Programmatik der Lega Nord


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2001

17 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Vorbemerkungen

2. Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Lega Nord
2.1 Lega Lombarda und Liga Veneta – von den Legen zur Lega Nord
2.2 Die Lega Nord zwischen Protest- und Regierungspartei

3. Anmerkungen zur Rhetorik der Lega

4. Ziele der Lega Nord
4.1 Die Lega auf der Suche nach Identität und Differenzqualität
4.2 Der Regionalismus der Lega
4.3 Zwischen Autonomismus, Föderalismus und Separatismus
4.4 Das Europa-Konzept der Lega

5. Erklärungsversuche für den Erfolg des „Leghismo“

6. Zusammenfassung und Ausblick

1. Vorbemerkungen

„Die italienische Lega Nord will „ein Europa der 100 Flaggen bauen“. (...) Die Lega kämpft für ein den gesamten Norden Italiens einschließendes unabhängiges „Padanien“. Das fiktive Land beschlagnahmt ein halbes Dutzend nach eigener Autonomie strebende Kleinstaaten. Das Aostatal, Trentin, Veneto mit der Hauptstadt Venedig, Piemont, Friaul, die Emilia-Romagna.“[1]

„Il Senatur: „Attenti, la Lega ce l’ha ancora duro...“[2]

Mit dem jüngsten Erfolg des durch den Unternehmer und Medienzaren Silvio Berlusconi angeleiteten Wahlbündnisses „Polo delle Libertà“ bei den italienischen Parlamentswahlen vom März 2001, ist die regionalistische bzw. separatistische Lega Nord wieder verstärkt in den Mittelpunkt des italienischen wie internationalen Diskurses gerückt. Nach einem bereits im Jahre 1994 binnen neun Monaten gescheiterten Versuch, muss nun erneut die Frage nach der Fähigkeit einer ursprünglich stark lokal beschränkten Partei, auf nationaler Ebene Regierungs- verantwortung zu übernehmen, gestellt werden.

Nach einer knappen Darstellung der Genese der Lega Nord, soll in der vorliegenden Arbeit zur Sprache kommen, weshalb man von einem „Padanien” lediglich unter Anführungsstrichen sprechen kann. Ferner gilt es, die in obigem Zitat ebenfalls zum Ausdruck kommende, bisweilen dezidiert polemische bis vulgäre Ausdrucksweise des charismatischen Parteiführers der Lega Nord, Umberto Bossi, für weitere Untersuchungen heranzuziehen.

Die Arbeit soll geleitet werden durch die Frage: Was will die Lega Nord? Verfolgt sie überhaupt ein differenziertes Programm oder ist sie als reine Protestbewegung zu sehen? In diesem Zusammenhang sollen unter anderem die durch die Parteispitze situativ variabel eingesetzten Begriffe Autonomie, Föderalismus und Sezession herausgearbeitet werden, welche im Zentrum der Programmatik der Lega Nord stehen.

Abschließend sollen mögliche Gründe für den Erfolg der Lega Nord angeführt werden.

Die Beiträge zum „Leghismo“ und zur Lega Nord sind mittlerweile sowohl im Bereich der selbständigen als auch der unselbständigen Veröffentlichungen zahlreich. Besonders hervorzuheben wären hier auf dem deutschsprachigen Gebiet die Publikationen von Frida Bordon (1997) und Antonia Gohr (2001), die beide eine umfassende Gesamtdarstellung des Phänomens liefern. Unter den italienischen Forschern tritt vor allem Ilvo Diamanti (1993, 1994, 1996) hervor. Auch einschlägige Fachzeitschriften setzen sich insbesondere seit dem endgültigen Zusammenbruch des italienischen Parteiensystems im Jahre 1994 eingehend mit der Problematik auseinander. Themenrelevante Beiträge fanden sich vor allem in Aus Politik und Zeitgeschichte, in der Politischen Vierteljahresschrift sowie in Party Politics und West European Politics.

2. Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Lega Nord

Als Hauptgründe für einen spezifisch durch den Norden Italiens ausgeübten, bis zu separatistischen Tendenzen[3] reichenden regionalistischen Druck sind zunächst regionaler Stolz (der fundamentale Identitätsgegensatz zwischen paese (Dorf) und Paese (Land) fand keine Auflösung), Verärgerung über die Ineffizienz des zentralistischen Roms („Roma ladrona“), Distanzierung vom korrupten Süden sowie latent vorhandener Rassismus anzuführen.[4]

Wie aber kondensierte sich aus dieser Haltung von Ablehnung und Angst eine politische Bewegung bzw. Partei, welche insbesondere die durch die Krise der katholischen Kultur entstandene Leere und Unzufriedenheit sowie lokalistische bzw. anti-zentralistische Positionen auszunutzen in der Lage ist?

