Formen und Folgen der Migration für Portugal

Quem não está bem muda-se


Trabajo de Seminario, 2001

17 Páginas, Calificación: 1,7


Extracto


Gliederung

1. Einleitung

2. Kriterien einer möglichen Kategorisierung von Migration

3. Binnenwanderungsprozesse
3.1 Vorbemerkungen zur Bevölkerungsdichte und -verteilung Portugals
3.2 „Landflucht“ als typischer portugiesischer Binnenwanderungsprozess
3.3 Saisonale Wanderungsbewegungen als Sonderfall

4. Entwicklung und Folgen der Emigration
4.1 Erklärungsansätze für die Emigration aus Portugal und bevorzugte Zielländer
4.2 Herkunft und Probleme der portugiesischen Emigranten
4.3 Demographische, ökonomische und soziale Rückwirkungen auf das Heimatland
4.4 Rückkehr und Reintegration

5. Immigration – Geschichte und Gegenwart
5.1 Die wichtigsten Ursprungsländer in ihrer geschichtliche Entwicklung
5.2 Das Problem der illegalen Immigration
5.3 Immigration und Integration

6. Schlussbemerkungen

1. Einleitung

Als in den 1960er Jahren der portugiesischstämmige Armando Rodriguez als vermeintlich einmillionster Gastarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland eintraf, wurde für ihn in Köln ein offizieller Empfang abgehalten und er wurde mit einem Motorrad als Gastgeschenk willkommen geheißen.[1] Auch wenn es sich hierbei nur zufällig um einen Einwanderer portugiesischer Nationalität handelte, so ist dennoch bemerkenswert, dass während dieser Zeit die portugiesische Auswanderung derart extreme Werte erreichte, dass man in diesem Zusammenhang von einem „nationalen Exodus“[2] sprechen könnte.

Der Ursprung eines anhaltenden Abwanderungsstroms kann nach GODINHO[3] jedoch bereits vor etwa fünf Jahrhunderten mit der Peuplierung Brasiliens und Indiens beobachtet werden. Spontane wie gezielte, staatlich gelenkte Bevölkerungsbewegungen sind somit seit 500 Jahren eine „historische Konstante“[4], die in dem sprichwörtlichen „Quem não está bem muda-se“[5] (Wem es nicht gut geht, der geht fort) Niederschlag gefunden hat. Wie die portugiesische Wochenzeitung Expresso im April 1999 konstatiert, bleibt Portugal auch in der Gegenwart ein Emigrationsland („Portugal continua a ser um país de emigrantes“[6]). So lebten insgesamt etwa 2,5 Millionen Portugiesen im Ausland, wohingegen sich die Zahl der Einwanderer 1997 nur auf 175 283 belief – wenn auch die Tendenz hier steigend ist (1996: 172 912).[7]

In der vorliegenden Arbeit, die im Wesentlichen gegliedert ist in Untersuchungen zu landesinternen Binnenwanderungsprozessen sowie zur portugiesischen Emigrationssituation und zu Aspekten der Immigration mit Portugal als Zielland, sollen wesentliche Charakteristika der portugiesischen Migration im 20. Jahrhundert aufgezeigt werden. Konkret stellt sich also die Frage, welche Formen von Migration in Portugal vorrangig anzutreffen sind und welche Folgen die verschiedenartigen Wanderungsbewegungen für das Land hatten und haben. Hierbei meint der mehrdimensionale Begriff der „Migration“ nach MINTZEL „der Wortbedeutung nach ganz allgemein die räumliche Bewegung von Menschen, das Verlassen des bisherigen Wohnortes / Wohnsitzes und das Aufsuchen eines neuen Wohnsitzes, sei es in kurzer oder großer Entfernung“[8].

2. Kriterien einer möglichen Kategorisierung von Migration

Eine allgemeine, trennscharfe Typologisierung von Migration ist mit zahlreichen Problemen behaftet. Hier sollen lediglich die wichtigsten Kriterien als Grundlage einer Kategorisierung des Phänomens „Migration“ aufgeführt werden.[9]

Während es in einer räumlichen Dimension zunächst darum geht, ob und welche Art von territorialer Grenze überschritten wird (interne und internationale Migration) und wie die Migration gerichtet ist (Zu-, Ein-, Ab- oder Auswanderung), umfasst die zeitliche Dimension die Dauer oder Periodizität der Wanderungsbewegung (saisonale, temporäre, definitive Migration). Der Grad der Freiwilligkeit (freiwillig / erzwungen) und die Motivatoren bzw. Auslösefaktoren (berufliche, familiäre, gesundheitliche, politische, wirtschaftliche, bildungstechnische Motive) sind weitere wesentliche Momente einer Schematisierung. Ferner spielen – insbesondere auch für Portugal – administrative Gesichtspunkte (legale / illegale Wanderungsbewegungen, Flüchtlingsstatus), die wirtschaftliche Aktivität der Migranten (Wirtschaftssektor und Beschäftigungszweig im Ursprungs- wie im Zielland) sowie der Stellenwert im individuellen Lebenslauf („primäre“, „sekundäre“ Migration, Rückwanderung) eine Rolle.

