindererziehung im Sinne sozialistischer Vorstellungen“ sicherzustellen.[39] Man vertrat in der DDR die Ansicht, dass eine optimale Sozialisation nur durch die Verbindung von familiärer und gesellschaftlicher Erziehung in Krippen gelingen konnte. In dem 1965 verabschiedeten „Familiengesetzbuch“ (FGB) hieß es in § 3 Absatz 1 dazu: „Es ist die vornehmste Aufgabe der Eltern, ihre Kinder in vertrauensvollem Zusammenwirken mit staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen zu gesunden und lebensfrohen, tüchtigen und allseitig gebildeten Menschen, zu aktiven Erbauern des Sozialismus zu erziehen.“[40]

Einen weiteren Schub bekam die Bedeutung von Krippen, als diese in das „Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem“ aufgenommen wurden. Seitdem erfuhr die Krippe einen noch deutlicheren Wandel von einer Aufbewahrungsanstalt für Kleinkinder hin zu einem Teil des Bildungssystems mit eigener bildungspolitischer und gesellschaftspolitischer Funktion.[41] Schon vorher kamen neben der Pflege und Bewahrung der Kinder pädagogische Instrumente dazu. Jedoch wurde dies durch die Aufnahme in das einheitliche sozialistische Bildungssystem hervorgehoben.[42] Zu erwähnen gilt hier, dass für die Krippen trotzdem weiterhin das Gesundheitswesen zuständig war.[43]

Trotz einer hohen Versorgung mit Krippenplätzen, die zusätzlich lange Öffnungszeiten anboten, entschieden sich immer mehr Frauen aufgrund der hohen Belastung, nur einer Teilzeitarbeit nachzugehen. Mehr als ein Viertel aller berufstätigen Frauen waren 1985 teilzeitbeschäftigt.[44]

Das war für den Staat jedoch ein geringeres Problem, als der allgemeine Geburtenrückgang. Gebaren Frauen 1960 im Durchschnitt noch 2,33 Kinder, sank diese Zahl bis 1970 auf 2,19 Kinder je Frau und 1985 auf 1,73 Kinder je Frau.[45]

Tabelle 1: Geburtenentwicklung in der ehemaligen DDR von 1955-1990

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Statistisches Bundesamt

Die Begründungen für den Rückgang sind vielseitig, „allgemeiner Geburtenrückgang, den auch andere Industriestaaten zu verzeichnen hatten, zusätzliche Bevölkerungsverluste durch die Übersiedlungsbewegungen in die Bundesrepublik bis 1961 (Mauerbau) (...)“[46] bzw. dürfte der „massive Geburtenrückgang in Ostdeutschland nach der Wende einerseits in der ökonomischen Verunsicherung durch Umstellung des Wirtschaftssystems begründet gewesen sein, (...) andererseits auch die Konsequenz einer Konfrontation mit einem Rollen- und Familienleitbild, das mit dem der DDR nur beschränkt kompatibel war.“.[47]

Ebenso wurde zwar die Gleichstellung von Mann und Frau in der DDR gesetzlich geregelt, dennoch sah dies bezüglich der Haus- und Familienarbeit bei einem Großteil der Bevölkerung in der Realität anders aus. Frauen waren für Kindererziehung und Haushalt zuständig, bei gleichzeitiger Erwerbstätigkeit.[48]

Für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf scheint in dieser Betrachtung ein hoher Versorgungsgrad an Kinderbetreuungseinrichtungen kein alleiniges Hilfsmittel, denn obwohl dies in der DDR gegeben war, verzeichnete das Land einen Geburtenrückgang, sowie eine Zunahme an Teilzeitarbeit der Frauen. Die zwar propagierte Gleichberechtigung von Frau und Mann, die in der Realität nicht existierte, spielt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine bedeutende Rolle.

