Unterdrückung in den Banlieues - Der Versuch einer Anwendung der Klassismustheorie auf die Zentrum-Peripherie-Problematik am Beispiel der französischen Vorstädte


Hausarbeit, 2008

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Klassismus
2.1 Die Theorie des Klassismus
2.2 Dynamiken und Ambivalenzen der klassistischen Ideologie

3. Die Banlieue
3.1 Die Sozialstruktur der Banlieues
3.2 Probleme der wirtschaftlichen und politischen Integration
3.3 Stigmata und Exklusion.

4. Klassismus in der Vorstadtproblematik

5. Fazit

6. Bibliografie

1. Einleitung

Mit der postfordistischen Ära geht ein Strukturwandel einher, der nicht nur den ökonomischen Sektor verändert, sondern auch gesellschaftliche Bereiche betrifft. Dieser Wandel verläuft jedoch nicht unproblematisch, mit den Veränderungen entstehen neue Konfliktfelder. Ein Beispiel hierfür ist die Transformation der Stadt, bei der soziale Entmischung der Stadtviertel und die Herausdrängung aus dem Stadtzentrum sowie die Konzentration schwacher Bevölkerungsgruppen an den Stadtrand forciert wird.

Die dabei wirkenden Ausgrenzungsmechanismen sollen genauer betrachtet werden. Exemplarisch werden die französischen Vorstädte, die Banlieues, untersucht. In Untersuchungen über das amerikanische Ghetto, bei dem die sozial schwachen Gruppen, die sich dort konzentrierten, ausschließlich Schwarze waren, konnte der

Ausgrenzungsmechanismus als Rassismus beschrieben werden. Jedoch fragt sich, ob dieser Ansatz adäquat für die Konflikte und Exklusionsmechanismen1 in den Banlieues ist.

Anstatt der Verwendung einer Theorie des Rassismus soll der relativ neue, aus der amerikanischen Soziologie stammende Ansatz des Klassismus verwendet werden. Aufgrund der Neuartigkeit der Theorie und dem Mangel an verfügbarem Material zu dieser Thematik, wird Chuck Barones Aufsatz „Extending Our Analysis Of Class Oppression. Bringing Classism More Fully Into The Race & Gender Picture“ exemplarisch für die Klassimusanalyse stehen. Dieser wird zu Beginn der Arbeit in seinen Bestandteilen dargelegt.

Des Weiteren wird auf die soziale und politische Situation der BewohnerInnen der Banlieues in ihrem spezifischen nationalen Kontext eingegangen. Dabei wird evident, warum die Situation der Banlieues nicht vergleichbar ist mit der der amerikanischen Ghettos.2 Darauf aufbauend werden die Stigmata und Ausgrenzungsmechanismen, denen die BewohnerInnen unterliegen, aufgezeigt und der Frage nachgegangen, wie sich diese auf das Stadtviertel und die Gesellschaft auswirken.

Zum Schluss soll geprüft werden, inwiefern der Ansatz des Klassismus den Anforderungen eines Theoriekonstruktes zur Analyse der Stigmatisierung und des Konfliktpotenziales in den Banlieues gerecht wird und wo sich Mängel zeigen.

2. Der Klassismus

2.1 Die Theorie des Klassismus

Theorien zur Klasse auf der Basis der Ökonomie und dem Stand des Einzelnen im Produktionsprozess existieren seit Jahrhunderten. Karl Marx läutete mit seinem Werk des Kapitals einen Konflikt mit den liberalen Theoretikern um Adam Smith und David Ricardo ein. Während die Liberalen versuchten, die kapitalistische Produktionsweise zu naturalisieren und als beste, unumstößliche Gesellschaftsordnung zu legitimieren, zeigte Marx, dass die bestehende Wirtschaftsordnung ein gesellschaftliches Produkt ist und keineswegs naturgewachsen.

Dieser Konflikt wird auch durch die Theorie des Klassismus aufgebrochen. Im Gegensatz zu Marx geschieht dies jedoch auf der kulturellen Basis, die sich aus der ökonomischen Basis ableitet. Dabei wird den ArbeiterInnen ihre schlechte gesellschaftliche Stellung und Lebensweise als individuelle Verfehlung unterstellt, die an den Normen der Mittelklasse gemessen werden. Barone schreibt dazu folgendes: „It allows people to rationalize and ignore class oppression, to see and understand the social universe as merely the result of individual interaction, and to view class oppression as “normal“ and a “natural“ part of a secular or divine order (Barone 1998 : 19f.).“

Die Absicht einer Theorie des Klassismus ist das Aufzeigen der gesellschaftlichen Notwendigkeit im Kapitalismus, Klassen entstehen zu lassen und hierarchisch zu ordnen, wobei die untersten Klassen unterdrückt werden. Damit ist die Theorie des Klassismus genuin antikapitalistisch, da sie versucht den ideologischen Schleier zu bekämpfen, der nötig ist um die kapitalistische Produktionsweise zu legitimieren.