Nicht immer einfach dürfte hierbei beispielsweise die exakte Differenzierung zwischen „temporären“ und „definitiven“ Wanderungsbewegungen sein, so wie prinzipiell eine scharfe Abgrenzung des individuellen „Lebensraums“ im rein geographischen Sinne als problematisch erscheint, dank einer gut ausgebauten Verkehrsinfrastruktur und vor allem dank moderner Kommunikationsmittel, die rein physische bzw. räumliche Entfernung zu relativieren vermögen.

3. Binnenwanderungsprozesse

3.1 Vorbemerkungen zur Bevölkerungsdichte und -verteilung Portugals

Nach der letzten Volkszählung von 1991 wurde für Portugal (Festland mit den Inseln Azoren und Madeira) eine Einwohnerzahl von 9,853 Millionen[10] ausgewiesen.

Bemerkenswert ist jedoch die extrem unterschiedlich starke Besiedlung des Landes. Während die Bevölkerungsdichte des gesamten Staatsgebietes bei durchschnittlich 106,6 Einwohnern pro Quadratkilometer liegt, klafft eine tiefe Kluft zwischen den am dichtesten besiedelten westlichen Küstengebieten, allen voran die Bezirke Lissabon (747,5 Einwohner je km²) und Porto (677,4

Einwohner je km²), und den südlichen Bezirken Beja, Portalegre und Évora mit den niedrigsten Bevölkerungsdichten von jeweils 16,4, 22,1 und 23,5 Einwohnern pro Quadratkilometer. Die Bezirke des nördlichen, inneren Landteils weisen mittlere Dichtewerte auf. Somit ballen sich im Bezirk Lissabon auf 3 % der Staatsfläche rund 21 % der Bevölkerung sowie im ebenfalls dichtbesiedelten Nordwesten des Landes (Braga, Porto und Aveiro) auf 8,5 % der Gesamtfläche ungefähr 31 % der Bevölkerung, so dass alles in allem auf etwa einem Zehntel der Fläche des Landes, die Hälfte der portugiesischen Bevölkerung lebt.[11]

In dieser Tradition stehen auch die augenfälligen Verschiebungen im Verhältnis von Stadt- zu Landbevölkerung. Der Vergleich der Jahre 1970 und 1990, in denen sich der Anteil der Bevölkerung in Städten von 26,4 % zu 33,6 % bzw. der in ländlichen Gegenden von 73,6 % zu 66,4 % verschoben hat, lässt eine Tendenz zur Land-Stadt-Wanderung deutlich werden. Die Städte Porto und Lissabon verzeichneten in den Jahren 1970 bis 1988 einen Zuwachs an Einwohnern von 8 % respektive 14,3 %.[12] Erhebliche Disparitäten in der demographischen Struktur des Landes, wie man sie beispielsweise in der Altersstruktur findet, sind sowohl das Ergebnis von Mobilität, als auch selbst Anlass zu Wanderungsprozessen, die im Folgenden untersucht werden sollen.

3.2 „Landflucht“ als typischer portugiesischer Binnenwanderungsprozess

Die an dem oben angeführten statistischen Material verdeutlichte Land-Stadt-Wanderung, also die trendmäßig steigende Zuwanderung von Bevölkerung aus den peripheren, ländlichen Gebieten in städtische Ballungsräume („Landflucht“), setzte in Portugal etwa in den 1920er Jahren ein. Zwar wurde in der Zwischenkriegszeit – vor allem während der Weltwirtschaftskrise um 1929 – von staatlicher Seite nicht nur versucht, durch eine Ausweitung von Anbauflächen in den klassischen Weizenanbaugebieten (Distrikte Portalegre, Santarém, Beja und Évora) im Rahmen der sogenannten „Weizenschlacht“ (Campanha do Trigo)[13], eine Produktionssteigerung von Nahrungsmitteln zu erreichen, sondern auch die Landflucht einzudämmen. Betrachtet man jedoch längerfristig etwa den Zeitraum von 1921-1960, so übertraf einerseits die ländliche Abwanderung deutlich die städtische Abwanderung (93,6 % : 6,4 %) bzw. andererseits, unter Ausschluss des Auslandes, die städtische Zuwanderung deutlich die ländliche Zuwanderung (89,2 % : 10,8 %).[14]

