Führte die Bildungsexpansion zur Verringerung der Ungleichheit im deutschen Bildungssystem?


Dossier / Travail, 2017

17 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1.) Theorie der Sozialstrukturanalyse

2.) Das deutsche Bildungssystem

3.) Analyse
3.1) Regionale Ungleichheiten
3.2) Geschlechtsspezifische Ungleichheiten
3.3) Ethnische Herkunft
3.4) Soziale Herkunft

4.) Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

In Deutschland sollte durch die Bildungsexpansion einerseits das allgemeine Bildungsniveau und andererseits auch die Chancengleichheit im Bildungssystem zunehmen. Dazu wurde und wird als Leitlinie für Reformen des Bildungssystems das meritokratische Modell angewendet. Dieses soll die Leistungsgerechtigkeit gewährleisten und verfolgt das Prinzip gleiche Bildungschancen für gleiche Leistung bereit zu stellen. Diese Leistungen sind in den Lehrplänen des jeweiligen Bundeslandes definiert.1

Hier stellt sich die Frage: Haben die Bildungsexpansion und die dazugehörigen Reformen, mit dem meritokratischen Modell als Leitlinie zur Verringerung der Ungleichheit im Bildungssystem geführt?

Dieser Frage ist auch der Soziologe und Hochschullehrer Jörg Rössel nachgegangen und beantwortete diese mit Hilfe der Sozialstrukturanalyse. Da seine betrachteten Statistiken nun schon über 10 Jahre alt sind, werde ich anhand von aktuelleren Zahlen die Entwicklung der Ungleichheit im Bildungssystem nachgehen. Dies werde ich auch anhand der Sozialstrukturanalyse vornehmen und diese einleitend theoretisch beschreiben, wichtige Begriffe, wie Sozialstruktur oder soziale Ungleichheit definieren. Dazu wird das Lehrbuch „Sozialstrukturanalyse“ von Jörg Rössel herangezogen. Nach dem theoretischen Teil ist es wichtig eine kurze Darstellung der Struktur des deutschen Bildungssystem anzustellen um Besonderheiten von diesem heraus zu stellen. Im weiteren Verlauf wird die Sozialstrukturanalyse angewendet und aktuelle Statistiken von der Bundeszentrale für politische Bildung2 und dem Statistischen Bundesamt untersucht. Die Ergebnisse aus der Analyse werden im Folgenden mit den Ergebnissen Rössels, die zu einem früheren Zeitpunkt entstanden sind, verglichen. Hierbei werden auf die Schichtzugehörigkeit der Akteure und auf Aspekte der geschlechtsspezifischen, ethnischen und der regionalen Ungleichheit eingegangen. Am Ende wird zusammenfassend dargestellt, ob die Ungleichheit im Bildungssystem durch die Bildungsexpansion und den Reformen erfolgreich entgegen gewirkt wurde und ob seit der Analyse Rössels Veränderungen vorgekommen sind, die belegen, dass die strukturelle soziale Ungleichheit abgebaut wurde. Leider kann ich nur auf wenige Aspekte eingehen und muss die Analyse der Ursachen stark verkürzen, da sonst der Rahmen der Arbeit gesprengt wird.