2.3.2. Krippen in der alten BRD

In der alten Bundesrepublik hatte man eine völlig andere Auffassung zur Thematik „Frauenerwerbstätigkeit und Kleinkindbetreuung durch Krippen“. Zwar stieg ebenfalls in der BRD die Frauenerwerbsquote von der Nachkriegszeit bis 1989 auf 55,5% an, jedoch lag sie nie so hoch, wie die der DDR (89% im Jahr 1989).[49] Auch im internationalen Vergleich war die Frauenerwerbsquote der alten BRD niedrig.[50] Grund hierfür ist vor allem das Rollenverständnis von Mann und Frau in den alten Bundesländern. Demnach galt der Mann durch sein Erwerbseinkommen als Ernährer der Familie und die Frau war für die Haus- und Familienarbeit zuständig.[51] „Die im Grundgesetz festgeschriebene Gleich- berechtigung von Mann und Frau (Art. 3.2 GG) stand immer wieder im Widerspruch zum Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG)“.[52]

Wenn Frauen ihre Kleinstkinder in Krippen unterbringen wollten, durfte dies nur im Notfall geschehen, da „institutionelle Gruppenbetreuung von Säuglingen und Kleinstkindern aus pädiatrischer und entwicklungspsychologischer Sicht abzulehnen sei“.[53] Durch die Einführung von staatlichem Kindergeld, Ehegattensplitting im Steuerrecht, bessere Absicherung der Hinterbliebenen bei den Renten und der Einbeziehung nicht erwerbstätiger Familienmitglieder in die Krankenversicherung sollte die „Hausfrauen-Ehe“ mit der familiären Kinderbetreuung gestärkt werden.[54]

Man könnte vermuten, dass durch eine niedrigere Frauenerwerbsquote und dem Rollenverständnis der Frau, die Geburtenziffer in Westdeutschland höher lag als in der ehemaligen DDR. Dem kann jedoch widersprochen werden. Die Kinderzahl je Frau lag in der alten BRD sogar immer ein wenig niedriger als in der ehemaligen DDR. Dadurch wird erkennbar, dass zwischen Fertilität und Erwerbstätigkeit der Frau historisch gesehen kein negativer Zusammenhang bestehen muss.

Tabelle 2: Geburtenentwicklung in der alten BRD von 1955-1990

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Statistisches Bundesamt

Mit dem Beginn der Frauenbewegungen in den 70er Jahren bröckelte die traditionelle Rollenzuschreibung langsam und Frauen wurden zunehmend mehr erwerbstätig, zumindest phasenspezifisch, sie gingen vor der Geburt ihres Kindes und nach dessen Selbständigkeit wieder einer Erwerbsarbeit nach.[55]

Die politische Unterstützung, die Frauen für eine Erwerbstätigkeit in der DDR genossen haben, fiel in der alten Bundesrepublik bedeutend geringer aus.[56] Ebenso wurde es Frauen durch harte Aufnahmekriterien erschwert, einen Krippenplatz für ihr Kind zu bekommen. Kinder hatten nur einen Anspruch auf einen Krippenplatz, wenn sie aus „zwingenden Gründen nicht in der Familie betreut werden konnten“.[57] Dies erinnert an die Aufnahmekriterien aus dem 19. Jahrhundert, in denen Krippen noch eine reine Bewahranstalt für Kleinkinder darstellten. Obwohl, 20% der befragten Mütter nach einer Erhebung des BMJFG im Ausbau von Kinderkrippen eine Erleichterung ihrer Situation sehen würden, stieg der Versorgungsgrad mit Krippenplätzen nur geringfügig. Es ging den Müttern nicht nur um die reine Betreuung in Krippen, sondern sie sahen dadurch eine Möglichkeit ihren Kindern „über den kleinfamiliären Erfahrungsraum hinaus Lernmöglichkeiten zu bieten“.[58]

