Patriarchat - Definition, Entstehung, Erklärungsansätze


Referat (Ausarbeitung), 2007

18 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Herkömmliche Begriffsdefinition

3.1 Patriarchat als wissenschaftliches Konzept
3.2 Kritik

4. Entstehung patriarchaler Strukturen

5. Erklärungsansätze für den kontinuierlichen Bestand patriarchaler Gesellschaftsstrukturen

6. Patriarchalismus im Übergang von der traditionellen zur kapitalistischen Gesellschaft

7. Entwicklung der Frauenarbeit

8. Das Abhängigkeitsverhältnis zwischen unentgeltlicher und Erwerbsarbeit

9. Fazit

10. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Als Begriff des alltäglichen Sprachgebrauchs wird Patriarchat oft nur synonym und sehr allgemein für "Männerherrschaft" gebraucht und "patriarchale Strukturen" bringt oft nur ein diffuses Bild von einer wie auch immer gearteten Benachteiligung von Frauen zum Ausdruck, ohne daß dahinter ein klar definierter Sachverhalt zu erkennen wäre. Um den Begriff klarer einzugrenzen, befasse ich mich im ersten Teil dieser Arbeit mit der Herkunft und Definition des Begriffs Patriarchat, bzw. mit dem, was darunter zu verstehen ist und welche Rolle er im wissenschaftlichen Kontext spielt. Diesbezüglich möchte ich vor allem darauf eingehen, in wie weit Patriarchat als eigenständiges Konzept der feministischen Wissenschaft zu verstehen ist, welche Anforderungen an dieses Konzept gestellt werden, aber auch welche Kritik daran geübt wird, da der Begriff Patriarchat von zentraler Bedeutung für die zweite Frauenbewegung ist, welche aus der Studentenbewegung der 1960er Jahre hervorgegangen ist, und die aus ihr entstandene feministische Theorie , um Diskriminierung und Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern als Teil eines übergreifenden Phänomens zu erfassen. Als Schlüsselbegriff war und ist er relevant für feministische WissenschaftlerInnen aller Disziplinen.

Im zweiten Teil dieser Arbeit befasse ich mich dann mit der historischen Betrachtung patriarchalischer Strukturen und den verschiedenen Vermutungen über ihrer Entstehung, gefolgt von einem kurzen Abschnitt über verschiedenen Erklärungsansätze für den Fortbestand patriarchaler (Gesellschafts-)Strukturen bis hinein in die heutige Zeit.

Der Wandel der feudalistisch strukturierten Gesellschaft zur industriell - kapitalistisch strukturierten Gesellschaft im Laufe des 19 Jh. brachte große, alle gesellschaftlichen Lebensbereiche betreffende Veränderungen mit sich, die bis heute Bestand haben bzw. aus denen sich die heutigen Zustände herleiten lassen. Dieser Wandel brachte auch einschneidende Veränderungen bezüglich der gesellschaftlichen Rolle der Frau mit sich, aus denen sich wiederum die patriarchalen Strukturen der heutigen Zeit herleiten lassen. Die Betrachtung der Epoche der Industrialisierung erscheint mir daher als unverzichtbare Voraussetzung für eine angemessene Erklärung und Analyse des heutigen Patriarchalismus. Daher werde ich im letzten Teil dieser Arbeit versuchen, diesen gesellschaftlichen Wandel und die sich daran anschließenden Entwicklungen darzulegen. Einen besonderen Schwerpunkt werde ich dabei anhand des Patriarchatskonzeptes auf die Rolle der Frau im Geflecht zwischen Erwerbsarbeit und unentgeltlicher Arbeit legen, da es in kapitalistisch strukturierten Gesellschaften wohl kaum einen Bereich gibt, in dem Patriarchalismus so offen zu Tage tritt.

2. Herkömmliche Begriffsdefinition

Sprachlich leitet sich der Begriff vom griechischen patér - "Vater" und arché - "Ursprung", "Herrschaft" ab. Patriarchat, auch Androkratie genannt, beschreibt im herkömmlichen Sinne ein System, historisch abgeleitet vom griechischen und römischen Recht, in dem das männliche Oberhaupt der Familie und des Haushaltes die rechtliche und ökonomische Macht über die von ihm abhängigen weiblichen und männlichen Familienmitglieder ausübt. Davon ableiten lassen sich noch die Worte Patrilinearität, was für die über den Vater definierte Familienzügehörigkeit, Erbfolge und Namensgebung (Patronymie) steht, und Patrilokalität, mit welchem der Wohnsitz junger Ehepaare beim Vater des Mannes bzw. der Herkunftsfamilie des Mannes gemeint ist.