2.1 Lega Lombarda und Liga Veneta – von den Legen zur Lega Nord

Als sich zu Beginn der 80er Jahre auf lokaler Ebene zunächst in Venetien, im Friaul, in der Lombardei und in Piemont die sogenannten „Leghe“ (Bünde) bilden, dominieren vor allem die bereits 1979 entstandene Liga Veneta und die 1984 gegründete Lega Lombarda das Feld dieser für die Folgejahre sehr bedeutenden politischen Innovation.[5] Sie stellen einen Kanal für die Unzufriedenheit aufsteigender gesellschaftlicher Schichten dar und stützen sich auf den Staat und den Süden als Hauptzielscheibe sozialer Intoleranz. Ethno-regionalistische Momente stehen im Vordergrund dieser ersten Phase. Es sind vor allem der Aufstieg der Lega Lombarda und die sich schrittweise manifestierende Führerschaft Umberto Bossis, die ab 1987 die weitere Entwicklung der Bewegung entscheidend bestimmen sollen. So rückt Bossi zu dieser Zeit die Begriffe des Territoriums und der Identität in den Mittelpunkt des Interesses, was sich nicht nur gegen Süditalien, sondern nunmehr verstärkt gegen das Phänomen der Immigration richtet. Letztere stellt er als soziale und kulturelle Bedrohung heraus.[6]

Als es am 22.11.1989 zum Zusammenschluss der norditalienischen Legen kommt, wird deren Erfolg hauptsächlich durch die zu jener Zeit zum Verständnis des Phänomens unfähigen traditionellen politischen Kräfte bekräftigt sowie durch die sukzessive Auflösung des sozialistischen Länderblocks mit einer damit verbundenen grundlegenden politischen Neuorientierung nach dem Bruch mit der Ordnung des ehemals durch den Kalten Krieg fest zementierten Gegensatzes zwischen Democrazia Cristiana (DC) einerseits und Partito Comunista Italiano (PCI) andererseits. Zwischen den Jahren 1989 und 1994 wurde in Italien eine politische Klasse abgelöst.[7]

Eine weitere Ausweitung der Wählerschaft erfährt die Lega, als die traditionellen Parteien 1992 durch die Aufdeckung der Korruptionsaffären (Tangentopoli[8]) Identität und soziale Legitimation verlieren. Daraufhin definiert diese ihr politisches Angebot neu und beginnt eher sezessionistische denn föderalistische Ziele zu verfolgen. Die Zeit, in der Intoleranz und Misstrauen gegenüber den italienischen Institutionen wachsen, ist günstig, um dem traditionellen politischen System, der partitocrazia[9] und dem Zentralismus den Kampf anzusagen.[10]

2.2 Die Lega Nord zwischen Protest- und Regierungspartei

Nach dem Wahlerfolg von 1992 und im Zuge des fortschreitend die Legitimität der politischen Parteien und Institutionen des Staates schwächenden Zerfalls des politischen Systems Italiens wandelt die Lega ihren strikten Konfliktkurs mit dem bestehenden System und versucht sich als Erneuerer der Institutionen zu profilieren. Hierzu mäßigt sie ihre antipolitische und antiparteiliche Polemik. Zunächst verzeichnet die Lega nicht zuletzt aufgrund dieses strategischen Wandels deutliche Erfolge bei den Kommunalwahlen vom Juni 1993, bei denen sie sich in einigen nördlichen Provinzhauptstädten etablieren kann. Außerdem gelingt es ihr, mit ihrem Kandidaten Marco Formentini Mailand, die symbolische Hauptstadt des produzierenden Nordens, zu erobern und besetzt dort das direkt gewählte Bürgermeisteramt.[11]