In den 70er Jahren, begleitet von Frauen- und Studentenbewegungen, kam es zu vermehrten Gründungen von Eltern-Kind-Initiativen, mit denen man versuchte, sich selbst zu helfen. In diesem Zuge entstand auch die Kinderladenbewegung. Nicht nur wegen des geringen Krippenangebots, sondern auch um unabhängig von Staat und Gesellschaft sein Elternrecht wahrzunehmen. Das Stichwort lautet hier „antiautoritäre Erziehung“, „weg von gesellschaftlichen Normen“.[59] Da diese Eltern-Kind-Initiativen nur ein geringes Kontingent an Plätzen zur Verfügung stellten, kam es in diesen Einrichtungen häufig zu Altermischungen in den Gruppen, das heißt, Kindergartenkinder (ab drei Jahren) wurden mit den jüngeren Krippenkindern gemischt.[60] Freie Vereinigungen, unter denen sich viele Eltern-Kind-Initiativen befanden, stellten 1990 in der alten BRD 21,8% der Krippenplätze, weitere 53,6% wurden durch Kommunen und 2,3% durch privat-gewerbliche Träger unterhalten.[61]

Mit dem Bundeserziehungsgesetz von 1986, bot sich Frauen die Möglichkeit in den Erziehungsurlaub zu gehen und Erziehungsgeld zu beziehen, sofern sie ihr Kind vorwiegend selbst betreuten. Da es nicht ausreichend Krippenplätze gab, war es jedoch keine realistische Wahlmöglichkeit. „Nicht alle Mütter könnten es sich aus materiellen oder beruflichen Gründen leisten, längerfristig aus dem Berufsleben auszuscheiden“.[62]

Im Jahre 1990 kam es dann erstmals zu einer positiven Stellungnahme gegenüber Krippeneinrichtungen. Im achten Kinder- und Jugendbericht heißt es, dass sich eine gute Krippenbetreuung „positiv auf die kindliche Entwicklung auswirken kann“.[63]

2.4. Die Krippe im vereinten Deutschland

„Die Diskussion um eine stärkere Rolle des Staates bei der Bereitstellung außerfamiliärer Kinderbetreuung intensivierte sich zudem nach der deutschen Wiedervereinigung, da die in der ehemaligen DDR zahlreich vorhandenen Betreuungseinrichtungen (...) geschlossen wurden.“[64] Motive hierfür waren „finanzielle Probleme, die hohe Arbeitslosigkeit bei Männern und Frauen, der Geburtenrückgang in den neuen Bundesländern sowie der Wegzug vieler Familien und die sich daraus ergebenden Überkapazitäten“.[65]

Übrige Einrichtungen in Ostdeutschland, die vorwiegend öffentlich betrieben wurden, wurden stetig von freien Trägern übernommen. Dieser Trend ist auch heute noch in neuen Bundesländern erkennbar.[66] Des Weiteren wurden Krippenkinder mit Kindergartenkindern zusammengelegt, was bedeutet, dass in einer Einrichtung sowohl Krippen-, als auch Kindergartenkinder in alters- gemischten oder alterseinheitlichen Gruppen betreut wurden, um die weniger gewordenen Krippenkinder auszugleichen.[67]

Eine weitere Umstrukturierung für Kindergartenkinder fand im Jahr 1996 im Rechtswesen statt. Seit dem 01.01.1996 sichert das KJHG/ SGB VIII mit dem § 24 Abs. 1 jedem Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr an bis zum Schuleintritt einen Tageseinrichtungsplatz zu. Für Krippenkinder gibt es bisher noch keinen solchen Rechtsanspruch. Hierzu findet sich im SGB VIII § 24 Abs. 2 nur folgende rechtliche Formulierung: „Für Kinder im Alter unter drei Jahren (...) ist ein bedarfsgerechtes Angebot an Plätzen in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege vorzuhalten.“. „Bedarfsgerecht“ wurde unter § 24 Abs. 3 wie folgt definiert: „Für Kinder im Alter unter drei Jahren sind mindestens Plätze in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege vorzuhalten, wenn 1. die Erziehungsberechtigten oder, falls das Kind nur mit einem Erziehungs- berechtigten zusammenlebt, diese Person einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, in der Schulbildung oder Hochschulausbildung befinden oder an Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt teilnehmen oder 2. ohne diese Leistung eine ihrem Wohl entsprechende Förderung nicht gewährleistet ist (...) .“.