3.1 Patriarchat als wissenschaftliches Konzept

In der feministischen Wissenschaft ist die Bedeutung des Begriffs komplexer. Hier umfaßt er Monopolisierung von Machtpositionen, asymmetrische Machtbeziehungen, soziale Ungleichheiten und Unterdrückung in allen gesellschaftlichen Bereichen, nicht nur in Ausschnitten daraus, wie etwa der Familie.

"Unter Patriarchat werden (...) die Beziehungen zwischen den Geschlechtern verstanden, in denen Männer dominant und Frauen untergeordnet sind. Patriarchat beschreibt ein gesellschaftliches System von sozialen Beziehungen der männlichen Herrschaft (...)." (Millet 1977, zitiert nach Becker, Kortendiek (Hrsg.) 2004: 15)

"(...) es meint die Manifestation und Institutionalisierung der Herrschaft der Männer über Frauen und Kinder innerhalb der Familie und die Ausdehnung der männlichen Dominanz über Frauen auf die Gesellschaft insgesamt."

(Lerner 1991: 295, zitiert nach Becker, Kortendiek (Hrsg.) 2004: 15)

"(...) a system of social structures and social practices in which men dominate, oppress and exploit women."

(Walby 1990: 20, zitiert nach Becker, Kortendiek (Hrsg.) 2004: 15)

Die feministische Theorie geht also davon aus, daß sich zentrale Bereiche der Ungleichheit und Diskriminierung nicht ausschließlich aus der innerfamiliären Situation und Konstellation herleiten lassen, wie es die ursprüngliche Definition des Begriffs Patriarchat nahelegt. Ebenso wird davon ausgegangen, daß es sich dabei nicht um ein "natürliches" oder selbstverständliches Phänomen handelt. Eine weitere Anforderung an ein Konzept von Patriarchat im Rahmen der feministischen Theorie ist die universelle Gültigkeit, so daß alle Formen der Unterdrückung in allen Gesellschaften erfaßt werden, es also auch nicht zulässig ist, die Thematik von einem ethnozentrischen Standpunkt aus, etwa einem europäischen oder "westlichen" zu behandeln.

Patriarchat soll aber vor allem als Begriff, bzw. Konzept aufgefaßt werden, mit dem Fragen formuliert werden können, der jedoch keine endgültigen Antworten gibt.[1]

3.2 Kritik

Dieses Patriarchatskonzept ist jedoch nicht unumstritten. In der neueren Debatte wird die gängige Definition als zu eng gefaßt und daher z.B. nur für eine bestimmte historische Epoche gültig kritisiert. Teilweise wird Patriarchat nur noch als Kampfbegriff aus den Anfängen der Frauenbewegung aufgefaßt, der irreführend, wissenschaftlich unbrauchbar oder zumindest überholt sei. Neuer Konsens in der feministischen Wissenschaft ist der Gebrauch des Begriffs Geschlecht - Gender als umfassenderes Strukturierungsprinzip des Geschlechterverhältnisses, da es nicht nur, wie dem Konzept Patriarchat zugeschrieben, hauptsächlich den Zusammenhang zwischen Familie und Erwerbssystem erfasse, sondern alle Bereiche der Gesellschaft auf allen Ebenen. Dieses Prinzip folgt außerdem einer ahistorische Sichtweise der Problematik, die den gegenwärtigen Bedingungen der Diskriminierung von Frauen und dieser zu Grund liegenden Entwicklungen gerechter werden soll.

Ein weiterer Kritikpunkt ist der, daß das Konzept zwar geeignet ist, die strukturellen Ähnlichkeiten in den einzelnen Formen von Diskriminierung und Ungleichheit hervorzuheben, ohne Spezifizierung jedoch nicht geeignet ist, diese Diskriminierungen und Ungleichheiten auch zu erklären. Dies scheint soweit noch deckungsgleich mit dem Anspruch der feministischen Theorie an das Konzept. Eva Cyba sieht darin allerdings die Gefahr einer zirkulären Begründung: " Die Diskriminierung der Frauen besteht in der Vorherrschaft der Männer und wird durch diese Vorherrschaft verursacht, Diskriminierung also aufgrund von Diskriminierung erklärt. Wenn man geschlechtsspezifische Asymmetrien von vornherein immer schon als Ausdruck von Männerherrschaft definiert, so ist über die konkreten Ursachen und Mechanismen der Diskriminierung noch nichts ausgesagt." (Becker, Kortendiek (Hrsg.) 2004: 17)