1.) Theorie der Sozialstrukturanalyse

Die Sozialstrukturanalyse und die Ungleichheitsforschung sind zentrale Themenbereiche der Soziologie. Max Weber beschreibt die Soziologie als „Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will.“3 Aber nicht um das einzelne Individuum, sondern um kollektives bzw. aggregiertes soziales Handeln und dessen Folgen geht es in dieser Wissenschaft. Daher wird die Bedeutung von Sozialstruktur und sozialer Ungleichheit aus dem handlungstheoretischen Kontext hergeleitet.4 Hierzu bedient sich die Sozialstrukturanalyse aus zwei Theorieströmungen. Einerseits die des rationalen Handelns aus der Wirtschaftswissenschaft, die sich den Handlungsentscheidungen von Individuen widmet. Diese beinhaltet erstens, dass das menschliche Handeln motiviert und zielgerichtet ist. Zweitens, dass diese Zielverfolgung der Akteure bestimmten Einschränkungen unterliegt, wie beispielsweise finanziellen Aspekten und drittens wird davon ausgegangen, dass die Handelnden ihren Nutzen maximieren wollen. Andererseits bedient sich die Sozialstrukturanalyse am handlungstheoretischen Bezugsrahmen von Talcott Parsons. Zwar verfolgen die Akteure bei ihm auch Ziele zur Nutzenmaximierung mit bestimmten Mitteln, aber er ist der Meinung, dass sich die Akteure nicht nur an ihren individuellen Zielen orientieren sondern auch an sozialen Normen und kulturellen Werten. Die Individuen sind demnach vorgeprägt durch die kulturellen Werte und Normen ihrer Gesellschaft und durch diese Prägung auch eingeschränkt in ihren Handlungsmitteln. Weiterhin differenziert Parsons bei den Handlungsrestriktionen. Zum einen gibt es die vom Akteur kontrollierten Handlungsmittel und zum anderen die Handlungsbedingungen die gegeben sind.5 Hier zeigt sich, dass die Handlungsfaktoren beider theoretischen Ansätze große Übereinstimmungen aufweisen und die Modelle des Homo Oeconomicus und des Homo Sociologicus sich sehr ähnlich sind. Dennoch fehlt der soziale Aspekt bei beiden theoretischen Ansätzen. Diesen fügt Rössel als vierte zentrale Handlungsdeterminante hinzu, da sich der Akteur auch an anderen Menschen orientiert und mit diesen handelt.

Unter Berücksichtigung der oben genannten Faktoren und angelehnt an einer Definition von Geissler6 kommt Rössel zu seiner Definition von Sozialstruktur: „Unter Sozialstruktur soll die Verteilung der vier zentralen Handlungsdeterminanten (Handlungsziel, Handlungsressourcen, Handlungsrestriktion und Handlungspartner) auf die Bevölkerung der zu untersuchenden Einheit verstanden werden.“7 Damit ist die Sozialstruktur eine handlungstheoretische Grundlage, die das Handeln des Menschen einer Gruppe bestimmt. Aber nicht nur die Sozialstruktur hat Einfluss auf das Handeln des Menschen. Die Sozialstruktur wird auch durch die Handlung des Menschen beeinflusst.

Bei der Definition des Begriffs der sozialen Ungleichheit bedient sich Rössel an der Definition von Hradil8 der, wie auch bei der Ungleichheitsforschung, sich traditionell mit den Handlungsressourcen der Bevölkerung und deren Handlungsbeschränkungen beschäftigt, die zusammen genommen das Maß an Möglichkeiten, das Leben eigenständig zu gestalten, beeinflussen.9 Demnach ist für ihn „Soziale Ungleichheit [...] die sozial erzeugte Verteilung von Handlungsressourcen und Handlungsrestriktionen in der Bevölkerung der untersuchten Einheit.“10 Verbindet man diese Definition und die der handlungstheoretischen Sozialstruktur wird die Relevanz für den Bereich außerhalb der Wissenschaft deutlich, da die Verteilung der Ressourcen und Beschränkungen direkt auf die Handlungsmöglichkeiten der Menschen und somit auf ihre Chancen, ihr Leben eigenständig zu gestalten, wirken.