Quantitativ weisen die neuen Bundesländer trotz des erfolgten Rückbaus einen deutlich höheren Ausbaugrad mit institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen auf, als die alten Bundesländer.[68] Doch von einer flächendeckenden Versorgung kann auch hier nicht (mehr) gesprochen werden.

Weitere Problematiken, über die derzeit vielseitig diskutiert wird, sind neben der unzureichenden Krippenplatzversorgung die unflexiblen Öffnungszeiten von Kindertagesstätten und die Höhe der Elternbeiträge. Durch die Zunahme der flexiblen Arbeitszeiten kommt es häufig zu Passungsproblemen, die Arbeitszeiten der Eltern sind mit den Öffnungszeiten der Einrichtungen immer seltener kompatibel.[69] Auch die Höhe der Elternbeiträge geraten immer mehr in den Blickpunkt. Nicht alle Eltern können/wollen sich die Beiträge leisten, die meist einkommensabhängig erhoben werden.[70] Besonders unter dem Aspekt der Förderung der Integration von Kinder mit Migrationshintergrund wird viel über eine allgemeine Abschaffung der Kita-Gebühren nachgedacht.[71] In einigen Bundesländern ist das letzte Kindergartenjahr schon beitragsfrei, in anderen soll dies folgen.[72]

Da all dies viele Diskussionen wert ist, zeigt das sich die negative Einstellung gegenüber familienergänzenden Einrichtungen im historischen Verlauf relativiert hat. Dies begründet sich meiner Meinung nach unter anderem durch die Zunahme an verschiedenen Lebensformen, der steigenden Zahl von Alleinerziehenden, die besseren Bildungschancen für Frauen und dem gleichzeitigen Wachstum der Frauenerwerbstätigkeit und der damit immer größeren Notwendigkeit von staatlich geförderten Kinderbetreuungseinrichtungen.

Aber auch Erkenntnis, dass Kinder in Krippen einen wichtigen Teil an Bildung erfahren, unterstützt die Akzeptanzentwicklung ebenso beträchtlich.[73]

Anhand des geschichtlichen Verlaufs lässt sich feststellen, dass die Betreuung unter Dreijähriger von den frühen Anfängen bis in die heutige Zeit eine umstrittene, soziale und ökonomisch vielschichtige Thematik ist.

3. Bestandsaufnahme der institutionellen Kleinkindbetreuung

Aufgrund von fehlenden bzw. unzureichenden Datenquellen lassen sich nicht bei allen der folgenden Punkte der Bestandsaufnahme die Daten für Kinder unter drei Jahren von denen der Kindergartenkinder (über drei Jahre bis Schuleintritt) trennen. Oftmals werden beide Altergruppen unter dem Begriff Kindertages- einrichtung bzw. Tageseinrichtung für Kinder zusammengefasst und nicht weiter aufgeschlüsselt. Besonders schwierig ist dies bei den Kombinationseinrichtungen, in denen Kinder im Alter von null Jahren bis Schuleinritt und teilweise Hortkinder in altersgemischten bzw. alterseinheitlichen Gruppen unter einem Dach betreut werden. Bei den Angaben zu den Ausgaben und Einnahmen der öffentlichen Jugendhilfe für Tageseinrichtungen für Kinder wäre eine Trennung der Altersgruppen, in Hinblick auf die aktuelle Debatte um die Finanzierung des Ausbaus der Kleinkindbetreuung für Kinder unter drei Jahren, von Interesse.