Außerdem kritisiert Cyba am Konzept Patriarchat, daß Frauen darin häufig nur eine passive Rolle zugestanden wird, obwohl sie sich in erheblichem Maße für ihre Interessen einsetzen, und das auch mit Erfolg. Und eben diese Erfolge, die Verbesserung der Situation von Frauen in vielen Bereichen müßte mit einbezogen werden, um die gegenwärtige soziale Situation von Frauen und die Reproduktion der Geschlechterverhältnisse verstehen und erklären zu können.[2]

4. Entstehung patriarchaler Strukturen

Die Ursprünge patriarchalischer gesellschaftlicher Strukturen sind umstritten und nicht eindeutig belegbar. Forschungsergebnisse verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen (z.B. Geologie, Archäologie, Neurobiologie, Psychologie) legen, unabhängig von einander, nahe, daß das Patriarchat vor ca. 7000 Jahren letztlich als Folge von Klimaveränderungen entstanden ist. Und zwar ist es belegbar, daß relativ feuchte und damit lebensfreundliche Gebiete Nord-Afrikas, des nahen Ostens und Zentralasiens auf Grund von klimatischen Veränderungen langsam austrockneten und von den dort ansässigen und vermutlich in egalitären, friedlichen Verhältnissen lebenden Menschen in der Konsequenz verlassen

wurden. Durch diese Migration, den Zusammenbruch der Umwelt- und Kulturbedingungen, sind wahrscheinlich die Bindungen zwischen Mutter und Kind sowie zwischen Mann und Frau auf traumatisch prägende Weise zerstört worden. Beweisen läßt sich dies aber nicht. Allerdings sind vergleichbare Traumatisierungen dieser Art und daraus resultierende Verhaltensweisen in den Hungergebieten der heutigen dritten Welt zu beobachten.[3]

Auch gibt es die Vermutung, daß es in der historischen Entwicklung prähistorischer Gesellschaften matriarchale, also frauendominierte Gesellschaftsformen als eigenständige Epochen gegeben hat,

zumindest aber geschlechtssymmetrische Gesellschaften, die eine Vorrangstellung der Mutter suggerierten. Diese Annahmen sind jedoch umstritten.

Gerda Lerner kam nach einer umfassenden Studie historischer Befunde zu dem vorläufigen Schluß, daß sich zwar im Neolithikum und im Bronzezeitalter alternative Sozialmodelle zur Männerherrschaft nachweisen lassen, man aber nicht von der Verbreitung matriarchaler Sozialorganisationen im Kontext umfassender evolutionärer Veränderungen sprechen kann. Ein weiteres Ergebnis ihrer Untersuchungen ist, daß das Patriarchat, als ein in alle Lebensbereiche durchdringendes Herrschaftssystem, mindestens bis in das dritte Jahrtausend vor Christus zurückreicht. Erkennbar ist dies nach Lerner an einer Veränderung der religiösen Symbolik, insbesondere der Verdrängung weiblicher Gottheiten und der strukturellen Spaltung in "respektable" (an einen Mann gebundene) und "nicht respektable" Frauen. Dabei ist jedoch festzuhalten, daß es Lerner nicht darum ging, männerdominierte Herrschaftssysteme als überzeitliches Phänomen festzulegen, sondern um das Aufzeigen von spezifischen Ursachen der Benachteiligung und Unterdrückung von Frauen unter verschiedenen historischen Bedingungen.

[...]


[1] vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/Patriarchat_%28Soziologie%29

vgl.: http://www.antjeschrupp.de/kleines_lexikon.htm

vgl.: Ruth Becker, Beate Kortendiek (Hrsg.) 2004: 15-16

[2] vgl.: Ruth Becker, Beate Kortendiek (Hrsg.) 2004: 17

vgl.: Sabine Hark (Hrsg.) 2001: 94

[3] vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/Patriarchat_%28Soziologie%29

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Patriarchat - Definition, Entstehung, Erklärungsansätze
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Erziehungswissenschaften)
Veranstaltung
Frauenforschung + Männerforschung = Geschlechterforschung?
Autor
Jahr
2007
Seiten
18
Katalognummer
V114332
ISBN (eBook)
9783640158607
ISBN (Buch)
9783640159673
Dateigröße
414 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Patriarchat, Definition, Entstehung, Erklärungsansätze, Frauenforschung, Männerforschung, Geschlechterforschung
Arbeit zitieren
Moritz Zinkernagel (Autor:in), 2007, Patriarchat - Definition, Entstehung, Erklärungsansätze, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114332

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