Weiterhin geht eine anfängliche, ausgeprägte Disparität zwischen Nord- und Südportugal, mit einer negativen Wanderungsbilanz auf der einen Seite (schwerpunktmäßig im Raum Guarda und Viseu) und einem positiven Wanderungssaldo andererseits, im Zeitraum 1941-50 über in einen westöstlichen Kontrast[15], das heißt es kommt zu einer deutlichen Favorisierung der Küstengebiete, mit den prononciertesten Zuwanderungsraten in den städtischen Bezirken Lissabon und Porto. Auch hier lässt sich die wachsende Bedeutung der Städte zuungunsten der ländlichen Gebiete ablesen. Ferner tritt jedoch ein zunehmender Bedeutungsverlust des Binnenraums hinzu, so dass man fast von einer „Entleerung des Hinterlandes“[16] oder von einem „demographischen Zusammenbruch des Binnenlandes“[17] sprechen kann, das hierauf gelegentlich als „portugiesische Wüste“ (o deserto português)[18] bezeichnet wurde. Durch die stark expandierende Landflucht wurde in den 50er Jahren insbesondere das Landesinnere fast durchgängig vom auftretenden Bevölkerungsrückgang berührt.

Die stark unausgewogene Bevölkerungsverteilung wurde durch eine großräumige Abwanderung ins Ausland noch unterstrichen. So erstreckten sich die Wanderungsverluste um 1970 fast über das ganze Land. Erst ein mit der Nelkenrevolution einsetzender rückläufiger Emigrationsstrom gepaart mit der großen Anzahl aus den ehemaligen Kolonien einwandernder retornados ergaben eine kurzfristig veränderte Wanderungsbilanz mit einem unterschiedlichen Gesamtbild, auf das weiter unten im Zusammenhang mit Emigration und Immigration eingegangen werden soll.

3.3 Saisonale Wanderungsbewegungen als Sonderfall

Im Widerspruch zur Landflucht scheint die teilweise Aufsiedlung des agrarisch geprägten Südens zu stehen, die jedoch zeitlich begrenzt und quantitativ relativ unbedeutend ist. Es handelt sich hierbei vor allem um landwirtschaftliche Saisonkräfte, die etwa bis in die 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts ihre Dienste vorrangig als Wanderarbeiter bei Erntearbeiten in den Latifundiengebieten des Alentejo anboten – eine Form der Saisonarbeit, die jedoch mit zunehmender Mechanisierung nach und nach obsolet wurde. Im Bereich solch eher kurzweiliger Wanderungen, die sich zudem mit zunehmender Attraktivität des Bausektors erneut auf Verdichtungsräume, wie etwa den um Lissabon / Setúbal, zu konzentrieren begannen, vollzog sich ein grundlegender Wandel. Schließlich ist außerdem die Wahrscheinlichkeit groß, dass aus dieser Form von Saisonarbeit mit originärer stetiger Rückwanderung häufig eine endgültige Ansiedlung resultierte.[19]

[...]


[1] Vgl. Fassmann, Münz 1994, S. 3.

[2] Ritter, Ruppert, Storck 1988, S. 198.

[3] Vgl. Godinho 1978, S. 7.

[4] Silva-Brummel 1987, S. 23.

[5] Weber 1980, S. 228.

[6] Expresso 1999a.

[7] Vgl. Expresso 1999b.

[8] Mintzel 1997, S. 98.

[9] Hierbei folgt die Darstellung Peixoto 1993, S. 278-280 sowie Mintzel 1997, S. 99.

[10] Die hier genannten Zahlen sind Werte des Jahres 1991 (Volkszählung vom 15. April 1991); Quelle: Statistisches Bundesamt 1994, S. 27-34. [Zum Zeitpunkt der Anfertigung der vorliegenden Arbeit befand sich die Volkszählung 2001 mit der Einholung der Fragebögen in der zweiten Phase des Zählvorgangs (12. März bis Ende April 2001) – vgl. http://www.ine.pt/censos2001.]

[11] Vgl. Statistisches Bundesamt 1994, S. 32.

[12] Vgl. ib., S. 33.

[13] Zur „Weizenschlacht“ vgl. Weber 1980, S. 221f. sowie Ritter, Ruppert, Storck 1988, S. 200.

[14] Vgl. hierzu Weber 1980, S. 223.

[15] Zur regionalen Differenzierung Portugals (vertikale Achse Küste-Landesinneres und horizontale Achse Nord- Süd) vgl. Peixoto 1996, S. 263.

[16] Weber 1980, S. 227.

[17] Freund ²1981, S. 31.

[18] ib., S. 36.

[19] Vgl. Weber 1980, S. 227-228.

Final del extracto de 17 páginas

Detalles

Título
Formen und Folgen der Migration für Portugal
Subtítulo
Quem não está bem muda-se
Universidad
University of Passau  (Lehrstuhl für Soziologie)
Curso
Proseminar "Einführung in den europäischen Gesellschaftsvergleich"
Calificación
1,7
Autor
Año
2001
Páginas
17
No. de catálogo
V114589
ISBN (Ebook)
9783640153367
ISBN (Libro)
9783640155118
Tamaño de fichero
520 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Formen, Folgen, Migration, Portugal, Proseminar, Einführung, Gesellschaftsvergleich
Citar trabajo
Thomas Strobel (Autor), 2001, Formen und Folgen der Migration für Portugal, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114589

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