Eine zusätzliche Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass Daten für die Kinder- und Jugendhilfestatistik zur Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen nur alle 4 Jahre erhoben werden. Somit hält sich die Aktualität der Angaben im Folgenden begrenzt. Die Angaben von 2006 sind erst vorläufig, da noch nicht alle Daten von allen Bundesländern erfasst wurden. Des Weiteren hat es von 2002 zu 2006 Veränderungen im Erhebungskonzept gegeben.[74] Es wird nun nicht mehr die Versorgungsquote (Platz-Kind-Relation) errechnet, sondern eine Besuchsquote, das heißt es werden die Kinder, die tatsächlich einen Platz in einer Tagesbe- treuungseinrichtung haben, in Relation zu den Kindern gestellt, die keine besuchen.[75] Somit ergeben sich Probleme im langfristigen Vergleich bei der Entwicklung von Betreuungsplätzen für unter Dreijährige.

[...]


[1] Vgl. Zeit online (Hrsg.) (14/2007): Betreuung für 35 Prozent, Online Publikation, abrufbar über http://images.zeit.de/text/online/2007/14/kinder-gipfel-ergebnis [Zugriff 20.September 2007].

[2] Vgl. von der Leyen, Ursula (2007): Ursula von der Leyen im Interview mit dem Tagesspiegel vom 23.07.2007, durchgeführt von Hans Monath und Antje Sirleschtov, abrufbar über http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Kategorien/aktuelles,did=99752.html

[Zugriff 23. September 2007].

[3] Vgl. Dickmann, N. (2003): Demographischer Wandel – Geburtenraten im internationalen Vergleich, in: iw-trends Heft 1/2003.

[4] Vgl. Emmerling, T. (1994): Karriere mit Kind – Kinderbetreuung in Deutschland, Zebulou-Verlag, Düsseldorf, S. 24.

[5] Linkspartei Saarland (Hrsg.) (25.02.2007): Familien dürfen nicht zur organisierten Betreuung ihrer Kinder gezwungen werden, Pressemitteilung, abrufbar über

http://www.linke-saar.de/Pressearchiv/Presse_2007_I/Bischof/bischof.html

[Zugriff 23.September 2007].

[6] Vgl. Weiland, S. (2007): Unions-Frauen helfen von der Leyen, in: Spiegel online – 10.April 2007, abrufbar über http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,476459,00.html

[Zugriff 20. September 2007].

[7] Vgl. § 22 Abs. 1 SGB VIII.

[8] Vgl. § 24 SGB VIII.

[9] Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.) (2005b): Zwölfter Kinder- und Jugendbericht – Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland, München, S. 287.

[10] Wikiquote (Hrsg.): Zitate – Zukunft, abrufbar über http://de.wikiquote.org/wiki/Zukunft

[Zugriff 14. November 2007].

[11] Vgl. Kleine, H., Reyer, J. (1997): Die Kinderkrippe in Deutschland – Sozialgeschichte einer umstrittenen Einrichtung, Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau, S. 17-24.

[12] Wien gehörte zu dieser Zeit noch zum Deutschen Kaiserreich.

[13] Nach Angaben von Fritz Rott (1913) gab es 234 Krippen um 1912 im Deutschen Kaiserreich.

[14] Vgl. Kleine, H., Reyer, J. (1997): S.17-24.

[15] Vgl. Ebd. S. 22.

[16] Vgl. Ebd. S. 48.

[17] Vgl. Neßhöver, C. (1999): Nur noch Stehplätze, in: Die Zeit 21/1999, S. 29.

[18] Vgl. Kleine, H., Reyer, J. (1997): S. 16-17.

[19] Helm, C. (1851a): Einige Worte über Krippen Säuglingsbewahr-Anstalten, (Crèches), Wien, S.15 zitiert durch Kleine, H., Reyer, J. (1997): S. 30.

[20] Vgl. Kleine, H., Reyer, J. (1997): S. 41-42.