In dieser Arbeit kann nur eine Ungleichheit und nicht die Ungerechtigkeit festgestellt werden, da beide Begriffe nicht denselben wissenschaftlichen Anspruch besitzen. In der empirischen Wissenschaft kann der Ungleichheitsbegriff definiert werden und somit empirisch verwendet werden. So beispielsweise bei der Messung der Einkommensverteilung, steht diese Berechnung in Abhängigkeit von einer mathematisch definierten Einkommensgleichverteilung steht. Ob die vorherrschende Verteilung oder das Grundeinkommen für alle gerecht ist oder nicht ist eine moralische Wertung, welche aus unterschiedlichen Perspektiven vollzogen werden müsste.11 Weiterhin wäre die Strukturdimension zu konkretisieren. Es wird ein Zeitvergleich vorgenommen für die gesamte Bundesrepublik Deutschland. Auch wird sich die Arbeit, wie in der klassischen Ungleichheitsforschung und bei Rössel auf die vertikale Dimension, also auf die Ober-, Unter- und Mittelschicht konzentrieren. Hinzu kommen aber Aspekte aus der horizontalen Dimension, wie geschlechtsspezifische, ethnische und die regionalen Ungleichheiten. Dies soll verdeutlichen, dass die soziale Ungleichheit nicht nur auf die unterschiedlich verteilten Ressourcen zurückzuführen ist sondern, dass diese stabil ist. Weil die Verteilung von Beschränkungen und Ressourcen nicht nach dem Zufallsprinzip verläuft wird der Begriff strukturierte soziale Ungleichheit verwendet.12

Zuletzt ist das Handlungsmilieu ausschlaggebend für die Akteure, welches die vierte Handlungsdeterminante ausmacht. Das soziale Umfeld ist für alle anderen Handlungsdeterminanten relevant. Durch Interaktion mit Anderen aus dem sozialen Umfeld entstehen die Handlungsziele, Handlungsressourcen, wie Informationen oder Kontakte die einen behilflich sind, die über Netzwerke oder dem sozialen Milieu mobilisiert werden könnten. Handlungspartner können durch ihren Einfluss aber auch Beschränkungen der Handlungsmöglichkeiten eines Akteurs darstellen.13

[...]


1 Hillmert, Bildung, Ausbildung und soziale Ungleichheiten, S. 90.

2 Im weiteren Verlauf als bpb abgekürzt.

3 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 1.

4 Rössel, Sozialstrukturanalyse, S. 13.

5 Ebd. S. 14- 17.

6 Geissler (2006), S. 18-19: „Auf einer abstrakt-formalen Ebene umfasst die Sozialstruktur die Wirkungszusammenhänge in einer mehrdimensionalen Gliederung der Gesamtgesellschaft in unterschiedliche Gruppen nach wichtigen sozial relevanten Merkmalen sowie in den relativ dauerhaften sozialen Beziehungen dieser Gruppen untereinander“.

7 Rössel, Sozialstrukturanalyse, S. 19.

8 Hradil (2001), S. 30: „Soziale Ungleichheit liegt dann vor, wenn Menschen aufgrund ihrer Stellung in sozialen Beziehungsgefügen von den, 'wertvollen Gütern' einer Gesellschaft regelmäßig mehr als andere erhalten“.

9 Rössel, Sozialstrukturanalyse, S. 20.

10 Ebd. S. 20-21.

11 Ebd. S. 21f.

12 Ebd. S. 23f.

13 Rössel, Sozialstrukturanalyse, S. 26.

Fin de l'extrait de 17 pages

Résumé des informations

Titre
Führte die Bildungsexpansion zur Verringerung der Ungleichheit im deutschen Bildungssystem?
Université
Martin Luther University  (Institut für Politikwissenschaft)
Cours
Bildungssystem
Note
2,0
Auteur
Année
2017
Pages
17
N° de catalogue
V1145829
ISBN (ebook)
9783346530851
ISBN (Livre)
9783346530868
Langue
allemand
Mots clés
Bildungssystem, Sozialstrukturanalyse, Ungleichheit, Bildungsungleichheit, Bildungsexpansion, Chancengleichheit, meriotrokatisches Modell
Citation du texte
Armin Frobel (Auteur), 2017, Führte die Bildungsexpansion zur Verringerung der Ungleichheit im deutschen Bildungssystem?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1145829

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