Zu Beginn der Darlegung des Ansatzes des Klassismus muss eingegrenzt werden, was Unterdrückung ist. Sie wird von Barone wie folgt definiert: „Oppression can be defined as the

,systematic, institutionalized mistreatment of one group of people by another for whatever reason (Yamato 1995 : 66).‘(Barone 1998 : 7)“

Unterdrückung wird auf drei verschiedenen Ebenen analysiert: Der Makro-, der Meso- und Mikroebene. Die Makroebene manifestiert sich in der Stellung, in der Produktion und Distribution, die die Individuen inne haben. Dies äußert sich zum Beispiel in schlechter,

schwieriger Arbeit unter gefährlichen Bedingungen sowie in Einschränkung oder Verweigerung von politischen Rechten (vgl. Barone 1998 : 8).3 Die Mesoebene, die die Ebene der Interaktion zwischen den Klassen darstellt, schildert die Unterdrückung anhand von negativen Stereotypen und Stigmata, die einer Gruppe aufgrund von Vorurteilen anhaftet. Durch diese Stigmata und Stereotypen wird das Handeln von Angehörigen anderer Klassen zum Negativen hin beeinflusst. Die Mikroebene äußert sich in Form einer Struktur „…,of

rules and social conventions embodied institutions, linguistic convention, unwritten costum, and legal practice (Bowles & Gintis 1996:94)‘. (Barone 1998 : 10)“. Diese Konventionen werden vom Individuum internalisiert und äußern sich in der Denk- und Handlungsweise sowie in der Haltung zur Welt4 (vgl. Barone 1998 : 10).

Um die Bedingungen des Klassismus zu reproduzieren, damit die kapitalistische Produktionsweise aufrechterhalten werden kann, werden einige nicht-ökonomische Institutionen benötigt. Barone sieht sie in Form der Familie, des Rechtssystems, der Schule, des Staates und in anderen gesellschaftlichen Institutionen (vgl. Barone 1998: 13).

Der Kapitalismus bringt nach Barone drei Klassen hervor. Diese können sich durch zwei Machtfaktoren strukturieren: den Besitz an Produktionsmitteln und „Command Positions“. Die oberste Klasse ist die Klasse der Besitzenden oder die Kapitalistenklasse, die sich durch den Besitz und die Kontrolle der Produktionsmittel auszeichnet. Die Mittelklasse konstituiert sich durch den Besitz des Kleingewerbes oder der „Command Positions“ als Manager, Verwalter oder Auszubildendeberufe wie Lehrer oder Dozenten. Die letzte Klasse, die den Großteil der Bevölkerung ausmacht, ist die Arbeiterklasse. Sie zeichnet sich durch den Nichtbesitz beider Machtfaktoren aus.

[...]


1 Zur Problematik des Exklusionsbegriffes siehe Castel 2008

2 Beispielhaft hierfür ist der Aufsatz „Jugendkrawalle und Ethnizität“ von Didier Lapeyronnie (vgl. Lapeyronnie 1998), in dem Stadtviertel in Großbritannien, Frankreich und Amerika gleichgesetzt werden, obwohl es evidente Unterschiede zwischen Frankreich und Amerika im Ausmaß und der Funktion des Drogenhandels gibt. Weitere Beispiele wären der Waffenbesitz der Jugendlichen (vgl. Wacquant 2004b : 172) etc.

3 Als Beispiel für die Einschränkung der politischen Rechte der Arbeiter könnte die Einschränkung des Streikrechtes genannt werden

4 Die Beschreibung ähnelt Pierre Bourdieus Habitustheorie, hat jedoch kein Anwendungsgebiet wie Bourdieus Feld und besitzt somit nur deskriptiven Charakter und ist keine Handlungstheorie

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Unterdrückung in den Banlieues - Der Versuch einer Anwendung der Klassismustheorie auf die Zentrum-Peripherie-Problematik am Beispiel der französischen Vorstädte
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Kritische Theorie und Soziale Frage
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
16
Katalognummer
V114395
ISBN (eBook)
9783640152698
ISBN (Buch)
9783640154791
Dateigröße
458 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Unterdrückung, Banlieues, Versuch, Anwendung, Klassismustheorie, Zentrum-Peripherie-Problematik, Beispiel, Vorstädte, Kritische, Theorie, Soziale, Frage
Arbeit zitieren
André Walter (Autor:in), 2008, Unterdrückung in den Banlieues - Der Versuch einer Anwendung der Klassismustheorie auf die Zentrum-Peripherie-Problematik am Beispiel der französischen Vorstädte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114395

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