[21] Ebd. S. 42.

[22] Vgl. Ebd. S. 43.

[23] Vgl. Ebd. S. 48.

[24] Vgl. Berger, M. (1997): Zur Geschichte der Kinderkrippe in Deutschland, Teil 1 in: Wehrfritz Wissenschaftlicher Dienst, Heft 66, S. 20.

[25] Vgl. Ebd.

[26] Vgl. Ebd. S. 21.

[27] Vgl. Müller, W., Willms, A., Handl, J. (1983): Strukturwandel der Frauenarbeit 1880-1980, Frankfurt - New York, S. 35.

[28] Vgl. Berger, M. (1997): S. 21-22.

[29] Vgl. Ebd.

[30] Vgl. Kleine, H., Reyer, J. (1997): S. 113.

[31] Vgl. Ebd.

[32] Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2004a): Kindertagesbetreuung in Deutschland – Einrichtungen, Plätze, Personal und Kosten 1990-2002, Wiesbaden, S.25.

[33] Vgl. Berger, M. (1998): Zur Geschichte der Kinderkrippe in Deutschland, Teil 2 in: Wehrfritz Wissenschaftlicher Dienst, Heft 67/68, S. 24.

[34] Vgl. Kleine, H., Reyer, J. (1997): S. 115-116.

[35] Vgl. Poll, C. (2002): Frauenerwerbsarbeit in Deutschland, in: isw-report 50, März 2000, München, S.2.

[36] Vgl. Ebd.

[37] Vgl. Merkle, L.E. (1994): Frauenerwerbstätigkeit und Kinderbetreuung – Eine theoretische und empirische Analyse für die Bundesrepublik Deutschland, Physica-Verlag, Heidelberg, S. 125-130.

[38] Kleine, H., Reyer, J. (1997): S. 117.

[39] Vgl. Merkle, L.E. (1994): S. 126.

[40] Ministerium der Justiz (Hrsg.) (1966): Familiengesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik mit wichtigen Nebengesetzen, Berlin.

[41] Vgl. Ahnert, L. (1998): Tagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren – Theorien und Tatsachen, Verlag Hans Huber, Bern/Göttingen/Toronto/Seattle, S. 33.

[42] Vgl. Berger, M. (1998): S. 23.

[43] Vgl. pädal - pädagogik aktuell e.V. (Hrsg.): Krippenerziehung in der DDR, abrufbar über http://www.paedal.de/museum-krippenerziehung.html [Zugriff 25.Oktober 2007].

[44] Vgl. Poll, C. (2002): S. 3.

[45] Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2006b): Geburtenentwicklung im langfristigen Vergleich, abrufbar über

http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pm/2006/03/PD06__122__126.psml [Zugriff 22. September 2007].

[46] Kleine, H., Reyer, J. (1997): S. 125.

[47] Schmitt, C. (2007): Familiengründung und Erwerbstätigkeit im Lebenslauf, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 7/2007, S. 7.

[48] Vgl. Poll, C. (2002): S. 2-3.

[49] Böttcher, K. (2006): Scheidung in Ost- und Westdeutschland – Der Einfluss der Frauenerwerbstätigkeit auf die Ehestabilität, in: MPIDR Working Paper WP 2006-016 June 2006, Rostock, S. 5.

[50] Vgl. Merkle, L.E. (1994): S. 99.

[51] Vgl. Lee, Jin-Sook (1999): Familie und staatliche Familienpolitik in Deutschland im Lichte der sozialwissenschaftlichen Diskussion, Ergon Verlag, Würzburg, S.137.

[52] Poll, C. (2002): S. 4.

[53] Kleine, H., Reyer, J. (1997): S. 155-156.

[54] Vgl. Poll, C. (2002): S. 4.

[55] Vgl. Poll, C. (2002): S. 4.

[56] Ebd. S.4-5.