Ende des Jahres 1993 erfährt die Lega jedoch einen ersten Wendepunkt hinsichtlich ihres lang andauernden, kontinuierlichen Aufstiegs. Faktoren, die ehemals zum Erfolg beitrugen, erweisen sich nun als Grenze und Hemmschuh. So wird aus der stolzen Isolierung und Einsamkeit der Lega gegenüber anderer Parteien, bedingt durch ihre provokative Rhetorik, ihre territorial auf Norditalien beschränkte Identität per definitionem und ein auf Koalitionsfähigkeit basierendes Mehrheitswahlsystem, eine uneinträgliche und wenig erfolgversprechende Tugend. Sie ist gezwungen, ihre klassischen Strategien zu überdenken und nach verbündeten Koalitionspartnern zu suchen. Die neue, unverwurzelte Forza Italia bietet hierfür auch aufgrund einer durch Silvio Berlusconi garantierten Medienpräsenz einen aussichtsreichen Partner. Jedoch werden die Kosten dieses Bündnisses mit dem Protagonisten Berlusconi bald sichtbar. Könnte man die Lega als „la rivolta“ bezeichnen, so stellt Berlusconi für viele Wähler „la quiete dopo la rivolta“[12] dar, die Ruhe nach dem Sturm, und ist somit eine essentielle Erweiterung des politischen Angebots. Die infolge der Parlamentswahlen von 1994 gebildete gemeinsame Regierung des Bündnisses aus Forza Italia, Alleanza Nazionale und Lega Nord, verlässt die Lega schon nach nur neun Monaten.[13] Sie verzeichnet fortan hohe Wahlverluste und wird im Zuge eines Konzentrationsprozesses auf ihr ursprüngliches, traditionelles Hinterland zurückgedrängt. Es beginnt ein Rückschritt oder gar eine Flucht in ihre Vergangenheit als eine Protestbewegung, zurück zu den Wurzeln des Nord-Protestes. Die Lega sucht schließlich in einer Radikalisierung, die im Sezessionsgedanken gipfelt, neue Differenzqualitäten und Profilierungsmöglichkeiten, nachdem ihr Berlusconis Forza Italia den gemäßigteren Wähleranteil entzogen und somit das „Monopol des Anti-Parteienprotestes“[14] streitig gemacht hat. Sie ist nun nicht mehr alleinige Vertreterin von Unzufriedenheit und Parteienverdrossenheit. So vollzieht sie schließlich nach dem Übergang von einer Protestpartei zu einer Regierungspartei einen erneuten Wandel zur Protestbewegung.[15] Im Jahre 2001 sollte sich die Lega jedoch wiederum mit der Regierungsverantwortung konfrontiert sehen.

[...]


[1] Luyken, Reiner, Schafft zwei, drei, viele Staaten. Schotten, Basken, Okzitanier... Europas Sezessionisten arbeiten an der EU der 61. Eine Vision, in: Die Zeit (15.03.2001).

[2] So Umberto Bossi nach dem Wahlerfolg Silvio Berlusconis vom 13. Mai 2001. Zitat aus Passalacqua, Guido, Bossi prenota la Camera. “Quella poltrona spetta a noi”, in: La Repubblica (16.05.2001). “Der Senatur: ‘Achtung, die Lega hat noch immer einen stehen…’” (Ü. d. Verf.)

[3] Es sei in diesem Zusammenhang auf die hierzu diametralen separatistischen Tendenzen des Südens im Jahre 1945 hingewiesen. Bemerkenswert ist, dass sich der Norden zu jenem Zeitpunkt eher national präsentierte. Vgl. auch die Diskussion um den Wandel von der sogenannten „questione meridionale“ (Südfrage) zur „questione settentrionale“ (Nordfrage), wie beispielsweise bei Braun 1999, S. 17 ff., in dessen Kontext auch das dort angeführte von Cafagna ausgesprochene Paradox zu sehen ist: „Je näher sich die Italiener des Nordens und des Südens objektiv kommen, desto mehr entdecken sie subjektiv das Trennenende“.

[4] Vgl. u.a. Putnam 1993, S. 61 f.

[5] Vgl. Brütting 1997, S. 449 f.

[6] Vgl. hierzu Diamanti 1994, S. 671 f.

[7] Vgl. Kammerer 1999, S. 12.

[8] Aufgrund von weitreichender Staatsskepsis als Teil der politischen Kultur Italiens, wurde das flächendeckende mafiotische Bestechungssystem in und zwischen Wirtschaft und Politik lange Zeit nahezu akzeptiert, bis 1992 Mailänder Untersuchungsrichter zahlreiche Schmiergeldaffären von Parteien und Politikern aufzudecken begannen (Mani pulite); vgl. hierzu Brütting 1997, S. 799.

[9] Parteienherrschaft, “Monopolisierung und Mißbrauch politischer Macht durch die Parteien bzw. die Parteizentralen“, s. hierzu näher Brütting, S. 564.

[10] Vgl. Diamanti 1994, S. 673.

[11] Vgl. ibd., S. 674.

[12] Ibd., S. 674 f.

[13] Vgl. Beuttler / Gehlhoff, S. 5.

[14] Braun 1999, S. 21.

[15] Vgl. Morlino 1996, S. 15 f.

Fin de l'extrait de 17 pages

Résumé des informations

Titre
Programmatik der Lega Nord
Université
University of Passau  (Lehrstuhl für Politikwissenschaft I)
Cours
Grundkurs "Einführung in das Studium der politischen Systeme"
Note
1,3
Auteur
Année
2001
Pages
17
N° de catalogue
V114591
ISBN (ebook)
9783640153381
ISBN (Livre)
9783640155132
Taille d'un fichier
533 KB
Langue
allemand
Mots clés
Programmatik, Lega, Nord, Grundkurs, Einführung, Studium, Systeme
Citation du texte
Thomas Strobel (Auteur), 2001, Programmatik der Lega Nord, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114591

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