[57] Vock, J. (1979): Probleme der Krippenerziehung, Köln, S. 29 zitiert über Berger, M. (1998): Zur Geschichte der Kinderkrippe in Deutschland, Teil 2 in: Wehrfritz Wissenschaftlicher Dienst, Heft 67, S. 24.

[58] Vgl. Kleine, H., Reyer, J. (1997): S. 158-159.

[59] Vgl. Giebeler, C. : Kleinstkinder in der Tagesstätte und was Erzieherinnen davon halten. Erste Ergebnisse einer Feldforschung als Beitrag zur Qualitätsentwicklung öffentlicher Kinderbetreuung, in: Becker-Textor, I., Textor, M.R. (Hrsg.): SGBVIII - Online-Handbuch, abrufbar über http://www.sgbviii.de/S100.html [Zugriff 23. Oktober 2007].

[60] Vgl. Ebd.

[61] Vgl. Merkle, L.E. (1994): S. 106.

[62] Der Bundesminister für Jugend, Frauen und Gesundheit (Hrsg.) (1990): Achter Jugendbericht – Bericht über Bestrebungen und Leistungen der Jugendhilfe, Bonn, S. 95.

[63] Ebd. S. 96.

[64] Merkle, L.E. (1994): S. 100.

[65] Ebd. S. 127.

[66] Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2004a): S. 12-13.

[67] Vgl. Berger, M. (1998): S. 25.

[68] Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2005b): S. 249.

[69] Vgl. Esch, K., Stöbe-Blossey, S. (2005): Arbeitsmarkt und Kinderbetreuung – Anforderungen an die Neustrukturierung eines Dienstleistungsangebots. In: Institut Arbeit und Technik Jahrbuch 2005, S.137.

[70] Vgl. Merkle, L.E. (1994): S. 200-206.

[71] Vgl. von der Leyen, Ursula (2006): Rede der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Dr. Ursula von der Leyen zum Antrag des Bundesvorstands: „Klein und einzigartig – auf den Anfang kommt es an! Bildungschancen fördern, Erziehung stärken.“ Auszug aus dem Stenografischen Protokoll Dresden, 28. November 2006 20. Parteitag der CDU Deutschlands, Dresden, S. 5-7.

[72] Vgl. Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur, Rheinland Pfalz (2007): Ahnen: Beitragsfreiheit für Kindergärten entlastet Familien und verbessert Bildungschancen von Kindern, abrufbar über http://bildungsklick.de/pm/51171/ahnen-beitragsfreiheit-fuer-kindergaerten-entlastet-familien-und-verbessert-bildungschancen-von-kindern

[Zugriff 11. November 2007].

[73] Vgl. Lanfranchi, A. (2oo4): Die Bedeutung familienergänzender Betreuung – von der sozialen Notlösung zur bildungspolitischen Notwendigkeit, in: Lanfranchi, A., Schrottmann, R.E.(Hrsg.): Kinderbetreuung außer Haus – eine Entwicklungschance, HauptVerlag Berne, S. 27-30.

[74] Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2007c): Pressemitteilung Nr. 085 vom 01.03.2007 - 285.000 Kinder unter 3 Jahren in Tagesbetreuung, abrufbar über

http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pm/2007/03/PD07__085__225,templateId=renderPrint.psml [Zugriff 25. September 2007].

[75] Vgl. Ebd.

Ende der Leseprobe aus 96 Seiten

Details

Titel
Rentabilität institutioneller Kleinkindbetreuung (0-3 Jahre) in Deutschland
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Veranstaltung
Diplom
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
96
Katalognummer
V114253
ISBN (eBook)
9783640145119
ISBN (Buch)
9783640146246
Dateigröße
955 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rentabilität, Kleinkindbetreuung, Jahre), Deutschland, Diplom
Arbeit zitieren
Dipl.-Soz.-Wiss. Diana von Wittke (Autor:in), 2008, Rentabilität institutioneller Kleinkindbetreuung (0-3 Jahre) in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114253

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